| Titel: | Ueber das Indigweiß; von I. Löwenthal. | 
| Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XCI., S. 362 | 
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                        XCI.
                        Ueber das Indigweiß; von I. Löwenthal.
                        Aus dem Journal für praktische Chemie, 1857, Bd. LXX S.
                              463.
                        Löwenthal, über das Indigweiß.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich haben sich zwei Theorien über die Constitution und Bildungsweise des
                              Indigweiß geltend gemacht. Die eine nimmt darin das Hydrat eines Körpers an, welcher
                              ein Aequivalent Sauerstoff weniger enthält, als das Indigblau. Die Ueberführung des
                              Indigblau in Indigweiß ist nach dieser Theorie eine einfache Reduction unter
                              gleichzeitiger Bildung von Wasser. Die andere Theorie betrachtet das Indigweiß als
                              Indigblau plus 1 Aequivalent Wasserstoff. Nach dieser
                              Theorie wird bei der Ueberführung des Indigblau in Indigweiß Wasser zersetzt, der
                              Sauerstoff desselben tritt an den angewandten reducirenden Körper, der Wasserstoff
                              an den Indigo.
                           Vorliegende Arbeit wurde hauptsächlich zu dem Zwecke unternommen, um zu ermitteln,
                              welche von beiden Theorien die richtige sey.
                           Zunächst suchte ich zu ermitteln, ob alle diejenigen Körper, welche einer höheren
                              Oxydation fähig sind, die Eigenschaft besitzen, bei Gegenwart eines Alkali das
                              Indigblau in Indigweiß überzuführen. Ueber diesen Gegenstand sagt Berzelius in seinem Lehrbuche der Chemie 3. Aufl. Bd. VII
                              S. 204: der reducirte Indigo wird gebildet durch Einwirkung von schwefligsauren und
                              phosphorigsauren Salzen, von Phosphor, Schwefelkalium und Schwefelcalcium,
                              Schwefelantimon, mehreren Schwefelsalzen, besonders vom Arsenik, ferner von
                              Zinnoxydul-, Eisenoxydul- und Manganoxydulsalzen, von den Feilspänen
                              von Zink, Zinn und Eisen, von Kaliumamalgam u.s.w.
                           Diese Angabe ist in die meisten Lehrbücher übergegangen. Nach meinen Versuchen
                              vermögen 5 von den aufgezählten Körpern nicht eine Spur von Indigo zu reduciren;
                              diese sind: schwefligsaure und phosphorigsaure Salze, Schwefelkalium,
                              Schwefelcalcium und Manganoxydulsalze.
                           Ich habe meine Versuche oft und unter verschiedenen Umständen wiederholt, ganz
                              besonders noch mit den Schwefelalkalien, einerseits, weil Berzelius a. a. O. noch einmal speciell hierauf zurückkommt, andererseits,
                              weil ich diese unter denjenigen Körpern, welche das Indigblau nicht in Indigweiß
                              überführen, am stärksten reducirend fand. Nachdem ich bei vielfältigen Versuchen mit
                              Schwefelalkalien nie die geringste Spur von reducirtem Indigo hatte erhalten
                              könnenEs ist sehr leicht zu erkennen, ob die geringste Spur von Indigo reducirt
                                    ist, an den dunkelrothen Häutchen, welche wie Metallflimmern auf der
                                    Flüssigkeit umherschwimmen, wenn die Reduction nur sehr gering, aber die
                                    ganze Flüssigkeit überziehen, wenn sie etwas stärker ist., stellte ich den Versuch auch in der Weise an, daß ich in ein warm
                              erhaltenes Gemisch von caustischem Kali von 12° B. und Indigo,
                              Schwefelwasserstoffgas einleitete, aber auch hierbei wurde nicht die geringste Spur
                              Indigo reducirt. Ferner habe ich noch mit dem arsenigsauren Natron vielfältige
                              Versuche gemacht, weil ich dieses viel stärker reducirend fand, als das
                              schwefligsaure Natron, aber ebenfalls ohne allen Erfolg. Sowohl die arsenigsauren
                              Alkalien als auch die Schwefelalkalien wirken durchaus nicht auf den Indigo ein, wie
                              man aus Vorhergehendem ersteht; werden aber beide zusammen gekocht, so wirken sie
                              stark reducirend auf den Indigo ein, denn es bildet sich in diesem Falle
                              Schwefelarsenik, und dieses hat ein stärkeres Bestreben, sich in
                              Fünffach-Schwefelarsenik zu zerlegen, als die arsenige Säure sich in
                              Arseniksäure umzuwandeln. Da Mohr angibt, daß, wenn das
                              arsenigsaure Natron nur eine Spur schwefligsaures Natron enthalte, ersteres sich an
                              der Luft höher oxydire, so habe ich auch die Wirkung eines Gemisches von beiden
                              Salzen in caustischem Kali auf den Indig versucht, habe aber auch hiemit nicht eine
                              Spur Indigo reduciren können.
                           Nachdem diese Thatsache festgestellt war, mußte untersucht werden, ob diejenigen
                              Körper welche den Indigo reduciren, sich auch in Bezug auf andere Oxyde von denjenigen,
                              welche ihn nicht reduciren, unterscheiden.
                           Ferner, da nach der oben zuerst genannten Theorie eine einfache Oxydation
                              vorausgesetzt wird, nach der zweiten aber die Oxydation durch doppelte Affinität
                              bewirkt wird, so mußte auch dieses bei der ferneren Untersuchung berücksichtigt
                              werden.
                           Als einfache Oxydationsmittel habe ich das Kupferoxyd, das chromsaure Kali und das
                              Wismuthoxyd gewählt, für die Oxydation durch doppelte Affinität das Jod.
                           Es stellte sich heraus, daß diejenigen Körper, welche das Indigblau in Indigweiß
                              überführen, auch genau unter denselben Umständen die
                              Chromsäure und das Wismuthoxyd in alkalischer Flüssigkeit reduciren (das Kupferoxyd
                              reducirt sich leichter wie diese, folglich auch leichter wie der Indigo), der
                              Phosphor macht hiervon allein eine Ausnahme.
                           Das reine schwefligsaure Kali wirkt auch bei anhaltendem Kochen auf das Kupferoxyd
                              (in weinsäurehaltigen alkalischen Lösungen) nicht reducirend; eben so wenig auf die
                              Chromsäure und das Wismuthoxyd; die phosphorigsauren Alkalien wirken nicht auf die
                              Chromsäure und das Wismuthoxyd. Ein arsenigsaures Alkali wirkt, wie bekannt, auf das
                              Kupferoxyd stark ein; wird dasselbe Salz sehr verdünnt mit dem alkalischen
                              chromsauren Kali gekocht, so wirkt es nicht ein; concentrirt und gekocht wird
                              Chromoxyd ausgefällt, wird aber nach längerem Kochen abfiltrirt, so findet man im
                              Filtrat bei weitem den größten Theil arseniger Säure und Chromsäure unverändert
                              neben einander; auf das Wismuthoxyd wirkt die arsenige Säure nicht ein.
                           Die Schwefelalkalien wirken bei anhaltendem Kochen stark auf die alkalische
                              Chromsäurelösung ein, aber auch hier findet man im Filtrat noch eine bedeutende
                              Menge beider Körper unverändert nebeneinander. Das Manganoxydul reducirt das
                              Kupferoxyd und die Chromsäure, aber nicht das Wismuthoxyd. Das Indigweiß wird durch
                              das Kupferoxyd, die Chromsäure und das Wismuthoxyd bei Ueberschuß von einem Alkali
                              bei gewöhnlicher Temperatur in Indigblau zurückgeführt.
                           Sowohl die Körper, welche das Indigblau in Indigweiß überführen, als auch diejenigen,
                              welche dieses nicht vermögen, werden durch Iod oxydirt. Es ist aber hierbei wohl zu
                              beachten, daß letztere dasselbe Reductionsvermögen haben wie erstere; mit anderen
                              Worten, sie zeigen bei dieser durch zwei Affinitäten bewirkten Oxydation dieselbe
                              Neigung sich zu oxydiren, wie jene.
                           Die Reduction des Indigo findet nicht statt durch Eisen- und Zinnoxydulsalze
                              in Ammoniak, eben so wenig in zweifach-kohlensaurem Natron. Ganz entsprechend
                              verhalten sich die Chromlösung und das Wismuthoxyd, d.h. sie werden in diesen beiden
                              Flüssigkeiten von beiden genannten Oxydulsalzen nicht
                              reducirt.
                           Wird aber Indigo vermittelst caustischem Kali und Zinnoxydul reducirt, dann nach
                              erfolgter Reduction eine dem Kali entsprechende Menge Salmiak, um alles Kali in
                              Chlorkalium umzuwandeln, nebst caustischem Ammoniak hinzugefügt, so bleibt das
                              Indigweiß mit allen seinen Eigenschaften in Lösung. Ich habe gezeigt, daß
                              schwefligsaures und arsenigsaures Natron bei der Oxydation durch doppelte Affinität
                              dieselbe Neigung sich zu oxydiren zeigen, wie das Eisenoxydul, und doch führt
                              letzteres schon bei gewöhnlicher Temperatur das Indigblau in Indigweiß über, was die
                              beiden ersteren bei keiner Temperatur und unter keiner Bedingung vermögen. Ich
                              schließe hieraus, daß das Indigweiß nicht Indigblau plus
                              Wasserstoff ist, sondern Indigblau minus Sauerstoff.
                              –
                           Nachdem Obiges bereits niedergeschrieben war, habe ich folgende Versuche angestellt:
                              Wird schwefelsaurer Indigo mit kohlensaurem Natron oder Kali im Ueberschuß versetzt,
                              dann Schwefelwasserstoffgas eingeleitet, so findet die Reduction sofort statt; hängt
                              man jetzt einige Minuten baumwollenen Stoff in diese Flüssigkeit, so erscheint
                              derselbe nach dem Herausnehmen gelb, wird aber sehr bald an der Luft blau, wie
                              dieses bei den Indigoküpen stattfindet.
                           Ich habe aber gezeigt, daß der unveränderte Indigo unter keiner Bedingung weder von
                              den Schwefelalkalien noch von dem Schwefelwasserstoff reducirt wird.
                           Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Reduction des unveränderten Indigos auf
                              dieselbe Weise wie die des schwefelsauren Indigos stattfindet; d.h. wenn die eine
                              durch Hinzutreten von Wasserstoff bewirkt wird, so wird dieses auch der Fall seyn
                              bei der andern, und ebenso wenn die Reduction durch Abgabe von Sauerstoff
                              erfolgt.
                           Ist nun das Indigweiß Indigblau plus Wasserstoff, so muß
                              der schwefelsaure Indigo eine viel größere Affinität zum Wasserstoff wie der
                              unveränderte Indigo haben, indem dieser, nicht wie jener, dem Schwefelwasserstoff
                              den Wasserstoff entzieht; dieß hat aber wenig Wahrscheinlichkeit für sich, da der
                              schwefelsaure Indigo im Allgemeinen leichter zerstörbar ist und geringere
                              Verwandtschaft äußert, als der unveränderte Indigo.
                           Ist aber das Indigweiß Indigblau minus Sauerstoff, so
                              scheint es ganz den bekannten Erfahrungen zu entsprechen, daß in dem schwefelsauren
                              Indigo der Sauerstoff nicht mehr so fest gebunden ist, als in dem unveränderten
                              Indigo, und folglich ener auch durch solche Körper seines Sauerstoffs beraubt werden kann,
                              welche auf diesen ganz ohne Wirkung sind.
                           Schließlich möchte ich die Vermuthung aussprechen, daß vielleicht Berzelius die reducirenden Körper, wenigstens theilweise,
                              auf den schwefelsauren Indigo versucht hat, nicht ahnend, daß in dieser Hinsicht ein
                              so großer Unterschied zwischen diesem und dem unveränderten Indigo stattfindet.
                              Indessen widerspricht dieser Vermuthung die Stelle des Lehrbuchs, welche die Worte
                              enthält: bei überschüssiger Basis wird das lösliche Blau
                              von allen Stoffen reducirt, welche das unlösliche reduciren.