| Titel: | Ueber das Anstreichen mit Oelfarbe; von Prof. Chevreul. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CIX., S. 370 | 
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                        CIX.
                        Ueber das Anstreichen mit Oelfarbe; von Prof. Chevreul.
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'Encouragement, Octbr. 1857, S. 695.
                        Chevreul, über das Anstreichen mit Oelfarbe.
                        
                     
                        
                           Von der in den Annales de Chimie et de Physique, 3me
                                 série, t. XLVII p. 209–283
                              enthaltenen ausführlichen Abhandlung des Verfassers „über das Anstreichen
                                 mit Oelfarbe, namentlich mit weißer (Bleiweiß oder Zinkweiß enthaltender), und
                                 den Antheil, welchen die s. g. Siccative an dem Trocknen der Oelfarbe
                                 haben“, liefert unsere Quelle folgenden Auszug.
                           Der Oelanstrich, sagt der Verfasser, wird zu zweierlei Zwecken angewendet: einerseits
                              um der Oberfläche der Gegenstände eine andere Farbe zu geben als sie hat,
                              andererseits um den Gegenstand zu conserviren, dadurch daß man seine Oberfläche
                              gegen die Einflüsse der Luft und des Regens minder empfindlich, sowie durch Staub,
                              fettige Körper etc. minder beschmutzbar macht.
                           Bei dem Anstreichen mit Oelfarbe sind drei Bedingungen zu erfüllen: 1) muß die Farbe
                              hinlänglich flüssig seyn, um sich mittelst des Pinsels ausbreiten zu lassen, und
                              doch klebrig (dick) genug, um der Oberfläche so anzuhaften, daß sie, wenn diese eine
                              geneigte oder selbst verticale Lage hat, nicht abfließt, sondern die ihr ertheilte
                              gleichmäßige Dicke behält; 2) muß sie nach dem Auftragen fest werden; und 3) nachdem
                              sie fest geworden ist, der Oberfläche stark anhaften.
                           
                           Ich habe bewiesen, daß das Festwerden sowohl der Bleiweiß als der Zinkweiß
                              enthaltenden Oelfarbe durch die Absorption von Sauerstoff aus der Atmosphäre
                              veranlaßt wird; da aber erwiesenermaßen auch das reine Oel fest wird, so beruht
                              dieses Festwerden auf einer ersten, von dem Trockenmittel, dem Bleiweiß oder
                              Zinkweiß, unabhängigen Ursache. Aus meinen Versuchen ergibt sich aber auch, daß das
                              Bleiweiß und das Zinkweiß in vielen Fällen als Trockenmittel wirken, und daß diese
                              Eigenschaft auch gewisse Körper, die man anstreicht, besitzen, namentlich das
                              Blei.
                           Wenn sonach der Maler, wenigstens annähernd, wissen möchte, wie lang sein Anstrich
                              zum Trocknen braucht, so muß er alle hierbei mitwirkenden Momente in Berechnung
                              ziehen. Man kann also ein Trockenmittel nicht mehr als
                              die einzige Ursache des Austrocknens eines Anstrichs
                              betrachten, weil zu dieser Erscheinung mehrere Körper gemeinschaftlich und nach den
                              Umständen in verschiedenem Grade beitragen. Dazu kommt noch, daß die Resultante (das Gesammtergebniß) der Thätigkeiten aller
                              in die Zusammensetzung eines Anstrichs eingehenden Körper nicht der Summe der
                              Thätigkeiten jedes einzelnen Körpers entspricht; so ergeben z.B. reines Leinöl,
                              dessen Thätigkeit durch 1,985 repräsentirt wird, und mit Mangansuperoxyd behandeltes
                              Leinöl, dessen Thätigkeit 4,719 entspricht, nach dem Vermischen, ein
                              Austrocknungsvermögen = 30,826.
                           Wie es Körper gibt, welche das Austrocknungsvermögen des reinen Leinöls erhöhen, so
                              gibt es auch andere, welche die entgegengesetzte Eigenschaft zu besitzen
                              scheinen.
                           Beispiel: Leinöl, als erste Schicht auf Glas aufgetragen, trocknete in 17 Tagen;
                              dasselbe Oel, mit Antimonoxyd gemischt, in 26 Tagen. In diesem Falle wirkte also das
                              Antimonoxyd dem Trocknen entgegen.
                           Mit Antimonoxyd gemischtes Leinöl, als erste Schicht auf mit Bleiweißfarbe
                              angestrichene Leinwand aufgetragen, trocknete in 14 Tagen. Mit arseniksaurem
                              Zinnoxydul gemischtes Leinöl, auf dieselbe Leinwand aufgetragen, war in 60 Tagen
                              noch nicht ganz trocken geworben.
                           Das Eichenholz scheint die Eigenschaft, dem Trocknen entgegen zu wirken, in hohem
                              Grade zu besitzen, denn bei einem Versuche brauchten drei Schichten Leinöl 159 Tage,
                              um auf diesem Holz zu trocknen; und bei einem andern Versuche brauchte eine erste
                              Schicht Leinöl, um bloß auf der Oberfläche zu trocknen, 32 Tage.
                           Das Pappelholz scheint die trockenwidrige (antisiccative) Eigenschaft in geringerm
                              Grade zu besitzen als das Eichenholz, und die nordische Tanne in geringerm Grade als
                              die Pappel.
                           
                           Bei einem Versuch brauchten drei Schichten Leinöl zum Trocknen: auf dem Pappelholz 27
                              Tage, auf dem nordischen Tannenholz 23 Tage.
                           Wenn es eine das Trocknen befördernde und eine demselben entgegenwirkende (eine
                              siccative und antisiccative) Thätigkeit der Körper gibt, so scheint es mir nicht
                              zweifelhaft, daß es Umstände geben muß, wo das Leinöl von Seite der Oberfläche des
                              Körpers, auf welche es gestrichen wurde, gar keinen Einfluß erleidet. Meine
                              Versuche, wobei ich auf Kupfer, Messing, Zink, Eisen, Porzellan und Glas eine erste
                              Schicht Leinöl auftrug, scheinen wenigstens für einige dieser Körper eine solche
                              Indifferenz nachzuweisen. Auf allen diesen Oberflächen war die erste Oelschicht nach
                              48 Stunden trocken.
                           Deßhalb will ich jedoch die mit Leinöl, oder überhaupt einem trocknenden Oel
                              bestrichenen Körper, keineswegs in austrocknende, trockenwidrige und indifferente
                              (neutrale) eintheilen, denn ich habe alle Ursache zu glauben, daß ein Körper unter
                              verschiedenen Umständen sich trocknend und trockenwidrig verhalten kann, je nach der
                              Temperatur, oder der Gegenwart oder Abwesenheit eines andern Körpers etc.; so ist
                              z.B. das Blei trocknend bezüglich des reinen Leinöls, während das sonst trocknend
                              wirkende Bleiweiß sich bezüglich des auf metallisches Blei aufgetragenen Leinöls
                              trockenwidrig verhält.
                           Das Austrocknungsvermögen des Leinöls wird fast immer durch dessen Vermischung mit
                              Bleiweiß, in vielen Fällen sogar durch beigemischtes Zinkweiß, erhöht. Ist die
                              Mischung nicht hinlänglich trocknend, so muß man sie dazu durch einen Zusatz (ein
                              Siccatif) machen, welcher mit Bleiglätte oder Braunstein (Mangansuperoxyd)
                              behandeltes Oel seyn kann; es versteht sich, daß man dabei auf die anzustreichende
                              Fläche Rücksicht zu nehmen hat; ferner darauf, ob der Anstrich die erste, zweite
                              oder dritte Schicht bildet, und endlich auf die Lufttemperatur und das Licht.
                           Das Trockenmittel, sofern es sich auf das mit Bleiglätte oder Braunstein behandelte
                              Leinöl beschränkt, hat übrigens keine große Wichtigkeit, weil man es beim zweiten
                              und dritten Anstrich, und, wenn die Temperatur wirksam beihilft, selbst beim ersten
                              Anstrich, weglassen kann.
                           Andererseits kann man dieses Trockenmittel bei allen hellen Farben, welchen der
                              Zusatz einer gelben oder braunen Farbe schadet, vortheilhaft durch andere Körper
                              ersetzen. Das Leinöl, an der atmosphärischen Luft dem Lichte ausgesetzt, verliert
                              seine Farbe und wird trocknend, man kann es daher mit Bleiweiß oder Zinkweiß
                              anwenden, ohne die Weiße der anzustreichenden Körper zu beeinträchtigen. Wenn man
                              nun das Zinkweiß mit Zusatz von basisch-kohlensaurem Zinkoxyd anwendet, so
                              ist das Siccatif, streng
                              genommen, entbehrlich; auf diese Weise kann man also die Uebelstände der farbigen
                              Trockenmittel umgehen.
                           Aus meinen Versuchen geht endlich hervor, daß das von den Farbenhändlern gewöhnlich
                              eingeschlagene Verfahren, die Oele durch Erhitzen mit Metalloxyden trocknend zu
                              machen, mangelhaft ist, indem dabei einerseits unnöthig viel Brennmaterial
                              aufgewendet und andererseits ein gefärbtes Product erhalten wird. Ich habe nämlich
                              gefunden:
                           1) daß wenn man das Leinöl acht Stunden lang einer Temperatur von 56° R.
                              (70° C.) aussetzt, sein Trocknungsvermögen merklich größer wird;
                           2) daß wenn man dem so weit erhitzten Oel Mangansuperoxyd (Braunstein) zusetzt, es
                              zur Verwendung hinlänglich trocknend wird;
                           3) daß man, um ein recht trocknendes Leinöl zu erhalten, dasselbe nur mit 15 Thln.
                              Metalloxyd auf 100 Thle. Oel zu versetzen und drei Stunden lang auf diejenige
                              Temperatur zu erhitzen braucht, welche in den Laboratorien der Farbenhändler
                              gewöhnlich angewendet wird.
                           Die Rolle des Leinöls, oder überhaupt eines trocknenden Oels, beim Anstreichen mit
                              Oelfarbe, erkläre ich folgendermaßen. Vermischt man Oleïnsäure mit Oxyden,
                              welche mit ihr unauflösliche Verbindungen bilden, so geht diese Säure fast
                              augenblicklich von dem flüssigen Zustand in den festen über und die Molecüle des
                              erzeugten oleïnsauren Salzes können sich daher nicht gleichförmig anordnen.
                              Anders verhält es sich mit einem durch Absorption von Sauerstoff allmählich in den
                              festen Zustand übergehenden trocknenden Oel.
                           Die Langsamkeit, mit welcher hier die Veränderung des Zustandes erfolgt, gestattet
                              den Molecülen, sich symmetrisch anzuordnen, daher sie durchsichtig erscheinen
                              würden, wenn sie nicht undurchsichtige Molecüle zwischen sich enthielten; wenn
                              letztere aber nicht vorwalten, so ist die Anordnung der Art, daß die Oberfläche des
                              Anstrichs schimmernd, ja sogar glänzend ist, wegen des von dem trocken gewordenen
                              Oel spiegelnd zurückgeworfenen Lichtes.