| Titel: | Ueber den Betrieb der Drahtziehereien; vom Civilingenieur August Gillon. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XIII., S. 26 | 
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                        XIII.
                        Ueber den Betrieb der Drahtziehereien; vom
                           Civilingenieur August Gillon.
                        Aus der Revue
                                 universelle, Bd. II S. 51.
                        Gillon, über den Betrieb der Drahtziehereien.
                        
                     
                        
                           Die Wichtigkeit der Drahtfabrication ist in der letzten Zeit sehr gestiegen. Das
                              Gedeihen eines Industriezweiges hat fast immer mehr oder minder wichtige
                              Veränderungen und Verbesserungen der dabei angewendeten Processe im Gefolge, denn
                              die starte Nachfrage nach einem Artikel veranlaßt Concurrenz, und diese ist der
                              mächtigste Sporn zu Fortschritten. Andererseits vermindern Fortschritte in der
                              Fabrication den Preis des Productes und begünstigen daher die Zunahme des
                              Verbrauchs.
                           Die vielfachen Anwendungen des Eisens haben die Processe geschaffen, durch welche man
                              jetzt mit aller Sicherheit verschiedene Eisensorten, wie körniges, festes, sprödes
                              erzeugt, je nach dem davon zu machenden Gebrauch. So hat die gedeihliche
                              Entwickelung der Eisendrahtfabrication auf die Erzeugung einer körnigen Eisensorte
                              geführt, welche das Durchziehen durchs Zieheisen besonders gut verträgt.
                           Während aber in der neuesten Zeit die Fabrication des für verschiedene Zwecke
                              dienenden Eisens sich vervollkommnet hat, und namentlich auch die des Drahteisens,
                              des Materials für die Drahtziehereien, blieb das eigentliche Ziehen des Drahtes,
                              worunter wir diese Arbeit, das Ausglühen und das Scheuern verstehen, bei dem
                              merkwürdigen Aufschwung aller Industriezweige fast stationär.
                           
                           Die Zeit liegt freilich fern, wo das Drahtziehen darin bestand, durch eine Maschine
                              Zangen bewegen zu lassen, welche den in das Zieheisen eingeführten Eisenstab faßten
                              und ihn durch ein Loch von jenem zogen, dann den Stab los ließen, sich dem Zieheisen
                              näherten, ihn darauf wieder faßten u.s.f. Man konnte auf diese Weise grobe Nummern
                              anfertigen, aber der Draht zeigte an den entsprechenden Stellen die Zangenbisse.
                           In den letzten 25 Jahren ist die Drahtzieherei allerdings verbessert worden, jedoch
                              nur in einigen besondern Zweigen; dahin gehört z.B. die Fabrication des
                              Eisen- oder vielmehr des Stahldrahtes für mathematische Instrumente, so wie
                              für musikalische Instrumente. Hier ist die Gleichförmigkeit des Kalibers von großer
                              Wichtigkeit, einerseits für den Gang des Instruments und andererseits für die
                              Schwingungen der Saiten, sowie für deren Klang, und ungeachtet des weit geringen
                              Preises der gewöhnlichen stählernen Zieheisen, berücksichtigt man doch die Vortheile
                              welche das Product durch die Anwendung eines härtern Materials erlangt, und scheut
                              die höheren Kosten nicht, weil sie durch das vorzüglichere Product compensirt
                              werden. So hat man in England zu diesen Zwecken Zieheisen angewendet, deren Löcher
                              mit sehr harten Edelsteinen, wie Diamant, Rubin, Saphir, gefuttert sind. Zum
                              Ausziehen der edlen Metalle für Posamentierarbeiten, wobei ein constantes Kaliber
                              des Drahtes auf ausgedehnte Längen ebenfalls fehr wesentlich ist, leisteten diese
                              Zieheisen sehr gute Dienste, und man hat z.B. 200 Kilometer Silberdraht ausziehen
                              können, ohne daß sich der geringste Unterschied in der Dicke wahrnehmen ließ. Gleich
                              lange Stücke vom Anfang und vom Ende dieses Drahtes hatten genau gleiches Gewicht.
                              Ein solches Resultat könnte man durch stählerne Zieheisen nicht erlangen; man wird
                              sich um so mehr von demselben entfernen, je härter das in Draht auszuziehende Metall
                              ist; und wenn man z.B. nur Messing ausziehen wollte, so würde es schon schwierig
                              seyn, mit einem und demselben Zieheisen 25 Kilometer Draht von einigermaßen gleicher
                              Dicke anzufertigen.
                           Diese und andere Verbesserungen wurden in speciellen Zweigen gemacht; aber der
                              wichtigste Theil, die gewöhnliche Drahtzieherei, ist fast auf dem frühern Standpunkt
                              stehen geblieben, obgleich sich dieser Industriezweig in der neuesten Zeit sehr
                              ausdehnte. Der Drahtbedarf wurde nämlich bedeutend größer durch die Herstellung
                              vieler und ausgedehnter Telegraphenlinien, die jetzt sehr bedeutende Fabrication von
                              Stiften, die Fabrication der Holzschrauben, der Meubles-Springfedern, der
                              Musketen-Ladestöcke, der Drahtseile für die Marine und den Bergbau, sowie zum
                              Ersatz der Laufriemen bei der Bewegungsmittheilung auf weite Strecken, die Fabrication von Kratzen für
                              Wolle und Baumwolle, dann von Gitterwerk etc. Belgien, welches vor 10 Jahren kaum
                              1/2 Million Kilogr. Eisendraht jährlich producirte, erzeugt jetzt 3 1/2 Millionen
                              Kilogramme (70,000 Zollctr.). Wie bedeutend dieser Fabricationszweig in England ist,
                              erhellt daraus, daß ein einziges Haus in Manchester jährlich über 6 Millionen
                              Kilogr. (120,000 Ctr.) Eisendraht in den Handel bringt.In Preußen belief sich im Jahre 1855 die Drahtfabrication auf 372,000 Ctr.,
                                    hatte aber 1854 schon 186,000 Ctr. betragen. Von jener Summe lieferte der
                                    schlesische Hauptbergdistrict 8000 Ctr., der sächs.-thüringische 400
                                    Ctr., der westphälische 240,000 Ctr. und der rheinische 126. 000 Ctr. In der
                                    Grafschaft Mark producirten drei Werke 80,000 Ctr., davon das von Thomée zu Uetterlingsen bei Wordol a. d.
                                    Lenne 44,500 Ctr., das von Hobrecker zu Hamm 4000
                                    Ctr. und das von Kissing und Schmöle zu Minden 32,000 Ctr. In der Nähe von
                                    Altona fabricirten 90 kleine Drahtziehereien mit 300 Arbeitern 57,000 Ctr.;
                                    außerdem die beiden Werke der Firma Quinde und
                                    Opderbeck bei Altona mit 35 Arbeitern 35,000
                                    Ctr. – Im Siegen'schen producirten fünf Werke zusammen 88,000 Ctr.,
                                    darunter das zu Hüsten bei Arnsberg 28,000 Ctr, das zu Rödinghausen 27,200
                                    Ctr., das zu Allagon 21,000 Ctr. – Wir verweisen auf des preußischen
                                    Regierungsraths Jacobi treffliches Werk:
                                    „Das Berg-, Hütten-
                                       und Gewerbewesen des Regierungsbezirks
                                          Arnsberg.“ Iserlohe, 1857.H.
                              
                           Das Drahtziehen ist eine rein mechanische Arbeit; der Einfachheit derselben sowie der
                              dazu angewendeten Apparate dürfte es zuzuschreiben seyn, daß es schwierig ist,
                              Verbesserungen dabei anzubringen, und daß hauptsächlich bei der Herstellung des zum
                              Drahtziehen dienenden Materialeisens Fortschritte gemacht werden konnten. Das
                              Durchnehmen des Drahtes durch das Zieheisen ist eine höchst einfache Operation. Wenn
                              das Eisen seine Streckbarkeit durch wiederholtes und auf einander folgendes
                              Durchziehen verloren hat, so wird ihm dieselbe durch Ausglühen und darauf folgendes
                              langsames Erkalten wieder ertheilt, um es von Neuem bearbeiten zu können; dieß ist
                              das Wesentlichste bei der Arbeit des Drahtziehens. Die Nebenarbeiten verdienen aber
                              ebenfalls Beachtung; ihre Bedeutung läßt sich daraus ermessen, daß auf den
                              belgischen Hütten 1 Tonne (20 Zollcentner) Stabeisen als Material zur
                              Drahtfabrication durchschnittlich 230 Fr., 1 Tonne feines Rundeisen von 0,0045 Met.
                              Durchmesser (entsprechend Nr. 7 der englischen Drahtklinke) 350 Fr., Draht von 1
                              Millimeter Durchmesser (Nr. 20 der engl. Klinke) 750 Fr. per Tonne kostet.
                           Verfahren bei der Drahtfabrication in Belgien. –
                              Zu Lüttich bereiten die Drahtfabrikanten jetzt ihr Materialeisen selbst. Sie wenden
                              dazu ein gutes graues Roheisen an, welches man auf feinkörniges Stabeisen
                              verarbeitet. Die Reparaturen der Puddelöfen werden mittelst violetten Erzes oder
                              Rotheisensteins (oolithischen Eisenglanzes) ausgeführt. Das gute Product ist ein
                              feinkörniges Eisen, ohne stahlartiges Ansehen. Dieses Eisen wird in quadratische
                              Stäbe von 0,04 bis 0,045 Met. Stärke ausgewalzt. Dieselben werden in Stücken oder
                              Kolben von 0,60 bis 0,70 Met. Länge zerschlagen, welche man in einem Schweißofen
                              wärmt und dann mittelst des Feineisenwalzwerkes verarbeitet. Jener Schweißofen ist
                              ein Flammofen mit einem sehr niedrigen Gewölbe; er wird mit Steinkohlen gefeuert.
                              Seine Construction muß der Art seyn, daß er in kurzer Zeit eine sehr starke Hitze
                              gibt. Das Verhältniß der Rostfläche zu derjenigen des Herdes muß daher sehr groß
                              seyn. Die Dimensionen von einem solchen Ofen sind folgende:
                           Die Herdsohle ist 2,32 Met. lang und 1,28 Met. breit.
                           Der Rost oder Feuerraum ist 0,90 Met. lang und 0,75 Met. breit.
                           Die Breite des Herdes ist 1,28 Met., von der Arbeitsthür aus gemessen; sie vermindert
                              sich bis zum Fuchs, wo sie nur 0,32 Met. beträgt.
                           Die größte Höhe des Gewölbes über der Sohle beträgt über der Brücke 0,49 Met.; sie
                              vermindert sich nach deck Fuchs zu und beträgt dort nur 0,30 Met. über der Sohle.
                              Die Höhe der Brücke ist 0,15 Met. über der Sohle.
                           Man setzt beiläufig 225 Kilogr. oder 25 bis 30 Stück Kolben in einen Ofen; um 1000
                              Kilogr. oder eine Tonne derselben auszuschweißen, verbrennt man 500 bis 700 Kilogr.
                              Steinkohlen. Wenn die Kolben weißglühend geworden sind, wozu 10 bis 12 Minuten
                              erforderlich sind, nimmt man sie nacheinander heraus und bringt sie zum
                              Streckwalzgerüst.
                           Die Walzwerke müssen die Drahteisenkolben in Walzdraht von 0,006, 0,0055 und selbst
                              0,0045 Met. Stärke verwandeln; letztere ist die äußerste Gränze, bis zu welcher man
                              das Ausstrecken mittelst Walzen beim gewöhnlichen Betrieb bewirkt hat. Je geringer
                              die Stärke des Walzdrahtes ist, desto länger kann derselbe, bei gleichen Kolben,
                              seyn. Damit dieser lange Stab durch alle Kaliber des ganzen Walzwerks gehen kann,
                              muß er eine gewisse Temperatur behalten, weil er sonst durch die Wirkung der immer
                              enger werdenden Kaliber zerdrückt werden würde, und es muß daher das Durchwalzen in
                              möglichst kurzer Zeit bewirkt werden. Die Walzwerke sind zu diesem Zweck auf einen
                              schnellen Betrieb eingerichtet (sie werden in Deutschland Schnellwalzwerke
                              Eine Beschreibung der in Westphalen angewendeten Schnellwalzwerke mit
                                    Abbildungen hat der Hüttendirector Simmersbach zu
                                    Siegen in der Berg- und hüttenm. Zeitung, 1857, Nr. 42
                                    mitgetheilt.H. genannt). Ein solches besteht aus mehreren Gerüsten, von denen das erste
                              drei übereinander liegende Walzen hat, so daß der Kolben von beiden Seiten
                              durchgeführt werden kann,
                              wodurch an Zeit erspart wird; die anderen Gerüste haben jedes nur zwei Walzen. Der
                              Stab windet sich durch diese verschiedenen Gerüste und kommt mehrmals in ein und
                              dasselbe zurück, um nach und nach durch kleinere Kaliber zu gehen. Auf diese Weise
                              kann man den Stab auf seiner ganzen Länge zu gleicher Zeit durch drei Kaliber
                              verschiedener Gerüste gehen lassen. Die Geschwindigkeit dieser Walzen, deren
                              Durchmesser von 0,22 bis 0,24 Met. variirt, beläuft sich auf 250 bis 380 und selbst
                              400 Umgänge in der Minute. Je länger, d.h. je dünner oder schwächer der
                              auszuwalzende Stab ist, um so nothwendiger ist es für den Erfolg, den Walzenbetrieb
                              zu beschleunigen. Aber dieser Durchmesser des Stabes und folglich auch diese
                              Schnelligkeit der Walzen sind durch die Geschicklichkeit der Arbeiter beschränkt,
                              denn je schneller die Walzen umgehen, desto schwieriger wird es für die Abnehmer,
                              den Stab, wenn er aus den Kalibern vortritt, mit ihren Zangen zu fassen; auch können
                              leichter Unfälle eintreten und mehr Abgang erfolgen, weil der lange Stab bei der so
                              schnellen Bewegung, sobald der Arbeiter ihn nicht gehörig führt, sich mehr oder
                              weniger biegt und sogar verschürzt. Diese Rücksichten haben viele Fabriken
                              veranlaßt, auf die Anfertigung von 4,5 Millimeter starkem Walzdraht (welcher Nr. 7
                              der englischen Klinke entspricht) Verzicht zu leisten; in einer Lütticher
                              Drahtzieherei wird er hingegen fortwährend fabricirt. Dieß ist ein Fortschritt,
                              welcher bedeutende Vortheile gewährt, da sich z.B. Telegraphendraht von 4 Millim.
                              Durchmesser mittelst eines Durchzuges durch das Zieheisen darstellen läßt.
                           Fabricirt man Draht von 4 1/2 Millimeter Stärke, so geht der Kolben durch 11 Kaliber
                              der Streck- oder Vorwalzen, und durch 8 Kaliber der Schlichtwalzen, von denen
                              3 oval, 3 kantig oder quadratisch, 1 oval und das letzte, das der Fertigwalzen, rund
                              ist. Der Arbeiter hinter den letzteren, welcher das Ende des Drahtstabes gefaßt hat,
                              beeilt sich, ihn noch rothglühend an einen Haspel mit horizontaler Welle zu hängen,
                              der in ziemlicher Entfernung von dem Gerüst der Fertigwalzen angebracht ist und den
                              man mit Hülfe einer Kurbel umdreht. Der Stab wickelt sich auf der Trommel auf; man
                              nimmt den so gebildeten Ring unmittelbar ab und legt ihn in einen blechernen, zur
                              Abkühlung dienenden Kasten, dessen Deckel sich nach Einbringung jedes Ringes durch
                              ein Gegengewicht schließt. Man schützt auf diese Weise das Eisen gegen eine zu
                              starke Oxydation und eine zu rasche Abkühlung; es wird hierbei so lange in seiner
                              eigenen Hitze erhalten, daß es gewissermaßen dem Ausglühen unterworfen ist, was
                              seinen Durchgang durch das Zieheisen nur erleichtern kann.
                           
                           Das Auswalzen einer Ofencharge dauert 12 bis 15 Minuten. Ein 0,60 bis 0,70 Met.
                              langer Kolben wird binnen 45 Secunden in einen Rundeisenstab von etwa 60 Met. Länge
                              ausgestreckt. Die 100 Met. des Stabes von 4 1/2 Millimeter Dicke wiegen 12,96
                              Kilogr.
                           Nachdem sich der Walzdrahtring in dem erwähnten Kasten abgekühlt hat, entfernt man
                              den darauf sitzenden Glühspan mittelst einer Beizarbeit. Man bringt die Ringe zu dem
                              Ende in einen mit Blei gefutterten Bottich, welcher verdünnte Schwefelsäure,
                              bestehend aus etwa 250 Kil. Wasser und 3 Kil. Säure, enthält. Die Flüssigkeit wird
                              durch eingeleitete Dämpfe siedend gemacht. Man legt 300 bis 500 Kilogr. Drahtringe
                              in den Bottich, deren Beizen 20 bis 30 Minuten dauert, je nach dem Grade der
                              Oxydation oder Glühspanbildung. Wenn das Beizen beendigt ist, muß man den Draht von
                              der ihn benetzenden Säure befreien, zu welchem Zweck man die Ringe in Kalkwasser
                              steckt, oder besser noch, in siedendem Wasser abspült. Nach dem Herausziehen
                              trocknet das Eisen sogleich an der Luft.
                           1100 Kilogr. Kolben geben durchschnittlich 1000 Kilogr. Walzdraht von 4 1/2
                              Millimeter Dicke.
                           Der fertige Walzdraht kommt zur Zieherei.
                           Die Zieheisen sind starke Stahlplatten, welche mit einer Reihe conischer Löcher
                              versehen sind, deren Durchmesser nach und nach abnimmt. Manchmal bestehen die
                              Zieheisen aus Stahlplatten, welche auf Eisenplatten geschweißt sind. Es ist sehr
                              wahrscheinlich, daß man sie aus gutem weißem Roheisen darstellen könnte. Das
                              Material der Zieheisen muß sehr hart, darf jedoch nicht spröde seyn, damit es dem
                              starken Druck und der unaufhörlichen Reibung des durchgehenden Drahtes widerstehen
                              kann. Die Ziehlöcher müßen polirt und gehörig kalibrirt seyn, damit der Draht recht
                              rund und glatt wird und keine Streifen erhält.
                           Der auszuziehende Walzdrahtring wird auf einen Haspel mit freier Drehung gelegt. Um
                              das Drahtende in die conischen Löcher des Zieheisens gelangen zu lassen, spitzt man
                              es mit dem Hammer oder mit der Feile zu, worauf man es in das größte Loch einführt.
                              Dann faßt man das Ende auf der andern Seite mit einer, an der Rolle, Leier oder Scheibe angebrachten Zange,
                              deren Maul sich schließt, wenn sie angezogen wird. Indem nun die Rolle eine drehende
                              Bewegung um ihre Achse erhält, zieht sie den Draht mit sich durch das Loch des
                              Zieheisens, so daß er sich verlängert und dessen Durchmesser annimmt. Die Rollen
                              haben 0,30 bis 0,60 Met. Durchmesser; diejenigen für die gröberen Nummern haben
                              liegende, und diejenigen für die feineren Nummern stehende Wellen; sie laufen etwas
                              conisch ab, wodurch das Abnehmen des darauf gewickelten Drahtes erleichtert wird; auch lassen sie sich
                              leicht ein- oder ausrücken, um ihre drehende Bewegung unterbrechen oder
                              wieder herstellen zu können, je nachdem es der Betrieb erfordert. Um den Durchgang
                              des Drahtes zu erleichtern und zugleich die Abnutzung des Zieheisens zu vermindern,
                              schmiert man dasselbe sowie den Draht, für diese Operation, wozu man an dem
                              Zieheisen und um den Draht einen Klumpen Talg anbringt, der natürlich nicht zu
                              leicht schmelzen darf und am besten aus altem Unschlitt besteht. In England hat man
                              den Vorschlag gemacht, das Zieheisen in einem Oelbade zu erhalten; man hält dieses
                              Verfahren für ökonomischer, und glaubt daß es den Zweck besser erfüllt, weil das
                              flüssige Oel mit dem Zieheisen und dem Draht in genauere Berührung kommt als der
                              starre Talg. Bei diesem Verfahren ist das Zieheisen in einem Rahmen mit Coulissen
                              angebracht, welcher in einem mit Oel gefüllten Troge untertaucht. Die Wände des
                              Troges haben Einschnitte, um den Draht aufnehmen zu können; jeder Einschnitt ist
                              durch ein Schieberpaar verschlossen. Während sich der obere Schieber für das
                              Einführen des Drahtes hebt, geht der andere auch in die Höhe, um das Ausfließen des
                              Oeles zu verhindern. Nachdem der Draht durch das Zieheisen geführt worden ist,
                              schiebt man das Ganze niederwärts, bis es in das Oelbad getaucht ist, und setzt
                              alsdann die Rollendank in Betrieb.
                           Das Verfahren, wodurch man das Ende des Drahtes anspitzt, was bisher mittelst des
                              Hammers oder der Feile geschah, ist sehr langsam, weßhalb man es durch das
                              nachstehende ersetzt hat: man schmiedet am Ende des Drahtes einen Hals, eine
                              Verdünnung, die man in ein getheiltes Zieheisen einführt; darauf zieht man das Ende
                              in einer geringern Stärke aus, als sie das Loch des Zieheisens hat, durch welches
                              der Draht gezogen werden soll. Man erlangt auf diese Weise ein Drahtende, welches
                              die Zange weit sicherer fassen kann, als ein abgeschärftes Ende, von welchem
                              letztern das Zangenmaul abgleiten kann, während man eine hinlängliche Drahtlänge
                              durchzieht um den Verbindungspunkt auf der Rolle zu erreichen. Uebrigens ist diese
                              Operation nur von geringer Wichtigkeit, und die vorgeschlagene Abänderung scheint
                              bei groben Nummern nicht anwendbar zu seyn, weil das Ausziehen des Endes eine zu
                              bedeutende Kraft erfordern würde.
                           Nachdem der Draht vollständig durchgezogen und auf eine Rolle aufgewickelt ist, nimmt
                              man den Ring von derselben ab, und wenn der Draht noch nicht den letzten Grad der
                              Feinheit, den er haben soll, erlangt hat, was der gewöhnlichste Fall ist, so legt
                              man den Ring abermals auf einen Haspel und führt das Ende durch ein kleineres Loch
                              im Zieheisen. Auf diese
                              Weise wird so lange fortgefahren, bis der Draht das gewünschte Kaliber erlangt
                              hat.
                           Soll der Draht Glanz und eine helle Farbe erhalten, so zieht
                                 man ihn naß durch, d.h. man legt den Ring auf einen Haspel, der in einem
                              Troge angebracht ist, welcher Wasser, Bierhefe, etwas Schwefelsäure und etwas
                              Kupfervitriol enthält. Aus dieser schwachen Beize geht der Draht zum Zieheisen, und
                              gelangt dann auf die Rolle mit einem sehr schönen Ansehen. (Man gießt etwas Baumöl
                              auf diese Flüssigkeit, und nahe am Zieheisen geht der Draht noch über einen mit Oel
                              getränkten Lederlappen, damit sich der Draht nicht nur reinigt, sondern auch von
                              selbst schmiert.)
                           Der Draht läßt sich nicht oft hintereinander durchziehen ohne spröde zu werden, daher
                              er bei weiterm Durchziehen zerreißen und auch das Zieheisen stark angreifen würde.
                              Um nun den Draht von Neuem ziehen zu können, muß man ihn ausglühen, wodurch er seine
                              erlangte Sprödigkeit und Elasticität verliert; er nimmt dabei etwas an Volum zu.
                              Seine Festigkeit (Zähigkeit) vermindert sich bedeutend, aber ehe er nun zerreißt,
                              verlängert er sich viel mehr als unausgeglühter Draht, und gerade die Eigenschaft
                              sich leicht zu verlängern, soll ihm für das Ziehen ertheilt werden.
                           Die Anzahl der Glühungen, welche mit einem Draht vorgenommen werden müssen, und das
                              Verhältniß in welchem die Weite der von ihm zu passirenden Ziehlöcher abnehmen kann,
                              sind Größen, die nothwendig von der Beschaffenheit des Drahteisens abhängen.
                              Walzdraht aus gutem Eisen von 4 1/2 Millim. Stärke, welcher Nr. 7 der englischen
                              Drahtklinke entspricht, könnte z.B. mittelst zweier Durchzüge in Nr. 10 verwandelt
                              werden, d.h. der Walzdraht kann zuvörderst von 4 1/2 Millim. auf 3,7 Millim. Dicke,
                              und von dieser auf 3,2 Mill. = Nr. 10 ausgezogen werden. Man könnte ihn sogar, ohne
                              Glühung, mittelst vier Zügen, = 3,7, 3,2, 3,0 und 2,8 Millim. Stärke, in Draht Nr.
                              12 verwandeln. Dann müßte er ausgeglüht und gebeizt werden. Von Nr. 12 könnte man
                              ihn, mittelst acht Durchzügen, ohne Glühen, in Nr. 20 verwandeln, nämlich Nr. 13 =
                              2,5 Millim., Nr. 14 = 2,1, Nr. 15 = 1,9, Nr. 16 = 1,7, Nr. 17 = 1,5, Nr. 18 = 1,35,
                              Nr. 19 = 2,25, Nr. 20 = 1,0 Millimeter. Von Nr. 20 gehen etwa 164 Meter Länge auf 1
                              Kilogr.
                           Während man aber mit gutem, gehörig behandeltem Eisen bei einem einzigen Ausglühen
                              Draht Nr. 20 der engl. Klinke darstellen kann, muß man, wenn die Beschaffenheit des
                              zu verarbeitenden Materialeisens geringer ist, die Ausglüh- und Beizprocesse nothwendig
                              wiederholen. Ein schlechteres Eisen kann z.B., um zu Nummer 20 verarbeitet zu
                              werden, drei oder vier Ausglühungen und Beizen erfordern, und wenn das Materialeisen
                              stahlartig ist, noch mehrere. Nun veranlassen aber diese Arbeiten viel Kosten und
                              Zeitverlust; daher müssen sich die Drahtfabriken bemühen, diese Processe möglichst
                              zu vermindern. Man würde sich aber täuschen, wenn man annehmen wollte, daß hierbei
                              Alles von der Qualität des Eisens abhängt; diese ist allerdings das Hauptelement; je
                              weicher das Eisen, um so weniger oft braucht der Draht ausgeglüht zu werden. Soll
                              aber der Drahtzieher ein gegebenes Eisen verarbeiten, so kann er in der bloßen
                              mechanischen Bearbeitung mehrere Elemente auffinden, welche er mit Intelligenz
                              combiniren sollte, denn ihr Einfluß ist durch directe Versuche erwiesen. Aus diesen
                              Versuchen geht hervor, daß je beträchtlicher die auf einander folgenden Ziehlöcher
                              an Größe abnehmen, um so spröder der auf eine gewisse Nummer ausgezogene Draht seyn
                              wird; bei übrigens gleichen Verhältnissen wird das Eisen um so spröder, je größer
                              die Zuggeschwindigkeit der Rollen ist; und diese Geschwindigkeit muß man um so mehr
                              vermindern, je stärker der Draht und je bedeutender die Abnahme in der Größe der
                              Ziehlöcher ist.
                           Eine zu große Beschleunigung der Arbeit würde eine rasche Verschlechterung des
                              Zieheisens und beim Draht Brüche, Längenrisse, Bärte und Streifen veranlassen.
                              Ueberdieß hat man zu berücksichtigen, daß wenn der Draht schon fein ausgezogen ist,
                              er beim fernem Durchziehen in seiner ganzen Masse wärmer wird, also gewissermaßen
                              ein Ausglühen erleidet; daraus folgt, daß man für die feinen Nummern die Rollen
                              schneller umgehen lassen, und dadurch das öftere Ausglühen ersparen kann. Diesen
                              Punkt muß man stets im Auge behalten, überhaupt den Zweck mit den wenigsten
                              Ausglühungen zu erreichen bemüht seyn, um an Arbeitslöhnen und sonstigen Kosten zu
                              ersparen.
                           Der in Belgien zum Ausglühen angewendete Apparat besteht aus einem blechernen
                              Cylinder von 1,65 Met. Höhe und 0,86 Met. Durchmesser. Er steht senkrecht auf einer
                              Mauer, damit die Herdflamme seinen Boden nicht treffen kann. Der Rost ist
                              kreisförmig und um die aus Mauerwerk bestehende Basis, etwa 0,35 Meter unter dem
                              Boden des Cylinders angebracht. – Um die Hitze vollständiger zu benutzen, hat
                              man auch solche Ausglühcylinder mit einem innern concentrischen Cylinder
                              vorgerichtet, der ebenfalls aus Blech besteht, etwa 0,25 Met. Durchmesser und
                              dieselbe Höhe wie der äußere Cylinder hat; beide stehen alsdann auf einem Gewölbe
                              von 0,50 Met. Dicke und der quadratische Rost ist 0,45 Met. unter diesem Gewölbe
                              angebracht. Die Herdflamme zieht durch den centralen Canal hinauf, und durch acht Seitencanäle,
                              welche in dem Mauerwerk des Gewölbes angebracht sind und die Flamme um die Wand des
                              äußern Cylinders führen. Die Mauer, welche den Ausglühcylinder in einiger Entfernung
                              umgibt, läuft nach oben hin etwas conisch zu, um die Flamme in dem obern Theile
                              dieser ringförmigen Esse besser zusammen zu halten.
                           Man legt in einen solchen Glühofen 1500 bis 1800 Kil. Drahtringe auf einmal ein,
                              worauf der Cylinder mit einem gut schließenden ringförmigen Deckel geschlossen wird,
                              dessen Fugen man mit Lehm verstreicht, so daß das Glühen mit Ausschluß der Luft (im
                              verschlossenen Raume) erfolgt. Der mittlere Canal wird natürlich von dem Deckel
                              nicht verschlossen. Ueber diesen Ofendeckel legt man einen zweiten Deckel auf den
                              gemauerten Ofenmantel, eine Art Kuppel, welche die Flamme über der auszuglühenden
                              Masse einer Esse zuführt, die in der Mitte, über dem centralen Canal des
                              Ausglühcylinders angebracht ist.
                           Jeder Glühproceß dauert etwa 4 Stunden und erfordert 200 bis 250 Kil. Steinkohlen.
                              Die Abkühlung des Ofens erheischt etwa 18 Stunden. Man nimmt an, daß ein solcher
                              Ofen zu 120 Glühungen benutzt werden kann, dann aber unbrauchbar geworden ist.
                           Diese Glühöfen haben mehrere Nachtheile. Zuvörderst ist der Betrieb ein
                              unterbrochener, denn man muß nach jedem Glühen den Ofen erkalten lassen. Nachdem der
                              Ofen erkaltet ist und man die Charge herausgenommen hat, muß man ihn von Neuem
                              anfeuern, um den Betrieb wieder zu beginnen. Dadurch wird ein bedeutender
                              Zeit- und Brennmaterialverlust veranlaßt, besonders wenn die Production eine
                              beträchtliche ist. Man müßte in letzterm Falle mehrere Glühöfen anwenden, so daß der
                              eine beladen wird, während der andere abkühlt und der dritte im Betriebe steht.
                              Dadurch würde aber der unnütze Brennmaterialaufwand nicht vermieden, den die
                              Unterbrechung des Betriebes veranlaßt.
                           Hr. Cocker in Liverpool hat diese Nachtheile durch einen
                              Glühofen von folgender Einrichtung zu vermeiden gesucht: – Der Ofen besteht
                              aus einem starken gußeisernen Cylinder, der in horizontaler Lage auf der Mauer eines
                              Herdes angebracht ist; die beiden Enden sind durch senkrechte Schieberthüren
                              verschlossen. Oben hat der Cylinder einen der ganzen Länge nach laufenden Falz,
                              welcher als Führer einer Kette ohne Ende dient; an dieser Kette sind Haken zum
                              Anhängen der zu glühenden Drahtringe angebracht. Am Ende des Ofens befinden sich
                              Kammern, welche, wie der Ofen, einen Falz haben und Schieberthüren, die herunter
                              gelassen werden, um die Ringe durchzulassen. Der Gang der Arbeit ist folgender:
                           
                           Nachdem der Ofen eine hinreichend hohe Temperatur erreicht hat, belastet der Arbeiter
                              einen Theil der endlosen Kette mit einer Anzahl von Drahtringen, welche hinreicht um
                              den Ofen zu füllen. Dann wird die Ofenthür geöffnet und die Kette so bewegt, daß die
                              Drahtringe in den rothglühend gemachten Ofen gelangen, in welchem sie 3/4 bis 1
                              Stunde der Rothglühhitze ausgesetzt werden, je nach der Dicke des Drahtes. Hält man
                              das Ausglühen für genügend, so öffnet man die Ausgangsthür und bewegt die Kette der
                              Art, daß die Drahtringe in eine benachbarte Kammer gelangen, welche einen ersten
                              Kühlofen bildet, worauf die Verbindung zwischen derselben und dem Glühofen mittelst
                              einer Thür unterbrochen wird. Darauf wird eine zweite Reihe von Haken an der
                              Eingangsthür des Ofens mit Drahtringen behängt; hierauf öffnet man die Thür, welche
                              die erste Kühlkammer von der zweiten trennt, und schafft durch eine Bewegung der
                              Kette den Draht in diese zweite Kammer; hernach öffnet man die Eingangsthür des
                              Ofens, bringt die zweite Charge in denselben und schließt die Thür wieder. Darauf
                              unterbricht man die Communication zwischen den beiden Kühlkammern und läßt die erste
                              Charge sich vollständig abkühlen. Man versichert, daß eine Charge, welche in den
                              alten, in England gebräuchlichen Oefen zum Ausglühen und Abkühlen 36 bis 48 Stunden
                              erforderte, in dem neuen Apparat nur 3 oder 4 Stunden erheischt. Ist die Masse des
                              auszuglühenden Drahtes eine bedeutende, so wird mit dem neuen Apparat viel Zeit und
                              Brennmaterial erspart, während man sicher ist, daß die ganze Masse vollkommen
                              gleichförmig ausgeglüht wird.
                           Der Draht ist nach dem Ausglühen stets mit Glühspan überzogen, den man beseitigen
                              muß, weil er sonst eine Reibung in den Ziehlöchern veranlassen und dieselben sehr
                              bald erweitern und unrund machen würde. Man beizt den Draht dadurch, daß man ihn
                              einige Minuten lang in Bottiche taucht, die mit Blei gefuttert sind und Wasser
                              enthalten, welchem Schwefelsäure und auch Bierhefe beigemischt sind. Aus der Beize
                              kommend, werden die Drahtringe in siedendem Wasser abgespült, oder es wird die
                              haftend gebliebene Säure dadurch neutralisirt, daß man jeden Ring in Kalkwasser
                              taucht.
                           Während aber das Ausglühen dem Metall seine Geschmeidigkeit wiedergibt, hat die in
                              der Beizflüssigkeit enthaltene Säure das Bestreben das Metall spröde zu machen,
                              daher diese beiden Operationen sich gewissermaßen entgegen arbeiten. Es ist daher
                              zweckmäßig und nothwendig, den Draht mit der sauren Flüssigkeit nur so lange in
                              Berührung zu lassen, als es zu seinem Abbeizen durchaus erforderlich ist. Dabei
                              zeigt sich jedoch eine Schwierigkeit: wenn man die Ringe einen auf den andern in den
                              Beizbottich gelegt hat, so können die zuerst eingebrachten erst zuletzt wieder herausgenommen werden,
                              daher eine Ungleichheit in der Dauer der Einwirkung der Beizflüssigkeit stattfindet.
                              Diesem Nachtheil ließe sich dadurch abhelfen, daß man die Drahtringe auf ein
                              hölzernes Kreuz legt, welches an einer Kette hängt; hierbei könnte man die ganze
                              Ladung mit einem Male untertauchen und wieder herausziehen; vielleicht würde aber
                              das Gewicht der oberen Ringe die Windungen der unteren Ringe zusammendrücken, so daß
                              nicht die ganze Oberfläche der Drahtmasse gebeizt werden könnte.
                           Am zweckmäßigsten würde es seyn, das Beizen mit Säure ganz zu unterlassen und es
                              durch irgend ein anderes Verfahren zu ersetzen, wozu man in England folgendes
                              vorgeschlagen hat:
                           Der mit Hammerschlag überzogene Draht müßte durch einen Reiber, eine mit Schmirgel
                              gefüllte Büchse, geführt werden. Indem dieselbe eine rasche schwingende Bewegung
                              erhielte, während die Rollen, welche den Draht aufwickeln, sich langsam drehen,
                              würde auf der zu reinigenden Oberfläche eine sehr starke Reibung bewirkt, ähnlich
                              dem Poliren welches man mit der Hand ausführt. Ueber den Erfolg und die Kosten
                              dieses trockenen Reinigens hat die Erfahrung noch nicht entschieden.