| Titel: | Ueber Prüfung der Milch; von Prof. C. Brunner. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. XXXIX., S. 132 | 
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                        XXXIX.
                        Ueber Prüfung der Milch; von Prof. C. Brunner.
                        Aus den Berner Mittheilungen, Decbr. 1857, Nr.
                              401.
                        Brunner, über die Prüfung der Milch.
                        
                     
                        
                           In mehreren Städten sah man sich in neuester Zeit veranlaßt, den öffentlichen
                              Milchverkauf polizeilich zu überwachen. Es wurden zu diesem Zwecke mehrere der
                              bereits bekannten Auskunftsmittel in Anwendung gebracht, die dazu geeignet sind,
                              durch ein möglichst leichtes und schnelles Verfahren das Verhältniß der
                              Hauptbestandtheile dieser Flüssigkeit zu bestimmen.
                           Wäre die Milch einfach eine Verbindung oder auch Gemenge von Wasser und Fett
                              (Butter), so wäre das specifische Gewicht derselben ohne Zweifel das leichteste und
                              sicherste Kennzeichen ihrer Güte, vorausgesetzt nämlich, daß diese sich im
                              Wesentlichen nach dem Gehalt an Butter bestimmen ließe, indem es klar ist, daß bei
                              zunehmendem Gehalt dieses Bestandtheiles das specifische Gewicht sich
                              beziehungsweise vermindern würde. Es wäre leicht, durch Erfahrung Tafeln zu
                              entwerfen, welche mit Correctur des Wärmegrades den Procentgehalt an Butter angeben
                              würden. Man hätte dabei den gleichen Fall wie bei Mischungen von Wasser und
                              Weingeist, dem Branntwein.
                           So einfach ist jedoch die Sache nicht, denn bekanntlich enthält der wässerige Antheil
                              der Milch nebst dem Käsestoff noch Milchzucker, einige Salze und eine kleine Menge
                              jener noch unbekannten organischen Substanz (sogenanntes Milchextract aufgelöst. Da
                              nun diese Bestandtheile ohne allen Zweifel einiger quantitativen Veränderlichkeit
                              unterworfen sind und ihre Menge in umgekehrter Weise als diejenige der Butter auf
                              das specifische Gewicht Einfluß hat, so sieht man leicht ein, daß durch bloße
                              Beobachtung des specifischen Gewichtes der Milch nicht mit einiger Sicherheit auf
                              den Buttergehalt oder respective den Werth derselben geschlossen werden kann.
                           Wir haben hier einen ähnlichen Fall wie beim Wein, wo uns bei verändertem
                              Zuckergehalt das Aräometer zur Bestimmung des Alkoholverhältnisses gänzlich im
                              Stiche läßt.
                           So wie nun bei dieser Flüssigkeit nach allen vergeblichen Versuchen die chemische
                              Abtrennung des Alkohols durch Destillation das einzige Mittel gewährt, um die Menge
                              dieses Bestandtheiles zu bestimmen, so dürfte auch bei der Milch nur die Darstellung
                              der Butter selbst zum gewünschten Ziele führen.
                           
                           Gewiß hat man dieses immer eingesehen, und nur dem Bestreben, eine von jedem
                              Polizeibeamten oder Milchkäufer leicht auszuführende Prüfungsmethode zu besitzen,
                              verdanken die nach und nach in Anwendung gebrachten, theils auf Aräometrie, theils
                              auf mechanische, meist sehr unvollkommene Trennung gegründeten Instrumente und
                              Methoden (z.B. die von Quevenne [Instruction pour l'usage du lactodensimètre, suivie d'une notice sur le
                                 lait. Paris 1842] angegebene und wie es scheint, an vielen Orten
                              gebräuchliche) ihre Entstehung.
                           Eine vollständige Analyse der zu untersuchenden Milch anzustellen, ist nun freilich
                              eine Arbeit, welche zur gewöhnlichen Praxis kaum geeignet seyn dürfte. Dagegen
                              scheint ein Verfahren, durch welches man ohne zu großen Zeitaufwand denjenigen
                              Bestandtheil, den man mit einigem Recht als den wesentlichsten betrachten darf,
                              bestimmen kann, wohl in den meisten Fällen genügen zu können.
                           So wie nun (um wieder obige Vergleichung zu benutzen) bei dem Wein der Alkoholgehalt
                              im Allgemeinen als maaßgebend betrachtet wird, so ist solches bei der Milch ihr
                              Gehalt an Butter.
                           Diesen zu bestimmen, dürfte folgendes Verfahren geeignet seyn:
                           Von der zu untersuchenden Milch wird eine genau gewogene Menge, z.B. 20 Gramme, mit
                              der Hälfte ihres Gewichtes, also 10 Grammen, gut ausgeglühter, gröblich gestoßener
                              und vom feinen Staube durch Absieben befreiter Holzkohle vermischt, das Gemenge bei
                              gelinder Wärme (etwa 70–80° E.) vollkommen eingetrocknet, alsdann in
                              eine an dem einen Ende etwas ausgezogene 1/2 Zoll weite und etwa 2 Fuß lange
                              Glasröhre gegeben. Damit das einzufüllende Pulver nicht durchfalle, wird die nach
                              unten gerichtete engere Oeffnung der Röhre mit etwas Baumwolle leicht verstopft. So
                              vorgerichtet, wird die Röhre mittelst eines Stativs senkrecht aufgestellt. Hierauf
                              gießt man ungefähr 30 Gramme Aether auf den Inhalt derselben, welcher natürlich
                              alsbald durch das Kohlenpulver durchdringt und, mit der aufgelösten Butter beladen,
                              in ein untergestelltes Glas abfließt. Damit die Auflösung vollkommener geschehe,
                              gießt man den durchgeflossenen Aether noch ein- oder zweimal zurück auf das
                              Kohlenpulver, alsdann läßt man noch 30 Gramme frischen Aether in kleinen Portionen
                              nachfolgen und verdrängt endlich den noch in der Kohle stecken gebliebenen durch
                              ebensoviel einer Mischung von 1 Thl. Aether und 3 Thln. Alkohol. Sämmtliche
                              Flüssigkeiten werden nun in einer kleinen Porzellanschale bei gelinder Wärme
                              verdampft und die erhaltene Butter gewogen.
                           Um die Genauigkeit, welcher dieses Verfahren fähig ist, zu beurtheilen, wurden öfter
                              mehrere Proben der nämlichen Milch dem Versuche unterworfen. Es ergaben sich
                              Differenzen von 1–2 pro mille. Noch muß bemerkt werden, daß bei
                              Milch von größerem Buttergehalt, z.B. bei Rahm, eine etwas größere Menge von Aether
                              oder, wenn man lieber will, eine kleinere Menge der zu untersuchenden Flüssigkeit
                              genommen werden muß.
                           Es wurden bei mehreren Proben folgende Werthe erhalten:
                           
                              
                                 
                                 
                                   Milch:
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                  I.
                                 aus
                                 20 Grammen
                                 0,612 Butter
                                 =
                                   3,06 Proc.
                                 
                              
                                 
                                   „
                                  „        
                                    „
                                 0,632    „
                                 =
                                   3,16    „
                                 
                              
                                 II.
                                   „
                                  „        
                                    „
                                 0,701    „
                                 =
                                   3,505  „
                                 
                              
                                 
                                   „
                                  „        
                                    „
                                 0,705    „
                                 =
                                   3,502  „
                                 
                              
                                 
                                 
                                   Rahm:
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 aus
                                 20 Grammen
                                 2,204    „
                                 =
                                 11,02    „
                                 
                              
                                 
                                   „
                                  „        
                                    „
                                 2,126    „
                                 =
                                 10,63    „
                                 
                              
                           Es dürften vielleicht Manche diese Probe noch zu umständlich finden. Es muß
                              allerdings zugegeben werden, daß sie sich nicht dazu eignet, an jedem Stadtthore
                              unmittelbar ausgeführt zu werden und sogleich ein Urtheil zu gestatten. Dagegen wäre
                              es ganz leicht eine Einrichtung zu treffen, daß die den einen Tag abgefaßten Proben
                              bis den folgenden beurtheilt werden könnten. Jedenfalls dürfte die Methode in
                              besondern streitigen Fällen ein ziemlich sicheres Urtheil gewähren. Es mag immerhin
                              außer diesem ein Apotheker mit einem Aräometer bewaffnet als ein zweckmäßiges
                              Abschreckungsmittel von Zeit zu Zeit am Stadtthore erscheinen.
                           Das einzige, welches vielleicht gegen dieses Verfahren eingewendet werden könnte,
                              wäre die Möglichkeit, durch Zusatz von Fett zu einer Milch von geringerem
                              Buttergehalt getäuscht zu werden. Ob eine solche Verfälschung jemals vorgekommen
                              sey, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls dürfte sie nicht leicht zu bewerkstelligen
                              seyn und würde sich auch wohl bald auf verschiedene Weise verrathen.
                           Daß das nämliche Verfahren zur Bestimmung des Fettgehaltes anderer emulsionartigen
                              Flüssigkeiten angewendet werden könne, war wohl kaum zu bezweifeln.
                              Nichtsdestoweniger schien es mir passend, hierüber einige Versuche anzustellen.
                           Es wurden zu diesem Ende genau abgewogene Quantitäten (1–2 Gramme) Olivenöl
                              mit arabischem Gummi und Wasser auf die gewöhnliche Art zu Emulsion angerührt, diese
                              mit Kohlenpulver eingetrocknet und nachher auf die angegebene Art mit Aether
                              ausgezogen, wobei sehr annähernd die in Anwendung genommene Menge des Oeles wieder
                              erhalten wurde.
                           
                           Auf die nämliche Art kann auch der Fettgehalt der Chocolade bestimmt werden. Man läßt
                              eine gewogene Menge derselben in warmem Wasser zergehen, trocknet die Flüssigkeit
                              mit Kohle ein, und zieht das Fett in dem Verdrängungsapparate mit Aether aus. Die
                              erhaltene Butter ist vollkommen rein und von blendend weißer Farbe.