| Titel: | Ueber Blutlaugensalz-Fabrication; von G. E. Habich in Kassel. | 
| Autor: | G. E. Habich | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. LXXXVIII., S. 371 | 
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                        LXXXVIII.
                        Ueber Blutlaugensalz-Fabrication; von
                           									G. E. Habich in
                           								Kassel.
                        Habich über Blutlaugensalz-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Es gibt keine chemischen Fabricationen, bei denen das praktische Ergebniß so sehr
                              									hinter den theoretischen Voraussetzungen zurückbleibt, als beim Blutlaugensalz. Der
                              									Stickstoffgehalt des krystallisirten Blutlaugensalzes beträgt 19,9 Procent, den
                              									Stickstoffgehalt der meistens zur Verarbeitung kommenden Hornabfälle wollen wir (mit
                              										Nöllner) zu mindestens 10 Procent annehmen. Es müßten
                              									sonach aus je 100 Pfd. Hornabfall etwa 50 Pfund Blutlaugensalz producirt werden
                              									können. Und doch werden sich nur wenige Fabriken einer Ausbeute von etwas mehr als
                              									20 Pfund rühmen können, während andere nicht über 15 Pfund hinaus gekommen sind. Da
                              									nun heut zu Tage überall da, wo der Stickstoff zu Markte steht, auch die Landwirthschaft Nachfrage hält, und deßhalb die
                              									Preise desselben wohl im Steigen bleiben werden (so lange man sich den
                              									atmosphärischen Stickstoff nicht besser dienstbar gemacht hat): so wird es nicht
                              									schaden, wenn wir einmal auf einige Quellen zurückkommen, denen diese
                              									Stickstoffverluste entspringen.
                           Wir haben hauptsächlich zwei derselben ins Auge zu fassen: die schlechte Construction der Schmelzöfen und den Wassergehalt der Rohmaterialien. Es ist aber ein Leichtes, heut zu Tage
                              									gegen beide Uebelstände anzukämpfen.
                           Was den Schmelzofen anlangt, so ist dessen Einrichtung so
                              									zu bewerkstelligen, daß die intensivste Hitze im
                              									Schmelzraume entwickelt wird. Je höher die dort herrschende
                                 										Temperatur, je kürzer also die Schmelzzeit für eine Operation ist: um so geringer der Stickstoffverlust und um so besser die
                              									Ausbeute. Es versteht sich von selbst, daß man die Operation genau überwacht und
                              									beendigt, sobald die Verflüchtigung des Cyankalium beginnt.
                           Bei der Construction eines solchen Ofens hat man zwei Rücksichten zu nehmen: –
                              									die eine gebietet die vollständigste Verbrennung des
                                 										Brennmaterials, um möglichst große Wärmemengen disponibel zu machen,
                              									– die andere erheischt vollständigste Ausnutzung des
                                 										disponibeln Wärmestoffs an dem Orte, wo man ihn gerade braucht.
                           Der ersten Anforderung entsprechen nun am vollständigsten die von Dr. Ludwig Gall in Trier
                              									construirten und bereits in mehreren deutschen Staaten patentirten rauchverzehrenden Oefen. Ich muß mich dabei auf des genannten, rühmlichst
                              									bekannten Technologen „Beschreibung der rauchverzehrenden
                                 										Dampfkesselöfen,“ welche im 4ten Hefte seiner „praktischen
                                 										Mittheilungen“ (Trier, Verlag von Gall)
                              									enthalten, aber auch als vervollständigter Separat-Abdruck erschienen ist,
                              									beziehen. Nur soviel will ich bemerken, daß im Allgemeinen bei diesen Oefen auch das schlechteste Brennmaterial verwendet werden kann, wobei aus der Mündung
                              									des Schornsteins kein sichtbarer Rauch entweicht,
                              									– daß der Schornstein nicht höher als das Dach des
                              									Hauses zu seyn braucht, – daß die Wände der Feuerung ganz kalt bleiben, also von einem Wärmeverluste durchs Mauerwerk kaum mehr
                              									die Rede seyn kann.Hr. Gall hat seine
                                    											durch Patente erworbenen Rechte für Oesterreich
                                    											an den Techniker Louis Walkhoff zu Wien
                                    											(Leimgrube, am Glacis Nr. 16), für Baden an die
                                    											Maschinenfabrikanten A. Strecker Söhne in
                                    											Mannheim, für Hannover an den Techniker Grütter zu Genstendorf, für Sachsen an den Techniker Wieck
                                    											(Herausgeber der deutschen Gewerbezeitung) zu Leipzig, für Württemberg an den Civil-Ingenieur
                                    												Flor
                                    											jun. zu Cannstatt bei Stuttgart u.s.w.
                                    											abgetreten.
                              								
                           Für unsern speciellen Fall wird es immer am zweckmäßigsten
                              									seyn, die Feuerung ziemlich tief zu legen und mit der einen Seite des fünfeckigen Querschnittes an den Schmelzraum anzulehnen.
                              									Der Feuerraum enthält vier Roste und der Feuerschlot wird mit einem nach dem
                              									Schmelzraume ansteigenden Gewölbe geschlossen.
                           Um der zweiten Anforderung zu genügen, haben wir also dafür zu sorgen, daß die
                              									vorhandenen Wärmemengen mit den dargebotenen Rohstoffen in möglichst vielfache
                              									Berührung kommen und so die Schmelzzeit auf das Minimum reduciren. Zu dem Ende hat
                              									man die angemessen dicke gußeiserne Schmelzschale mit einer Rippe unter dem Boden zu
                              									versehen, wodurch der Raum unter der eingemauerten Schale
                              									in zwei Kammern getheilt wird. Das Mauerwerk wird so aufgeführt, daß die Flammenzüge
                              									aus dem Feuerschlot des Gall'schen Ofens über die beschickte Schmelzschale hinweg in die eine
                              									Kammer unter der Schale und von dieser durch die andere Kammer in den mit einem tief liegenden
                              									Fuchs versehenen Schornstein abgeführt werden.
                           Die Oeffnung zum Eintragen der Schmelzmaterialien hat man mit einer gut schließenden
                              									Thür von Gußeisen, welche, wie die Gall'schen Heizthüren,
                              										doppelwandig ist, zu versehen, die nicht ohne Noth
                              									geöffnet werden darf. Während des Eintragens und Unterrührens wird der Feuerschlot
                              									durch einen Schieber ganz oder zum Theil geschlossen, um ein Verstauben des gröblich
                              									pulverisirten Horns zu verhüten. Nach dem Eintragen wird der Schieber sofort wieder
                              									geöffnet und bei verschlossenem Mundloch die rasch
                              									erfolgende vollständige Schmelzung des Gemisches abgewartet.
                           Was den zweiten Punkt, die möglichste Austrocknung der
                              									stickstoffhaltigen Substanzen anbetrifft, so läßt sich ein solches beim Hornabfall
                              									am besten dadurch herbeiführen, daß man das Material kurze Zeit hindurch der
                              									Einwirkung von gespannten und überheizten Wasserdämpfen aussetzt. Es geht dabei eine
                              									eigenthümliche Veränderung in der Hornsubstanz vor sich; – sie wird leicht zerreiblich, sobald die Temperatur soweit
                              									gesteigert ist, daß die Ammoniakentwickelung beginnt. Bei
                              									diesem Punkte beendigt man natürlich die Operation, pulverisirt die etwas bräunliche
                              									Hornstubstanz und trocknet das Pulver scharf aus.
                           So weit über die Quellen der Stickstoffverluste. Ich benutze die Gelegenheit, um den
                              									Blutlaugensalz-Fabrikanten noch eine andere Operation anzuempfehlen, mit der
                              									sie sich rasch befreunden werden. Es ist die Anwendung des Spatheisensteins zum
                              									Entschwefeln der Mutterlaugen oder aber der Zusatz desselben gleich beim Auflösen
                              									der Schmelzen. Ich habe im Vorhergehenden (S. 370) schon auf die Verwendung dieses
                              									verbreiteten Gesteins zu dem erwähnten Zwecke aufmerksam gemacht. Für unsern Fall
                              									haben wir aber wohl zu unterscheiden, ob man sich dieses Mittels gleich zu Anfang
                              									beim Auflösen oder bloß zur Reinigung der Mutterlaugen bedient. Im letztern Falle
                              									bedarf es keiner besondern Vorsichtsmaßregeln, während einer Auflösung von
                              									Blutlaugenfalz durch mögliche Verunreinigung des Spatheisensteins Nachtheile
                              									erwachsen können. Die Sache verhält sich folgendermaßen:
                           Der Spatheisenstein ist in der Regel gemengt mit kohlensaurem Kalk und kohlensaurer
                              									Bittererde. Beide Erdsalze aber bilden mit Blutlaugensalz sehr schwer lösliche
                              									Verbindungen von Cyaneisenkaliumcalcium und Cyaneisenkaliummagnium. Setzen wir also
                              									den Spatheisenstein gleich beim Auflösen der Schmelzen zu – und das ist ein
                              									vortreffliches Verfahren, um gleich möglichst reine Krystall-Anschüsse zu
                              									erhalten, – so hat man diese schädlichen Beimengungen des Spatheisensteins zu
                              									beseitigen. Und das geschieht auf folgende Weise. Das fein gemahlene Mineral wird so
                              									lange mit einer Auflösung von Eisenchlorid (die man sich durch Digestion der
                              									käuflichen eisenhaltigen Salzsäure mit Eisenoxyden, Rotheisenstein oder
                              									Brauneisenstein, leicht bereitet) versetzt, bis eine nach mehreren Stunden
                              									abfiltrirte Probe der überstehenden Flüssigkeit durch einen Tropfen einer
                              									Blutlaugensalz-Lösung blau gefällt wird. Man
                              									wäscht dann mit Wasser so lange aus, bis dasselbe mit Aetzammoniak keine Reaction
                              									mehr zeigt, und hebt dann den Spatheisensteinbrei zum Gebrauche auf. – Es
                              									bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß der Spatheisenstein um so wirksamer für unsern Zweck ist, je mehr
                              										Oxydul derselbe enthält, und daß ein brauner,
                              									verhältnißmäßig viel Oxyd enthaltender Stein als
                              									Entschwefelungsmittel nur wenig Werth hat.
                           Wenn ich hier die Entschwefelung der Laugen anempfehle, so liegt der Grund nicht etwa
                              									in einer Furcht vor Bildung von Schwefelcyankalium, dessen massenhaftes
                              									Vorhandenseyn in solchen Schmelzen von so vielen
                              									Chemikern ohne Grund angenommen wird. Ich habe in Schmelzen, die mit sehr
                              									schwefelreichem Mutterlaugensalze bereitet waren, doch nie entsprechende Quantitäten
                              									von Schwefelcyankalium gefunden; der Gehalt daran schien vielmehr bloß durch den
                              									Schwefelgehalt der Hornsubstanz bedingt zu seyn. Man kann also hieraus schließen,
                              									daß Schwefelkalium mit Cyankalium zusammengeschmolzen kein Schwefelcyankalium bildet. Aber Schwefelkalium, mit
                              									stickstoffhaltiger Kohle zusammengeschmolzen, bildet auch kein
                                 										Cyankalium. Und das ist der Grund, weßhalb ich auf die Beseitigung des
                              									Schwefels Werth lege. Alles Schwefelkalium in den Laugen ist bei der
                              									Wiederverarbeitung derselben unnütz und wird als kostspieliger Ballast mit durch die
                              									Fabrication geschleppt. Die Anwendung des Spatheisensteins dagegen gestaltet dieses
                              									Schwefelkalium sofort in das nutzbare kohlensaure Kali um.