| Titel: | Ueber gegypste Weine; von Hrn. Hugounenq in Lodève. | 
| Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XXXVII., S. 149 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber gegypste Weine; von Hrn. Hugounenq in
                           Lodève.
                        Aus dem Journal de Pharmacie et de Chimie, April 1857, S.
                              262.
                        Hugounenq, über gegypste Weine.
                        
                     
                        
                           Hr. Sanguinetti zu Bastia (Corsica) entdeckte in Weinen
                              von Trauben, welche wegen des Schimmelpilzes geschwefelt worden waren,
                              Schwefelwasserstoff und Schwefelwasserstoff-Schwefelkalium. Wenn die
                              Gegenwart wenigstens des erstem auch keinem Widerspruch unterliegt und sich sogar
                              manchmal schon durch den Geruch kund gibt, so lassen sich doch dadurch noch nicht
                              alle chemischen Reactionen solcher Weine erklären, die unserer Ansicht nach von
                              einem schwefelsauren Salze herrühren. Man stelle nur einmal mit einer und derselben
                              geschwefelten Weinsorte Versuche zur Zeit des Ablassens aus den Kufen und dann sechs
                              Monate später an; in ersterem Falle erhält man mit Metalllösungen einen Niederschlag
                              von Schwefelmetall; im letztern aber keine Spur davon, hingegen mit Chlorbaryum
                              einen Niederschlag von schwefelsaurem Baryt, der zwar etwas stärker ist, als bei
                              gewöhnlichen Weinen, doch nicht so, daß man daraus auf den Zusatz eines auflöslichen
                              schwefelsauren Salzes, etwa Alaun, schließen könnte, vorausgesetzt daß der Wein lediglich geschwefelt
                              worden ist.
                           In Folge des Schimmelpilzes kam, außer der Schwefelung, noch ein anderes Verfahren
                              – das Gypsen – in Aufnahme, welches gefährlicher ist, und seit einigen
                              Jahren sich im südlichen FrankreichFankreich sehr verbreitete.
                           Während des Eintretens der Trauben wird der gemahlene Gyps auf dieselben geworfen,
                              daher er beim Beginn der Gährung mit dem Most in Berührung ist. Diesen Umstand haben
                              diejenigen Chemiker nicht berücksichtigt, welche erklärten, daß der Gyps im Wein
                              nicht auflöslicher sey als im Wasser; ihr Irrthum entstand dadurch, daß sie
                              versuchten den Gyps im fertigen Wein aufzulösen, anstatt ihn, wie die Weinbauer, mit
                              dem Most in Berührung zu bringen.
                           Vielfache Analysen gegypster Weine überzeugten mich, daß sie manchmal eine
                              beträchtliche Menge schwefelsauren Kalks aufgelöst enthalten, dem die von ihnen
                              hervorgebrachten üblen Zufälle, wie ich glaube, mit Recht zugeschrieben werden. Ein
                              solcher Wein enthielt zweimal so viel Gyps aufgelöst, als destillirtes Wasser von
                              28° R. auflösen kann.
                           Dieser Gypszusatz, oder vielmehr der durch denselben veranlaßte Gehalt des Weins an
                              Schwefelsäure, verleitete schon öfters zu der Annahme, daß sich Alaun im Wein
                              befinde, während derselbe keine anderen Thonerdesalze enthielt, als die in seinem
                              Normalzustande ohnedieß darin befindlichen, nämlich weinsteinsaure und phosphorsaure
                              Thonerde.
                           Während im gegypsten Wein durch Chlorbaryum ein reichlicher Niederschlag (in Folge
                              der Schwefelsäure) hervorgebracht wird, gibt das oralsaure Ammoniak nur einen sehr
                              geringen Niederschlag von Kalk. Die Ursache hievon ist wohl folgende. Wie ich mich
                              überzeugt habe, wird die Auflösung des Gypses durch die Gährung befördert; aber das
                              doppeltweinsteinsaure Kali tauscht mit demselben sehr bald die Base aus und es setzt
                              sich weinsteinsaurer Kalk ab, während schwefelsaures Kali in der Flüssigkeit
                              aufgelöst bleibt; dieser Vorgang findet hauptsächlich während der Gährung statt und
                              hört erst einige Zeit nach derselben auf, wo dann der Wein vollkommen klar ist,
                              weil, während sich der Bodensatz bildet, der weinsteinsaure Kalk alle in der
                              Flüssigkeit schwebenden Substanzen mit niederreißt. Wirklich geben die gegypsten
                              Weine bald nach der Lese mit Barytsalzen und oralsaurem Ammoniak reichliche
                              Niederschläge, während ein halbes Jahr später der durch das letztere Reagens
                              erzeugte Niederschlag nur unbedeutend ist und man, wenn der Wein sich in einer
                              Flasche befand, auf dem Boden derselben einen beträchtlichen Absatz von
                              weinsteinsaurem Kalk findet.
                           
                           Sehr zu vermeiden ist also bei der Untersuchung gegypster Weine die voreilige
                              Annahme, daß sie Alaun enthalten. Um den Alaun im Wein zu erkennen, hat Lassaigne eine sehr genaue Methode angegeben,Polytechn. Journal Bd. CXL S. 62. welche manchmal zu umständlich ist. Ich empfehle, um die Thonerde leicht und
                              rasch zu bestimmen, folgendes Verfahren.
                           Man nimmt 500 bis 4000 Gramme des verdächtigen Weines, setzt ihm Chlorbaryum zu, bis
                              kein Niederschlag mehr entsteht, filtrirt durch ein sehr kleines Filter, versetzt
                              die filtrirte Flüssigkeit mit oralsaurem Ammoniak in geringem Ueberschuß, filtrirt
                              abermals und gibt in die klare Flüssigkeit eine hinreichende Menge vollkommen
                              ausgewaschener Thierkohle. Bei öfterem Umrühren entfärbt sich die Flüssigkeit sehr
                              bald, worauf man sie mit Ammoniak in schwachem Ueberschuß fällt. Die im Wein
                              enthaltene Thonerde, sowohl die normale, als die von einem betrügerisch zugesetzten
                              auflöslichen Thonerdesalze herrührende, scheidet sich in ihrer gallertartigen
                              Gestalt ab; man filtrirt nun die Flüssigkeit ab, wascht das Filter mit destillirtem
                              Wasser aus, trocknet es und wägt die Thonerde nach dem Glühen.
                           ––––––––––
                           Die Vortheile und Nachtheile der Anwendung des Gypses, bemerkt die Redaction des Journal de Pharmacie in einem Zusatz, werden aus Hugounenq's Abhandlung einleuchtend. Der Gyps macht den
                              Wein klar; aber er hat zugleich den großen Uebelstand, anstatt des weinsteinsauren
                              Kalis schwefelsaures Kali in die Flüssigkeit zu bringen, so daß der Wein seine
                              Säuerlichkeit anstatt durch zweifach-weinsteinsaures Kali, nun durch
                              zweifach-schwefelsaures Salz erhält, von welchem wir nicht wissen, ob es für
                              die Gesundheit unschädlich ist.
                           Was die Analyse anbelangt, so dürfte die Anwendung der Thierkohle nicht zu empfehlen
                              seyn. Noch so gut ausgewaschen, kann dieselbe noch phosphorsauren Kalk enthalten und
                              abtreten, welchen man dann als Thonerde annimmt. Am besten dürste es wohl seyn, den
                              Wein zur Syrupsconsistenz abzudampfen, den Rückstand mit einem gleichen Volum
                              Salzsäure zu verdünnen, die Flüssigkeit zum Kochen zu bringen und ihr nach und nach
                              chlorsaures Kali in Ueberschuß beizugeben. Auf diese Weise erhielte man eine von
                              jeder organischen Verbindung freie Flüssigkeit, in welcher man die Schwefelsäure,
                              den Kalk und die Thonerde nach den gewöhnlichen Methoden bestimmen könnte.