| Titel: | Die Rasenschmiele, Aira caespitosa L., als Material zur Bereitung des Waldhaars; von Heinrich Hanstein in Zwingenberg a. B. | 
| Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LXXIV., S. 313 | 
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                        LXXIV.
                        Die Rasenschmiele, Aira
                              									caespitosa L., als Material zur Bereitung des Waldhaars; von Heinrich Hanstein in Zwingenberg a. B.
                        Hanstein, über die Rasenschmiele, als Material zur Bereitung des
                           								Waldhaars.
                        
                     
                        
                           In neuerer Zeit wird wohl fast ausschließlich anstatt des Seegrases (von Zostera marina), das sogenannte
                              										„Waldhaar“, welches von der zittergrasartigen Segge, Carex brizoides L. abstammen soll, verwendet.
                           Gewiß wurde anfangs auch nur die genannte Segge zur Darstellung gebraucht, welche
                              									sehr vereinzelt vorkommt und großen Strecken fast ganz fehlt. So wird sie in Hessen
                              									als eine Seltenheit an einigen Orten gefunden. Es ist natürlich, daß da, wo solche
                              									häufig vorkam, ein einträglicher Handel mit dem Waldhaare betrieben wurde; durch die
                              									massenhafte Consumtion
                              									aber bald die Aufmerksamkeit auf ähnliche Pflanzen gerichtet wurde.
                           Das Waldhaar besteht nun in der That nur zum Theil noch aus Blättern und Halmen der
                              										Carex brizoides; zum größeren Theile aus solchen von
                              									einem ächten Grase, der Rasenschmiele, Aira caespitosa
                                 									L., so daß viele der zopfartig gedrehten Stränge, wie sie im Handel sind, keine
                              									Spur der Segge enthalten; andere neben letzterer eine beträchtliche Beimengung der
                              									Blätter der Rasenschmiele zeigen.
                           Die Rasenschmiele ist aber eine der häufigsten Grasarten, welche durch ganz
                              									Deutschland in Wäldern und auf Wiesen gemein ist, und bei ihrem oft massenhaften
                              									Vorkommen sehr leicht gesammelt werden kann. Jedenfalls wird der gegenwärtige Preis
                              									sehr herabgedrückt, wenn die Waldhaarbereitung aus der Schmiele einmal zur
                              									allgemeineren Kenntniß gekommen ist.
                           Das Waldhaar aus Letzterer läßt sich erkennen durch die häufigen, nicht völlig
                              									entwickelten Blüthenrispen und durch die gespaltenen Blattscheiden der beblätterten
                              									Halme; dann sind die Blätter breiter, weniger lang und fühlen sich rauher an. Bei
                              									dem aus der Segge bereiteten Waldhaar finden sich häufig die ährchentragenden
                              									Halme.
                           Tapezier Heinz aus Lorsch, der in meinem Hause Waldhaar
                              									verwendete, bei welcher Gelegenheit ich auf den Bestand desselben überhaupt
                              									aufmerksam wurde, macht keinen Unterschied hinsichtlich der Güte. Derselbe gibt auch
                              									an, daß früher in Mannheim und Gernsheim mißglückte Versuche, Waldhaar zu bereiten,
                              									gemacht worden seyen. Wahrscheinlich wurden andere Riedgräser, deren Verwendung viel
                              									näher lag, zur Darstellung genommen.
                           Es ist nun allerdings die Frage: in welcher Weise das Gras am besten zubereitet wird.
                              									Es scheint jedenfalls, daß es in halbfeuchtem Zustande in Zöpfe gedreht und in der
                              									Wärme rasch getrocknet wird, wodurch es seine krause Beschaffenheit erhält.
                           Ich werde zur Zeit zwar selbst einige Versuche über die beste Darstellung des
                              									Waldhaars machen; möchte aber nun im Allgemeinen darauf aufmerksam machen, damit
                              									diejenigen, welche sich dafür interessiren, schon in diesem Jahre Gelegenheit zur
                              									Prüfung haben.
                           Nach einer von mir erzielten guten Waare wäre die Sammelzeit Anfangs Juni, zu welcher
                              									Zeit die Rispen entfaltet, aber noch nicht in Blüthe getreten sind.Der Verfasser, durch sein Werkchen „Die
                                          													Familie der Gräser in ihrer Bedeutung für den Wiesenbau
                                       											 (Verlag von Heinrich Ritter in Wiesbaden, 1857)
                                    											rühmlich bekannt, hat uns vorstehenden Aufsatz aus dem Gewerbeblatt für das
                                    											Großherzogthum Hessen, Mai 1857, mitgetheilt. Er bemerkt hinsichtlich der
                                    											Rasenschwiele noch, daß dieselbe an vielen Orten so massig vorkommt, in Wäldern, daß sie dort gemäht werden kann; ihr
                                    											Same, – der eine Fälschung des Grassamens im Handel bildet, –
                                    											kann per Centner zu 5 fl. angekauft werden und zeichnet sich durch seine
                                    											Kleinheit aus. A. d. Red.