| Titel: | Ueber die fabrikmäßige Verarbeitung der Braunkohlen auf Photogen, Paraffin u.s.w.; von B. Hübner, Director der Bitterfelder Photogen- und Paraffin-Fabrik. | 
| Autor: | B. Hübner | 
| Fundstelle: | Band 146, Jahrgang 1857, Nr. CX., S. 419 | 
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                        CX.
                        Ueber die fabrikmäßige Verarbeitung der
                           Braunkohlen auf Photogen, Paraffin u.s.w.; von B. Hübner, Director der Bitterfelder
                           Photogen- und Paraffin-Fabrik.
                        (Fortsetzung von S. 216.)
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Hübner, über die fabrikmäßige Verarbeitung der Braunkohlen auf
                           Photogen, Paraffin etc.
                        
                     
                        
                           Wie schon erwähnt, pumpe ich den Theer aus dem zum Ansammeln desselben dienenden
                              Bassin direct in die Destillationsapparate; besondere Vorrichtungen zu seiner
                              Entwässerung wende ich nicht an.
                           Die Trennung von Wasser und Theer wird übrigens um so leichter erfolgen, je größer
                              die Differenz ihrer specifischen Gewichte, d.h. je leichter der Theer ist. Die
                              Consistenz desselben bei mittlerer Lufttemperatur hat keinen Einfluß darauf; im
                              Gegentheil sind die dabei consistentesten Theere gerade die leichtesten und deßhalb
                              auch diejenigen, welche sich am besten vom Wasser trennen.
                           Zur Destillation wähle ich niedrige Blasen, deren Helm auf denselben seitlich
                              angebracht ist, während das Mannloch zum Füllen sich in der Mitte befindet. Von der
                              tiefsten Stelle des Bodens geht ein Rohr aus, das durch die Ummauerung derselben
                              hervorragt und hier mit einem Hahne versehen ist, der dazu dient, die geringe Menge
                              des sich beim Anwärmen noch abscheidenden Wassers abzulassen.
                           Auch bei den Blasen lasse ich, um eine recht allmähliche, gleichmäßige Wirkung des
                              Feuers zu erzielen, ähnlich wie bei den Retorten, letzteres unter einem
                              Gittergewölbe von feuerfesten Steinen sich entwickeln, und führe die heißen
                              Verbrennungsproducte in Zügen bis in die Höhe jener und über sie hinweg, so daß kein
                              Theil der Blase außer dem Mannloch der Luft bloßgelegt ist, selbst nicht der Helm, der
                              innerhalb des obersten Zuges sich befindet. Es ist bei der äußerst geringen latenten
                              Wärmemenge und der damit verbundenen leichten Verdichtbarkeit der sich entwickelnden
                              Dämpfe durchaus nothwendig, die Blasen in ihren oberen Theilen sowie deren Helm vor
                              jeder Abkühlung zu schützen; es würde sonst schon innerhalb der Blase, insbesondere
                              gegen das Ende der Destillation einer gewissen Theermenge – wo die zum
                              Verdampfen die höchsten Hitzgrade erheischenden Producte, insbesondere das Paraffin,
                              sich entwickeln – eine Condensation dieser Producte erfolgen, sie würden
                              daher in den um diese Zeit glühend gewordenen untern Theil der Blase zurückfallen
                              und dann eine gleiche Zersetzung erleiden, wie die Destillationsproducte innerhalb
                              der Retorten, wenn man deren obern Theil zum heftigen Glühen kommen läßt. Bei
                              solcher fehlerhaften Operation treten dann auch hier und dort gleiche Erscheinungen
                              ein, d.h. es entweichen aus den Kühlapparaten eine Menge nebelartiger Gebilde, aus
                              denen man wohl auf eine nicht genügende Condensation geschlossen hat und welche zur
                              Anlage ungeheurer Vorrichtungen für deren Bewerkstelligung Veranlassung gaben.
                           Um dem gleichen Uebelstande, nämlich der Verdichtung von dampfförmigen Producten im
                              oberen Theile der Blase vorzubeugen, wähle ich diese auch nicht zu hoch, so daß jene
                              daselbst eine genügende, ihre Verdichtung verhindernde Temperatur behalten.
                           Zur Kühlung der Destillationsproducte aus den Blasen verwende ich bleierne, von
                              Wasser umgebene Rohre. Das Kühlwasser wird so lange erneuert, bis die
                              paraffinhaltigen Oele anfangen überzugehen. Alsdann schließe ich den dasselbe
                              zuführenden Hahn, und hat man die Röhren innerhalb der Gränzen der Nothwendigkeit
                              gewählt, so erhöht sich die Temperatur des dieselben umgebenden Wassers durch die
                              beim Verdichten der Paraffinöle frei werdende Wärme von selbst um so viel, daß
                              dieselben flüssig bleiben und ein Erstarren derselben innerhalb der Röhren nicht zu
                              befürchten ist.
                           Was nun die Destillation selbst anlangt, so gehen die ersten leichtesten Oele bei
                              etwa 100° C. zugleich mit einer geringen Quantität dem Theer noch
                              beigemengten Wassers über. So lange als letzteres noch nicht vollständig
                              abgeschieden ist, erhebt sich die Temperatur auch nur wenig, dann aber steigt sie
                              verhältnißmäßig schnell bis über 200° C., und nun tritt ein Punkt ein, wo die
                              Destillation stockt und ein heftiges Getöse innerhalb der Blase bemerkbar wird.
                              Gleichzeitig erscheint unter den Destillationsproducten wieder etwas Wasser.
                           
                           Bis hieher ungefähr sammle ich das Uebergehende in einem Behälter und fange nun erst
                              das bei verstärktem Feuer zu Ende der Destillation Resultirende gesondert auf. Dieß
                              sind dann die paraffinhaltigen erstarrenden Oele, deren Gehalt an reinem Paraffin
                              bei den Theeren verschiedener Kohlen sehr verschieden ist.
                           Ich setze übrigens das Feuern so lange fort, bis keine flüssigen Producte mehr
                              erscheinen. Es entwickeln sich dann am Ende der Arbeit, wenn der Boden der Blase
                              vollständig ins Glühen geräth, massenhafte gelbe, äußerst beißende Dämpfe; zugleich
                              zeigt sich eine gelbe, griesige, zähflüssige Materie, welche Naphthalin, diesen
                              steten Begleiter aller bei sehr hohen Temperaturen erzeugten Zersetzungsproducte,
                              enthält. Mit dieser zugleich tritt nochmals eine geringe Menge durch Oxydation von
                              Wasserstoff gebildeten Wassers auf.
                           Um den Arbeiter vor den während des ganzen Destillationsprocesses, besonders aber zu
                              Ende desselben sich entwickelnden Gasen und Dämpfen, welche heftige
                              Augenentzündungen veranlassen, zu schützen, muß man diese durch eine Vorrichtung ins
                              Freie leiten. Ich füge zu diesem Zwecke an den Ausfluß der Kühlröhre ein gebogenes
                              Stück Rohr an, dessen Form Fig. 5 zeigt. Die
                              flüssigen Producte füllen, bevor sie ausfließen, die Biegung desselben und gestatten
                              so den mit entweichenden Gasen an dieser Stelle keinen Ausweg. Letztere sind
                              gezwungen vor der Biegung durch das an bezeichneter Stelle nach oben gerichtete
                              Rohr, welches außerhalb des Gebäudes endet, zu entweichen.
                           Je stärker und länger eine Blase gegen das Ende der Destillation erhitzt wird, desto
                              dichter, weniger porös und glänzend ist der äußerst kohlenstoffreiche Rückstand, der
                              sich übrigens sehr leicht vom Boden jener, wo er sich vorzüglich anlegt, löst. Die
                              Dauer und Stärke der Hitze hat natürlich einen Einfluß auf die Menge desselben. Doch
                              ergeben verschiedene Theere bei übrigens gleichem Operiren verschiedene Mengen
                              davon, und diese sind um so größer, je kreosotreicher der Theer ist.
                           Aus denselben Gründen, weßhalb ich eine Destillation der Kohlen mittelst überhitzter
                              Wasserdämpfe nicht für vortheilhaft halte, verwerfe ich diese auch für den Theer.
                              Eine zweckmäßige Feuerungsanlage schützt am besten vor Verlusten durch
                              Zersetzungen.
                           Eine Blase mit 1000 preußischen Quart Füllung destillirt 24 Stunden.
                           Durch die besprochene Destillation wird der Theer der Art zerlegt, daß die Producte
                              bis etwa 300° E. gesondert von denen aufgefangen werden, welche über dieser
                              Temperatur destilliren.
                           Sowohl die bis 300° C. als auch die bei höher gestiegener Temperatur
                              erhaltenen Destillationsproducte, welche übrigens aus verschiedenen Theeren gewonnen, verschiedene
                              specifische Gewichte haben, unterwerfe ich nun einer Behandlung, resp. Mischung mit Natronlauge und Schwefelsäure.
                           Farbe sowohl als Geruch des meisten im Handel vorkommenden Photogens bekunden keine
                              vollständige Reinigung desselben, und beim Schütteln mit Aetznatronlauge zeigt sich
                              meist noch ein bedeutender Gehalt von Kreosot. Da man sich von dessen Gegenwart so
                              leicht zu überzeugen im Stande ist, so kann nur die Construction der Mischapparate daran Schuld tragen, wenn die Entfernung
                              desselben nicht vollständig gelingt.
                           Die Maschinen, in denen ich mit größter Leichtigkeit und in kurzer Zeit sowohl die
                              leichten als die schweren und paraffinhaltigen Oele von ihrem Kreosotgehalt befreie,
                              und in denen mit eine innige Mischung mit Schwefelsäure am besten gelingt,
                              construirte ich nach Art der Butterfässer, wie folgt:
                           Sie bestehen aus zwei gußeisernen Cylindern, Fig. 1, 2, 3 und 4 auf Tab. VII, von denen
                              der innere H zur Aufnahme, resp. zum Mischen der Flüssigkeiten bestimmt ist, und in welchen ein
                              schmiedeeiserner fein durchlöcherter Kolben m, durch
                              eine Kurbel bewegt, auf und nieder geht. Am Kolben selbst sind, um einen
                              regelmäßigen Gang desselben zu erzielen, zwei Führungsstangen r angebracht, welche durch Stopfbüchsen s in
                              dem Deckel des Cylinders hindurchgeben und außerhalb desselben an einem Querstück
                              t, das bei der Bewegung in einem Aufsatz u auf der Maschine auf und nieder geht, befestigt
                              sind.
                           Der äußere Cylinder oder Mantel des Apparats G dient als
                              Wärme- oder Kühlkammer des innern Cylinders. Zum Wärmen der Flüssigkeit ist
                              am äußern Cylinder der Dampfhahn b angebracht, zum
                              Kühlen aber der Hahn c, um hierdurch kaltes Wasser
                              einlaufen lassen zu können. Zum Ablassen des condensirten Dampfwassers, wie auch des
                              kalten Wassers, dient der Hahn d. Um beim Oeffnen des
                              Dampfhahnes b die kalte Luft aus dem Mantel lassen zu
                              können, ist der Hahn a bestimmt.
                           Der Hahn i sowohl als der Hahn k sind Ablaßhähne für die gemischten Flüssigkeiten und zu diesem Zweck
                              sind sie unmittelbar an dem innern Cylinder befestigt. Das Glasrohr l mit zwei Hähnen dient als Zeiger des
                              Flüssigkeitsstandes. Der Hahn g, in der Oberansicht
                              sichtbar, ist ein kleiner Lufthahn, um beim Füllen des innern Cylinders die Luft
                              herauslassen zu können.
                           f ist der Hahn zum Füllen des Cylinders mit den zu
                              mischenden Ingredienzien; er kann mit einer Pumpe in Verbindung gebracht werden, um
                              das Füllen zu erleichtern.
                           h ist der Hahn zum Eingießen von Lauge und Säure.
                           
                           Um nun zunächst die Destillationsproducte von ihrem Gehalt an Kreosot, Karbolsäure,
                              Pikamar, sowie allen übrigen sauren, durch Natronlauge entfernbaren Substanzen zu
                              befreien, fülle ich den innern Cylinder mit den Oelen und setze den Kolben m durch Dampfkraft in Bewegung; ist dieß geschehen, so
                              bringe ich durch den Hahn h die nöthige Quantität Lauge
                              ein und bewirke dadurch daß der Kolben in der Minute circa 35 auf- und niedergehende Bewegungen macht, eine Mischung der
                              Oele mit der Lauge.
                           Bei dem sehr verschiedenen specifischen Gewichte der in Wechselwirkung tretenden
                              Flüssigkeiten ist diese Geschwindigkeit des Kolbens durchaus nothwendig, damit die
                              schwere Lauge nicht Zeit zum Sinken gewinnt, sondern mit jeder neuen Bewegung von
                              Neuem und bis in die obersten Schichten der zu mischenden Flüssigkeiten gehoben
                              wird. Um die Lauge und resp. auch die noch schwerere
                              Säure nicht zu hoch heben zu müssen, übersteige ich die Höhe von 3 Fuß für die
                              Mischcylinder nicht.
                           Die Paraffinöle insbesondere erwärme ich bei dieser Operation, um sie ganz flüssig zu
                              halten.
                           In 15, höchstens 20 Minuten ist alles Kreosot etc. an das Natron gebunden und man
                              überläßt die Flüssigkeit eine kurze Zeit der Ruhe. Hat man Lauge von der gehörigen
                              Concentration und einen, wenn auch nur kleinen Ueberschuß derselben angewandt, so
                              erfolgt eine Trennung derselben in drei Schichten. Zu unterst scheidet sich reine
                              oder nur äußerst wenig Kreosot enthaltende Lauge ab; darüber lagert sich die
                              dunkelbraune syrupsdicke Verbindung des Kreosots mit dem Natron, welche in starker
                              Lauge unlöslich ist – eine Eigenschaft, auf die schon der Entdecker des
                              Kreosots, Hr. Reichenbach, in seiner trefflichen
                              Abhandlung über dasselbe aufmerksam macht – und über dem
                              Kreosot-Natron finden sich die kreosotfreien Oele. Nach einiger Zeit der Ruhe
                              lasse ich die reine und die kreosothaltige Lauge von dem Oele durch den Hahn i ab. Alsdann füge ich durch h Wasser zu, um das dem Oele noch anhaftende Kreosot-Natron durch
                              Auswaschen zu entfernen, wobei die Flüssigkeit wiederum durch den Kolben in Bewegung
                              gesetzt wird. Während des Waschens wärme ich. Ich wiederhole übrigens das Auswaschen
                              so lange, bis die durch i abgelassenen Waschwasser nicht
                              mehr merklich alkalisch reagiren. Alsdann kommen die Oele in ein Bassin, worin ich
                              sie, damit sie sich vollständig vom Wasser trennen, längere Zeit der Ruhe
                              überlasse.
                           Schüttelt man die so behandelten Oele nach dem Waschen in einem Probirgläschen mit
                              starker Natronlauge, so darf sich keine Zwischenschicht von Kreosot-Natron
                              bilden, sondern über der Lauge muß sich sogleich das kreosotfreie Oel erheben.
                           
                           Da der Kreosotgehalt der Theere ein verschiedener ist, – je mehr Kohlenstoff
                              und Sauerstoff ein zur Theererzeugung verwandtes Material in Vergleich zum
                              Wasserstoff enthält, desto mehr Kreosot und saure Bestandtheile bilden sich bei der
                              trocknen Destillation – so werden auch die zur Entfernung desselben nöthigen
                              Mengen von Aetznatron verschieden seyn und es lassen sich deßhalb keine allgemeinen
                              Angaben darüber machen.
                           Aus demselben Grunde werden auch verschiedene Rohöle bei der Behandlung mit
                              Natronlauge ihr Gewicht verschieden ändern, d.h. die einen werden mehr verlieren als
                              die anderen, und deßhalb ist bei Untersuchung von Kohlen auf die Ausbeute an
                              Beleuchtungsmaterialien u.s.w. eine Angabe von Rohproducten ohne besondern Werth.
                              Ich werde später, wenn ich die Ergebnisse verschiedener Kohlen an leichten Oelen,
                              Paraffin u.s.w. anführen werde, Belege für vorstehende Angaben beibringen und
                              zeigen, daß z.B. die Oele des Theers aus Bitterfelder Kohle bei der Behandlung mit
                              Natron 27 Procent, die des Theers der Köpsner Kohle (eine äußerst wasserstoffreiche
                              Kohle in der Gegend von Weißenfels) nur circa 17 Procent
                              am Gewichte verlieren.
                           Auch das specifische Gewicht der Rohöle ändert sich je nach den verschiedenen Mengen
                              von Kreosot u.s.w., die entfernt werden, verschieden. Sie werden alle leichter, aber
                              während dasjenige des bei 300° C. erhaltenen Oelgemisches des Theeres von
                              hiesigen Kohlen, z.B. von 0,890 bis auf 0,860 herabgeht, sinkt das spec. Gewicht der
                              gleichen Producte aus Köpsner Kohle nur von 0,860 bis auf 0,840.
                           Durch die Entfernung des Kreosots wird die braune Farbe der Rohproducte etwas lichter
                              und der äußerst unangenehme Geruch derselben größtentheils beseitigt.
                           Bitterfeld bei Halle a. S. im November 1857.
                           
                              
                                 (Die Fortsetzung folgt.)
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
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