| Titel: | Kalk-Eisenoxydul-Seife als Kesselstein; von Dr. Renner. | 
| Autor: | Renner | 
| Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. LV., S. 221 | 
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                        LV.
                        Kalk-Eisenoxydul-Seife als
                           Kesselstein; von Dr. Renner.
                        Renner, über Kalk-Eisenoxydul-Seife als
                           Kesselstein.
                        
                     
                        
                           Zur chemischen Untersuchung wurde mit ein Kesselstein übergeben, welcher in seinem
                              Aeußern eine von andern Kesselsteinen durchaus abweichende Beschaffenheit zeigte.
                              Innerhalb vier Wochen seiner Bildung in einem Cylinderkessel von geringen
                              Dimensionen, der mit drei Feuerzügen in seinem Innern versehen war, hatte er in
                              einer Mächtigkeit von 1 1/2 Zoll rhein. so die unteren Kesselplatten und theilweise
                              die Feuerzüge überzogen, daß ein Durchbrennen der über dem Feuerraum befindlichen
                              Kesselfläche die Folge war. Ein Riß in ihr von ungefähr 5 Zoll Länge zwang zur
                              Einstellung der Arbeit, glücklicherweise noch ehe eine verheerende Explosion, deren
                              Möglichkeit nahe lag, eingetreten war.
                           Der Kesselstein selbst war eine graubraune, wie Bimsstein poröse Masse, fettig
                              anzufühlen, von eigenthümlichem, ranzigem Geruche, leicht zerreibbar, in Wasser
                              unlöslich, von 1,145 spec. Gewicht.
                           Vor dem Löthrohre verbrannte er mit anfangs röthlicher, dann gelber, rußender Flamme;
                              die bei ihrem Verlöschen weiter entweichenden Dämpfe erinnerten durch ihren Geruch
                              an den, welchen verbrennende Seifen verbreiten; die Asche war porös, gelb, ins
                              Rothbraune spielend.
                           In siedendem Wasser schmolz die Masse zu einem teigigen Klumpen zusammen; mit
                              Chlorwasserstoffsäure gekocht, trennte sich von ihr ein auf der Lösung oben
                              aufschwimmendes Del, das bei 24° C. fest etc. wurde.
                           Nach Beendigung der qualitativen Analyse wurde die procentische Zusammensetzung nach
                              bekannten Methoden ermittelt; die Analyse ergab:
                           Aschenbestandtheile auf 100 Kesselstein berechnet.
                           
                              
                                 Eisenoxydul
                                 
                                     3,60043
                                 
                              
                                 kohlensaurer Kalk
                                 
                                   15,00380
                                 
                              
                                 schwefelsaurer
                                    Kalk      
                                 
                                       
                                    19883
                                 
                              
                                 Kieselerde
                                 
                                     1,81666
                                 
                              
                                 Chlorverbindungen
                                 
                                       Spuren
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Aschenbestandtheile
                                 20,619 Proc.
                                 
                              
                           nach welchen sich die
                           
                           
                              chemische Constitution des Kesselsteins in Procenten
                              
                           wie folgt ergibt:
                           
                              
                                 Verbrennliche Stoffe: ein in Aether lösliches,
                                    mit   Aetznatronlauge vollständig verseifendes,
                                    fettes
                                 
                                 
                              
                                     
                                    Oel    
                                    Aetzkalk     Eisenoxydul
                                 
                                    
                                    
                                 Seife
                                 75,16456  8,41954  3,60042
                                 
                              
                                     
                                    schwefelsaurer Kalk
                                   0,19883
                                 
                              
                                     
                                    Kieselerde
                                   1,81666
                                 
                              
                                     
                                    Chlorverbindungen
                                    Spuren
                                 
                              
                                     
                                    Wasser
                                 10,80000
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Kesselstein
                                 100,0
                                 
                              
                           Die außergewöhnliche Bildung dieses Kesselsteins, oder vielmehr dieser
                              Kalk-Eisenoxydul-Seife fand leicht ihre Erklärung. Der Maschinenwärter
                              sparte beim Angehenlassen der Maschine, um die Reibung des Kolbens im Cylinder
                              möglichst zu vermindern, nicht im geringsten das Maschinenöl; er goß es vielmehr in
                              überreichlicher Menge in den Dampfcylinder. Mit den entweichenden, durch frisches
                              kaltes Wasser verdichteten Dämpfen gelangte das Oel in ein sogenanntes Retour d'eau, aus welchem die Speisung des Kessels
                              erfolgte..
                           Das zur Condensation der Dämpfe angewendete, nun mit Oel beladene Wasser enthält aber
                              unter anderen Bestandtheilen doppelt-kohlensauren Kalk. Es ist eine bekannte
                              Thatsache, daß kohlensaure, selbst doppelt-kohlensaure, fixe Alkalien
                              – unter den Metalloxyden außer Zinkoxyd und Bleioxyd: Eisenoxydul- und
                              Manganoxydulhydrat – die Oele langsam und bei anhaltendem Kochen in Seifen
                              umwandeln. Die zweifachkohlensauren Alkalien werden nämlich durchs Kochen zersetzt,
                              woraus das gewöhnliche kohlensaure Alkali das Oel zuerst zu einer emulsionartigen
                              Lösung aufnimmt, sich aber später durch Seifenbildung allmählich zur Hälfte in Seife
                              und zum andern Theile in doppelt-kohlensaures Salz verwandelt, das von Neuem
                              während des Kochens unaufhörlich zersetzt wird.
                           In Uebereinstimmung mit den eben angeführten Thatsachen war also unter gleichen
                              Bedingungen die Bildung einer Kalk-Eisenoxydul-Seife (wozu der eiserne
                              Kessel das bezügliche Material bot) möglich geworden, die in der Form von
                              Kesselstein mit ihren Folgen auf empfindliche Weise den Fehler einer normalen
                              Speisung und die Unachtsamkeit des Maschinenwärters verrieth.
                           Hamburg, den 27. October 1857.