| Titel: | Ueber die praktische Fischzucht in ihrer Anwendung auf die Wiederbesetzung und Bevölkerung der Wässer mit Fischen; von Hrn. Millet, Forstinspector. | 
| Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LVIII., S. 230 | 
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                        LVIII.
                        Ueber die praktische Fischzucht in ihrer
                           								Anwendung auf die Wiederbesetzung und Bevölkerung der Wässer mit Fischen; von Hrn.
                           									Millet,
                           								Forstinspector.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 										d'Encouragement, Oct. 1856, S. 663.
                        Millet, über die praktische Fischzucht.
                        
                     
                        
                           Hr. Millet, welcher sich seit langer Zeit mit der
                              									praktischen Fischzucht beschäftigt, hielt in der Société d'Encouragement vom 9. Juli v. J. einen Vortrag über
                              									seine Abänderungen und Verbesserungen des Verfahrens beim Einsammeln, der
                              									Befruchtung, dem Transport und dem Auskriechen der Eier, dann in der Einrichtung
                              									künstlicher Laichplätze sowie im Einsetzen und der Zucht der jungen Fische; er
                              									beschrieb auch verschiedene Vorrichtungen zum Auskriechen der Eier, zur Aufbewahrung
                              									und zum Transport der lebenden Fische. Seine Nachschläge bestehen in Folgendem:
                           1) Die zur künstlichen Befruchtung bestimmten Fische müssen in der Art gefangen
                              									werden, daß Eier und Milch den gehörigen Zustand der Reife erreicht haben und ganz
                              									gesund sind.
                           Hierzu empfiehlt er, das Fischen wo möglich an den Laichplätzen selbst oder in deren
                              									Nähe vorzunehmen. Man hüte sich wohl den Fisch in Gefangenschaft zu halten, weil
                              									mehrere Arten (namentlich die Aesche) diesen Zustand nicht ertragen können, in
                              									welchem Eier und Milch leicht verderben.
                           2) Mehrere unserer besten Arten, wie Lachs, Forelle und Aesche, legen ihre Eier nicht
                              									auf einmal, oft mit Unterbrechung von mehreren Tagen; auch hierauf ist Rücksicht zu
                              									nehmen, um Eier und Milch erst im Zustand ihrer vollen Reife zu nehmen, wo sie von
                              									selbst oder schon auf schwachen Druck austreten.
                           3) Die Lebenskraft der Samenthierchen, und folglich die befruchtende Wirkung der
                              									Milch sind von sehr kurzer Dauer, namentlich bei den Salmen (Lachs, Forelle, Aesche
                              									etc.); da diese Dauer oft nur ein paar Secunden währt, so müssen die Eier, sobald
                              									sie ins Wasser fallen, sogleich mit den Laichtheilchen in Berührung gebracht werden.
                              									Man muß daher gleichzeitig einerseits mit dem Weibchen, anderseits mit dem Männchen
                              									operiren, indem man besorgt ist die Milch im Wasser nicht zu verdünnen.
                           4) Jedes Wasser, welches, wie das Seewasser, Kochsalz, wenn auch nur in geringer
                              									Menge, aufgelöst enthält, wirkt sehr kräftig auf Eier und Milch der Süßwasserfische
                              									ein; es lähmt oder vernichtet die Bewegungen der Samenthierchen und beraubt sie
                              									ihres Befruchtungsvermögens, es verursacht überdieß im Ei eine solche Störung, daß
                              									jede Art von Organisation darin schnell aufgehoben ist; es äußert jedoch diese
                              									Wirkung nur in der ersten Periode der Bebrütung.
                           5) Die Entwickelung des Embryos kann auch außer dem Wasser vor sich gehen, wenn sie
                              									nur in feuchtem Medium unter Luftzutritt und bei der jeder Species zusagenden
                              									Temperatur stattfindet. Diese Eigenschaft gestattet, befruchtete Eier weit zu
                              									transportiren; hierzu legt man sie schichtenweise in hölzerne Kisten in der Art, daß
                              									jede Schichte sich zwischen zwei feuchten Leinentüchern befindet. Auf diese Weise
                              									konnten Lachs-, Forellen- und Aescheneier, ohne im mindesten Schaden
                              									zu leiden, 35 bis 40 Tage dauernde Transporte ertragen.
                           6) Die Bebrütung geht vortrefflich vor sich, wenn die Eier auf Hürden liegen, welche
                              									man im Wasser schwimmend hält, oder besser noch, wenn sie sich im natürlichen Wasser
                              									in schwimmenden Apparaten befinden.
                           7) In der Natur vergraben der Lachs, die Forelle etc. ihre Eier gewissermaßen
                              									zwischen Steine, damit die Auskriechung im Schatten stattfinden kann; man darf die
                              									Eier der Salme auch nicht der Einwirkung starken Lichts oder der Sonnenstrahlen
                              									aussetzen, wenn sie nicht bald zu Grunde gehen sollen. Dem Mangel an Vorsicht hierin
                              									ist nach Millet der schlechte Erfolg zuzuschreiben, den
                              									viele Fischzüchter hatten, die ihre Eier den Sonnenstrahlen aussetzten und deren
                              									Einfluß noch schädlicher machten, indem sie die Eier auf von Glasstäbchen
                              									verfertigte Hürden legten.
                           8) Während der ersten Periode der Bebrütung hüte man sich die Eier umzurühren und zu
                              									reinigen, indem dieß, es mag mit der Feder oder dem Pinsel geschehen, die
                              									Entwickelung des Embryos beeinträchtigen und viele Eier verderben würde.
                           
                           9) Statt die jungen Fische in beschränkten Räumen aufzuziehen und zu ernähren, ist es
                              									besser, sie in natürlichen Wässern sich selbst zu überlassen, indem man jedoch
                              									besorgt ist, sie vor ihren Feinden zu schützen.
                           10) Ueberhaupt besteht die Fischzucht weniger in der künstlichen Befruchtung als in
                              									der Kunst die natürliche Befruchtung zu begünstigen. So kann die künstliche
                              									Befruchtung nur bei gewissen Species in Anwendung gebracht werden, und selbst bei
                              									diesen liefert sie oft schlechtere Resultate als die sorgfältig begünstigte
                              									natürliche Befruchtung. Daher die Nützlichkeit der künstlichen Laichplätze.
                           
                        
                           Künstliche Laichplätze.
                           Diese haben den Zweck, der Natur zu Hülfe zu kommen. Millet gibt ihnen zweierlei Einrichtungen, je nach der Art, wie die
                              									verschiedenen Fischarten ihre Eier legen.
                           Für die Fische, deren Eier frei sind oder sich an Steine hängen (Lachs, Forelle,
                              									Aesche, Barbe etc.), bringt er Kies oder Kieselsteine in Haufen;
                           für die Fische aber, deren Eier sich an Wasserpflanzen hängen (Karpfen, Schleihe,
                              									Brachse, Barsch etc.) bringt er auf das Wasser mit Aestchen oder Zweigen belegte
                              									Hürden und versieht dieselben mit Schwimmvorrichtungen, damit sie dem Steigen und
                              									Fallen des Wasserspiegels stets folgen können, während die Eier immer feucht
                              									bleiben.
                           
                        
                           Transport lebender Fische.
                           Auf eine große Entfernung und wenn der Behälter klein ist, bietet der Transport große
                              									Schwierigkeiten dar. Damit den Erfordernissen der Respiration der Fische genügt
                              									wird, muß man das Wasser schütteln oder schlagen, um es mit Luft zu speisen, und für
                              									Fischarten mit sehr starker Respiration muß man es sogar oft erneuern.
                           In den Vogesen wurde unlängst eine Transport-Vorrichtung erfunden, mittelst
                              									welcher das Wasser die nöthige Bewegung durch die beständige Umdrehung eines
                              									Schöpfrades erhält; nach Millet ist diese Vorrichtung,
                              									als zu complicirt und kostspielig, nicht empfehlenswerth. Ein von ihm erdachter
                              									Apparat, mittelst dessen die lebenden Fische zur Pariser
                              									Industrie-Ausstellung und zum allgemeinen landwirthschaftlichen Concurs
                              									transportirt wurden, treibt oder bläst Luft in das Wasser mittelst eines
                              									gewöhnlichen Blasebalgs, dessen verlängerte Röhre am Boden des Behälters ausmündet;
                              									auf diese Weise kann man leicht so viel Luft einblasen, als für die zu
                              									transportirenden Fische erforderlich ist. Soll eine große Menge von Fischen versendet werden, wozu
                              									mehrere Tröge oder Kufen erforderlich sind, so setzt man alle diese Behälter in
                              									Verbindung, entweder durch Röhren, welche an ihrem untern Theil angebracht sind,
                              									oder durch Heber, und schöpft mittelst einer kleinen Pumpe Wasser aus der letzten
                              									Kufe, um es durch eine Brause in die erste überzugießen. Auf diese Weise entsteht
                              									ein continuirlicher Strom, welcher dem Wasser gestattet die erforderliche Menge Luft
                              									zu absorbiren.