| Titel: | Ueber die fabrikmäßige Darstellung der Cyanverbindungen; von Richard Brunnquell, früher technischem Dirigenten der Blutlaugensalz-Fabrik Hohenkamp bei Bremen. | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. LXXXIX., S. 375 | 
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                        LXXXIX.
                        Ueber die fabrikmäßige Darstellung der
                           								Cyanverbindungen; von Richard
                              									Brunnquell, früher technischem Dirigenten der
                           								Blutlaugensalz-Fabrik Hohenkamp bei Bremen.
                        Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
                                 										Gewerbfleißes in Preußen, 1856, S. 30.
                        Brunquell, über die fabrikmäßige Darstellung.
                        
                     
                        
                           Die Fabrication des Blutlaugensalzes steht, wie hinlänglich bekannt, unter den
                              									verschiedenen Zweigen der chemischen Fabrication auf einer der niedrigsten Stufen;
                              									das bis jetzt allein praktisch ausführbare Verfahren ist in jeder Hinsicht ein
                              									verwerfliches, indem es von vornherein auf die Verwerthung des bei weitem größten
                              									Theils der angewendeten Rohmaterialien in einer Weise verzichtet, daß eine
                              									entschiedene Verbesserung desselben, selbst vom rein theoretischen Standpunkte,
                              									abgeschnitten ist. Es läßt sich allerdings auch voraussagen, daß die Darstellung
                              									eines Körpers, der sich eben so schwierig bildet, als er sich leicht zersetzt, wie
                              									das Cyan, in der Praxis
                              									mit großen Schwierigkeiten verbunden seyn muß. Kein Wunder ist es daher, daß sich
                              									Theoretiker wie Praktiker vielfach mit Verbesserung des alten und Auffindung eines
                              									neuen Verfahrens beschäftigten und in Folge dessen die chemischen Zeitschriften
                              									Mittheilungen und Vorschläge aller Art enthielten, zum Theil auch neue
                              									Verfahrungsarten im größeren Maaßstabe und mit bedeutenden Kosten versucht wurden.
                              									Was die größere Anzahl der ersteren betrifft, so sind sie hauptsächlich nur insofern
                              									zu erwähnen, als durch dieselben am besten die in allen Theilen dieser Fabrication
                              									herrschende Ungewißheit bekundet wird, denn schon die darin obwaltenden vielfachen
                              									directen Widersprüche nehmen der vielleicht schätzenswerthesten Angabe ihre
                              									Bedeutung, wenn man sich nicht überall selbst durch Versuche überzeugen kann, welche
                              									von den streitenden Angaben die rechte ist. So hat denn auch bis jetzt keine der
                              									neuen Darstellungsweisen in die Praxis einzudringen vermocht; selbst die in neuerer
                              									Zeit mit so großen Erwartungen begrüßte Gewinnung der Cyanverbindungen aus dem
                              									Stickstoffe der atmosphärischen Luft ist, nach den großartigsten und kostspieligsten
                              									Versuchen, als praktisch unausführbar aufgegeben worden. Factisch steht die
                              									Fabrication des Blutlaugensalzes, mit Ausnahme einiger untergeordneten
                              									Verbesserungen, auf ihrem ursprünglichen unvollkommenen Standpunkte.
                           Ich wende mich nun ohne Weiteres zu den drei Hauptpunkten der von dem Vereine des
                              									Gewerbfleißes gestellten Aufgabe und zwar zunächst zu der Frage:
                           
                        
                           A. Welches sind die Ursachen der
                                 										geringen Ausbeute bei der jetzt üblichen Darstellungsweise des
                                 										Blutlaugensalzes?
                              								
                           Die Beantwortung der Frage zerfällt in zwei Theile; wir betrachten zuerst die
                              									Ursachen der geringen Ausbeute in Bezug auf die zur Darstellung angewendeten
                              									thierischen Stoffe, sodann rücksichtlich der Menge von Potasche.
                           
                              I. Die Ursachen der geringen
                                    											Ausbeute in Bezug auf die angewendeten thierischen Rohstoffe.
                              Wenn man oft die Behauptung hört: der Ertrag, den die thierischen Rohstoffe
                                 										liefern, sey nur ein geringer Theil von dem, was die Theorie ergibt, so ist
                                 										dabei die falsche Voraussetzung gemacht, daß bei dem jetzt üblichen Verfahren
                                 										aller Stickstoff zur Cyanbildung disponibel sey. Es ist jedoch leicht zu
                                 										beweisen, daß auch die Theorie keine bedeutend größere Ausbeute verspricht, daß
                                 										vielmehr der in der Praxis erreichte Ertrag dem nach der Theorie
                                 										berechneten eben so nahe kommt, als es bei den meisten anderen chemischen
                                 										Fabricationszweigen der Fall ist.
                              Zur Beantwortung der vorliegenden Frage ist es nun zunächst nöthig, die Höhe der
                                 										in der Praxis erreichten und der nach der Theorie möglichen Ausbeute
                                 										festzustellen. Die Ausbeute, welche man aus unverkohlten thierischen Stoffen erhält, beträgt:
                              nach Hoefelmayer und Brückner (in ihrem speciellen Wertchen über diese
                                 										Fabrication): bei Blut 8 Proc., bei Hörn 9–10 Proc.,
                              nach Gentele (polytechn. Journal
                                 											Bd. XCIV S. 197) gegen 16 Proc.,
                              nach einer englischen Mittheilung (im polytechn. Journal Bd. CXXV S. 109) 10–11 1/4
                                 										Proc.
                              Nach Fleck (polytechn. Centralblatt
                                 										1852, S. 257) 11 Proc.
                              als Mittel von 459 Schmelzen, wobei jedoch nicht zu
                                 										übersehen ist, daß letzterer ziemlich 1/3 verkohlte Stoffe anwendete, welche
                                 										durchschnittlich der dreifachen Menge unverkohlter Stoffe gleichkommen. Letztere
                                 										Angabe kann ich übrigens als ganz authentisch bezeichnen, da der mir persönlich
                                 										bekannte Hr. Fleck, früher
                                 										Chemiker an einer bedeutenden Blutlaugensalz-Fabrik, die Freundlichkeit
                                 										hatte, mir die betreffenden Fabrications-Tabellen vorzulegen. Dieselbe
                                 										stimmt auch insoweit mit meinen eigenen Erfahrungen überein, daß ich glaube,
                                 										einen Ertrag von 10 Proc. als eine gute Durchschnittsausbeute bezeichnen zu
                                 										können.
                              Was nun den Ertrag der thierischen Kohle betrifft, so stimmen alle Praktiker
                                 										darin überein, daß thierische Stoffe im Durchschnitte denselben Ertrag geben,
                                 										man möge dieselben vorher verkohlen oder nicht. (Vergleiche hierüber auch Desfosses im polytechn. Journal Bd. XXVIII S. 473 und Gentele ebendas. Bd. XCIV S. 197.) Nach Letzterem
                                 										geben 100 Pfd. thierische Rohstoffe höchstens 16 Proc.; dieselben vorher
                                 										verkohlt nur 13,44 Proc., also allerdings weniger (2,56 Proc.), was aber Gentele, und gewiß zum Theil mit Recht, dem
                                 										leichteren Verstäuben der Kohle beim Eintragen zuschreibt.Dagegen sagt derselbe an einer anderen Stelle im polytechn. Journal Bd. LXI S. 289: Wasserdampf wirkt
                                       												vor Allem nachtheilig, deßhalb geben auch unverkohlte thierische Stoffe
                                       												eher weniger als mehr Blutlaugensalz als verkohlte. Nach andern Angaben würde sich allerdings der Ertrag verkohlter Stoffe
                                 										etwas niedriger stellen, denn da 100 Theile thierische Rohstoffe bei der
                                 										Verkohlung im Großen durchschnittlich gerade 33,3 Proc. Kohle geben (vergl. Fleck; als Mittel von 91 Verkohlungen wurden erhalten
                                 										30,4 Proc., nach Dumas 30 Proc., nach Gentele 42 Proc., während mir meine eigenen Versuche
                                 										bei Horn und Hufen 30,3–31,5 Proc., bei Blut 30 Proc. lieferten), so müßten 100 Theile
                                 										Kohle durchschnittlich dreimal mehr als ein gleiches Gewicht Rohstoffe, also
                                 										3,10 = 30 Proc. geben, während allerdings einige Angaben darüber geringer sind.
                                 										Die Ausbeute beträgt nämlich nach Dumas 23,4 Proc.,
                                 										nach Mitscherlich 17,5 Proc., nach Gentele 32 Proc. – Daß in Wirklichkeit ein
                                 										wesentlicher Unterschied in der Ausbeute nicht stattfinde, lehrt uns auch hier
                                 										die Praxis, indem die Fabrikanten bald verkohlte, bald unverkohlte Stoffe
                                 										anwenden und sich darin nur von Nebenrücksichten, vorzüglich von Verwerthbarkeit
                                 										der Nebenproducte der Verkohlung bestimmen lassen.
                              Zur Feststellung des zweiten Punktes, der theoretisch möglichen Ausbeute, ist
                                 										eine nähere Betrachtung des Processes der Cyanbildung vorauszuschicken. Die
                                 										Bildung des Cyans und seiner Verbindung mit dem Kalium wird ganz allgemein so
                                 										erklärt, daß zunächst durch Einwirkung der Kohle auf die schmelzende Potasche
                                 										Kalium reducirt wird, welches nun die Vereinigung von Kohle und Stickstoff zu
                                 										Cyan veranlaßt und sich mit demselben zu Cyankalium verbindet. Grundbedingung
                                 										ist demnach die Reduction des Kalis zu Kalium, mithin eine so hohe Temperatur,
                                 										daß, bis diese erreicht wird, die Verkohlung der thierischen Stoffe so weit und
                                 										weiter vorgeschritten ist, als sie bei einer absichtlichen Verkohlung getrieben
                                 										wird. Nun hat zwar Liebig in seiner bekannten
                                 										Abhandlung (Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. XXXVIII S. 20, polytechn.
                                 										Journal Bd. LXXXII S. 346) noch auf eine
                                 										andere Bildungsweise des Cyans hingewiesen, welche darauf beruht, daß Ammoniak,
                                 										über glühende Kohle geleitet, Cyanammonium, und dieses dann mit dem kohlensauren
                                 										Kali Cyankalium und kohlensaures Ammoniak gibt (Näheres hierüber siehe im
                                 										letzten Abschnitte unter III.), und diesem Processe ebenfalls eine Rolle bei der
                                 										Blutlaugensalz-Fabrication nach dem jetzigen Verfahren zugeschrieben, was
                                 										theoretisch allerdings zugegeben werden muß. Ein Jeder, der sich überzeugt hat,
                                 										wie unvollkommen diese Bildung, selbst unter den günstigsten Umständen (bei dem
                                 										im letzten Abschnitte unter II. zu beschreibenden Verfahren) vor sich geht, und
                                 										wie ungünstig diese Bedingungen bei der Fabrication des Blutlaugensalzes sind;
                                 										wer einmal mit angesehen hat, wie die Gase beim Eintragen der thierischen
                                 										Rohstoffe in die schmelzende Potasche in großer Menge aus der etwa 4 Zoll
                                 										starken schmelzenden Schicht hervorbrechen, also kaum einen Moment mit derselben
                                 										in Berührung sind; ein Jeder wird meiner Behauptung zustimmen, daß das Product
                                 										dieses Processes kaum hinreichend seyn wird, den durch andere Einwirkungen
                                 										bedingten und auch vom theoretischen Standpunkte nicht wegzuläugnenden Verlust
                                 										an schon gebildetem Cyankalium durch Bildung von cyansaurem Kali und
                                 										Schwefelcyankalium etc. zu decken. Nehmen wir also an, daß sich der Gewinn auf der
                                 										einen und der Verlust auf der andern Seite in der Hauptsache das Gleichgewicht
                                 										halten, so kommen wir zu dem Schlusse, daß auch vom
                                    											theoretischen Standpunkte aus nur derjenige Theil des Stickstoffs der
                                    											thierischen Rohstoffe zur Cyanbildung beitragen könne, der auch bei einer
                                    											Verkohlung derselben zurückbleiben würde. Wir haben daher nur nöthig
                                 										die Menge des letzteren zu bestimmen, um daraus die theoretisch mögliche
                                 										Ausbeute und den bei diesem Processe nothwendig stattfindenden Verlust zu
                                 										berechnen.
                              Ueber den Stickstoffgehalt der thierischen Rohstoffe haben wir folgende
                                 										Angaben:
                              
                                 
                                    
                                    nach Boussingault
                                       												        u. Payen.
                                      nach Nöllner.
                                    
                                 
                                    Horn (frisch u. ungetrocknet)
                                       												enthält     
                                              14,36
                                       												Proc.
                                          10,5 Proc.
                                    
                                 
                                    wollene Lumpen (deßgl.)
                                       												enthalten
                                              15,99  
                                       												„
                                          10,0    
                                       												„
                                    
                                 
                                    Muskelfleisch (lufttrocken)
                                       												enthält
                                              13,37  
                                       												„
                                            
                                       												–       „
                                    
                                 
                                    Leder enthält
                                                9,31  
                                       												„
                                            6,7    
                                       												„
                                    
                                 
                                    Blut enthält
                                                  –      „
                                          15–16  „
                                    
                                 
                              Die Angaben des Letzteren sind wohl im Durchschnitte in Folge der angewendeten
                                 										Methode (mit doppeltweinsaurem Ammoniak) etwas zu niedrig, und ich nehme daher
                                 										mit Fleck den mittleren Stickstoffgehalt der
                                 										thierischen Rohstoffe zu 12 Proc. an. Den Gehalt der thierischen Kohle, über
                                 										welchen die Angaben natürlich noch mehr von einander abweichen, da derselbe
                                 										wesentlich von der Art der Destillation abhängt, setzte ich, als Mittel mehrerer
                                 										Analysen, auf 5,5 Proc.; Fleck setzt denselben zu
                                 										6,67 Proc., jedenfalls ist aber 0,1 Proc. unwesentlich. Es bleibt nun zunächst
                                 										von jenen 12 Proc. nur 5,5 Proc.; da aber 1 Theil thierische Substanz nur 1/3
                                 										thierische Kohle liefert (was sowohl Fleck als Knapp in seinem Lehrbuch der chemischen Technologie
                                 										Bd. II S. 786 übersehen haben), so bleibt nur in Wirklichkeit 5,5/3 = 1,83 Proc.
                                 										Stickstoff, mithin gehen von vornherein 12,0 –
                                 										1,83 = 10,17 Proc. Stickstoff, oder mit andern Worten von
                                    											je 100 Pfd. thierischen Rohmaterialien gegen 85 Pfd. ganz für die
                                    											Cyanbildung verloren. Es sind somit in 100 Pfd. Rohstoffen nicht mehr
                                    											als 1,83 Pfd. verwerthbarer Stickstoff, welche
                                    											nach der Theorie nur 9,2 Pfd. Blutlaugensalz liefern können. Gewinnt
                                 										mithin der Fabrikant durchschnittlich 10 Proc., so muß er schon mit Materialien
                                 										von mehr als gewöhnlicher Güte arbeiten, oder es ist ihm durch geschicktes
                                 										Operiren beim Schmelzen gelungen, etwas mehr Ammoniak in Cyan überzuführen, als zur Deckung der
                                 										erwähnten Verluste nöthig ist. Jedenfalls ist dieses Resultat ein der Theorie
                                 										sehr nahe kommendes.
                              Wenn dagegen der ganze Stickstoffgehalt an der Cyanbildung theilnehmen könnte, so
                                 										würde daraus freilich eine Ausbeute von gegen 60 Proc. resultiren. Es kann dieß
                                 										aber, um es nochmals zu wiederholen, weder in der Praxis annähernd erreicht,
                                 										noch in der Theorie angenommen werden.
                              
                           
                              II. Die Ursachen der geringen
                                    											Ausbeute an Blutlaugensalz in Bezug auf die angewendete
                                    										Potasche.
                              Die Gründe, weßhalb in Bezug auf das zur Fabrication von Blutlaugensalz
                                 										angewendete Gewicht der Potasche das Product an Kalium-Eisencyanür in
                                 										keinem der Theorie entsprechenden Verhältnisse steht, sind mit dem vorstehend
                                 										Erörterten in genauem Zusammenhange. Da nämlich die Menge der auf 100 Theile
                                 										thierischer Stoffe anzuwendenden Potasche innerhalb gewisser Gränzen nicht
                                 										beliebig, man vielmehr (aus noch zu erörternden Gründen) genöthigt ist, eine
                                 										Menge anzuwenden, welche zur Umbildung sämmtlicher 12 Proc. Stickstoff in
                                 										Cyankalium mehr als genügen würde, so muß natürlich, wenn jene 12 Proc. nur zum
                                 										allergeringsten Theile in Cyan umgebildet werden, auch von der Potasche ein um
                                 										so größerer Theil im Ueberschuß bleiben. Nach der Theorie würden 10 Theile
                                 										Blutlaugensalz (erhalten aus 100 Theilen thierischer Stoffe) nicht mehr als 6,53
                                 										kohlensaures Kali, also etwa 8 Theile Potasche bedürfen, während man in der
                                 										Praxis auf 100 Theile der ersteren ebenfalls 100 Theile Potasche, mithin das
                                 										12,5fache nehmen muß, weil bei Anwendung von mehr thierischen Stoffen die
                                 										Schmelze zu schwerflüssig und trocken wird. Ich selbst habe mich durch Versuche
                                 										überzeugt, daß mehr als 120 Proc. thierischer Stoffe gar nicht verarbeitet
                                 										werden können, indem von da ab die Masse vollständig krümlich und bröcklich wird
                                 										und die absolute Ausbringung eher vermindert als vermehrt wird. Auch stimmen
                                 										alle Angaben überein, daß bei unverkohlten Stoffen etwa gleiche Theile, bei
                                 										verkohlten 60–80 Proc. (am besten 65–70 Procent) angewendet werden
                                 										sollen, was, da 70 Theile der letzteren 210 Theile unverkohlter Stoffe
                                 										repräsentiren, allerdings einen Vortheil zu Gunsten der verkohlten ausmacht.
                              Es ist diesem Uebelstande bisher durchaus nicht die gehörige Aufmerksamkeit
                                 										geschenkt worden, indem man sich damit begnügte, daß der größte Theil der
                                 										angewendeten überschüssigen Potasche wiedergewonnen werden könne. Es liegt aber
                                 										auf der Hand, wie unvortheilhaft es ist, immer das 12fache als todten Ballast in Arbeit zu
                                 										nehmen, mit großem Aufwande zu schmelzen, wieder aufzulösen, einzudampfen und zu
                                 										calciniren. Es ist damit ferner ein bedeutender Verlust an Potasche verbunden,
                                 										welcher sich auf beinahe 1/3 der angewendeten Menge beläuft, was am sichersten
                                 										daraus hervorgeht, daß in den meisten Fabriken die Beschickung aus reichlich 2/3
                                 										Mutterlaugensalzen und 1/3 frischer Potasche besteht. Fleck gibt Seite 268 an: 23,3 Kil. Mutterlaugensalz auf 14 Kil.
                                 										Potasche, oder 28 Kil. Mutterlaugensalz und 9,3 Kil. Potasche, ferner Seite 325
                                 										26,4 Mutterlaugensalz und 11 Potasche. Es mußte also eher noch mehr Potasche
                                 										zugegeben werden, obschon diese Schmelzen in verschlossenen Gefäßen erzeugt
                                 										waren. Dieser Verlust erklärt sich, außer den wirklich verbrauchten 8 Procent
                                 										und außer dem eigentlichen Fabricationsverluste durch Verschütten etc., aus der
                                 										Bildung von kieselsaurem Kali, welches zum großen Theile in den kohligen
                                 										Rückstand geht, aus der Verflüchtigung von Kali und Kalium im Flammofen und
                                 										daraus, daß beim Rohkrystallisiren die fremden Salze der Potasche, vorzüglich
                                 										Chlorkalium und Chlornatrium, mit dem Blutlaugensalze auskrystallisiren.
                                 										Berechnet man also den eigentlichen Verlust mit 33,3 – 8 = 25 Procent und
                                 										bedenkt ferner die großen Kosten der Wiedergewinnung der Potasche aus den
                                 										Mutterlaugen bei dem höchst langwierigen Eindampfen dieser stark schäumenden und
                                 										hygroskopischen Laugen, so daß man dieselben für 66,6 Pfd. calcinirtes
                                 										Mutterlaugensalz mindestens einem weiteren Verluste von 5 Procent Potasche
                                 										gleichsetzen kann, rechnet endlich den Gesammtverlust = 25 + 5 = 30 Pfd.
                                 										Potasche mit reichlich 2 Thlr. 13 Sgr. (1 Ctr. à 9 Thlr.), dagegen 100 thierische Stoffe durchschnittlich zu 1
                                 										Thlr. 20 Sgr., so wird man nach diesen durchaus nicht zu hoch genommenen Angaben
                                 										zu dem Schlusse kommen, daß der zweite der eben abgehandelten Punkte: der geringe Procentische Ertrag in Bezug auf die
                                    											angewendete Potasche noch nachtheiligeren Einfluß auf das kaufmännische
                                    											Ergebniß ausübt, als die geringe Ausbeute der theoretischen
                                    											Rohmaterialien, und daß dieser Nachtheil des jetzigen Verfahrens bisher
                                 										noch nicht genügend beachtet wurde.
                              Das Endresultat aus den vorliegenden, wie ich hoffe, erschöpfenden Betrachtungen
                                 										ließe sich in den Worten zusammenfassen: die geringe
                                    											Ausbeute, die uns die Fabrication des Blutlaugensalzes gewährt, ist eine
                                    											nothwendige, unabänderliche Folge des dabei in Anwendung gebrachten
                                    											chemischen Processes. In zweiter Linie folgt daraus: daß ein
                                 										entschieden besseres Resultat nur auf einem anderen, vollkommneren chemischen
                                 										Processe begründet werden könne.
                              
                           
                        
                           
                           
                              B. Welche Substanzen bilden sich bei den verschiedenen
                                 										Processen der Blutlaugensalz-Fabrication nach dem jetzt üblichen
                                 										Verfahren?
                              
                           Im Allgemeinen sind die bei dem Processe der Blutlaugensalzbildung, d.h. bei der
                              									Einwirkung schmelzender kohlensaurer Alkalien auf stickstoffhaltige organische
                              									Substanzen entstehenden Producte hinlänglich erforscht und bekannt; es handelt sich
                              									daher mehr darum, die bei diesem Processe auftretenden Cyanverbindungen einer
                              									nähreren Betrachtung zu unterwerfen. Was die übrigen nicht stickstoffhaltigen dabei
                              									entstehenden Substanzen betrifft, so wird ein kurzer Ueberblick genügen.
                           Sämmtliche in Wirkung tretende Stoffe lassen sich in drei Gruppen theilen:
                           
                              1)in die Bestandtheile der Potasche,
                              2)in die eigentliche thierische Substanz der
                                    											Rohmaterialien,
                              3)in die nicht zu vermeidenden Unreinigkeiten, als: die
                                 										Aschenbestandtheile und anhängenden Unreinigkeiten der thierischen Stoffe,
                                 										Flugasche aus der Feuerung, hineinfallendes Mauerwerk (bei offenen
                                 										Schmelzschalen) etc. Die daraus resultirenden Producte (ebenfalls abgesehen von
                                 										den Cyan- oder überhaupt Stickstoffverbindungen) sind ebenfalls
                                 										dreifacher Art, nämlich: a)die Mutterlaugensalze,b)die ausgelaugten kohligen Rückstände,c)die beim Schmelzen entweichenden gasförmigen
                                          													Producte.
                                 									
                              
                           Die ursprünglichen Substanzen erlitten dabei folgende Veränderungen:
                           Zu 1) Das kohlensaure Kali der Potasche geht (soweit es nicht zur Bildung der
                              									Cyanverbindungen in Anspruch genommen, oder als Kali oder Kalium verflüchtigt wurde)
                              									nebst dem Chlorkalium, kieselsaurem, phosphorsaurem Kali und den entsprechenden
                              									Natronverbindungen unverändert in die Mutterlaugensalze; zum kleineren Theile bildet
                              									es mit den Bestandtheilen der Gruppe 3. schwer lösliche Verbindungen und geht daher
                              									in den kohligen Rückstand. Das schwefelsaure Kali wird zu Schwefelkalium reducirt,
                              									welches einestheils zur Bildung von Schwefelcyankalium und von Schwefeleisen
                              									Veranlassung gibt, anderntheils in die Mutterlaugensalze übergeht und dann
                              									wahrscheinlich beim Calciniren derselben in schwefelsaures Kali zurückgeführt wird,
                              									von dem überdieß ein kleiner Theil der Zersetzung entgeht und nebst dem Chlorkalium mit
                              									den Rohkrystallen des Blutlaugensalzes sich abscheidet.
                           Zu 2.) Die Zersetzungsproducte der thierischen Substanz sind (auch hier wieder vom
                              									Stickstoffgehalte derselben abgesehen) im Allgemeinen dieselben, wie bei der
                              									trockenen Destillation organischer Substanzen, die freilich hier mehr oder weniger
                              									in eine Verbrennung ausartet. Sowie die thierischen Stoffe in die schmelzende
                              									Potasche eingetragen werden, entweichen aus derselben Kohlenwasserstoff –,
                              									Kohlenoxyd –, kohlensaures Gas, Wasserdampf, von denen die ersteren in
                              									Berührung mit der heißen Feuerluft großentheils verbrennen; hierauf folgt die
                              									reducirende Einwirkung der zurückbleibenden Kohle auf die Bestandtheile der Potasche
                              									in schon angeführter Art und Weise, es entweicht nun hauptsächlich Kohlenoxydgas;
                              									bei Anwendung verkohlter Stoffe beginnt natürlich der Proceß sogleich hiermit.
                           Zu 3.) Die hierher gehörigen mineralischen Stoffe bestehen hauptsächlich aus:
                              									Kieselsäure, Thon, kohlensaurem Kalk und Magnesia, Eisenoxyd etc., sie bilden
                              									hauptsächlich die große Masse der unorganischen Stoffe in den kohligen Rückständen;
                              									die Kieselsäure verbindet sich mit Kali, die kohlensauren Erden verlieren zum Theil
                              									ihre Kohlensäure, die sie aber beim Auflösen in Wasser wieder annehmen, und dadurch
                              									Veranlassung zur Entstehung von Aetzkali geben können. Die qualitative
                              									Zusammensetzung der unter a, b und c angeführten Producte ergibt sich hieraus von selbst.
                              									Ihre quantitative Zusammensetzung, soweit sie für die Praxis von Interesse ist,
                              									zeigen folgende von mir angestellte Analysen.
                           Schwach calcinirte Mutterlaugensalze von einmal gebrauchter Potasche (von 75,6 Proc.
                              									Gehalt) enthielten:Eine Anleitung zur Untersuchung derselben für praktische Zwecke und für
                                    											Ungeübtere hat Gentele gegeben. (Siehe polytechn.
                                    											Journal Bd. LXXVI S. 352.)
                              								
                           
                              
                                 71,9 Proc.
                                 kohlensaures Kali (die geringe Menge Natron als solches
                                    											mit berechnet),
                                 
                              
                                 11,9    „
                                 kieselsaures Kali,
                                 
                              
                                   4,3    „
                                 Schwefelkalium,
                                 
                              
                                   1,6    „
                                 in Wasser Unlösliches,
                                 
                              
                                   2,1    „
                                 Wasser,
                                 
                              
                                 –––––––––
                                 
                                 
                              
                                 92,3  Proc.;
                                 
                                 
                              
                           außerdem natürlich geringe Mengen Chlorkalium, phosphorsaures
                              									Kali, Schwefelcyankalium, schwefelsaures Kali. Der relativ geringe Verlust an kohlensaurem Kali erklärt sich daraus, daß bei
                              									der ersten Anwendung die Potasche von dem größten Theile der fremden Salze durch die
                              									Krystallisation gereinigt wird und zugleich ihren Wassergehalt größtentheils
                              									verliert.
                           Der absolute Verlust würde sich ganz anders herausstellen;
                              									100 Pfd. Potasche geben bei einer allerdings sehr mangelhaften Einrichtung keine 60
                              									Proc. des obigen Mutterlaugensalzes. Die Mutterlaugen enthalten meistens ziemliche
                              									Mengen zweifach-kohlensaures oder 1 1/2fach kohlensaures Kali, dessen
                              									Entstehung nur in der bekannten Zersetzung des cyansauren Kalis beim Kochen in
                              									wässeriger Lösung zu suchen ist; Graeger (siehe
                              									polytechn. Journal Bd. XCVI S. 174) wies
                              									darin ein eigenthümliches leicht krystallisirendes Doppelsalz, bestehend aus 2
                              									a  +  nach. Andere behaupten dagegen die Gegenwart von
                              									Aetzkali. Ich habe dasselbe nicht finden können, doch ließe es sich in Schmelzen,
                              									die zufällig kein oder sehr wenig cyansaures Kali enthielten, aus der Einwirkung der
                              									alkalischen Erden (vergl. oben zu 3) und aus einer unvollendeten Reduction des
                              									kohlensauren Kalis durch Kohle erklären.  und C =  und 2 .
                           Die kohligen Rückstände stark getrocknet bestanden aus: 15,5 Proc. Kohle (fast ganz
                              									stickstofffrei), 84,5 Proc. anorganischen Bestandtheilen. Diese bestanden aus:
                              									kieselsaurem, phosphorsaurem Kalk und Magnesia, Thonerde, Kali, Eisen, Kohlenstoff
                              									und Schwefeleisen. Läßt man dieselben an der Luft längere Zeit liegen, so bildet
                              									sich durch Verwitterung des Schwefeleisens Eisenvitriol und dieser gibt dann mit
                              									kieselsaurem Kali, oder dem durch Einwirkung der Atmosphäre daraus entstandenen
                              									kohlensauren Kali, schwefelsaures Kali und zwar oft in so großer Menge, daß sich die
                              									Gewinnung desselben lohnt. (Vergl. hierüber auch Gentele
                              									in der genannten Abhandlung.)
                           Was nun den wichtigeren Theil dieser Frage, die bei diesem Processe auftretenden stickstoffhaltigen Producte betrifft, so haben wir
                              									zunächst zu unterscheiden zwischen der einzigen werthvollen Verbindung unter
                              									denselben, dem Endziele dieses ganzen Processes und den übrigen stickstoffhaltigen
                              									Verbindungen. Es zerfällt mithin dieser Abschnitt in zwei Theile:
                           
                              I. Das Cyankalium und seine
                                    											Verbindung mit dem Cyaneisen, das „Blutlaugensalz.“
                                    										
                                 									
                              Da die Bildungsweise dieses Salzes schon unter A. I.
                                 										genügend erörtert wurde, so bleiben uns hauptsächlich nur noch zwei Verhältnisse
                                 										zu untersuchen, von denen das erstere mehr von theoretischem, das letztere mehr
                                 										von praktischem Interesse ist.
                              
                                 
                                 1. In welcher Form ist das
                                       												Blutlaugensalz in dem ersten Producte dieses Processes, den Schmelzen,
                                       												enthalten?
                                    										
                                 Es ist dieß die bekannte Streitfrage zwischen Liebig (Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. XXXVIII S. 20,
                                    											polytechnisches Journal Bd. LXXXII S. 346), welcher behauptet, daß die
                                    											Schmelzen nur Cyankalium enthielten und dieses erst auf nassem Wege sich mit
                                    											Eisen zu Ferrocyankalium verbinde, und Runge (Poggendorff's Annalen Bd. LXVI
                                    											S. 95, polytechn. Journal Bd. XCVIII S. 228), der letzteres schon in den
                                    											Schmelzen fertig gebildet annimmt. Ich habe viele Versuche hierüber
                                    											angestellt, wobei mir leider keine ganz frischen Schmelzen zu Gebote
                                    											standen, weßhalb ich vorzüglich auf die vor kurzem im polytechn. Journal
                                    												Bd. CXXXI S. 39 von Aug. Reimann veröffentlichten Versuche hierüber
                                    											verweise, denen ich gern eine große Ausführlichkeit einräume und die ganz
                                    											entschieden die Liebig'sche Ansicht bestätigen.
                                    												Liebig und Runge
                                    											suchten ihre Ansicht dadurch zu bestätigen, daß sie die Schmelze mit Alkohol
                                    											von 5 Proc. extrahirten, wodurch sich nur Cyankalium lösen sollte, das
                                    											Ferrocyankalium dagegen im Rückstande bleiben müßte, wobei dann Runge in Lösung kein Cyankalium, sondern alles
                                    											als Blutlaugensalz im Rückstande behielt, während Liebig gerade das umgekehrte Resultat erhielt. Jedenfalls ist
                                    											diese Trennungs- und Beweismethode unzuverlässig, da einmal
                                    											Blutlaugensalz in Alkohol von 50 Proc. (und noch stärkerem) durchaus nicht
                                    											unlöslich ist. Nach meinen Versuchen lösten 100 Theile desselben 2,1 Theile
                                    											Blutlaugensalz, was bei wiederholter Anwendung von größeren Mengen Alkohol
                                    											allerdings genügt das wenige Blutlaugensalz zu lösen. Will man dann in der
                                    											alkoholischen Lösung, in der Meinung daß diese eben kein Blutlaugensalz
                                    											enthalten könne, das Cyankalium durch eine Lösung von schwefelsaurem
                                    											Eisenoxyd-Oxydul nachweisen, so kann man in den Fall gerathen, das
                                    											vorhandene Blutlaugensalz für Cyankalium anzusehen. Behandelt man dagegen
                                    											die Schmelze nur einmal mit wenig Alkohol, so bilden sich dann in der Lösung
                                    											zwei Schichten: unten eine wässerige Lösung von kohlensaurem Kali etc., oben
                                    											eine alkoholische, die aber durch die wasserentziehende Kraft der ersteren
                                    											viel stärker geworden ist, so daß auch Cyankalium darin schwer löslich
                                    											geworden ist. Endlich beweist ja nichts, daß der Wassergehalt des
                                    											50procentigen Alkohols nicht genüge, die Umwandlung des Cyankaliums beim
                                    											Behandeln mit demselben einzuleiten. So erhielt ich (freilich wie gesagt mit
                                    											älteren Schmelzen) neben Cyankalium immer viel Blutlaugensalz in Lösung. Der
                                    											mit Alkohol ausgelaugte Rückstand gab ebenfalls noch viel Blutlaugensalz.
                                    											Ein ganz ähnliches Resultat erhielt Löwig (vergl.
                                    											dessen organische Chemie). Eine heiße, rasch abfiltrirte wässerige Lösung gab ihm
                                    											kein Blutlaugensalz, nur Cyankalium. Die alkoholische Lösung enthielt
                                    											dagegen nur eine Spur Cyankalium und der Rückstand viel Blutlaugensalz, was
                                    											1) die Schwerlöslichkeit des Cyankaliums in starkem Alkohol, 2) die
                                    											Möglichkeit seiner Umsetzung in Blutlaugensalz auch in alkoholischer Lösung
                                    											beweist. Die Versuche von Reimann mit frischen
                                    											Schmelzen beweisen wenigstens ganz sicher, daß der allergrößte Theil des
                                    											Blutlaugensalzes in den Schmelzen als Cyankalium enthalten ist. Die
                                    											Abwesenheit von Blutlaugensalz in denselben absolut zu beweisen, dürfte es
                                    											wohl kein Mittel geben. Bedenken wir nun aber noch die Thatsache, daß das
                                    											Ferrocyankalium in der Glühhitze nicht bestehen kann, daß ferner Cyankalium
                                    											in eisernen Tiegeln geschmolzen werden kann, ohne daß dieselben angegriffen
                                    											werden, und vergegenwärtigen uns vorzüglich die Bildung des Cyankaliums aus
                                    											Blutlaugensalz und Potasche, so kommen wir zu dem Schlusse, daß, selbst wenn
                                    											sich beim Schmelzprocesse kleine Mengen Ferrocyankalium bilden sollten,
                                    											dieselben doch sogleich wieder in Cyankalium (unter Bildung von cyansaurem
                                    											Kali) verwandelt werden müßten, weßhalb wir uns ganz entschieden für die Liebig'sche Ansicht erklären müssen.
                                 
                              
                                 2. Wird das in den Schmelzen
                                       												enthaltene Cyankalium im weiteren Verlaufe der Fabrication wesentlich
                                       												nur in Ferrocyankalium übergeführt, oder können sich auch noch andere,
                                       												werthlose Verbindungen bilden?
                                    										
                                 Ich glaube diese Frage dahin beantworten zu können, daß erstens die
                                    											Umwandlung des Cyankaliums in Blutlaugensalz bei richtiger (im letzten
                                    											Abschnitte unter I. näher anzugebender) Behandlung keine Schwierigkeiten
                                    											hat, und zweitens das fertig gebildete Blutlaugensalz während der weiteren
                                    											Manipulation keine Zersetzung erleidet.Der beste Beweis hiefür ist die Thatsache, daß durch einen
                                          													absichtlichen Zuschlag von Eisenvitriol etc., wodurch diese
                                          													Umwandlung erleichtert werden sollte, nie ein Mehrertrag erzielt
                                          													wird. Vergl. hierüber auch Gentele im
                                          													polytechnischen Journal Bd. LXXVI
                                             														S. 352. Was den ersten Punkt betrifft, so ist es allerdings auffällig, daß
                                    											es im Kleinen nur sehr schwierig und unvollkommen gelingt das Cyankalium
                                    											durch Kochen mit Eisen und unlöslichen Eisenverbindungen in Ferrocyankalium
                                    											zu verwandeln. Jedenfalls ist von diesen Verbindungen, wie ich selbst
                                    											bestätigt gefunden, und auch die Versuche von Reimann beweisen, das Schwefeleisen das geeignetsteWenn man Schwefelcyankalium mit fein zertheiltem Eisen schmelzt, so
                                          													bildet sich, nach der einfachsten Annahme, Schwefeleisen und
                                          													Cyankalium.KS +
                                                   															CyS2 Fe2 FeS
                                                															KCyLöst man die Masse in Wasser, so erhält man augenblicklich
                                          													Blutlaugensalz; nach einstündiger Digestion ist alles Cyankalium
                                          													verschwunden. So schnell läßt sich allerdings diese Umwandlung durch
                                          													künstlich auf nassem Wege erzeugtes Schwefeleisen nicht erreichen,
                                          													und so wäre eo nicht unmöglich, daß sich eine eigenthümliche
                                          													Doppelverbindung mit Schwefeleisen bilde, der eben die Eigenschaft
                                          													zukommt, die augenblickliche Entstehung von Ferrocyankalium beim
                                          													Lösen im Wasser zu veranlassen. Es wäre durchaus nicht erzwungen,
                                          													diese Verbindung dann auch in den Schmelzen anzunehmen. Beim
                                          													Eintragen der Thierstoffe würde sich zunächst immer
                                          													Schwefelcyankalium bilden, welches dann wieder durch das vorhandene
                                          													Eisen zersetzt würde, bis am Schlusse nur ein gewisser Theil dieser
                                          													Zersetzung entginge. Die Annahme einer derartigen eigenthümlichen
                                          													Verbindung würde alle Räthsel in Bezug auf die Constitution der
                                          													Schmelzen lösen., und da nach Liebig in den Schmelzen
                                    											stets die leicht schmelzbare Verbindung 2KS +
                                       												FeS zugegen ist, jedenfalls aber die Schmelzgeräthe immer mit einer
                                    											dünnen Schicht Schwefeleisen bedeckt sind, die immer aufgenommen und von
                                    											neuem gebildet wird (wodurch jedenfalls die Zerstörung derselben vielmehr
                                    											als durch die Einwirkung der Feuerluft, oder gar die des Cyankaliums direct
                                    											bewirkt wird), so ist auch dieses Bedenken gehoben.
                                 Was den zweiten Punkt betrifft, so ist mehrfach behauptet worden, daß die
                                    											Rohlaugen (b. h. die schon von dem kohligen Rückstande getrennten Lösungen
                                    											der Schmelzen) beim Eindampfen durchaus nicht kochen dürfen, indem damit ein
                                    											Verlust an Blutlaugensalz verbunden wäre.Diese Laugen dürfen natürlich kein Cyankalium mehr enthalten;
                                          													übrigens würde das doch noch etwa vorhandene auch ohne Kochen
                                          													zersetzt werden, da ihm die Gelegenheit fehlt in Ferrocyankalium
                                          													überzugehen. Durch das Kochen wird nur die mit der Zersetzung
                                          													verbundene Ammoniak-Entwickelung auffälliger, woher wohl
                                          													diese falsche Annahme rühren mag. Schon Gentele hat durch Versuche (im
                                    											polytechn. Journal Bd. LXXVI S. 352)
                                    											die Unveränderlichkeit des Blutlaugensalzes beim Kochen in diesen Laugen
                                    											nachgewiesen, woran überdieß kein Chemiker gezweifelt hat. Eine Zersetzung
                                    											bei den letzten Manipulationen, dem Roh- und
                                    											Rein-Krystallisiren, kann natürlich noch weniger angenommen
                                    											werden.
                                 
                              
                           
                              II. Die werthlosen
                                    											Cyan-Verbindungen.
                              Dieselben sind natürlich ebenfalls von großem Interesse, da jeder Theil um so
                                 										gewisser einen Verlust eines äquivalenten Theiles an Cyankalium, resp.
                                 										Ferrocyankalium repräsentirt, als dieselben nicht nur aus denselben werthvollen
                                 										Stoffen, sondern (wenigstens das cyansaure Kali) sogar aus dem bereits gebildeten
                                 										Cyankalium entstehen. Es sind dieß bekanntlich das cyansaure Kali und das
                                 										Schwefelcyankalium. Ersteres entsteht durch die oxydirende Einwirkung der
                                 										Feuerluft auf das schmelzende Cyankalium; seine Gegenwart wird durch die
                                 										Anwesenheit des zweifach-kohlensauren Kalis in den Rohlaugen und die oft
                                 										sehr starke Ammoniak-Entwickelung beim Kochen derselben bewiesen. Man
                                 										vermeidet seine Entstehung selbstverständlich durch möglichsten Abschluß der
                                 										Luft, worüber ich unter C. I. näheres angeben werde.
                                 										Jedenfalls wird übrigens cyansaures Kali noch durch verschiedene andere Processe
                                 										gebildet. So gibt z.B.: K + 2 KCy = KS + 2 Cy. Ebenso gilt es als
                                 										sehr wahrscheinlich, daß das Cyan des Cyankaliums bei sehr hohen Temperaturen
                                 										reducirend auf das überschüssige kohlensaure Kali wirkt und sich auf diese Weise
                                 										ebenfalls cyansaures Kali bildet. Gegen letztere Bildungsweisen gibt es kein
                                 										einfaches Mittel.
                              Das Schwefelcyankalium verdankt seine Entstehung hauptsächlich dem
                                 										Schwefelgehalte der Thierstoffe, indem sich (wie bei jeder Verkohlung)
                                 										Schwefelcyanwasserstoff oder Schwefelcyanammonium bildet, welches dann durch das
                                 										Kali in Schwefelcyankalium umgesetzt wird. Ich glaube nicht, daß der
                                 										Schwefelgehalt der Potasche allein das Schwefelcyan erzeugen kann, es wäre sonst
                                 										nicht zu erklären, warum sich nicht alles Schwefelkalium in Schwefelcyankalium
                                 										verwandle, da doch Cyankalium im Ueberschusse da ist; absolut beweisend ist dieß
                                 										allerdings nicht, da das Schwefelcyankalium umgekehrt bei seiner Zersetzung mit
                                 										Eisen Schwefelkalium liefert, wodurch sich dessen Vorkommen erklären könnte.
                                 										Letztere Zersetzung gibt uns zugleich das Mittel an die Hand, dasselbe zu
                                 										zersetzen und seinen Cyangehalt wieder nutzbar zu machen. Geht diese Umwandlung
                                 										in genügendem Maaße vor sich, so kann die Bildung von Schwefelcyankalium sogar
                                 										förderlich für den ganzen Proceß seyn, wie schon ausgeführt wurde. Es ist
                                 										deßhalb auch nicht gerathen, um die Bildung von Schwefelcyankalium zu vermeiden,
                                 										ganz schwefelsäurefreie Potasche anzuwenden.
                              Wie bedeutend der durch diese beiden Verbindungen erzeugte Verlust an Cyankalium
                                 										seyn kann, beweist folgende Analyse, die ich mit einem Gemische von 10
                                 										verschiedenen Schmelzen (bereitet aus 100 Potasche von etwa 75 Proc. Gehalt, 40
                                 										Lumpen, 30 Flechsen, 30 Leder, 10 Eisen) anstellte. Dasselbe enthielt:
                              
                              
                                 
                                      8,2 Procent
                                    Blutlaugensalz (oder richtiger die demselben
                                       												entsprechende Menge Cyankalium),
                                    
                                 
                                    57,56    „
                                    kohlensaures Kali (und Natron),
                                    
                                 
                                      3,33    „
                                    Schwefelcyankalium (entsprechend einem Verluste von
                                       												3,26 Proc. Ferrocyankalium),
                                    
                                 
                                      2,46    „
                                    cyansaures Kali, (entspr. einem Verluste
                                       												von                2,53    „    Ferrocyankalium,
                                    
                                 
                                    
                                                                                  
                                       												––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    
                                                                                  
                                       												5,89 oder nahe 6 Proc. Ferrocyankalium.)
                                    
                                 
                                      2,82    “ 
                                    schwefelsaures Kali,
                                    
                                 
                                      3,10    „
                                    Kieselsäure,
                                    
                                 
                                    18,11    „
                                    Unlösliches in Wasser.
                                    
                                 
                                    –––––––––––––––––––––––––––
                                    
                                 
                                    95,58 Proc.
                                    Das Fehlende sind kleine Mengen von Chlor,
                                       												Phosphorsäure, Schwefelkalium etc.,sowie der Verlust der
                                       												Analyse.
                                    
                                 
                              Das Blutlaugensalz bestimmte ich nach der von mir angegebenen und im
                                 										polytechnischen Centralblatt 1853 S. 770 (polytechn. Journal Bd. CXXIX S. 361) veröffentlichten
                                 										Methode; die angegebene Zahl ist das Mittel von drei Versuchen.
                              Das Schwefelcyankalium wurde bestimmt, indem ich eine abgewogene Menge Schmelze
                                 										in Wasser löste, zur Entfernung des Schwefelkaliums mit kohlensaurem Bleioxyde
                                 										digerirte, abfiltrirte, mit Salpetersäure ansäuerte, eindampfte und unter
                                 										wiederholtem Zusatze von concentrirter Salpetersäure glühte, wodurch das
                                 										Schwefelcyankalium vollständig zersetzt und in schwefelsaures Kali umgewandelt
                                 										wurde, wobei man natürlich so operiren muß, daß kein Schwefelcyanwasserstoff
                                 										entweichen kann. Es wurde dann die gesammte Schwefelsäure bestimmt, die in einer
                                 										andern Probe bestimmt, ursprünglich vorhandene, Schwefelsäure abgerechnet, und
                                 										der Rest auf Schwefelcyankalium berechnet.
                              Das cyansaure Kali konnte nur annähernd berechnet werden, indem ich 1 Theil
                                 										Schmelze im verschlossenen Gefäße 24 Stunden lang mit frisch gefälltem
                                 										Schwefeleisen digerirte, um sämmtliches Cyankalium in Ferrocyankalium
                                 										umzuwandeln, dann die Flüssigkeit in einen Apparat zur Absorption des Ammoniaks
                                 										brachte, und unter Hindurchleiten eines Luftstromes sehr anhaltend kochte. Aus
                                 										dem erhaltenen Ammoniak wurde das cyansaure Kali unter der Voraussetzung
                                 										berechnet, daß es dabei in kohlensaures Kali und kohlensaures Ammoniak zerfalle.
                                 										Will man auch dieser Bestimmung keinerlei Zuverlässigkeit einräumen, so muß man
                                 										doch zugeben, daß das entwichene Ammoniak jedenfalls einem seinem
                                 										Stickstoffgehalte gleichkommenden Verluste an Cyan entspricht (denn die
                                 										Gegenwart eines Ammoniaksalzes in den Schmelzen kann doch niemand annehmen), und daß diese
                                 										Bestimmung eher etwas zu niedrig als zu hoch ausfallen muß.
                              Der gesammte, durch Entstehung dieser beiden Verbindungen
                                    											erzeugte Verlust an Ferrocyankalium beträgt demnach gegen 6 Proc.; ohne
                                 										denselben würde die Ausbeute statt 8,2 Proc. 14 Proc. betragen, wobei ich
                                 										allerdings bemerke, daß ein solches Mißverhältniß nicht immer vorkommen mag, und
                                 										daß die Schmelzen aus einer neuen, noch sehr unvollkommen betriebenen Fabrik
                                 										herstammten. Jedenfalls ist der hierdurch hervorgerufene Verlust immer ein sehr
                                 										beachtenswerther. Andere, bisher noch nicht beobachtete Cyan- oder auch
                                 										nur Stickstoffverbindungen habe ich nicht nachzuweisen vermocht, auch ist deren
                                 										Existenz unwahrscheinlich.
                              Folgerichtiger Weise müßte man noch unter den stickstoffhaltigen Producten des
                                 										Schmelzprocesses das unzersetzt entweichende Ammoniak aufführen.
                              
                                  (Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)