| Titel: | Neueste Verbesserungen am Stereoskop, von dem Optiker Duboscq in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CVI., S. 358 | 
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                        CVI.
                        Neueste Verbesserungen am Stereoskop, von dem Optiker 
                           Duboscq in Paris.
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'Encouragement, Novbr. 1857, S. 707.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Duboscq's neueste Verbesserungen am Stereoskop.
                        
                     
                        
                           Hr. Duboscq hat in den letzten Jahren am Stereoskop eine
                              Reihe von Verbesserungen angebracht, denen das Instrument seine gegenwärtige
                              Popularität verdankt. Um die Wichtigkeit und den Nutzen der neuen Apparate wohl zu
                              verstehen, ist es nothwendig, sich die Theorie des Stereoskops zu vergegenwärtigen.
                              Stereoskopische Effecte lassen sich bekanntlich mit Hülfe des Schielens erzielen.
                              Das Stereoskop macht die Verschiebung der Augen unnöthig, indem es den von
                              verschiedenen Punkten der Bilder herkommenden Strahlenbüscheln eine andere Richtung
                              gibt; diese Ablenkung muß aber der Art seyn, daß die Bilder eine Lage im Raum
                              einnehmen, welche der Entfernung, in der sie entstehen, entspricht. Hieraus geht
                              hervor, daß ein Stereoskop, welches für einen Kurzsichtigen eingestellt ist, sich
                              für einen Weitsichtigen nicht eignet, und umgekehrt. Ist der Effect für ein
                              mittleres Gesicht befriedigend, so accommodiren sich andere Augen mittelst einer
                              schwachen Verrückung der optischen Achsen, welche vermöge der durch das binoculare
                              Sehen erlangten Gewohnheit instinctmäßig ist. Diese Accommodation erfordert jedoch
                              eine um so stärkere Spannung der Muskeln, je beträchtlicher der zu durchlaufende
                              Abstand ist; daher jene anhaltende Ermüdung der Augen, welche gewisse Personen
                              empfinden, wenn sie in das Stereoskop sehen. Manchen Personen kann sogar, ungeachtet
                              der instinctmäßigen Anstrengung des Sehorgans, die Coincidenz der Bilder nicht
                              gelingen.
                           Um diesem Uebelstande abzuhelfen, hat Hr. Duboscq im
                              Stereoskop den Theil des Apparates, welcher die Ablenkung der Strahlen bewirkt, von
                              demjenigen getrennt, welcher das Bild in die Weite des deutlichen Sehens wirft. Bei
                              dem Brewster'schen Stereoskop wurden diese beiden
                              Functionen durch zwei Halblinsen erfüllt; bei dem neuen Stereoskop sind sie
                              getrennt. Die Ablenkung wird durch feste Prismen bewerkstelligt, die Vergrößerung
                              durch Linsen, die man nach Belieben vor- oder zurückschieben kann. Durch
                              Regulirung der Stellung der Linsen läßt sich daher ein für jedes Auge befriedigender
                              Effect erzielen. Mit einem solchen Stereoskop erscheint das Relief, ohne daß das Auge eine Ermüdung
                              empfindet, wenn nur die Linsen die geeignete Lage haben; sobald man aber die Lage
                              des Systems verändert, so empfinden die Augen ein Flimmern, welches sich so lange
                              steigert, bis sie die Coincidenz der Bilder nicht mehr festzuhalten vermögen,
                              wodurch das dem Apparate zu Grunde liegende Princip seine Bestätigung findet.
                           Diese Trennung des Prismas von der Linse gestattet überdieß einen Mißstand zu
                              verbessern, welcher sich zeigt, wenn man Gegenstände von großer Dimension
                              betrachtet. In Folge der Wirkung des Prismas erscheinen nämlich die verticalen und
                              horizontalen Linien, z.B. die Kanten der Monumente, von vorn nach hinten gebogen.
                              Diese Wirkung, welche die Verhältnisse gewisser Zeichnungen übertrieben erscheinen
                              läßt, weil dadurch der mittlere Theil des Bildes zurücktritt, erklärt sich auf
                              folgende Weise. Betrachtet man durch ein Prisma eine senkrechte Linie, so scheint
                              sie gekrümmt, und der mittlere Theil stärker aus seiner Lage gerückt als die Enden.
                              Dieser Eindruck nun gestaltet sich in beiden Augen im umgekehrten Sinne, in Folge
                              der prismatischen Wirkung beider Linsen. Daher die Wahrnehmung eines Bogens, dessen
                              Mitte mit den Enden nicht in einer und derselben Ebene liegt. Hr. Duboscq corrigirt diesen Fehler, indem er den Linsen eine
                              schwache Neigung gibt, so daß die aneinander stoßenden Theile beider Linsen dem Auge
                              näher liegen, als die entgegengesetzten Ränder. Auf diese Weise erzeugen die Linsen
                              in den Linien des Bildes eine Krümmung, welche der durch die Prismen
                              hervorgebrachten Krümmung entgegengesetzt ist. Diese beiden Effecte veranlassen
                              daher eine mehr oder weniger vollständige Compensation und somit eine befriedigende
                              Rectification. Aus diesem Grunde lassen sich mit einem derartigen Stereoskop selbst
                              mit großen Bildflächen gute Wirkungen erzielen.
                           Die Beweglichkeit der Linsen gestattet dem Gesichtsfehler nur zwischen gewissen
                              Gränzen abzuhelfen. Für ungewöhnliche Gesichtsfehler muß man den Brechungswinkel der
                              Prismen abändern. Von dem Wunsche beseelt, das Stereoskop allen Augen zugänglich zu
                              machen, hat Hr. Duboscq versuchsweise ein Stereoskop
                              construirt, bei welchem der Winkel der Prismen durch ein ähnliches Mittel, wie das
                              in dem Rochon'schen Diasporameter angewandte,
                              veränderlich gemacht ist. Ein am Apparate angebrachter Knopf gestattet nämlich eine
                              progressive Aenderung dieses Winkels, je nach dem Auge des Beobachters. Eine auf den
                              Köpfen der Oculare markirte Eintheilung gibt den Winkel der Prismen zu erkennen und
                              gestattet die Construction eines Instruments für jedes Auge.
                           
                           Schließlich machen wir auf eine von den HHrn. Knight und
                              Duboscq an den Linsen der Stereoskope angebrachte
                              wichtige Verbesserung aufmerksam. Früher hatten die angewendeten Linsen einen
                              kleinen Durchmesser und waren in Röhren gefaßt, welche sich in transversaler
                              Richtung bewegen ließen, um sie dem Abstande beider Augen anzupassen. Diese Linsen
                              haben die genannten Herren durch solche von großer Oberfläche, welche sich mit ihren
                              Rändern berühren, ersetzt. Die Ocularröhren sind ganz weggelassen, und eine
                              Zwischenwand, die sich in ein doppeltes Diaphragma endigt, gestattet die am
                              stereoskopischen Effect nicht Theil nehmenden Bilder zu entfernen.
                           Dieses sind die verschiedenen durch Hrn. Duboscq am
                              Stereoskop angebrachten Vervollkommnungen. Wenn er auch nicht der Entdecker des
                              Princips ist, so hat er es doch unter einer sehr praktischen Form in Ausführung
                              gebracht und in die Oeffentlichkeit eingeführt. Ohne ihn würde dieses Instrument
                              vielleicht noch als bloßes Project in den Abhandlungen von Wheatstone oder Brewster existiren.
                           Das Brewster'sche Stereoskop, wie es von Duboscq construirt wurde, besteht bekanntlich aus einem
                              hölzernen Kasten in Form einer abgestumpften Pyramide ABCDEFGH, Fig. 16, mit rectangulären und parallelen Grundflächen.
                           Die Wand B, F, G, C ist mit einer um Scharniere
                              beweglichen Thür versehen, deren innere Fläche mit einem Blatt Silberpapier
                              überzogen ist, welches als Reflector dient, um das Licht auf zwei Lichtbilder zu
                              werfen, welche unter geeigneten Winkeln aufgenommen und bei AB und CD in den
                              Kasten A, B, C, D geschoben wurden. Will man eine
                              Beobachtung anstellen, so klappt man vorher die Wand B, F, G,
                                 C herab.
                           An der mit zwei Löchern versehenen kleineren Grundfläche EFGH sind zwei Röhren angebracht, welche die Prismen einschließen, und
                              deren mittlerer Abstand von einander demjenigen der Augen entspricht.
                           Mit diesem Stereoskop konnte man nur undurchsichtige Bilder auf Platten oder Papier
                              anwenden. Hr. Duboscq hat nun den Apparat in der Art
                              modificirt, daß er den Hintergrund ABCD des
                              Kastens durch ein mattgeschliffenes Glas ersetzt, vor welches man die auf Glastafeln
                              erzeugten Lichtbilder bringt; oder durch einen einfachen leeren Rahmen, in welchen
                              man die auf mattgeschliffenem Glas erzeugten Lichtbilder schiebt. Diese Modification
                              hat die Thür der Wand A, E, H, D überflüssig gemacht,
                              indem das Licht die Bilder direct von hinten beleuchtet. Fig. 17 stellt einen
                              theilweisen Verticaldurchschnitt des Apparates durch die Achse der beiden Röhren
                              dar. Das Räderwerk Fig. 16 und 17 zeigt die Art, wie die
                              Prismen und Linsen angeordnet sind, um den Apparat reguliren und den Augen jeder
                              Person anpassen zu können. Prismen und Linsen sind, wie man steht, unabhängig von
                              einander befestigt. Mit Hülfe des Knopfes c, welcher ein
                              Getriebe und eine an den Linsen befestigte Zahnstange b
                              beherrscht, kann man die Linsen vor- oder zurückstellen, und somit die
                              Brennweite verändern. Andererseits läßt sich mit Hülfe des Knopfes a, welcher ein an seiner Stange befestigtes conisches
                              Getriebe beherrscht, und mit Hülfe der Anordnung der Röhren m, m, deren gezahnte Peripherien in zwei kleine an einer Achse befindliche Getriebe greifen, welche durch die Getriebe des
                              Knopfes a in Bewegung gesetzt werden, der
                              Brechungswinkel der Prismen nach Belieben verändern. Diese doppelte Anordnung
                              gestattet die Anwendung des Stereoskops, die Augen mögen beschaffen seyn wie sie
                              wollen, sowohl bei divergirendem als convergirendem Schielen, bei Kurzsichtigkeit
                              oder Weitsichtigkeit.
                           Hr. Duboscq hat endlich die Röhren weggelassen und sie
                              durch zwei Prismen mit breiter Fläche ersetzt, deren Scheitel einander berühren und
                              vor denen eine senkrechte Scheidewand sich befindet, welche den Kasten bis zu einer
                              gewissen Tiefe in zwei gleiche Theile theilt, so daß sie die Schwankung im
                              deutlichen Sehen für jedes Auge beseitigt.
                           Fig. 18
                              stellt die Anordnung dar, welche getroffen ist, um die Bilder vermöge der Brechung
                              und totalen Reflexion zu sehen. Diese Anordnung gestattet die Deckung größerer
                              Bilder. B, B' sind zwei rechtwinkelige gleichschenkelige
                              Prismen mit parallel gestellten Hypothenusen. C, C' sind
                              die Linsen, welche die Bestimmung haben, die Bilder zum Behuf der Verstärkung des
                              stereoskopischen Effectes zu vergrößern. A, A' stellt
                              die beiden Bilder vor. Bei D entsteht die
                              stereoskopische Wirkung in Folge der Uebereinanderlagerung der beiden Bilder A, A'. Die punktirten Linien bezeichnen die Richtung,
                              welche die Lichtstrahlen von den Bildern aus nehmen, indem sie von den Hypothenusen
                              reflectirt in die Augen des Beobachters gelangen.
                           Panorama-Stereoskope. – Bei diesen
                              Stereoskopen gestattet die Nothwendigkeit, die beiden Bilder neben einander
                              anzuordnen, keine Darstellung von größeren Ansichten, insbesondere Landschaften.
                              Auch diesen Mangel hat Hr. Duboscq durch Erfindung von
                              drei verschiedenen Apparaten abgeholfen, mit deren Hülfe man das größte Panorama
                              betrachten kann, dessen Relief in dem Maaße erzeugt wird, als man das Bild abrollt
                              und an den Augen vorüberführt. Bei diesen drei Apparaten sind die Bilder, deren man
                              sich bedient, über einander angeordnet.
                           Bei dem ersten Apparate ist der in Fig. 16 dargestellte
                              Kasten in Form einer abgestumpften Pyramide beibehalten. Dieser Apparat ist ein
                              gewöhnliches Refractionsstereoskop; die einzige Modification besteht in der Anordnung des Falzes im
                              Hintergrund, welcher im vorliegenden Falle längs der Kanten B, C und A, D angebracht ist. Auf diese Weise
                              läßt man die beiden Bilder von unten nach oben oder umgekehrt passiren, und bei
                              dieser Lage zeigen sie sich um 90° gewendet. Um sie horizontal zu machen und
                              das Relief hervorzubringen, befestigt der Erfinder in den Röhren Prismen mit totaler
                              Reflexion, deren Hypothenusen um 45° gegen den Horizont geneigt sind. Diese
                              in Fig. 19
                              dargestellte Neigung genügt zur Aufrichtung des Bildes um 90°.
                           Der zweite Apparat ist von dem vorhergehenden ganz
                              verschieden; er ist in Fig. 20 in
                              perspectivischer Ansicht dargestellt. A, A' sind die
                              beiden übereinander angebrachten Bilder. Sie wenden dem Betrachter die Rückseite zu
                              und gleiten horizontal in einem Schirm E, den der
                              Beobachter in der Hand hält und durch welchen er sieht. B,
                                 B' sind zwei am Schirm angebrachte Hülsen, mit deren Hülfe man durch den
                              zwischen beiden Bildern befindlichen Raum hindurchsieht. M,
                                 M' sind zwei Planspiegel, welche in einem gewissen Abstande von dem Schirm
                              in einem Hälter R gelagert sind und eine solche Neigung
                              haben, daß der eine das obere, der andere das untere Bild reflectirt. Die Stellung
                              dieser um eine Horizontalachse beweglichen Spiegel läßt sich so reguliren, daß die
                              Reflexion in der Ebene der beiden Augen erfolgt. Die von den Bildern ausgehenden
                              Strahlen werden, wie die punktirten Linien andeuten, durch die Spiegel reflectirt,
                              treten in die Achsen der Ocularröhren und bewirken in dem Betrachter den Eindruck
                              eines Reliefs. In den Ocularröhren befindet sich selbstverständlich kein Prisma.
                           Das Princip des dritten Panorama-Stereoskops ist in
                              Fig. 21
                              dargestellt. Die Bilder A, A' kehren hier ihre
                              Vorderseite dem Beobachter zu. Das rechte Auge O
                              betrachtet das untere Bild A frei ohne Zwischenlegung
                              irgend eines Prismas oder einer Linse. Vor dem linken Auge O' dagegen befinden sich zwei Prismen mit totaler Reflexion in der durch
                              die Figur bezeichneten Lage. Das untere Prisma ist fest, das obere bei v um ein Scharnier beweglich. Das linke Auge O' erblickt demnach das Bild A' nicht direct, sondern nach erfolgter doppelter Reflexion. Man dreht nur
                              das bewegliche Prisma so weit, bis sich das Phänomen des Reliefs einstellt, und
                              bringt so das Bild A' ohne Mühe in Coincidenz mit dem
                              vom rechten Auge gesehenen Bilde.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
