| Titel: | Beiträge zur chemischen Kenntniß des Luftmörtels; von Professor Dr. A. Vogel jun. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LIV., S. 190 | 
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                        LIV.
                        Beiträge zur chemischen Kenntniß des Luftmörtels;
                           von Professor Dr. A. Vogel
                           jun.
                        Vogel, Beiträge zur chemischen Kenntniß des
                           Luftmörtels.
                        
                     
                        
                           Seitdem der hydraulische Mörtel von J. N. v. Fuchs und
                              Anderen zum Gegenstand specieller Untersuchungen gemacht worden, und namentlich
                              ersterer denselben aus einer großen Anzahl massenhaft vorkommender Rohmaterialien
                              herzustellen gelehrt hatte, konnte es nicht auffallend erscheinen, daß dem Studium
                              dieses für Bauwesen und Industrie im Allgemeinen so wichtigen Productes eine große
                              Menge Forscher ihre Aufmerksamkeit zuwendete. Diese vorzugsweise Behandlung des
                              hydraulischen Kalkes hatte andererseits natürlich zur Folge, daß die
                              wissenschaftliche Bearbeitung des für gewöhnliche Hochbauten verwendeten sogenannten
                              Luftmörtels nicht im gleichen Grade Ausbildung fand. Man begnügte sich vielmehr mit
                              den von Berthier, John, Petzholdt u.a. bereits
                              ausgesprochenen Ansichten und hergebrachten Erklärungen über die Wirkungsweise
                              dieses im größten Maaßstabe gebrauchten Bindemittels. Während es außer allem Zweifel
                              lag, daß die Festigkeit des Wassermörtels durch die während des Erhärtens
                              eintretenden Vorgänge bedingt werde, waren dagegen die Ansichten über die
                              Wirkungsweise des Luftmörtels durchaus nicht so leicht unter einen Gesichtspunkt zu
                              bringen. Die ältere Ansicht ließ den Mörtel einfach (mechanisch, physikalisch) als
                              ein Bindemittel ähnlich den Kitten wirken, und in der Allgemeinheit dieses
                              Ausspruches durfte auch wohl schwerlich etwas dagegen einzuwenden seyn. Spätere
                              Versuche zeigten jedoch, daß die Erhärtung des Mörtels an sich von besonderen
                              Umständen abhängig sey. So führten die Versuche, die v. Fuchs über diesen Gegenstand anstellte, zu dem Resultate, daß der Kalk des
                              Mörtels in eine eigenthümliche basische Verbindung, wahrscheinlich CaO, CaO₂
                              + CaO, HO, übergehe und daß gerade diese Verbindung, welche im Inneren der Mauer
                              sich nie vollkommen mit Kohlensäure sättige, die Festigkeit des Mörtels bedinge.
                              Andere leiteten sie von der Krystallisation des Kalkhydrates her, da man den Kalk im
                              Inneren Jahrhunderte alter Mauerwerke bisweilen noch ätzend fand. Auch die
                              Abscheidung des Kalkes im krystallisirten Zustande aus dem Kalkwasser des Mörtels
                              wurde als Erklärung angeführt. Von der andern Seite war es dagegen namentlich Petzholdt, welcher das Erhärten des Mörtels lediglich aus
                              einer Silicatbildung erklären wollte. Die Ansicht, daß der Kalk des Mörtels mit
                              einem Theile seines quarzigen Zuschlages eine chemische Verbindung eingehe und der
                              Silicatbildung die
                              spätere Festigkeit, namentlich diejenige sehr alter Mauerwerke zuzuschreiben sey,
                              wurde natürlich durch die erweiterten Kenntnisse des nur allgemeiner angewendeten
                              hydraulischen Kalkes im hohen Grade wahrscheinlich. Man fand in einigen alten
                              Mauerwerken einen größeren Gehalt an aufgeschlossener Kieselerde als in jüngeren,
                              und benützte dieß als Bestätigung jener Ansicht.
                           Die gänzliche Abwesenheit von Silicaten in nichtsdestoweniger sehr festen Mörteln,
                              sowohl jüngerer als älterer Mauerwerke, mußte jedoch dieser Erklärung immerhin als
                              schlagender Einwurf entgegengehalten werden.
                           Der Widerspruch, welchen die von einigen Forschern behauptete Bildung eines
                              Silicates, sowie auch die Bildung jenes basisch kohlensauren Kalks erfahren hat,
                              beweist zur Genüge, daß der Gegenstand noch nicht völlig aufgeklärt ist. Dieß
                              veranlaßte mich zunächst, einige Untersuchungen in dieser Richtung vorzunehmen. Die
                              unglückliche Katastrophe der in München am Carlsthore während des vorigen Sommers
                              erfolgten Explosion, in deren Folge der Carlsthorthurm wegen Baufälligkeit
                              abgebrochen wurde, bot Gelegenheit, das Material für derartige Untersuchungen leicht
                              zu erhalten. Da die Untersuchung des Mörtels von dem abgebrochenen Carlsthorthurme
                              zu Resultaten führte, die weder mit der Annahme einer Silicatbildung noch mit
                              derjenigen einer basischen Carbonatbildung übereinstimmten, so sah ich mich
                              veranlaßt, meine Versuche noch auf ein Paar andere Mörtelsorten auszudehnen. Ich
                              wählte dazu den zum Bau der hiesigen Universität verwendeten Mörtel und einen
                              anderen mit rein quarzsandigem Zuschlag, welchen ich von Hannover durch gütige
                              Vermittelung meines Freundes Dr. Reischauer erhalten hatte.
                           Die Analyse der beiden Münchner Mörtelsorten bot in ihrer Ausführung von vornherein
                              die Schwierigkeit der Bestimmung, was man dabei überhaupt als den eigentlichen
                              Mörtel anzusehen habe. In denselben befindet sich nämlich, bedingt durch die
                              Localverhältnisse des Ortes, eine große Anzahl kleinerer und größerer Steine, bis
                              zur Größe einer Haselnuß, – welche fast gänzlich aus kohlensaurem Kalk
                              bestehen. Es war daher unmöglich, dieselben auf chemischem Wege von dem eigentlichen
                              gleichfalls kalkigen Bindemittel zu trennen. Von einer Bauschanalyse aber, welche
                              eben nur die Gesammtmenge des Kalkes und der Kohlensäure hätte angeben können,
                              gleichgültig ob diese von dem eingemengten Zuschlage oder dem Kalke herrührten,
                              durfte kaum die Ableitung aufklärender Folgerungen erwartet werden. Namentlich wäre
                              aber durch eine derartige Analyse der Sättigungsgrad des ätzenden Kalkes mit
                              atmosphärischer Kohlensäure unter einen ganz unrichtigen Gesichtspunkt gestellt worden.
                           Ich habe es deßhalb vorgezogen, der chemischen Analyse eine mechanische vorausgehen
                              zu lassen, die eben jene eingemengten großen Conglomeratstücke von dem eigentlichen
                              Cemente sonderte und diesen für die chemische Analyse zugänglich machte. Zu diesem
                              Zwecke wurde der ohnehin schon bröckliche Mörtel unter der Vorsicht keine Steine zu
                              verletzen, mit dem hölzernen Hammer verkleinert und sodann mittelst Absiebens die
                              mechanische Analyse vorgenommen. Nach dem Absieben erschien es zweckmäßig, die
                              größeren Rückstände im Siebe noch eine Zeitlang in leinenen Tüchern zu reiben, um
                              den Rest des anhängenden Mörtels zu trennen und dem übrigen zuzufügen. Wenn man
                              dieser Methode den Vorwurf eines Mangels an Genauigkeit machen wollte, so ist
                              dagegen anzuführen, daß sie bei der chemischen Gleichartigkeit des Zuschlages und
                              Cementes die einzig mögliche und leicht auszuführen ist. Diese Methode erscheint
                              überhaupt bei dem beträchtlichen Sprunge in der Größe der eingemengten Steine
                              praktisch anwendbar in allen Fällen von Mörtelanalysen, wo man eine mechanische
                              Trennung vorzunehmen hat, da schon beim Bau meistens die Mischung aus Materialien,
                              die durch verschiedene Siebnummern gesiebt sind, hergestellt wird.
                           Ich erhielt auf diesem Wege für die beiden Münchner Mörtelsorten folgende
                              Zahlenwerthe in 100 Theilen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 147, S. 192
                              Sieb-Nummer; Zahl der
                                 Oeffnungen auf 1 Quadratzoll bayer; Rückstand im Siebe; Mörtel; vom
                                 Carlsthorthurm; von der Universität
                              
                           Ich habe nun das durch das Sieb Nr. 2 hindurch Gegangene als den eigentlichen Mörtel
                              betrachtet. Freilich befanden sich auch hierin noch von dem Zuschlage herrührende
                              Steinpartikelchen, aber das Verhältniß derselben zum angewandten Aetzkalk mußte
                              nunmehr um ein bedeutendes geringer geworden seyn und dadurch eine Abweichung im
                              Kohlensäuregehalt dieses Mörtels von dem des neutralen kohlensauren Kalkes weit
                              augenfälliger werden, wogegen sie in der chemischen Analyse des conglomeratartigen
                              Gesammtmörtels sich leichter der Beobachtung würde entzogen haben.
                           Die Analyse ist nach bekannten Methoden ausgeführt worden. Ich erwähne nur, daß die
                              Kohlensäurebestimmung in einem dem Fresenius-Will'schen ähnlichen Apparate vorgenommen wurde, welcher
                              gestattete die Zersetzung mit Salpetersäure zu bewerkstelligen und zugleich das
                              entweichende kohlensaure Gas durch Schwefelsäure zu trocknen. Der Mörtel war bei
                              100º C. im trocknen Luftstrom mittelst des Aspirators getrocknet. Es ergab
                              sich aber, daß derselbe dennoch, auch nachdem sein Gewicht constant blieb, nicht
                              alles hygroskopische Wasser abgegeben hatte. Um dieses, sowie allenfalls in dem
                              Aetzkalk des Mörtels enthaltene Spuren von Hydratwasser zu bestimmen, wurde die
                              Probe mit Boraxglas zusammengeschmolzen. Aus der Gewichtsabnahme, welche dem ganzen
                              Wassergehalte plus der Kohlensäure entsprach, mußte sich
                              dann durch Subtraction der letzteren das Wasser ergeben. Auf die Alkalien habe ich
                              wegen ihrer geringen Menge keine besondere Rücksicht genommen.
                           Die auf solche Weise erhaltenen Werthe, in die obige mechanische Analyse substituirt,
                              lieferten die Zusammensetzung der beiden Mörtelsorten wie folgt:
                           1) Mörtel vom Carlsthorthurme.
                           
                              
                                 Gröbere SteineIn Säure unlöslicher
                                    Rückstand
                                   63,12    7,38
                                 
                                    
                                    
                                 70,5
                                 
                              
                                 Kalk
                                   13,27
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                   11,31
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Thonerde und Eisenoxyd
                                     1,72
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Magnesia
                                     0,86
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                 Spuren
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Wasser
                                     2,34
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                                 
                                 
                              
                           2) Mörtel vom Universitätsgebäude.
                           
                              
                                 Gröbere SteineIn Säure unlöslicher
                                    Rückstand
                                   41,82  10,07
                                 
                                    
                                    
                                 51,89
                                 
                              
                                 Kalk
                                   22,02
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                   19,59
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Thonerde
                                     1,90
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Magnesia
                                     1,33
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                     0,22
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Wasser
                                     3,05
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                           Diesen beiden Analysen füge ich nun noch die eines Mörtels von Hannover an, der sich
                              schon dem Aeußern nach durch den fast gleichmäßig feinsandigen, rein quarzigen
                              Zuschlag wesentlich von den beiden vorhergehenden unterschied, weßhalb auch hier
                              jene mechanische Sonderung nicht nothwendig war.
                           3) Mörtel von Hannover.
                           
                              
                                 In n unlöslicher Rückstand  
                                 78,65
                                 
                              
                                 Kalk
                                 10,50
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                   7,82
                                 
                              
                                 Wasser
                                   1,68
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                   0,30
                                 
                              
                                 Thonerde und Eisenoxyd
                                   0,98
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 99,93
                                 
                              
                           In der Zusammenstellung dieser Analysen tritt auf den ersten Blick das bedeutende
                              Vorwiegen größeren Gerölles gegen das eigentlich bindende Mittel hervor. Betrachtet
                              man nun zwar die Gesammtanalysen, so findet man, daß das Verhältniß des Zuschlages
                              zum Cement sich in den Mörteln von Hannover und vom Carlsthorthurme einander nähert,
                              indem jener 70,50, dieser 78,65 Zuschlag enthält. Das Verhältniß stellt sich jedoch
                              anders heraus, wenn man bedenkt, daß bei dem Mörtel des Carlsthorthurmes 63,12
                              Procent ganz großes Gerölle waren, wodurch natürlich ein außerordentliches
                              Ueberwiegen von Kalk in dem eigentlichen Bindemittel resultiren muß.
                           Schon bei weitem günstiger stellt sich dieses Verhältniß heraus bei dem Mörtel
                              welcher zum Bau der Universität verwendet worden, indem sich in demselben nur
                              ungefähr 55 Procent gröberes Geschiebe vorfanden. Zwar ist dabei zu berücksichtigen,
                              daß auch in dem von mir der chemischen Analyse unterworfenen Antheil dieser Mörtel
                              sich noch eine gewisse Menge des Kalks als feiner Kalksand und somit als Zuschlag
                              eingemengt befand. Dennoch konnte diese Beimengung von Kalksand das Verhältniß des
                              Kalks zum Zuschlag nicht wohl auf das gewöhnliche herabstimmen. Denn betrachtet man
                              den durch das Sieb Nr. 2 gegangenen Antheil als eigentlichen Mörtel, so kömmt darin
                              1 Theil Zuschlag auf 4 Theile Kalk, worin also die Kalkmenge die vierfache Menge des
                              Zuschlags ausmacht und somit das gewöhnliche Verhältniß des Sandes zum Kalk, nämlich
                              6 : 1 um das 24fache übertreffen würde. Nur ist hiebei nicht zu vergessen, daß bei
                              dieser Rechnung der chemisch gleichartige Kalksand als Kalk berechnet wurde und
                              daher das Verhältniß des letztern zum Zuschlag um etwas zu groß ausfallen mußte.
                              Rechnet man indeß für diesen Fehler die Hälfte des Kalkes wirklich als Zuschlag, so ist
                              das Vorwalten des Kalkes in dem zwischen den größeren Geschieben liegenden
                              Bindemittel ein außerordentliches gegen das an anderen Orten gebrauchte. Zu bedauern
                              bleibt es allerdings immer, daß es in diesen Fällen vor der Hand kein analytisches
                              Mittel gibt, den eingemengten Kalksand als solchen zu bestimmen. Auch schon das
                              äußere Ansehen dieser beiden Mörtelsorten bestätigt die hier entwickelten
                              Verhältnisse durch die auffallende Weiße des Kalklettens, in dem die Geschiebe sich
                              eingefügt finden.
                           In der dritten der angeführten Mörtelsorten nähert sich das Verhältniß des Zuschlags
                              zum Kalk weit mehr dem gewöhnlichen, indem hier ungefähr 4 Theile Zuschlag auf 1
                              Theil Kalk kommen. Knapp hat in seinem Lehrbuch der
                              chemischen Technologie (Bd. I S. 625) die Wichtigkeit dieser Mischungsverhältnisse
                              wohl gewürdigt, indem er sagt: „Von großer Wichtigkeit ist das richtige
                                 Verhältniß zwischen Kalk und Sand, und es hängt die Güte und Festigkeit des
                                 Mörtels davon mehr, als von jedem anderen Umstande ab.“
                              
                           Wenn es als eine allgemeine Regel betrachtet werden kann, dem Zuschlage nur so viel
                              Kalk zuzufügen, als er ohne sein Volumen zu vergrößern zu verschlucken im Stande
                              ist, so wird dabei höchst nothwendig zu beachten seyn, daß der Zuschlag sich in
                              verschiedenen Graden der Feinheit des Kornes befinde, und ein plötzlicher Sprung
                              hierin möchte eine mehr bröcklige Natur des Mörtels zur Folge haben. In diesem
                              Umstande rechtfertigt sich auch, wie ich glaube, der Vorwurf der Baufälligkeit, in
                              Folge dessen der Carlsthorthurm mit Recht abgebrochen wurde. Da zugleich, wie ich
                              mich überzeugte, ein sehr geringes Anhaften des Mörtels an den Backsteinflächen
                              stattfand, so mag auch wohl die nicht gehörige Befolgung der so wichtigen Regel des
                              Anfeuchtens der Steine zur Vermehrung der Baufälligkeit beigetragen haben. In
                              ökonomischer Rücksicht wäre es vielleicht zu erwägen, ob man nicht durch künstliche
                              Herstellung von Zuschlägen in der geeignetsten Mischung verschieden gekörnter
                              Abstufungen derselben den kostspieligen Kalk ersetzen und gleichzeitig den Mörtel
                              verbessern könnte.
                           Auf die beiden anderen, die Theorie der Mörtelerhärtung betreffenden Punkte glaube
                              ich hier gleichfalls noch aufmerksam machen zu müssen. Was zunächst die
                              Kohlensäuerung des Kalkes im Mauerwerke betrifft, so finden sich im Mörtel des
                              Carlsthorthurmes auf 13,27 Procent Kalk 11,31 Procent Kohlensäure. Dieser Kalkgehalt
                              verlangt indeß, um mit Kohlensäure zu neutralem kohlensauren Salz zu werden, nur
                              10,37 Proc. Kohlensäure. In dem aus der Mitte der Mauer genommenen Mörtel befand sich der Kalk
                              also keineswegs in einem Zustande der halben Sättigung mit Kohlensäure.v. Fuchs, gesammelte Schriften, herausgegeben von
                                    Dr. Kaiser,
                                    1856. Vielmehr findet sich darin noch ein geringer Ueberschuß an
                              Kohlensäure, zu deren Absorption auch der unbedeutende Magnesiagehalt nicht
                              hinreichte. Es ist möglich, daß dieser Kohlensäureüberschuß in dem Mörtel durch
                              Contactwirkung zurückgehalten wurde, wie ich etwas Aehnliches vor Kurzem in einer
                              Arbeit über kleesaures Zinnoxydul mitgetheilt habe,Abhandlung d. k. Akad. der W. II Cl. Bd. VII
                                    Abtheilung VIII. wobei nach dem Glühen desselben ungefähr 4
                              Procent Kohlensäure vom Zinnoxydul so energisch festgehalten werden, daß zu ihrer
                              vollständigen Vertreibung starke Weißglühhitze nothwendig ist.
                           Ganz das nämliche Verhalten eines Ueberschusses an Kohlensäure, anstatt des
                              halbkohlensauren Kalkes – treffen wir auch in dem Mörtel der Universität, der
                              auf 22,02 Proc. Kalk 19,59 Proc. Kohlensäure enthält, während nur 17,3 Proc. zur
                              Ueberführung in neutralen kohlensauren Kalt nothwendig wären. Um jedoch zu
                              controliren, ob nicht diese Abweichung auf einer Fehlerquelle der Methode beruhe,
                              wurde eine Controlbestimmung derselben durch die Analyse des isländischen
                              Doppelspathes vorgenommen. Diese lieferte in dem Doppelspath 43,59 Proc. Kohlensäure
                              statt der berechneten Menge von 44 Proc. Jener Ueberschuß an Kohlensäure konnte
                              daher nicht wohl von einer Fehlerhaftigkeit der Methode herrühren.
                           Auch in dem ganz jungen Mörtel von Hannover, der auf 10,5 Proc. Kalk 7,82 Proc.
                              Kohlensäure enthält, ist demnach fast schon eine völlige Sättigung des Kalkes mit
                              Kohlensäure eingetreten, indem statt der gefundenen Menge einer völligen Sättigung
                              8,25 Proc. Kohlensäure entsprechen würden.
                           Wenn ich nun auch nicht den geringsten Zweifel in die Richtigkeit der Resultate
                              früherer Untersuchungen über diesen Gegenstand setze, so kann ich doch nach den
                              Daten, welche ich durch die Analyse des Mörtels von älterem und jüngerem Mauerwerk
                              erhalten, nicht jener Annahme eines basischen Carbonates als Ursache der
                              Mörtelerhärtung beipflichten, noch überhaupt dessen Existenz in dem Mörtel als den
                              allgemeineren Fall betrachten. Namentlich muß ich aber das so oft behauptete
                              „Nieübergeführtwerden“ des Aetzkalkes in neutrales Carbonat
                              widersprechen. Auch Wittstein
                              Polytechn. Journal Bd. CXXXIX. S. 398. hat bereits vor einiger Zeit diese Frage in gleichem Sinne beantwortet. Ich hoffe demnächst
                              auf die Verwandtschaft der Kohlensäure zum Kalk ausführlich zurückzukommen.
                           Endlich muß ich noch die sogenannte Theorie der Silicatbildung als erklärendes Moment
                              der Mörtelerhärtung berücksichtigen. Dieselbe hat immer noch zahlreiche Anhänger,
                              wie z.B. Leuchs, Muspratt u.a., obschon sie von namhaften
                              Schriftstellern (so von Knapp a. a. O.) in gebührender
                              Weise behandelt ist. Abgesehen davon, daß schon v. Fuchs
                              sagt, man könne ganz ohne alle Silicate einen brauchbaren Mörtel herstellen, in
                              welchem Falle also diese Erklärung von vornherein völlig ausgeschlossen bleibt,
                              – können wir uns nach den vorliegenden Analysen auch dieser Ansicht
                              ebensowenig anschließen, v. Fuchs hat zwar gelehrt, daß
                              eine große Anzahl von Silicaten sich mit ätzendem Kalk umsetzt und durch ihn
                              aufgeschlossen wird. Falls nun solche Silicate in dem Mörtel als Zuschlag vorkommen,
                              so würde man eine derartige Wirkung allerdings gelten lassen müssen und dieselbe
                              müßte einen wesentlichen Einfluß auf die Festigkeit des Mörtels ausüben; im Ganzen
                              aber dürfte dieß der bei weitem seltenere Fall seyn. Jedenfalls sind die Quantitäten
                              aufgeschlossener Kieselerde in den hier von mir vorgelegten Mörtel-Analysen
                              so unbeträchtlich, daß man sie wohl schwerlich als Stütze einer
                              Silicatbildungstheorie wählen möchte. In dem älteren Mauerwerke, dem
                              Carlsthorthurme, befanden sich offenbar nur Spuren aufgeschlossener Kieselerde, in
                              dem Mörtel der Universität 0,22 Proc., in dem jungen Mörtel von Hannover nur 0,3
                              Proc. Angesichts solcher Daten muß man doch wohl von der sehr gewöhnlichen Ansicht
                              einer Silicatbildungstheorie zurückkommen und sich vorläufig mit der älteren Theorie
                              begnügen, daß eben der Mörtel nur als Kitt wirke, – eine Theorie, auf welche
                              sich am Ende doch alle übrigen möchten zurückführen lassen. Zu dieser Annahme sehe
                              ich mich um so mehr hingeführt, als es mir nicht gelungen ist, durch Behandeln mit
                              Kalilauge den quarzigen in Salzsäure unlöslichen Rückstand von einer oft angegebenen
                              Schicht aufgeschlossener Kieselerde zu befreien. In den untersuchten Mörteln konnte
                              ich nichts dergleichen finden. Uebrigens wären auch die Belege für diese Ansicht
                              schwer beizubringen. Vielmehr führt John zahlreiche
                              Mörtelanalysen an, in welchen der Kieselsäuregehalt mit dem der hier mitgetheilten
                              sehr nahe übereinstimmt. Wenn andererseits John in einem
                              vier Jahre alten Traßmörtel 8 Proc. Kieselsäure und in ähnlicher Weise Petzholdt in einem 300jährigen Mörtel 6 Proc. Kieselsäure
                              fand, so sind dieß offenbar nur Ausnahmsfälle in Folge eines durch Localverhältnisse
                              bedingten Zuschlages. Ob diese Mörtel mit ihrem fast verschwindenden Gehalte an
                              aufgeschlossener Kieselerde als Luftmörtel vor dem gewöhnlichen einen wesentlichen
                              Vorzug besaßen, ist
                              überdieß nicht erwähnt. Dagegen ist es unbezweifelt, daß die Erhärtung des
                              hydraulischen Kalkes auf einer Silicatbildung beruhe.