| Titel: | Der Aspirator als bewegende Kraft; von C. Brunner. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXV., S. 241 | 
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                        LXV.
                        Der Aspirator als bewegende Kraft; von C. Brunner.
                        Vorgetragen in der naturforschenden Gesellschaft
                                 zu Bern, den 13. Februar 1858.
                        Brunner, über den Aspirator als bewegende Kraft.
                        
                     
                        
                           Vor längerer Zeit beschrieb ich eine Vorrichtung, um durch den Ausfluß von Wasser aus
                              einem verschlossenen Gefäß einen Luftzug hervorzubringen. Die dabei beabsichtigte
                              Anwendung ging zunächst dahin, die durch eine am obern Theile des Gefäßes
                              angebrachte Oeffnung einströmende Luft der chemischen Analyse zu unterwerfen, wobei
                              zugleich die Menge derselben durch das Volumen des abfließenden Wassers bestimmt
                              wurde. Ich schlug für diese Vorrichtung die aus ihrer Wirkungsart abgeleitete
                              Benennung Aspirator vor.Poggendorff's Annalen Bd. XX S. 274, Bd. XXIV S. 569 und Bd. XXXVIII S.
                                    264.
                              
                           Der Apparat fand Eingang in alle chemischen Laboratorien und hat bereits die
                              mannichfaltigsten Anwendungen erhalten.
                           Wenn ich es heute wage eine ganz verschiedenartige vorzuschlagen, so bin ich mir wohl
                              bewußt, daß ähnliche Vorschläge bereits vorhanden sind; keiner jedoch scheint zu
                              einer wirklichen Ausführung gebracht worden zu seyn, so wie auch wohl keiner zu dem
                              hier speciell beabsichtigten Zwecke bestimmt war.
                           Man denke sich eine ungefähr horizontal liegende Röhre, einer Brunnenleitung ähnlich,
                              welche zwei in beliebiger Distanz von einander entfernt liegende Ortschaften
                              verbindet. An dem einen Ende sey dieselbe mit einem luftdicht verschlossenen mit
                              Wasser angefüllten Behälter in Verbindung. Es ist klar daß, wenn aus diesem Behälter
                              (dem Aspirator) das Wasser abgelassen wird, ein in der Röhre sich mit möglichst
                              geringer Reibung, jedoch möglichst luftdicht bewegender Kolben durch den Druck der
                              Atmosphäre in der Richtung nach dem Wasserbehälter hin sich mit einer
                              Geschwindigkeit fortbewegen wird, welche durch den Grad der Luftverdünnung, die das
                              Abfließen des Wassers bewirkt, bedingt ist.
                           
                           Nehmen wir nun an, die Länge der Röhre betrage 6 Schweizer Stunden oder 96000 Fuß,
                              der Durchmesser derselben sey = 8 Centimeter, also die Grundfläche ihres
                              Durchschnittes = 50,264 Quadratcentimeter, der Kubikinhalt der ganzen Röhre 144,76
                              Kubikmeter, so wäre, wenn der Aspirator 12 Meter Länge, 6 Meter Breite und 2 Met.
                              Höhe hätte, dessen Inhalt ungefähr demjenigen der Röhre gleich, nämlich 144
                              Kubikmeter. Wird er also entleert, so entsteht eine Verdünnung der in dem ganzen
                              Apparate enthaltenen Luft auf 1/2 Atmosphäre und der auf den beweglichen Kolben
                              stattfindende Druck betrüge bei dem Normal-Barometerstande von 760 Mill.
                              25,89 Kilogr.Angenommen daß 1 Quadrat-Centimeter Oberfläche unter diesen Umständen
                                    einen absoluten Luftdruck von 1030,55 Grammen zu tragen hat. – eine Kraft, mit welcher sich schon etwas fortschieben läßt.
                           Wäre also der Kolben ein hohler Cylinder, so könnten Briefe, kleinere Pakete u. dgl.
                              mit Leichtigkeit und mit bedeutender Schnelligkeit befördert werden.
                           Man wird nun sogleich die Frage aufwerfen, auf welche Art soll das zu dieser Bewegung
                              erforderliche Wasser in den Aspirator geschafft werden und ist der hiezu
                              erforderliche Kraftaufwand nicht eine Größe, welche den beabsichtigten Nutzen
                              überwiegt?
                           Hierauf diene zur Antwort, daß in einem Lande wo, wie bei uns, an Wasserkraft eben
                              kein Mangel ist, wohl leicht Rath geschafft werden dürfte. Ein mäßiger Bach könnte
                              in kurzer Zeit den Behälter anfüllen und ebenso wäre ein schneller Abfluß aus diesem
                              letztern leicht zu bewerkstelligen. Daß die Dimensionen von Länge, Höhe und Breite
                              des Behälters nach der Localität verändert werden können, versteht sich wohl von
                              selbst.
                           Ueber die Geschwindigkeit, mit welcher eine solche Beförderung stattfinden kann,
                              dürfte es schwer seyn a priori zu urtheilen, indem hier
                              verschiedene unbekannte Factoren, wie z.B. die Einrichtung des Kolbens, die Reibung
                              desselben, so wie diejenige der in die Röhre einströmenden Luft, die Einrichtung des
                              Wasserabflusses, in Betracht gezogen werden müssen. Nur Versuche dürften hier
                              maaßgebend seyn. Einige, freilich in sehr kleinem Maaßstabe angestellte lassen
                              jedoch vermuthen, daß die Geschwindigkeit eine sehr bedeutende seyn kann.
                           Es wäre ein Leichtes, den Aspirator auf mehrere Leitungen zugleich einzurichten und
                              zu festgesetzten Stunden einen Kolben von verschiedenen Ortschaften her
                              anzusaugen.
                           Was nun die Rücksendung anbelangt, so kann diese auf zweierlei Art geschehen: entweder indem
                              auf der andern Endstation ein ähnlicher Aspirator in Thätigkeit gesetzt wird oder,
                              was weit bequemer wäre und die sämmtlichen Operationen auf eine Station vereinigte,
                              indem man den Aspirator zeitweise in einen Druckapparat verwandelte.
                           Zu diesem Ende würde man ihn mit einem höher stehenden offenen Wasserbehälter
                              verbinden, aus welchem man vermittelst eines weiten Canals, der auf den Boden des
                              Aspirators ausmündet, schnell eine hinreichende Menge Wassers einfließen ließe, um
                              diesen zu füllen. Hiedurch würde der Kolben wieder auf die vorige Station
                              zurückbefördert und zugleich der Aspirator zu einer folgenden Operation wieder
                              gefüllt.
                           Es könnten auch Briefeinlagen auf Zwischenstationen befördert werden. Hiezu könnten
                              z.B. folgende Einrichtungen getroffen werden.
                           1) Auf der Zwischenstation wäre die Röhre mit einer unter derselben angehängten und
                              luftdicht mit ihr verbundenen Kapsel versehen, über welcher die Röhre eine Oeffnung
                              hätte. Durch eine am Boden der Kapsel befindliche luftdicht verschließbare Thür
                              würde eine dem Hauptkolben ähnliche, die Briefe enthaltende Büchse von merklich
                              kleinerem Durchmesser in die Leitungsröhre hineingeschoben. Kommt nun der Kolben
                              heran, so wird er diese Büchse mit sich fortreißen.
                           Wollte man umgekehrt von der Hauptstation aus eine Sendung nach einer Zwischenstation
                              befördern, so ließe man eine solche Büchse dem Kolben vorangehen. Langt sie auf der
                              Zwischenstation an, so würde sie durch die Oeffnung in dem Boden der Leitungsröhre
                              in die daselbst angebrachte Kapsel herunterfallen, während der Hauptkolben, der
                              zwei- bis dreimal länger wäre als diese Oeffnung, über sie weggleiten
                              würde.
                           2) Einfacher wäre vielleicht folgende Einrichtung.
                           Nehmen wir an, daß man aus dem Aspirator ein dem Inhalte der Röhre gleiches
                              Wasser-Volumen abfließen lasse, so wird der Kolben bis an den Aspirator
                              gelangen. Läßt man aber nur die Hälfte dieses Volumens abfließen, so wird er nur die
                              Hälfte des Weges zurücklegen, weil alsdann die in dem Apparate enthaltene Luft der
                              äußern Atmosphäre das Gleichgewicht hält. Würde also, damit der Kolben diesen Punkt
                              nicht überschreite, daselbst ein Hinderniß angebracht, z.B. ein Bolzen quer durch
                              die Röhre gesteckt, so könnte man alsdann durch eine Seitenthür den Kolben
                              herausnehmen. Man würde nun den dieser Station zugehörenden Inhalt beseitigen, den
                              Kolben wieder einsetzen und durch neuen Wasserabfluß weiter befördern.
                           Es versteht sich von selbst, daß diese Operationen sowohl auf der Hauptstation als
                              auf der Zwischenstation in vorher genau bestimmten Zeiten ausgeführt werden
                              müßten.
                           
                           Was endlich die technische Ausführung des Apparates anbelangt, die Frage ob der
                              Aspirator ein gemauerter Behälter seyn muß, oder nach Art der Gasbehälter aus
                              Eisenplatten zusammengesetzt werden soll, welche Art von Röhren gewählt, wie sie
                              gelegt und gehörig gesichert werden mögen, wie man zur Winterszeit das Gefrieren des
                              Wassers im Behälter zu verhindern habe u.s.w., so dürfte es unnöthig seyn, in das
                              Nähere hierauf einzugehen. Die Technik unserer Tage wird diese Fragen mit
                              Leichtigkeit beantworten. Mehrere der bedeutendsten Schwierigkeiten sind bereits
                              durch die sogenannte atmosphärische Eisenbahn thatsächlich beseitigt.
                           Schließlich sey noch bemerkt, daß ein ähnlicher Vorschlag in Anwendung auf das eben
                              genannte Eisenbahnsystem bereits von dem bekannten Techniker Samuda gemacht wurde.Polytechn. Journal Bd. XCV S. 417. Derselbe scheint keinen Eingang gefunden zu haben, wahrscheinlich aus dem
                              Grunde, weil einige andere Hauptübelstände dieses Eisenbahnsystems, wie z.B. die
                              Schwierigkeit der verschiedenen Einmündungen der Seitenschienen, des Anhaltens auf
                              den Stationen, die Veränderung in der Geschwindigkeit während der Fahrt u. dgl. m.
                              dadurch nicht gehoben werden. Alle diese Schwierigkeiten kommen bei der oben
                              angedeuteten Anwendung nicht in Betracht.
                           In wiefern nun eine solche Posteinrichtung neben den Eisenbahnen und den Telegraphen
                              bestehen könnte, ist nach Localverhältnissen zu beurtheilen. Gegen erstere dürfte
                              sie jedenfalls in Bezug auf Schnelligkeit, gegen letztere in Bezug auf Wohlfeilheit
                              des Betriebes im Vortheil stehen. Ja es wäre vielleicht nicht unmöglich, daß dieses
                              System, statt mit der Eisenbahn zu concurriren, von ihr als Nebenbestandtheil
                              aufgenommen und als eine Vervollkommnung derselben angewandt werden könnte. Auf
                              keine andere Art ließe sich die Leitung besser einrichten und beaufsichtigen, als
                              eben auf der Eisenbahn. Sollten, um den anfangs angedeuteten Fall zu benutzen,
                              Sendungen auf eine Distanz von 6 Stunden, vielleicht in 5 Minuten ankommen, so wäre
                              diese Zeitersparniß, zumal bei noch größern Entfernungen, selbst gegenüber der
                              Geschwindigkeit des Eisenbahnzuges, ein nicht unbedeutender Gewinn.
                           Wie dem nun sey, so mag dieser Gedanke als ein Vorschlag betrachtet werden, welcher
                              vielleicht zu näherer Untersuchung den Männern des Faches empfohlen werden
                              dürfte.
                           Vielleicht könnte übrigens das nämliche Princip noch auf anderweitige Art benutzt
                              werden. Würde z.B. der Kolben mit einer Schnur verbunden, welche durch ihre
                              Abwicklung von einer Welle diese in Bewegung setzte, so könnte dieses ein Mittel an die Hand geben,
                              eine Wasserkraft in einer von derselben entfernten Stelle zu benutzen.