| Titel: | Ueber eine neue Aetherdampf-Maschine; von Hrn. Tissot. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Ueber eine neue Aetherdampf-Maschine; von
                           Hrn. Tissot.
                        Aus den Comptes
                                 rendus, October 1857, Nr. 15.
                        Tissot, über eine neue Aetherdampf-Maschine.
                        
                     
                        
                           Früher wurde der (französischen) Akademie der Wissenschaften über Motoren berichtet,
                              bei welchen die Spannkraft des Aethers (oder Chloroforms) in Verbindung mit der
                              Kraft des Wasserdampfs angewendet wird.Man vergl. polytechn. Journal Bd. XCIX S. 479. Bd. CVIII. S. 233, Bd. CX S.
                                       230 und Bd. CXI. S. 256. Derartige Maschinen lieferten Resultate, welche Anfangs befriedigend
                              schienen. Als aber diese combinirten Dämpfe im Großen und längere Zeit angewendet
                              wurden, ergaben sich Mängel, welche die meisten Ingenieure veranlaßten solchen
                              Motoren diejenigen vorzuziehen, wobei man bloß den Wasserdampf anwendet.
                           Der Erfinder der neuen Aethermaschine hielt es für möglich, den
                              Wasserdampf-Motor wegzulassen und folglich bloß einen Cylinder für den
                              Aetherdampf anzuwenden, wodurch die Maschine so einfach wie die einfachste
                              Dampfmaschine wird. Die Lösung dieser schwierigen Aufgabe gelang ihm dadurch, daß er
                              den Kessel mit einem Wasserbad umgab und dem Aether noch andere Substanzen
                              beimischte; er setzt 100 Litern Aether beiläufig 2 Liter eines ätherischen Oels zu,
                              mit Ausschluß des Terpenthinöls, welches nachtheilige Wirkungen (Ritzen auf den
                              geschliffenen Metallflächen) hervorbringt. Ueberdieß läßt er den Aetherdampf,
                              jedesmal wenn derselbe wieder durch die Speisepumpe in den Kessel geschafft wird,
                              durch eine dünne Schicht von Baumöl oder Klauenfett dringen, welches sich auf einer
                              Wasserschicht befindet, in die das Injectionsrohr ausmündet. In Folge dieser
                              Anordnung nimmt der Aether eine Portion der obern Oelschicht mit, und da man
                              andererseits besorgt war, in der den Boden des Kessels einnehmenden Wasserschicht
                              eine kleine Menge Aetznatron (beiläufig 1 Gramm per
                              Liter Wasser) aufzulösen, so ist das Oel, welches sich dem Aether beimischt, im
                              Zustand eines seifenartigen Körpers. Die in Folge dieser doppelten Reaction
                              entstehende Mischung besitzt schätzbare Eigenschaften: sie greift die Wände der
                              Cylinder, der Kolben und der anderen reibenden Theile nicht an; wenn man die
                              Maschine nach langem Gebrauch zerlegt, um ihr Inneres zu untersuchen, so findet man
                              die Wände durchaus mit einer dünnen Fettschicht überzogen, unter welcher sich die
                              Oberfläche des Gußeisens oder Schmiedeeisens ganz unverändert erhalten hat; die
                              inneren Wände der Maschine haben sich also vollkommen conservirt. Ein Verlust an
                              Aetherdampf entsteht fast gar nicht, weil jene Mischung von Aether und seifenartigem
                              Körper die Besatzung der Fugen nicht angreift.
                           Ein dritter Vortheil besteht darin, daß sich bei der Mischung von Aether und
                              seifenartigem Körper die Expansion mit viel größerm Nutzen anwenden läßt, als bei
                              dem reinen Aetherdampf. Ohne in eine Untersuchung der Elasticitäts- und
                              Wärmecapacitäts-Coefficienten des reinen Aetherdampfs im Vergleich mit der
                              Mischung von Aetherdampf und seifenartigem Körper einzugehen, begnüge ich mich zu
                              bemerken, daß mir die Erfahrung die Expansion des erstern als unzureichend und
                              diejenige der letztern als von guter Wirkung erwiesen hat.
                           Bei Versuchen mit einem Viertelliter brauchte ich zur vollständigen Verdampfung des
                              Wassers 83 Minuten; zu derjenigen des Aethers aber nur 6 Minuten. Da das Verhältniß
                              der Dichtigkeiten beiläufig 4,082 ist, so findet man mit dessen Berücksichtigung,
                              daß ein Volum Aetherdampf gleich demjenigen des Wasserdampfs, zu seiner Verdunstung
                              24,492 Minuten erfordert hat. Die Verdampfung des Aethers hat folglich 58 Minuten
                              weniger Zeit beansprucht. Daraus ergibt sich auch, daß 17,705 Minuten erforderlich
                              wären, um ein Aethervolum gleich demjenigen des Wasserdampfes zu verdunsten, welcher
                              letztere bei dem fraglichen Versuche eine Stunde zu seiner eigenen Verdunstung
                              erheischen würde (83 : 24,492 = 60 : x = 17,705). Daraus
                              folgt endlich, daß während eine Wasserdampf-Maschine durchschnittlich 4
                              Kilogr. Steinkohlen per Stunde und per Pferdekraft braucht, eine Aethermaschine von
                              gleicher Leistung zur Verdampfung des Aethers nur 1,18 Kilogr. Steinkohlen erfordern
                              würde (60 : 17,705 = 4 : y = 1,18 Kil.).
                           Dieser kleine Versuch und diese ganz elementare Berechnung veranlaßten mich eine
                              erste Aethermaschine von bloß zwei Pferdekräften zu construiren. Die Resultate
                              welche diese lieferte, waren so befriedigend, daß ich mich entschloß, die in einer
                              Brauerei zu Lyon zur Versetzung der Fässer und Getreidesäcke sowie zum Betriebe der
                              Pumpen angewandte Dampfmaschine von 10 bis 12 Pferdekräften durch eine
                              Aethermaschine zu ersetzen. Der neue Motor gab bei sorgfältigen Messungen folgende
                              Resultate: der Kolben machte 25 bis 26 Spiele in der Minute, während ein Gewicht von 145 Kilogrammen,
                              am Ende eines Hebels von 2 Meter Länge angebracht, den Druck der Bremse veranlaßte.
                              Der Verbrauch an Steinkohlen betrug von 8 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends 156 Kilogr.,
                              was 15,60 Kil. per Stunde, und 1,5 Kil. per Pferdekraft stündlich für diesen Motor von 10
                              Pferdekräften ergibt. – Später wurde ein besonderer Versuch gemacht, um zu
                              ermitteln ob sich dieser Motor nach längerer Ruhe wieder leicht in Betrieb setzen
                              läßt. Zu der Zeit wo man das Feuer auslöschte, betrug die Spannung des Dampfes
                              beiläufig 4 1/2 Atmosphären; nach Verlauf von vier Stunden betrug sie noch über 3
                              Atmosphären, und die Maschine konnte unmittelbar ihren gewöhnlichen Dienst für die
                              Brauerei verrichten.