| Titel: | Ueber Ventilirung der Gebäude; von Dr. Neil Arnott. | 
| Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. CVI., S. 428 | 
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                        CVI.
                        Ueber Ventilirung der Gebäude; von Dr. Neil Arnott.
                        Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, März 1857,
                              									S. 72.
                        Arnott, über Ventilirung der Gebäude.
                        
                     
                        
                           Die Ventilirung oder Lüftung eines einzelnen Zimmers im Sommer kann durch Oeffnen der
                              									obern Flügel eines Fensters bewirkt werden; im Winter ist sie im Allgemeinen
                              									hinreichend durch den Luftstrom gesichert, welcher bei der englischen und
                              									französischen Kaminheizung vom Rost zur Esse aufsteigt, und kann durch eine
                              									zweckmäßig angebrachte Lüftungsklappe vollkommen gemacht werden. Soll aber ein
                              									geräumiges Gebäude, wie z.B. ein Hospital, oder eine Caserne bei Tag und bei Nacht,
                              									im Sommer und im Winter ventilirt werden, so sind andere Mittel erforderlich. In den
                              									letztern Jahren wurden hauptsächlich nachstehende benutzt:
                           1) Eine hohe Saugesse (in Frankreich cheminée
                                 										d'appel genannt), welche durch Feuer oder Heißwasserröhren erwärmt wird und
                              									mit den zu ventilirenden Räumen in Verbindung steht.
                           2) Luftpumpen oder Ventilatoren, welche durch irgend eine Triebkraft in Bewegung
                              									gesetzt werden, um durch zweckmäßige Canäle frische Luft in das Gebäude zu treiben,
                              									oder die verdorbene herauszusaugen, wie es die Saugesse thut. Die auf die eine oder
                              									die andere Art aus den Räumen entfernte verdorbene Luft entweicht entweder durch
                              									Oeffnungen in der Nähe der Decke, so daß eine aufsteigende Ventilation veranlaßt
                              									wird, oder durch Oeffnungen an dem Boden, wodurch eine abwärtsgehende Ventilation
                              									erzeugt wird.
                           In vielen brittischen Gefängnissen, welche durch eine gefeuerte Esse ventilirt
                              									werden, strömt die reine Luft, erwärmt oder abgekühlt, in der Nähe der Decke der
                              									Zellen ein, während die unreine Luft durch Oeffnungen am Boden aus den Zellen
                              									gesogen wird. Dieses Lüftungssystem gibt im Allgemeinen keine genügenden Resultate.
                              									Bei einigen Vorzügen hat es auch entschiedene Nachtheile. Zu seinen Vorzügen gehört
                              									der Umstand, daß in einem Raum durch einströmende Luft die Wärme gleichförmiger
                              									vertheilt wird, als wenn sich die Wärmequelle unten befindet; denn da die
                              									einströmende warme Luft leichter ist als die Luftmasse in dem Raum, so verbreitet
                              									sie sich über letzterer und sinkt nur in dem Maaße herab, als sie sich abgekühlt hat
                              									und als mehr frische warme Luft einströmt. Dieses System ist auch ökonomisch, denn
                              									da die am Boden ausströmende Luft die schwerste in dem Raum ist, so ist sie auch die kälteste und
                              									nimmt folglich beim Abziehen nur wenig Wärme mit sich. Die schwerste Luft ist jedoch
                              									hier nicht die unreinste, weil die ausgeathmete warme Luft aufwärts strömt, sich mit
                              									der eintretenden frischen vermischt und folglich theilweise immer wieder eingeathmet
                              									wird.
                           In Frankreich wurde diese abwärtsgehende Ventilation in mehreren Hospitälern,
                              									Gefängnissen und Gesellschaftshäusern eingeführt, indem die benutzte Luft in der
                              									Nähe des Bodens von einer gefeuerten Esse angesogen wird. In einigen dieser
                              									Anstalten tritt die frische Luft bereits erwärmt unten ein, und in andern wird sie
                              									in dem Raum durch Berührung mit Flächen in denen heißes Wasser circulirt
                              									(sogenannten Wasseröfen) erwärmt. Nach kurzer Zeit kann in den auf diese Weise
                              									ventilirten Räumen Niemand reine Luft einathmen; denn obgleich die ganze Luftmasse
                              									in dem Raum abwärts gedrängt wird, um am Boden mit größerer Geschwindigkeit
                              									auszuströmen, als die warme ausgeathmete Luft durch die allgemeine Masse aufsteigt,
                              									so muß die ausgeathmete Luft doch aufsteigen und sich in der Masse verbreiten, dann
                              									sinken, allerdings in verdünntem Zustande, und mehr oder weniger durch die Lungen
                              									aller Anwesenden gehen.
                           In dem alten Unterhause zu London wurde frische, mäßig erwärmte Luft aus einem hohen
                              									Thurm angesogen und strömte durch mehrere Oeffnungen in dem Boden aus, während die
                              									unreine Luft durch oben angebrachte Oeffnungen von einer hohen Lüftungsesse
                              									ausgezogen wurde. Diese Einrichtung hat Jahre lang ihrem Zweck gut entsprochen.
                           In dem Oberhause werden Dampfmaschinen von 20 Pferdekräften angewendet, um frische
                              									Luft durch Canäle zu treiben, in denen Dampfröhren befindlich sind, die ihre Wärme
                              									an die umgebende Luft abtreten; die Canäle münden in den großen Sitzungssaal aus.
                              									Die unreine Luft wird durch die einströmende frische Luft ausgetrieben,
                              									hauptsächlich mittelst Oeffnungen welche in der Nähe der Decke angebracht sind und
                              									mit einer Lüftungsesse in Verbindung stehen. Diese Einrichtung erfordert jedoch, um
                              									dem Zwecke zu entsprechen, eine stete sorgfältige Beaufsichtigung, und die ersten
                              									Anlagekosten sind sehr bedeutend.
                           Die in Paris zur Erwärmung und Ventilirung gewisser großen Gebäude von den HHrn. Leon
                              									Duvoir le Blanc, René Duvoir, Grouvelle, Thomas und Laurens
                              									ausgeführten Plane, zu deren Erläuterung auf der Pariser Ausstellung Modelle und
                              									Zeichnungen vorhanden waren, sind ebenfalls Beispiele von den oben besprochenen
                              									Systemen. Bei denen welche eine erwärmte Esse benutzen, ist der Erfolg ein sehr
                              									unsicherer.
                           
                           Hr. L. D. le Blanc erwärmt alle Räume eines Gebäudes
                              									dadurch, daß von einem einzigen Kessel aus, der im Kellergeschoß angebracht ist,
                              									heißes Wasser circulirt. Das Wasser wird durch das Gewicht der niederwärts gehenden
                              									Ströme von diesem unten liegenden Kessel nach einem hochliegenden Reservoir empor
                              									getrieben und von diesem gehen Röhren in jeden Raum und führen das heiße Wasser den
                              									sogenannten Wasseröfen zu, aus denen es, sobald es abgekühlt ist, abwärts zieht, um
                              									wieder erhitzt zu werden. In den Wasseröfen sind an beiden Enden offene Röhren
                              									angebracht, durch welche die frische Luft in den zu erwärmenden Raum strömt, und
                              									erwärmt, dann zur Decke hinauf zieht. Die kalte und folglich schwerste Luft des
                              									Raumes sinkt bis zum Boden hinab und strömt dort in dem Verhältniß durch die
                              									Lüftungsöffnungen aus, als frische Luft eintritt. Dieses System hat die oben
                              									erwähnten Vortheile der Brennmaterialersparung und der gleichartigen Vertheilung der
                              									Wärme, dagegen den Nachtheil, daß die Luft stets unrein bleibt, was von dem
                              									niedrigen Austritt der benutzten Luft und der schwachen und unsteten Triebkraft
                              									herrührt.
                           Nach dem Plan des Hrn. René Duvoir, wie er in der
                              									polytechnischen Schule und in einigen andern Gebäuden ausgeführt ist, circulirt
                              									heißes Wasser von dem Kessel aus in weitern Röhren, die sich in Canälen befinden,
                              									welche in den Wänden und Böden angebracht sind; durch diese Canäle zieht von außen
                              									eingeführte frische Luft, erwärmt sich und strömt in die zu heizenden Räume aus. In
                              									andern Beziehungen hat das System viel Aehnlichkeit mit dem von le Blanc. Es ist ein Vortheil, daß bei demselben die
                              									Heizung eines Zimmers nicht ohne gleichzeitige Lüftung bewirkt werden kann, weil ihm
                              									die Wärme durch die frische Luft zugeführt wird; indem die Luft dann durch warme
                              									Canäle emporsteigt, bildet sie warme Säulen, welche die Wirkung der Lüftungsesse
                              									erhöhen.
                           Bei dem Grouvelle'schen System wird ebenfalls eine Esse
                              									und ein Centralkessel mit Wasseröfen angewendet, aber das Wasser dieser Oefen wird
                              									nicht immer direct in dem Kessel erhitzt, sondern durch Dampf, welcher vom Kessel zu
                              									den Oefen oder zu besondern theilweisen Wassercirculationen aufsteigt. So wie bei
                              									allen vorher besprochenen Vorrichtungen, sind Hähne zum Reguliren der
                              									Wärmevertheilung angebracht.
                           Die HHrn. Thomas und Laurens
                              									wenden, wie ihre Heizung im Hospital Lariboisière zeigt, Dampfmaschinen von
                              									20 Pferdekräften an, um die Luft mittelst Ventilatoren durch das Gebäude zu treiben.
                              									Die frische Luft wird durch den schon benutzten Maschinendampf erwärmt. Die
                              									einströmende frische Luft treibt die schon gebrauchte und verdorbene durch Oeffnungen aus,
                              									welche hauptsächlich in den Wänden, theils auf halber Höhe derselben, theils weiter
                              									unten, angebracht sind. Die ersten Anlagekosten eines solchen Heizapparates sind
                              									sehr bedeutend.
                           Das zweckmäßigste Mittel zur wirksamen Ventilation großer Gebäude ist hiernach
                              									offenbar ein einfacher und daher wohlfeiler Motor, welcher frische Luft einblasen
                              									oder verdorbene ansaugen kann, und dabei regelmäßig nach Erforderniß functionirt.
                              									Durch einen solchen empfehle ich die besprochenen theuren und verunzierenden Essen,
                              									die Dampfmaschinen und die Dampfströme zu ersetzen; er müßte gleichförmig Tag und
                              									Nacht fortarbeiten, würde den wesentlichen Vortheil größerer Sicherheit gegen
                              									Feuersbrünste gewähren und die stete Ueberwachung durch geübte Wärter entbehrlich
                              									machen.
                           Ein solcher Lüftungsapparat ist nun die von mir (Dr. Arnott) erfundene Lüftungspumpe, von welcher die Pariser
                              									Ausstellung ein Modell enthielt. Die zweckmäßigste Art diese Pumpe in Betrieb zu
                              									setzen, ist nicht eine Dampfmaschine, sondern der tägliche Wasserbedarf eines
                              									Gebäudes. Denselben liefert das Wasserwerk in einen Behälter, welcher im Dachraume
                              									des Gebäudes angebracht ist; indem nun das Wasser, um es im Hause zu verwenden, nach
                              									und nach aus dem Behälter hinabfällt, wird es auch zur Bewegung der Lüftungspumpe
                              									benutzt. Mittelst eines einfachen Mechanismus kann jede Pinte (etwa 36 Kubikzoll)
                              									welche 20 Yards (60 Fuß) herabfällt, 240 Kubikfuß frische Luft in ein Haus
                              									einblasen, nöthigenfalls durch die vertheilenden Canalverzweigungen; die Pumpe wirkt
                              									Tag und Nacht mit der Regelmäßigkeit einer Uhr, und steht nur dann still, wenn das
                              									Wasserwerk nicht den regelmäßigen täglichen Bedarf abgegeben hat.
                           Dieser Apparat wurde vor sechs Jahren in dem neuen Krankenhause zu York angebracht
                              									und hat dort sehr befriedigende Resultate gegeben, wie die amtlichen Berichte
                              									nachweisen. Die Lüftung des Gebäudes, welches 1000 Kranke aufnehmen kann, kostet
                              									kaum über 1 Shilling per Tag.