| Titel: | Verfahren, aus einigen Arten Leder Leim darzustellen; von J. Stenhouse. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XXI., S. 70 | 
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                        XXI.
                        Verfahren, aus einigen Arten Leder Leim
                           darzustellen; von J. Stenhouse.
                        Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Novbr.
                              1857, S. 239.
                        Stenhouse's Verfahren, aus einigen Arten Leder Leim
                           darzustellen.
                        
                     
                        
                           Werden die dünneren Arten von gewöhnlichem Leder, sogenanntes Oberleder, in kleine
                              Stückchen zerkleinert in einem Papin'schen Topfe, unter
                              einem Druck von etwa 2 Atmosphären, mit 15 Proc. Kalkhydrat und einer beträchtlichen
                              Menge Wasser gekocht, so wird das Leder fast vollständig zersetzt; die Gerbsäure
                              verbindet sich mit dem Kalk und es bildet sich eine ziemlich concentrirte
                              Leimlösung, die nach dem Abdampfen einen vortrefflichen Leim gibt.
                           
                           Die Menge des auf diese Art erhaltenen Leims betrug durchschnittlich 25 Proc. von der
                              des Leders, schwankte jedoch innerhalb ziemlich weiter Gränzen, denn manchmal wurden
                              36 Proc., manchmal nur 15 erhalten, wobei natürlich verschiedene Arten Leder zu den
                              Versuchen angewendet wurden. Die Ursache dieser Schwankungen wird sogleich deutlich
                              werden.
                           Die Vermuthung lag nahe, es möchte dickeres Leder, sogenanntes Sohlleder und
                              ähnliches, bei dem Digeriren mit Kalk unter erhöhtem Druck in ähnlicher Weise
                              zersetzt werden; was indessen der Versuch nicht bestätigte, sofern diese Art Leder,
                              auch wenn fein zertheilt, nur Spuren von Leim gab, und dieses war selbst bei
                              Anwendung von Baryt an der Stelle des Kalks der Fall. Hiernach haben offenbar die
                              dickeren Arten Leder eine ganz andere Konstitution, als die dünneren, und sind beide
                              Arten wesentlich verschiedene Substanzen. Diese Verschiedenheit in der Constitution
                              beruht wohl auf den Veränderungen, welche das dickere Leder in der Lohgrube
                              erleidet, in der es gewöhnlich 6 bis 18 Monate bleibt, während das Gerben der
                              dünneren Arten Leder gewöhnlich in wenig Wochen vollendet ist. Diese sonderbare
                              Veränderung, die das dicke Leder bei dem lange andauernden Maceriren mit Gerbsäure
                              erleidet, erklärt, weßhalb die zahlreichen Versuche, die zum Gaarmachen von
                              Sohlleder nöthige Zeit abzukürzen, sämmtlich erfolglos geblieben sind, sofern
                              bekanntlich das Leder um so viel schlechter ausfiel, je mehr der Gerbeproceß
                              abgekürzt wurde, und überhaupt das bei den Schnellgerbeprocessen erhaltene Leder
                              weich und schwammig war, während ein längeres Liegen der Häute in der Lohgrube sich
                              für die Erzielung eines dichten Leders, das die charakteristische Umwandlung
                              erlitten hat, als nothwendig herausstellte. Auch die dünneren, in kürzerer Zeit
                              gegerbten Lederarten scheinen bei längerem Aufbewahren im Lauf von etwa 10 bis 12
                              Jahren eine ähnliche Umwandlung zu erleiden, so daß sie dann unter erhöhtem Druck
                              mit Kalk digerirt nur sehr geringe Mengen Leim geben. Diese Umwandlung scheint
                              rascher einzutreten, wenn das Leder der Einwirkung von Luft und Feuchtigkeit
                              ausgesetzt ist, daher ist die aus altem Schuhwerk zu erhaltende Menge Leim nur sehr
                              unbedeutend.
                           Da ich es nicht für unwahrscheinlich hielt, daß das Leder bei der Umwandlung einen
                              Verlust an Stickstoff erleiden möge, wurden verschiedene Arten Leders der
                              Elementaranalyse unterworfen; nach den hierbei erlangten Resultaten (welche in
                              unserer Quelle mitgetheilt sind) scheint indessen die Umwandlung mehr auf einer
                              bloßen Umlagerung der Molecüle, als auf einem Verlust an Stickstoff zu beruhen.
                           
                           Die Zersetzung des Leders durch Kalk, bei Mitwirkung von Wasser unter hohem Druck,
                              ist wissenschaftlich genommen nicht ohne Interesse, aber ich glaube nicht, daß sich
                              darauf ein praktisch vortheilhaftes Verfahren gründen läßt, da selbst die dünneren
                              Arten Leder einen relativ allzuhohen Handelswerth haben.
                           Ich will zum Schlusse noch bemerken, daß die einzige praktisch
                                 erprobte Verbesserung im Gerbeproceß, die seit Jahren erzielt wurde, darin
                              besteht, die Häute öfters aus der Lohgrube herauszunehmen und theilweise trocknen zu
                              lassen; auf diese Art werden die erschöpften Portionen Lohbrühe großentheils aus den
                              Häuten entfernt, und bei dem nachherigen Wieder-Eintauchen der Häute in die
                              Lohbrühe geht der Gerbeproceß mit beschleunigter Geschwindigkeit vor sich. Die
                              Einwirkung von Luft und Feuchtigkeit bei diesen Operationen begünstigt vermuthlich
                              wesentlich das Gaarwerden der dickeren Arten von Leder.