| Titel: | Ueber Photogen- und Paraffin-Gewinnung; von P. Wagenmann, Ingenieur in Bonn. | 
| Autor: | Paul Wagenmann | 
| Fundstelle: | Band 140, Jahrgang 1856, Nr. CIV., S. 461 | 
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                        CIV.
                        Ueber Photogen- und
                           								Paraffin-Gewinnung; von P.
                              									Wagenmann, Ingenieur in Bonn.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              									VI.
                        Wagenmann, über Photogen- und
                           								Paraffin-Gewinnung.
                        
                     
                        
                           Nachdem ich in meinen früheren Berichten mich speciell mit der Verarbeitung des rohen
                              									Theers befaßt habe, komme ich jetzt auf die Gewinnung des Theers aus Braunkohle,
                              									Torf, Schiefer, Cannelkohle und bituminösem Thon zurück.
                           Diese verschiedenen Rohmaterialien bedingen selbstredend verschiedene Methoden der
                              									Destillation, selbst eine und dieselbe Art muß oft, je nach ihren verschiedenen
                              									Eigenschaften und den bestehenden localen Verhältnissen, mittelst verschiedener
                              									Apparate verarbeitet werden. So ist es nothwendig, staubige und erdige Braunkohlen
                              									anders zu verarbeiten als stückige; ferner bedingt auch der beabsichtigte Zweck in
                              									den Fällen, wo das Rohmaterial verschiedene Producte daraus darzustellen gestattet,
                              									das Einschlagen verschiedener Destillationsmethoden; man kann z.B. bei Verarbeitung
                              									von Braunkohlen die Absicht haben mehr Kohks zu gewinnen als Theer, oder umgekehrt
                              									mehr Theer. Ueberdieß kommt auch viel auf die Lage des verfügbaren Rohmaterials und
                              									die Absatzwege für die Fabricate an. Ich halte für die Braunkohle, sobald dieselbe
                              									in Stücken vorkommt, und eine entsprechende Verwerthung der Producte als künstliche
                              									Kohle (Patent Fuel) vorhanden ist, den Weg für den
                              									besten, wo neben viel Kohks ein großer Theil des Theers gewonnen wird, mithin die
                              									Verkohlung in Schacht-Oefen. In diesem Sinne
                              									sprach ich mich schon im J. 1847 in England aus, als die irländische Torfcompagnie
                              									ihre ersten Versuche mit Retorten gemacht hatte, um aus dem Torfe Kohks nebst
                              									Paraffinöl zu gewinnen; denn was für Braunkohle gilt, ist in den meisten Fällen auch
                              									für den Torf geltend, insbesondere für die ausgezeichneten Qualitäten der Bogs in
                              									Irland, sowie des Dartmoore in England. Bei dem Torf ist die Ausbeute an Theer so
                              									gering, daß seine Verarbeitung auf diesen allein sich nicht lohnen dürfte, wenn
                              									nicht eine entsprechende Verwerthung der Kohks vorhanden. Diese Fabrication der
                              									Torfkohks ist durch die Verbesserungen verschiedener Ingenieure, als Gwynne, Warlich etc., so vervollkommnet worden, daß
                              									dieses Brennmaterial jedes andere an Wirkung übertrifft, worüber ich mich auf die
                              									Berichte des Hrn. W. Fairbairn
                              									beziehe.
                           
                           Man ist in neuer Zeit auch in Irland auf die Destillation des Torfes in Schachtöfen
                              									übergegangen; dieselben sind im Allgemeinen nach dem Princip des Bellford'schen PatentsPolytechn. Journal Bd. CXXXIX S.
                                       											42. construirt, haben aber den Uebelstand, daß der Theer theilweise verloren
                              									geht, indem die Oefen unten angebrannt werden und die Dämpfe oben abziehen lassen.
                              									Der Theer condensirt sich in den oberen kalten Theilen, was nach längerer Zeit ein
                              									Herabtraufen desselben in die brennende Masse zur Folge hat, daher diese
                              									fortwährende Umdestillirung eines Theils des Theers viel Verlust veranlaßt. Schon im
                              									J. 1847 nahm ich Gelegenheit mich über dieses Verfahren gegen Hrn. Statham in Hull auszusprechen, und
                              									im J. 1853 brachte ich in einer Gesellschaft von Ingenieuren in London meine Ansicht
                              									über diesen Gegenstand wieder zur Sprache; ich empfahl nämlich die Destillation von
                              									Oben nach Unten zu leiten, so daß das Material oben angebrannt und die
                              									Destillationsproducte von Unten mittelst Pumpen abgezogen werden, mithin die
                              									theerigen Theile nie zur Flamme zurücktreten können. Hr. P. Sanders, Ingenieur, und Dr. Price vom College of
                              									Chemistry interessirten sich dafür und besprachen die Sache mit mir noch speciell,
                              									so daß ich mich veranlaßt fand Versuche anzustellen, welche mich überzeugten, daß
                              									dieses System für Braunkohlen und Torf auszuführen ist, insbesondere wenn die Materialien vorher mittelst
                              									Schneide- und Preßmaschinen verarbeitet wurden.
                           Für Schiefer- und Boghead-Kohlen ist dieses System aber nicht zu
                              									empfehlen, weil bei denselben die Ausbeute an Theer zu groß und diejenige an
                              									überschüssiger Kohle zu gering ist, und bei dem starken Zug, welchen man zur
                              									Verbrennung anwenden muß, die Destillation so schnell erfolgt, daß zuletzt in Folge
                              									der zu großen Hitze von den flüchtigen Producten zuviel verbrennt, folglich nur ein
                              									schlechter schwerer Theer erhalten wird. Materialien welche sonst einen Theer von
                              									0,880 spec. Gewicht gaben, lieferten auf diese Weise einen solchen von 0,930 und
                              									darüber. Da die leichten Oele mithin zerstört werden, so ist dieses System für die
                              									genannten Kohlen nicht anwendbar.
                           Braunkohle und Torf hingegen, welche schwerere Theere erzeugen, auch bei schwachem
                              									Zuge leicht brennen, dabei 40 bis 50 Proc. Kohle zurücklassen, eignen sich für jenes
                              									Destillationssystem besser.
                           Folgendes ist die Beschreibung eines derartigen Apparats,
                              										Fig. 4 und
                              										5, den ich
                              									jetzt in Oesterreich ausführen zu lassen beabsichtige. Der Ofen bekommt eine
                              									Schachthöhe von 20 Fuß bei 5' oberem und 4' unterem Durchmesser. Diese Differenzen
                              									der Durchmesser ändern sich bei verschiedenem Material, indem die Verjüngung das Schwinden
                              									des Materials während der Destillation ausgleichen muß. Am untern Theile schließt
                              									sich ein kegelförmiges Mundstück an, welches auf 2 Fuß ausgeht und sich in ein Rohr
                              									von gleichem Durchmesser verlängert. Die Tiefe des Kegels ist 5 Fuß. Zwischen dem
                              									Kegel und Schacht befindet sich ein Rost, über welchen das Material geschichtet ist.
                              									Der untere Kegel bleibt mithin frei und dient eigentlich als Luftkasten, um die
                              									Differenz der ausströmenden Gase auszugleichen. Ueber dem Rost befindet sich ein
                              									Mannloch zum Ausnehmen des verkohlten Materials. Am obern Theile des Schachtes
                              									befindet sich eine Bühne und ein Aufzug für die Beschickung, ferner ein Deckel mit
                              									zölligen Löchern versehen, die sich durch eine aufliegende Platte mittelst eines
                              									Hebels beliebig kleiner und größer stellen lassen. Am untern Kegel setzt sich ein
                              									Windrohr von 20 Fuß Durchmesser an; dasselbe führt in einen Regulator, den ich
                              									Minus-Regulator nennen will. Dieser ist ein verschlossener Kasten von 6 Fuß
                              									Durchmesser, 4 Fuß Höhe, auf welchem sich ein Dom befindet; in letzterm ist ein
                              									Loch, welches durch einen Conus verschlossen ist, der an seiner Verlängerung eine
                              									Schwimmkugel trägt, die in einer pneumatisch verschlossenen Röhre schwimmt. Am
                              									Kasten sind außerdem Thermometer und Barometer angebracht. Sobald die Pumpen zu
                              									stark saugen, hebt sich die Flüssigkeit in der Röhre, mithin auch die Kugel und der
                              									Conus, und es strömt direct Luft aus dem Gasometer in den Regulator, daher das
                              									Barometer auf seinen normalen Standpunkt zurückgeht.
                           Vom Minus-Regulator strömen die Gase durch eine trockene Condensation, aus 24
                              									Stück 20 Fuß hoher Röhren von 10 Zoll Durchmesser bestehend; dieselben sind unten im
                              									Theerbehälter durch den Theer selbst pneumatisch geschlossen. Von da gelangen die
                              									Gase in die Gebläse-Maschine von 30 Zoll Durchmesser, 36 Zoll Hub und 32
                              									Umdrehungen. Nach dem Auswerfen aus dem Gebläse-Cylinder gelangen die Gase in
                              									den Plus-Regulator, welcher wie der erstere construirt ist, nur daß hier der
                              									Conus umgekehrt sitzt und durch Zunehmen des Drucks, resp. Fallen der Kugel,
                              									geöffnet wird; schließlich gelangen die Gase in den Gasometer, wo sie ihre letzten
                              									Theertheile absetzen.
                           Die Manipulation ist sehr einfach. Der Ofen, nachdem er gefüllt ist, wird durch eine
                              									brennende 6 Zoll hohe, gleichmäßig vertheilte Kohlenschichte in Brand gesteckt und
                              									das Gebläse in Gang gesetzt. Man saugt im Anfange sehr langsam, um eine Trocknung
                              									des angewandten Materials, resp. Verdampfung des darin enthaltenen Wassers zu
                              									veranlassen; später, wenn das Wasser nachläßt und das Thermometer des
                              									Minus-Regulators auf 70° C. gestiegen ist, läßt man die Pumpen stärker
                              									gehen. Man kann
                              									annehmen, daß zur Trocknung 12 Stunden und zur Destillation 36 Stunden nothwendig
                              									sind. Bei meinen Versuchen erhielt ich über die Hälfte des Theers, welchen die
                              									trockne Destillation des Materials nachweist.
                           Die Kohks werden nachher am untern Ende ausgezogen und in eine dicht verschließbare
                              									Löschgrube gebracht, aus welcher dieselben nach einigen Tagen genommen und auf ein
                              									künstliches Brennmaterial (Patent Fuel oder Charbon de Paris) verarbeitet werden.
                           Der Vortheil dieser Oefen wird in der leichten Handhabung bestehen, um große Massen
                              									verarbeiten zu können, und bei gut geleitetem Destillationsproceß werden sie gute
                              									Kohks liefern, die allen Anforderungen entsprechen. Natürlich rathe ich bei Anlage
                              									dieser Oefen äußerst vorsichtig zu seyn, da dieselben sich nur für bestimmte
                              									Qualitäten von Rohmaterial eignen werden und eine sehr sorgfältige Construction in
                              									ihren Details erfordern, welche nach den im Großen gemachten Erfahrungen abgeändert
                              									und vervollkommnet werden müssen.
                           Bonn, im April 1856.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
