| Titel: | Ueber zwei ätherische Beleuchtungsstoffe, das Pinolin und Oleon; von Dr. Hermann Vohl in Bonn. | 
| Autor: | Hermann Vohl | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXXXVIII., S. 304 | 
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                        LXXXVIII.
                        Ueber zwei ätherische Beleuchtungsstoffe, das
                           Pinolin und Oleon; von Dr. Hermann Vohl in Bonn.
                        Vohl, über das Pinolin und Oleon.
                        
                     
                        
                           Pinolin. – Die Destillation des amerikanischen
                              Harzes, welches ein Gemenge ausgeschwitzter Harze verschiedener Pinusarten ist, hat
                              gegenwärtig eine bedeutende Ausdehnung erlitten, insoferne diese
                              Destillationsproducte zur Anfertigung der sogenannten Patent-Wagen-
                              und Maschinenschmiere angewandt werden. Ich will nicht näher auf die Verwendung
                              derselben zu Schmiere eingehen, sondern nur ein Nebenproduct dieser Destillation,
                              die sogenannte Essenz, einer näheren Betrachtung unterwerfen.
                           Wenn der Destillationskessel, dessen Capacität beiläufig 1000 Pfund Harz betragen
                              muß, mit Harz beschickt ist, so wird im Anfange der Destillation das in dem Harze
                              vorhandene Wasser und mit demselben die geringe Menge eines leichten ätherischen
                              Oeles, welche dasselbe noch enthält, ausgetrieben. Die Ausbeute an leichtem Oel,
                              welches man gewöhnlich mit dem Namen „Essenz“ bezeichnet,
                              beträgt durchschnittlich 2 Procent. Das Wasser, welches die Essenz begleitet,
                              reagirt stark sauer, in Folge eines bedeutenden Gehaltes an Essigsäure (manche
                              Harzarten geben nicht unbedeutende Mengen Ameisensäure). Die Essenz wurde gewöhnlich
                              einer Rectification unterworfen, und als Terpenthinöl in den Handel gebracht. Der
                              hohe Preis des ächten Terpenthinöls verschaffte der gereinigten Essenz, die einen
                              ungleich billigeren Preis hatte, einen guten Markt, und es wäre auch im Grunde
                              gleich gewesen, wenn dieses Ersatzmittel dieselben Dienste wie das Terpenthinöl
                              gethan hätte. Im Allgemeinen wendet man das Terpenthinöl bei der Firnißbereitung zum
                              Auflösen der verschiedenen Harze an, auch dient es dazu die Oelfarben zu verdünnen
                              und ein schnelles Trocknen derselben hervorzurufen. Wenn das Terpenthinöl der Luft
                              ausgesetzt wird, so wird ein Theil verdunsten, dagegen ein anderer sich mit dem
                              Sauerstoff der Atmosphäre verbinden, d.h. verharzen und demnach einen
                              firnißähnlichen Ueberzug zurücklassen. Demnach wird eine Verdünnung der Oelfarbe
                              vermittelst Terpenthinöl, wenn dieß nicht in zu hohem Grade geschehen ist, kein
                              Mattwerden und Trockenstehenlassen der Farbe zur Folge haben.
                           Vergleicht man damit das Verhalten dieser Essenz, so ist der Unterschied in die Augen
                              springend. Dieses ätherische Oel ist zwar einem Verharzen unterworfen, jedoch in
                              einem nur sehr geringen Grade, demnach wird bei der Anwendung dieses Oeles als Ersatzmittel für
                              das Terpenthinöl, zur Verdünnung der Oelfarbe, weniger Harz beim Trocknen
                              zurückbleiben und der Anstrich minder glänzend und festhaftend erscheinen.
                           Diese Eigenschaft des ätherischen Harzöles benahm demselben den Credit und es mußte
                              für dieses in nicht unerheblichen Mengen abfallende Nebenproduct eine andere
                              Anwendung ermittelt werden. Die Untersuchung, welche ich mit diesem Oel anstellte,
                              ergab fast die gleiche Zusammensetzung wie die des Terpenthinöles, und es war
                              vorauszusehen, daß es ebenso wie dieses eine Anwendung als Beleuchtungsmaterial
                              finden könne. Die Essenz, welche fast immer sauer reagirt, wurde mit caustischer
                              Lauge behandelt und dann vermittelst Wasserdämpfen abgeblasen.
                           Das so erhaltene Product war wasserklar und hatte einen angenehmen Thymiangeruch,
                              woraus wohl bei dem Publicum die Idee entsprungen ist, daß dieses Oel Terpenthinöl
                              sey, welches man, um den Geruch zu verdecken, mit Thymianöl versetzt habe. Ich
                              nannte diesel Oel Pinolin (zusammengesetzt aus pinus Tanne, und oleum Oel).
                              Die HHrn. Brambach und Comp.,
                              welche eine Harzdestillations-Productenfabrik zu Berge-Borbeck
                              besitzen, waren die ersten, die im Jahre 1856 die Harzessenz nach meiner Methode
                              reinigten und sie unter dem Namen Pinolin als
                              Beleuchtungsmaterial in den Handel brachten. Dieses Beleuchtungsmaterial wird auf
                              eigenthümlich construirten Lampen verbrannt und gibt einen ähnlichen Lichteffect,
                              wie das Camphin. Das Pinolin ist dem Verharzen, wie ich schon früher bemerkte,
                              unterworfen, wodurch es an Werth verliert, insofern der Docht mit dem gebildeten
                              Harze geschwängert wird, dadurch das Aufsaugungsvermögen beeinträchtigt und ein
                              Rußen der Lampe stattfinden wird. Diese Uebelstände machen es nothwendig, daß das
                              Pinolin sorgfältig vor der Atmosphäre bewahrt und stets frisch bereitet in den
                              Handel gebracht wird.
                           Sein spec. Gewicht ist demjenigen des Camphins und Terpenthinöls gleich; während dem
                              Verharzen nimmt sein spec. Gewicht zu.
                           Oleon. – In großen Städten ist immer eine
                              bedeutende Menge abgängiger Seifenwasser zu haben, abgesehen von den Walkabgängen
                              und den bei dem Entölen der Wolle erhaltenen Laugen, welche beträchtlich mit Fett
                              und Oel geschwängert sind. In Städten, wo eine Harzgasfabrication eingerichtet ist
                              oder große Etablissements eigene Gasapparate besitzen, kann man stets das aus diesen
                              Abgängen gewonnene Fett und Oel anbringen. Ist jedoch eine Stadt mit laufendem
                              Kohlengas versehen, so ist auf die Verwendung dieser abfallenden Fette zur
                              Gaserzeugung kein Gewicht mehr zu legen, und benutzt man dieselben zur Darstellung einer sehr geringen
                              Seifensorte, die sich durch ihren unangenehmen Geruch nicht eben vortheilhaft
                              auszeichnet. Ich wurde deßhalb im Jahre 1856 von mehreren Seiten aufgefordert, eine
                              Untersuchung dieser Fettmassen zu unternehmen, und eine vortheilhafte Verwendung
                              derselben zu ermitteln.
                           Ich ging von der Ansicht aus, daß sich dieselben durch eine trockene Destillation in
                              ein vortreffliches ätherisches Beleuchtungsmaterial verwandeln lassen müssen, und
                              zog das Verhalten der organischsauren Kalksalze bei der trocknen Destillation mit in
                              Betracht, welches darin besteht, daß sich acetonähnliche Körper der betreffenden
                              Säuren erzeugen.
                           Zur Gewinnung der fetten Säuren werden die Seifenflüssigkeiten mit einigen Procenten
                              Chlorcaliumlösung versetzt, wodurch alle fetten Säuren an Kalk gebunden, sich in
                              Form eines käsigen Niederschlags (Kaltseife) ausscheiden. Durch ein Seihetuch wird
                              die Flüssigkeit von dem Niederschlag getrennt und letzterer durch ein schwaches
                              Drücken von dem größten Theil des ihm mechanisch anhängenden Wassers befreit;
                              alsdann mit 10 Procent ungelöschtem grobkörnigen Kalk vermischt, und nun entweder in
                              einer eisernen Retorte oder einem gußeisernen Kessel, der mit einem flachen Hute
                              versehen ist, der trockenen Destillation unterworfen. Im Beginn der Destillation
                              treten eine Menge Wasserdämpfe auf, die jedoch bald nachlassen und nun brenzlich
                              riechenden Dämpfen Platz machen. Sobald mit Heller Flamme brennende Gase erscheinen,
                              beginnt die eigentliche Zersetzung. Die sich entbindenden Gase werden mit den
                              geeigneten Vorsichtsmaßregeln in die Feuerung unter den Kessel geleitet.
                           Durch eine gute Kühlung ist das Entströmen der leicht flüchtigen Oele zu
                              vermeiden.
                           Nachdem das Gas nur noch mit einer hellblauen Flamme brennt und größtentheils aus
                              Kohlenoxyd besteht, ist die Operation beendigt, und man findet in der Vorlage eine
                              wässerige Flüssigkeit, auf welcher eine bedeutende Menge einer butterartig
                              erstarrten Masse schwimmt, die einen durchdringenden Geruch von verbranntem Fett
                              besitzt.
                           Nachdem das Wasser von dem ölartigen Product entfernt ist, wird letzteres in einem
                              eisernen oder kupfernen Kessel der Destillation unterworfen, wobei man ein Drittel
                              sehr flüchtiges und flüssigbleibendes Oel erhält; das zweite Drittel ist dickflüssig
                              und das letzte erstarrt in der Kälte.
                           Diese drei verschiedenen Producte werden nach der für das Photogen von mir
                              angegebenen MethodePolytechn. Journal Bd. CXL S. 70. behandelt, nur mit dem Unterschiede, daß statt Schwefelsäure von 66° Baumé,
                              solche von 60° angewandt wird.
                           Durch das Abblasen erhält man ein wasserhelles, wenig Geruch besitzendes leichtes Oel
                              von 0,800 spec. Gewicht, welchem ich den Namen Oleon
                              gegeben habe, um theils seine Herkunft, theils seine acetonähnliche Zusammensetzung
                              zu bezeichnen. Es ist ein vortreffliches Beleuchtungsmaterial und dem Verharzen
                              nicht unterworfen. Es dient zur Speisung der Photogen-, Camphin- und
                              Pinolin-Lampen.
                           Das zweite Product, welches dickflüssig ist, ist sauerstofffrei und dem Oxydiren an
                              der Luft nicht unterworfen; ich verwende es mit Vortheil zum Schmieren von feinen
                              Maschinentheilen, auch kann es zum Brennen verwendet werden. Aus dem dritten Product
                              der fractionirten Destillation bereite ich einen dem Paraffin ähnlichen festen
                              Kohlenwasserstoff, der ein vortreffliches Kerzenmaterial abgibt.