| Titel: | Chemische Theorie des Schießpulvers; von R. Bunsen und L. Schischkoff. | 
| Fundstelle: | Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXVIII., S. 413 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CXVIII.
                        Chemische Theorie des Schießpulvers; von R. Bunsen und L. Schischkoff.
                        Im Auszug aus Poggendorff's Annalen der Physik und
                                 Chemie, 1857, Nr. 11.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VII.
                        Bunsen, über die chemische Theorie des Schießpulvers.
                        
                     
                        
                           Obwohl der Verbrennungsproceß des Schießpulvers, welcher den mechanischen Effect
                              desselben bedingt, nach Allem, was wir darüber wissen, nichts weniger als complicirt
                              erscheint, so sind wir doch über die dabei auftretenden Vorgange nur höchst
                              unvollkommen unterrichtet; denn was auf diesem wichtigen Felde der theoretischen
                              Artillerie seit der ersten und immer noch wichtigsten, vor länger als 30 Jahren
                              publicirten Experimentaluntersuchung Gay-Lussac's gearbeitet ist, hat zu so widersprechenden
                              Resultaten geführt, daß man selbst gegenwärtig noch auf eine auch nur einigermaßen
                              mit der Erfahrung übereinstimmende chemische Theorie des Schießpulvers hat
                              verzichten müssen. Bekanntlich entspricht die als normal betrachtete Zusammensetzung
                              des Pulvers einem Gemenge von 1 At. Salpeter, 1 At. Schwefel und 3 At. Kohle.Die Kohle als reinen Kohlenstoff angenommen.
                              
                           Denkt man sich den gesammten Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrannt und den Stickstoff
                              als solchen ausgeschieden, so erhält man, wie die nachstehenden Zersetzungsschemata
                              zeigen, aus 1 Grm. Pulver 330,9 Kubikcentimeter Gas von 0° und 0,76 Meter
                              Druck.
                           
                              
                                 C₃SKO + NO₅
                                 
                                    
                                    
                                 3 CO₂  
                                    N   KS
                                 
                              
                           
                              
                                 1 Gramm Pulver 
                                 
                                    
                                    
                                 SalpeterSchwefelKohle
                                 0,74840,11840,1332
                                 
                                    
                                    
                                 gibt explodirt
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 1,0000
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                    
                                    
                                 Schwefelkalium  
                                    StickstoffKohlensäure
                                 0,40780,1037 =0,4885 =
                                   82,52
                                    Kubikcentim.248,40          „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 1,0000
                                 330,92 Kubikcentim.
                                 
                              
                           
                           Dieses Gasvolumen kann sich nicht ändern, wenn statt der Kohlensäure Kohlenoxyd und
                              statt des Stickstoffs Stickoxyd bei der Verbrennung gebildet wird, und da in der
                              Regel neben ganz unerheblichen Spuren von Wasserstoff und Schwefelwasserstoff nur
                              Kohlensäure, Kohlenoxyd, Stickstoff und Stickstoffoxyd in den Pulvergasen auftreten,
                              so müssen 331 Kubikcent. als das größte Gasvolumen betrachtet werden, welches
                              überhaupt aus 1 Grm. normal zusammengesetzten Schießpulvers erhalten werden kann.
                              Ganz dem entgegen ergeben die Versuche Gay-Lussac's und der meisten späteren BeobachterPiobert, Traité d'artillerie, p.
                                    265. für das unter gewöhnlichem Druck explodirte Pulver ein viel größeres
                              Volumen, als der eben angestellten Betrachtung zufolge möglicherweise hätte erhalten
                              werden können. Schon aus diesem Widerspruche allein läßt sich entnehmen, wie
                              unsicher und fehlerhaft die Methoden und Beobachtungen gewesen seyn müssen, welche
                              den meisten der bisherigen Untersuchungen über diesen Gegenstand zum Grunde
                              liegen.
                           Wir haben daher versucht, auf einem weniger unsicheren Wege als dem bisher betretenen
                              eine experimentelle Grundlage für die chemische Theorie des Schießpulvers zu
                              gewinnen. Es handelte sich dabei um die Beantwortung folgender Fragen:
                           
                              1) Wie ist der bei der Pulverexplosion übrig bleibende feste
                                 Rückstand zusammengesetzt?
                              2) Woraus besteht der Pulverrauch?
                              3) Welche Zusammensetzung haben die bei der Explosion des Pulvers
                                 gebildeten Gase?
                              4) Wie viel Rückstand und Rauch einerseits und wie viel Gase
                                 andererseits gibt ein bestimmtes Gewicht Pulver?
                              5) Wie groß ist die Verbrennungswärme des Pulvers und wie hoch
                                 die Temperatur seiner Flamme?
                              6) Wie groß ist der Druck der Pulvergase, wenn das Pulver in dem
                                 Raume, welchen es im gekörnten Zustande einnimmt, explodirt, unter der
                                 Voraussetzung, daß keine Wärme durch Strahlung und Mittheilung verloren
                                 geht?
                              7) Welches ist die theoretische Arbeit, die das Pulver zu leisten
                                 vermag?
                              
                           Die Kürze der Zeit, welche unseren gemeinschaftlichen Arbeiten zugemessen war, hat
                              uns leider nicht erlaubt, diese Fragen bei mehr als einer Pulversorte und bei dieser
                              nur für die unter gewöhnlichem Atmosphärendruck erfolgende Verbrennung in Betracht
                              zu ziehen. Wir geben daher auch die folgenden Versuche nicht als eine abgeschlossene
                              Arbeit, sondern vielmehr
                              nur als ein Beispiel zur Erläuterung der von uns befolgten Methode, die sich mit
                              kleinen Abänderungen auch zur Untersuchung von Pulververbrennungen unter anderen als
                              den von uns gewählten Verhältnissen benutzen läßt.
                           Die Zusammensetzung des zu allen Versuchen verwendeten Jagd- und
                              Scheibenpulvers war nach der von uns ausgeführten Analyse folgende:
                           
                              
                                 Salpeter
                                 
                                 
                                   78,99
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 
                                 
                                     9,84
                                 
                              
                                 Kohle
                                 
                                    
                                    
                                 KohlenstoffWasserstoffSauerstoffSpuren
                                    von Asche   
                                     7,69    0,41    3,07    0,00
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Um zunächst nur die qualitative Zusammensetzung der festen sowohl als der gasförmigen
                              Zersetzungsproducte, welche das Pulver bei der Explosion liefert, kennen zu lernen,
                              haben wir uns des kleinen Apparates bedient, welcher durch Fig. 28 dargestellt ist.
                              a ist ein luftdicht durch den Kork b geführtes 250 Millimeter langes und 2 Millimeter
                              weites Messingrohr, in welches man das fein zerriebene Schießpulver einstampft.
                              Dieses Röhrchen a wird, sobald das Pulver entzündet ist
                              und mit gleichförmiger zischender Flamme aus demselben herausbrennt, mittelst des
                              Korkes b in die weite Glasröhre d luftdicht eingesetzt. Das Rohr d erhitzt
                              sich dabei so rasch, daß es leicht an der Stelle, wo es von der Pulverflamme
                              getroffen wird, zerspringen kann. Um dieß zu verhüten, schiebt man ein siebförmig
                              durchlöchertes Blechröhrchen c; oder statt desselben
                              eine dünnwandige Glasröhre in die größere Röhre d,
                              welche dadurch vor der unmittelbaren Einwirkung der Pulverflamme geschützt wird.
                              Rückstand und Rauch des abgebrannten Pulvers bleiben in den Röhren a und d, während die Gase
                              aus dem Entwickelungsrohre e entweichen und mittelst
                              desselben über Quecksilber ohne Verunreinigung aufgefangen werden können, wenn man
                              die atmosphärische Luft durch die bei der Verbrennung gebildeten Pulvergase zuvor
                              verdrängt hat.
                           In dem mit diesem Apparate erhaltenen festen Zersetzungsproducte des Pulvers lassen
                              sich leicht folgende Stoffe nachweisen: 1) schwefelsaures Kali, 2) kohlensaures
                              Kali, 3) unterschwefligsaures Kali, 4) Schwefelkalium, 5) Kalihydrat, 6
                              Schwefelcyankalium, 7) salpetersaures Kali, 8) Kohle, 9) Schwefel, 10) kohlensaures
                              Ammoniak. Die gasförmigen Zersetzungsproducte dagegen enthalten: 1) Stickstoff, 2)
                              Kohlensäure, 3) Kohlenoxyd, 4) Wasserstoff, 5) Schwefelwasserstoff, und unter
                              Umständen erhebliche Mengen von 6) Stickoxyd und selbst Stickstoffoxydul.
                           
                           Um das Material zur quantitativen Bestimmung dieser Stoffe leicht und ohne Gefahr in
                              größerer Menge darzustellen, haben wir uns eines andern Apparates bedient, der in
                              Fig. 29
                              abgebildet ist. a ist eine mit ungefähr 15 bis 20 Grm.
                              Pulver gefüllte vulcanisirte Kautschukröhre, die über den Messingaufsatz b der gegen 1 Meter langen und 2,5 Millimeter weiten
                              Glasröhre c gesteckt wird. Der Aufsatz b enthält eine kleine kreisrunde Oeffnung mit scharfem
                              Rande in dünner Platte, durch welche die Pulverkörner als möglichst feiner Strahl
                              wie in einer Sanduhr von dem Augenblick an herabfallen, wo man den Kautschukschlauch
                              in die durch Fig.
                                 29 angegebene Lage bringt und gelinde bewegt. Bei dem Aufstecken des
                              Kautschukrohrs a auf die Hülse b wird dasselbe abwärts gehalten, um das vorzeitige Herabfallen von
                              Pulverkörnern in die Glaskugel d zu verhüten. Diese
                              Glaskugel, welche mit einer Lampe von außen schwach erhitzt erhalten wird, dient zum
                              Abbrennen des Pulvers, welches vollkommen ruhig in Gestalt einer zuckenden Flamme
                              vor sich geht, wenn der Pulverstrahl möglichst fein ist und continuirlich
                              herabfällt. Einzelne Unterbrechungen desselben, die durch leichte Bewegungen des
                              Schlauches a leicht beseitigt werden, sind dem Versuche
                              nicht hinderlich. Der feste Pulverrückstand bleibt fast vollständig in der Kugel d und ihrem Röhrenfortsatz, während sich der Pulverrauch
                              ohne Verlust in dem 25 Millimeter weiten und 1,5 bis 2 Meter langen Rohre e, e₁ absetzt und die gasförmigen Producte bei
                              e₁ in die Luft entweichen. Man kann diese
                              gasförmigen Producte nicht mittelst eines Entwicklungsrohres an der Mündung e₁ auffangen, denn in dem Augenblicke, wo man ein
                              solches Ableitungsrohr unter eine Sperrflüssigkeit taucht, bewirkt schon der Druck
                              der kleinsten absperrenden Wassersäule, daß die Flamme aus der Kugel d durch das Rohr c in den
                              Schlauch a zurückschlägt und die ganze Pulvermasse im
                              Rohr a entzündet. Die bei solchen Entzündungen in Massen
                              von 15 bis 20 Grm. Pulver bewirkten Explosionen sind zwar sehr heftig, aber selbst
                              für den in der Nähe mit der Handhabung des Rohres a
                              beschäftigten Beobachter völlig gefahrlos, da der Kautschukschlauch sogleich
                              zerrissen wird, ohne einen großen Widerstand zu leisten. Der gläserne Theil des
                              Apparates bleibt bei solchen Explosionen, die auch dann eintreten, wenn sich der
                              Röhrenfortsatz der Kugel d verstopft, völlig unversehrt.
                              Um daher ohne Gefahr einer solchen Explosion die gasförmigen Producte zur Analyse
                              aufzufangen, wendeten wir das mit dem Aspirator h
                              verbundene Saugrohr f, f an und fingen dieselben
                              mittelst des Aspirators in den Sammelröhrchen s₁,
                              s auf, welche mit Klemmschrauben verschlossen und
                              dann mit dem Löthrohre hermetisch abgeschlossen wurden.
                           
                           Der durch Verbrennung von ungefähr 20 Grm. Pulver in der Kugel d erhaltene Rückstand bildete eine halbgeschmolzene gelblich graue
                              compacte Masse, die sich leicht mit Zurücklassung von etwas Kohle in Wasser löste.
                              Die Analyse dieses Rückstandes ergab folgende Zusammensetzung desselben:
                           
                              
                                                               
                                    I.
                                 
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kali
                                   56,62
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kali
                                   27,02
                                 
                              
                                 Unterschwefligsaures Kali   
                                     7,57
                                 
                              
                                 Schwefelkalium
                                     1,06
                                 
                              
                                 Kalihydrat
                                     1,26
                                 
                              
                                 Schwefelcyankalium
                                     0,86
                                 
                              
                                 Salpeter
                                     5,19
                                 
                              
                                 Kohle
                                     0,97
                                 
                              
                                 Kohlensaures Ammoniak
                                     0,00
                                 
                              
                                 Schwefel, Spur
                                     0,00
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,52
                                 
                              
                           Man sieht aus dieser Zusammensetzung, daß der Pulverrückstand seiner Hauptmasse nach
                              aus schwefelsaurem und kohlensaurem Kali, und nicht, wie es in den besten
                              artilleristischen und technischen Werken angenommen wird, aus Schwefelkalium
                              besteht, dessen Menge im Gegentheil kaum mehr als 1 Proc. von der Gesammtmasse
                              ausmacht.
                           Um die zweite Frage über die Zusammensetzung des „Pulverdampfes“
                              zu beantworten, haben wir den grauen lockeren, stark nach Ammoniak riechenden, aus
                              condensirtem Pulverdampf bestehenden Anflug, welcher sich nach dem offenen Ende des
                              langen Rohres e, e₁ hin abgesetzt, für sich
                              aufgesammelt und analysirt. Dabei wurde folgende Zusammensetzung des Pulverdampfes
                              gefunden:
                           
                              
                                                                 II.
                                 
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kali
                                   65,29
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kali
                                   23,48
                                 
                              
                                 Unterschwefligsaures Kali
                                     4,90
                                 
                              
                                 Schwefelkalium
                                     0,00
                                 
                              
                                 Kalihydrat
                                     1,33
                                 
                              
                                 Rhodankalium
                                     0,55
                                 
                              
                                 Salpeter
                                     3,48
                                 
                              
                                 Kohle
                                     1,86
                                 
                              
                                 2/3 kohlensaures Ammoniak   
                                     0,11
                                 
                              
                                 Schwefel
                                     0,00
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Durch eine Vergleichung dieser Analyse (II) mit der des Pulverrückstandes (I) läßt
                              sich der Schluß ziehen, daß der Pulverrauch im Wesentlichen die Zusammensetzung des
                              Pulverrückstandes besitzt, daß darin der Schwefel und Salpeter des Pulvers etwas vollständiger
                              zu schwefelsaurem Kali verbrannt sind und statt der fehlenden kleinen Menge
                              Schwefelkalium kohlensaures Ammoniak als flüchtigeres Product in erheblichen Spuren
                              auftritt.
                           Zur Erledigung der dritten, die Natur der Pulvergase betreffenden Frage, haben wir
                              das zur Analyse nöthige Gas mit Hülfe des oben beschriebenen Apparats, Fig. 29,
                              erzeugt und aufgefangen.
                           Saugt man die bei der stetig erhaltenen Verbrennung des gekörnten Pulvers aus dem
                              Rohr e, e₁ entweichenden Gase mit dem Munde durch
                              die Röhre f, f auf, so zeigen sie einen Geschmack nach
                              fast reiner Kohlensäure. Läßt man sie durch die Nase entweichen, so bemerkt man
                              nicht den geringsten Geruch nach Cyan, schwefliger Säure oder Stickoxyd, sondern nur
                              kaum erkennbare Spuren von Schwefelwasserstoff. Mit Luft vermischt, geben sie keine
                              sichtbaren rothen Dämpfe. Da sich noch einige Tausendtel Cyan oder Stickstoffoxyd
                              oder schweflige Säure auf diese Art durch den Geruch und Geschmack erkennen lassen,
                              so darf man annehmen, daß diese drei Gemengtheile in dem zur Untersuchung
                              verwendeten Gase fehlten. Von den gasförmigen Producten, welche bei der Verbrennung
                              des Pulvers außerdem noch entstehen konnten, bleiben daher nur Kohlensäure,
                              Schwefelwasserstoff, Spuren von Sauerstoff, Kohlenoxyd, Wasserstoff, Stickstoff und
                              Stickstoffoxydul übrig. Die Analyse eines diese sieben Gase enthaltenden Gemenges
                              läßt sich nach folgender Methode ausführen. Man bestimmt zuerst im Absorptionsrohre
                              Kohlensäure und Schwefelwasserstoff mit Kali, und Sauerstoff mit pyrogallussaurem
                              Kali. Der Gasrückstand wird darauf in ein Eudiometer übergefüllt, mit überschüssigem
                              Sauerstoff und elektrolytischem Knallgas verpufft und der nach der Verpuffung
                              übrigbleibende Sauerstoff mit überschüssigem Wasserstoff verbrannt. Die nach dieser
                              Methode (hinsichtlich deren Details und der zugehörigen Berechnung wir auf unsere
                              Quelle verweisen) angestellte Analyse ergab folgende Zusammensetzung des Gases in
                              100 Volumtheilen:
                           
                              
                                 Kohlensäure
                                   52,67
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   41,12
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                     3,88
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                     1,21
                                 
                              
                                 Schwefelwasserstoff   
                                     0,60
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                     0,52
                                 
                              
                                 Stickstoffoxydul
                                     0,00
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Was zunächst bei dieser Analyse auffällt, ist der in der Glühhitze neben brennbaren
                              Gasen erzeugte freie Sauerstoff. Wir glauben nicht, daß die gefundenen 0,52 Proc.
                              desselben auf einem Fehler der Analyse beruhen, da die Genauigkeit der angewendeten
                              Methode und die auf die Versuche verwendete Sorgfalt einen solchen Fehler kaum
                              möglich erscheinen lassen. Dieser Gehalt an freiem Sauerstoff findet vielmehr darin
                              eine genügende Erklärung, daß der nach Verbrennung der Kohle und des Schwefels noch
                              immer salpeterhaltige, als Rauch zertheilte Pulverrückstand kleine Mengen
                              Sauerstoffs während des Erkaltens bei einer Temperatur ausgeben kann, die zur
                              Entzündung des bis auf das Siebzehnfache mit unverbrennlichen Gemengtheilen
                              vermischten Gases nicht mehr hinreicht.
                           Wenn das Pulver bei der Explosion, wie es die bisherige Theorie fordert, gerade auf
                              in Schwefelkalium, Stickstoff und Kohlensäure zerfiele, so müßten die beiden
                              letzteren Gase in dem Volumenverhältniß von 1 : 3 zu einander stehen. Der Versuch
                              zeigt aber, daß in der Wirklichkeit nicht einmal das Verhältniß 1 : 1,5 erreicht
                              wird. Es läßt sich daher auch aus diesem Umstande schließen, daß die Zersetzung des
                              Schießpulvers auf ganz anderen als denjenigen Vorgängen beruhen muß, von welchen die
                              alte Theorie ausgeht.
                           Wir können uns nun zur Beantwortung der vierten Frage wenden, der Frage nämlich, wie
                              viel Rückstand und Rauch einerseits und wie viel Gase andererseits ein bestimmtes
                              Gewicht Pulver bei dem Abbrennen liefert. Um dieselbe zu entscheiden, haben wir den
                              gemeinschaftlich gesammelten Rauch und Rückstand analysirt, welcher bei der
                              Verbrennung der Pulvermenge erhalten wurde, aus der die eben untersuchten Gase
                              stammen. Nach dieser und den vorher erwähnten Analysen haben das untersuchte
                              Schießpulver und die Producte, in die es bei dem Abbrennen zerfällt, folgende
                              Zusammensetzung:
                           
                              
                                 
                                 
                                                 
                                       A.
                                                             
                                       B.
                                 
                              
                                 
                                 
                                         
                                    Schießpulver.
                                           Feste
                                    Verbrennungsproducte.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Salpeter
                                   78,99       
                                 Schwefelsaures Kali
                                   62,10
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Schwefel
                                     9,84
                                 Kohlensaures Kali
                                   18,58
                                 
                              
                                 Kohle
                                 
                                    
                                    
                                 KohlenstoffWasserstoff  
                                    Sauerstoff
                                     7,69    0,41    3,07
                                 Unterschwefligsaures
                                    KaliSchwefelkaliumRhodankalium
                                     4,80    3,13    0,45
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 Salpetersaures Kali
                                     5,47
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 Kohle
                                     1,07
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Schwefel 
                                     0,20
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 2/3 kohlensaures Ammoniak   
                                     4,20
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           
                           
                              
                                                         C.
                                 
                              
                                   Gasförmige
                                    Verbrennungsproducte.
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                   52,67
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                   41,12
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                     3,88
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                     1,21
                                 
                              
                                 Schwefelwasserstoff   
                                     0,60
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                     0,52
                                 
                              
                                 Stickoxydul
                                     0,00
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Da sich der gesammte Kaliumgehalt des Schießpulvers in dem festen
                              Verbrennungsproducte wiederfindet, so läßt sich aus den Analysen A und B die Menge des festen
                              Rückstandes berechnen, welche bei dem Abbrennen von 1 Grm. Pulver erhalten wird. 1
                              Grm. Pulver enthält nämlich nach Analyse A 0,3055 Grm.
                              Kalium; die Menge Rückstand von der Zusammensetzung der Analyse B, welche eben so viel Kalium enthält, beträgt aber
                              0,6806 Grm.
                           Berechnet man den Stickstoffgehalt, welcher in diesen 0,6806 Grm. Rückstand enthalten
                              ist, und zieht man denselben von dem in 1 Grm. Pulver vorhandenen Stickstoff ab, so erhält man die Menge Stickstoff, welche
                              sich in den von einem Gramm Pulver stammenden Gasen findet. Die Gasmenge, welche
                              nach Analyse C diesem so berechneten Stickstoff
                              entspricht, wiegt 0,3138 Grm. 1 Grm. des untersuchten Schießpulvers zerfällt daher
                              bei dem Abbrennen in 0,6806 Grm. Rückstand von der Zusammensetzung B und in 0,3138 Grm. Gase von der Zusammensetzung C.
                           Die Umsetzung, welche das Schießpulver bei dem Abbrennen erlitten hat, läßt sich
                              daher durch folgendes Schema ausdrücken:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 147, S. 420
                              Grm. Pulver; Salpeter; Schwefel;
                                 Kohle; gibt verbrannt; Gase; Rückstand
                              
                           
                           Bei analytischen Versuchen pflegt man gewöhnlich als Controle die Uebereinstimmung
                              des Gewichts der gefundenen Bestandtheile mit dem Gewichte der zur Analyse
                              verwendeten Substanz zu benutzen. Diese Controle ist bei diesen Versuchen nicht
                              anwendbar, da die Menge des zur Analyse verwendeten Pulverrückstandes nicht gewogen
                              wurde. Dagegen hat man dadurch eine andere gleich sichere Controle, daß sich die in
                              1 Grm. Pulver enthaltenen Mengen K, N, S, C, O nahezu in
                              unveränderter Menge in den Verbrennungsproducten wiederfinden müssen. Eine solche
                              Vergleichung gibt für unsere Analyse:
                           im unverbrannten Pulver:
                           K 0,3050; N = 0,1096; S = 0,0984; C = 0,0769; O = 0,4057;
                           im verbrannten Pulver:
                           K 0,3050; N = 0,1096; S = 0,0989; C = 0,0780; O = 0,3936.
                           Die UebereinstimmungUbereinstimmung der beiden Mengen von Kalium und Stickstoff, aus denen die
                              Bedingungsgleichungen zur Berechnung des obigen Schemas hergenommen sind, dienen als
                              Probe für die Richtigkeit der Rechnung, die Uebereinstimmung der drei Mengen von
                              Schwefel, Kohle und Sauerstoff als eben so viele Beweise für die Genauigkeit der
                              Versuche.
                           Aus dem Zersetzungsschema geht hervor, daß 1 Grm. Pulver bei dem Abbrennen 193,1
                              Kubikcentim. Gas liefert. Die Menge, welche nach der bisherigen Theorie erhalten
                              werden müßte, beträgt 330,9 Kubikcentimeter, also über ein Drittel mehr.
                           Nachdem wir die Umsetzung, auf welcher die Verbrennung des Schießpulvers beruht,
                              festgestellt haben, bedarf es nur noch einer Bestimmung der Flammentemperatur, um
                              alle Elemente zu erhalten, aus denen sich ein theoretisches Maaß für die bei der
                              Pulververbrennung geleistete Arbeit ableiten läßt. Wir haben uns daher noch mit der
                              fünften, die Verbrennungstemperatur des Schießpulvers betreffenden Frage zu
                              beschäftigen. Um zur Lösung derselben einen sicheren Anhaltspunkt zu gewinnen, muß
                              man sich zunächst eine richtige Vorstellung über die Natur der Pulverflamme bilden.
                              Denkt man sich 1 Grm. Pulver gleichzeitig durch seine Masse verbrannt, so werden w Wärmeeinheiten frei, durch welche die
                              Umsetzungsproducte des verbrannten Gramms Pulver im Momente der Verbrennung auf w/s Grad erhitzt werden, in welchem Quotienten s die mit Wasser verglichene specifische Wärme der
                              Verbrennungsproducte des Pulvers bedeutet. Dieser Quotient w/s ist daher die Flammentemperatur, gemessen durch die der Verbrennungswärme w zum Grunde liegende thermometrische Einheit. Die
                              Flammentemperatur erleidet aber in der Wirklichkeit eine stetige Erniedrigung, die
                              durch Wärmestrahlung und Wärmemittheilung veranlaßt wird. Da mithin die
                              Flammentemperatur w/s nur einen unendlich kleinen
                              Zeittheil constant bleibt, so ist sie durch die gewöhnlichen thermometrischen Mittel
                              nicht meßbar. Ganz gleiche Vorgänge finden bei der stetig brennenden Sprühflamme des
                              eingestampften Pulvers statt. Hier besteht zwar eine während der ganzen Dauer der
                              Verbrennung constante Flammentemperatur w/s, allein
                              diese Temperatur beschränkt sich nur auf die verschwindend kleine in der Entzündung
                              begriffene Schicht und nimmt von dieser aus durch Strahlung und Wärmeleitung nach
                              der Spitze der Flamme hin in einem stetigen Verhältniß ab. Will man daher die von
                              dem Verbrennungsproceß allein bedingte und nicht die von fremden Einflüssen
                              veränderte Flammentemperatur erhalten, so muß man dieselbe aus den Größen w und s berechnen. Da w, die Verbrennungswärme des Schießpulvers, unbekannt
                              ist, so haben wir dieselbe auf folgende Weise bestimmt: A (Fig.
                                 30) ist eine messingene Röhre, die mit einer eingestampften Masse fein
                              zerriebenen Pulvers von bekanntem Gewicht p angefüllt
                              ist. In den etwas erweiterten Ansatz a dieser Röhre ist
                              ein gläserner Ansatz b eingekittet, an welchen zwei
                              Platindrähte c, c eingeschmolzen sind, die durch einen
                              die Pulvermasse berührenden haarförmigen Platindraht in leitender Verbindung mit
                              einander stehen. Dieser kleine Apparat A wird in das
                              unten verschlossene, oben offene Glasrohr B und dieses
                              mit dem darin befindlichen Apparate auf den Boden der weiten, oben noch nicht
                              zugeblasenen, bei d, d mit zwei feinen Oeffnungen
                              versehenen Glasröhre C herabgelassen. Nachdem darauf die
                              Drähte c, c durch die Oeffnungen d, d nach außen geführt sind, werden dieselben vor der Lampe luftdicht
                              eingeschmolzen und darauf auch das obere Ende der Röhre C bei e hermetisch vor der Lampe verschlossen.
                              Die Röhre C hat unten einen angeblasenen Zapfen, mit dem
                              sie senkrecht in den Kork E festgesteckt wird.
                              Vermittelst dieses Korkes E stellt man die ganze
                              Vorrichtung in die nur zur Hälfte auf der Zeichnung angegebene weite Röhre D, welche aus dem feinsten Messingblech besteht und in
                              welcher sich eine siebförmige Rührvorrichtung befindet, die von außen durch die
                              feinen Drahte g, g auf- und abbewegt werden kann.
                              Der so vorgerichtete Apparat, dessen gläserne, messingene und platinene Theile dem
                              Gewichte nach bestimmt sind, wird nun bis über die Spitze mit einer ebenfalls
                              gewogenen Menge Wasser gefüllt und von einem hölzernen Kasten umschlossen an einem dem
                              Temperaturwechsel unzugänglichen Orte bis zu einer möglichst vollständigen
                              Temperaturausgleichung sich selbst überlassen.
                           Um mit diesem Apparate die Verbrennungswärme des Pulvers zu bestimmen, bedarf man
                              folgender Zeit und Thermometerbeobachtungen, welche letzteren an der unmittelbar bis
                              auf 1/100 Centesimalgrad ablesbaren Scale des in der seitlichen Ausweitung des
                              blechernen Wassergefäßes befindlichen Thermometers k
                              vollführt werden.
                           Man beobachtet zunächst die Temperatur für die Zeiten t₀ und t₁, entzündet das Pulver
                              mittelst der galvanischen Leitung c, c, indem man die
                              Zeit t₂–t₁, welche von der letzten Beobachtung bis zum Eintritt der Entzündung
                              verfloß, notirt, und beobachtet die Zeit t₃–t₂, bis zu welcher das genau am Thermometer
                              abgelesene Maximum der Erwärmung eintritt. Endlich hat man noch die von dem
                              Temperaturmaximum an gerechneten Zeiten t₄ und
                              t₅ und die denselben zugehörigen abnehmenden
                              Temperaturen zu beobachten. Während der ganzen Dauer der Versuche wird die
                              Flüssigkeit vermittelst der Rührvorrichtung in Bewegung erhalten.
                           Ein mit großer Sorgfalt auf diese Weise ausgeführter Versuch gab folgende Werthe zur
                              Berechnung von w:
                           
                              
                                 
                                 Beobachtete  
                                        Zeit t
                                       Beobachtete
                                    Thermometerstände
                                 
                              
                                 
                                       0'
                                         
                                    19,86
                                 
                              
                                 
                                       5'
                                         
                                    19,83
                                 
                              
                                 
                                       6'
                                         
                                    19,83
                                 
                              
                                 Entzündung
                                       7'
                                 
                                 
                              
                                 Temperaturmaximum   
                                     16'
                                         
                                    21,10
                                 
                              
                                 
                                     26'
                                         
                                    20,98
                                 
                              
                                 
                                     56'
                                         
                                    20,60
                                 
                              
                           Die Gewichte der einzelnen Bestandtheile des Apparates waren:
                           
                              
                                 Gewicht des Glases
                                   79,14
                                 Grm.
                                 
                              
                                     
                                    „        „  
                                    Messings
                                 132,11
                                   „
                                 
                              
                                     
                                    „        „  
                                    Platins
                                     3,50
                                   „
                                 
                              
                                     
                                    „       
                                    „   Schießpulvers   
                                     0,7125
                                   „
                                 
                              
                                     
                                    „        „  
                                    Wassers
                                 376,40
                                   „
                                 
                              
                           Der Wasserwerth aller dieser Gewichte zusammengenommen entspricht 404,7 Grm. Die
                              Erhitzung dieser 404,7 Grm. Wasser durch die gesammte bei der Verbrennung von 0,7125
                              Grm. Schießpulver entwickelte Wärme ist 1°,14 C.
                           Die Verbrennungswärme des zu den Versuchen von uns benutzten Jagd- und
                              Scheibenpulvers, d.h. die Erhitzung in Centesimalgraden, welche ein Gewichtstheil
                              abbrennenden Pulvers in einem gleichen Gewichtstheil Wasser erzeugt, beträgt daher
                              643°,9.
                           
                           Die so gefundene Zahl bedarf noch einer kleinen Correction. Da nämlich die
                              Verbrennung der zu dem Versuch benutzten 0,7125 Grm. Pulvers in dem mit Luft
                              gefüllten Raum des hermetisch verschlossenen Verbrennungsrohrs vor sich ging, so
                              mußten die bei dem Abbrennen entwickelten entzündlichen gasförmigen
                              Zersetzungsproducte verbrennen und dadurch eine kleine Menge Wärme erzeugen, die der
                              eigentlichen Pulverzersetzung fremd ist. Zufolge des Schemas D gaben die zu dem Versuche verwendeten 0,7125 Grm. Pulver
                           
                              
                                 0,00669 Grm.
                                 Kohlenoxydgas,
                                 
                              
                                 0,00014   „
                                 Wasserstoff,
                                 
                              
                                 0,00128   „
                                 Schwefelwasserstoff.
                                 
                              
                           Nimmt man mit Favre und Silbermann die Verbrennungswärme dieser drei Gemengtheile der Reihe nach
                              zu 2403, 34462 und 2741 an, so beträgt die durch ihre Verbrennung erzeugte auf ein
                              Gramm Wasser bezogene Wärmemenge 24°,4, um welche daher jene 643°,9 zu
                              verringern sind. Die wirkliche Verbrennungswärme ist daher 619°,5 C. Die
                              Wärme dagegen, welche durch den im hermetisch verschlossenen Verbrennungsgefäß
                              vermehrten Gasdruck erzeugt wurde, kann bei dem Versuche füglich als verschwindend
                              klein vernachlässigt werden.
                           Berechnet man die Verbrennungswärme des Schießpulvers unter der Voraussetzung, daß
                              dessen verbrennliche Bestandtheile mit freiem Sauerstoff verbrennen, so erhält man
                              mit Zugrundelegung der von Favre und Silbermann gefundenen Verbrennungswärme des Schwefels,
                              der Kohle und des Wasserstoffs die Zahl 1039°, 1 C. Die durch den Sauerstoff
                              des Salpeters oxydirten Pulverbestandtheile geben daher viel weniger Wärme als bei
                              ihrer Verbrennung mit freiem Sauerstoff. Diese Thatsache kann keineswegs befremden,
                              wenn man erwägt, daß der ganze ungefähr 2/3 vom Gewichte der brennbaren
                              Pulvergemengtheile betragende Stickstoff bei seiner Umwandlung in Gas eine
                              bedeutende Wärmemenge binden muß.
                           Die Flammentemperatur des Pulvers oder die Temperatur, welche in der brennenden Masse
                              desselben herrschen würde, wenn keine Wärme durch Strahlung oder Leitung verloren
                              ginge, ergibt sich unmittelbar durch Division der Zahl 619,5 mit der specifischen
                              Wärme der Verbrennungsproducte des Pulvers. Die specifische Wärme läßt sich aber aus
                              den im Schema D angegebenen Bestandtheilen, welche in 1
                              Grm. abgebrannten Pulvers enthalten sind, berechnen, wenn man die in Columne b der folgenden Zusammenstellung angegebenen
                              specifischen Wärmen mit den entsprechenden in der ersten Columne a angegebenen Gewichten multiplicirt und die so
                              erhaltenen Zahlen addirt, wobei die kleinen Mengen , KCyS₂,
                              (NH₄)₂ ₃ und HS, deren specifische Wärme nicht bekannt
                              ist,
                              unberücksichtigt gelassen sind, da ihr Einfluß sich erst in einer Ziffer des
                              gesuchten Zahlenwerthes geltend macht, welche ohne erheblichen Fehler außer Acht
                              gelassen werden kann.
                           
                              
                                 
                                 
                                        
                                       a
                                    
                                 
                                 
                                        b
                                    
                                   a ×
                                    b
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kali   
                                 0,4554
                                 –
                                 0,1901   
                                 0,08656
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kali
                                 0,1362
                                 –
                                 0,2162
                                 0,02944
                                 
                              
                                 Schwefelkalium
                                 0,0229
                                 –
                                 0,1081
                                 0,00248
                                 
                              
                                 Salpeter
                                 0,0401
                                 –
                                 0,2388
                                 0,00957
                                 
                              
                                 Kohle
                                 0,0079
                                 –
                                 0,2411
                                 0,00190
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 0,0015
                                 –
                                 0,7026
                                 0,00031
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 0,1075
                                 –
                                 0,2440
                                 0,02623
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 0,2167
                                 –
                                 0,2164
                                 0,04692
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 0,0101
                                 –
                                 0,2479
                                 0,00251
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 0,0002
                                 –
                                 3,4046
                                 0,00073
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 0,0015
                                 –
                                 0,2182
                                 0,00033
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 1,0000
                                 
                                 
                                 0,20698
                                 
                              
                           Dividirt man die Zahl 619,5 durch 0,207, so erhält man für die Temperatur der Flamme
                              des frei in der Luft verbrennenden Pulvers 2993° C.
                           Verbrennt das Pulver in einem geschlossenen Raume, in welchem sich die Gase nicht
                              ausdehnen können, so wird die Temperatur der Flamme eine andere. Man erhält diese
                              Temperatur, wenn man die Verbrennungswärme durch die specifische Wärme bei
                              constantem Volumen dividirt. Die letztere ergibt sich aber durch folgende der obigen
                              ähnliche Rechnung:
                           
                              
                                 
                                     a₁
                                     b₁
                                    a₁b₁
                                 
                              
                                 Schwefelsaures
                                    Kali   
                                 0,4554   
                                 0,1901   
                                 0,08656
                                 
                              
                                 Kohlensaures Kali
                                 0,1362
                                 0,2162
                                 0,02944
                                 
                              
                                 Schwefelkalium
                                 0,0229
                                 0,1081
                                 0,00248
                                 
                              
                                 Salpeter
                                 0,0401
                                 0,2388
                                 0,00957
                                 
                              
                                 Kohle
                                 0,0079
                                 0,2411
                                 0,00191
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 0,0015
                                 0,2026
                                 0,00031
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 0,1075
                                 0,2440
                                 0,01846
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                 0,2167
                                 0,2164
                                 0,03426
                                 
                              
                                 Kohlenoxyd
                                 0,0101
                                 0,2479
                                 0,00177
                                 
                              
                                 Wasserstoff
                                 0,0002
                                 3,4046
                                 0,00048
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 0,0015
                                 0,2182
                                 0,00023
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 0,18547
                                 
                              
                           Die Flammentemperatur des Pulvers, dessen Gase in einem geschlossenen Raume entstehen
                              und sich nicht frei ausdehnen können, ist daher 619,5/0,18547 = 3340° C.
                           Bestände die Flamme des Pulvers nur aus glühenden gasförmigen Stoffen, deren
                              Wärmecapacität, wie durch Regnault's Versuche und 
                              Clausius' theoretische Betrachtungen erwiesen ist, sich
                              nicht mit der Temperatur ändert, so würde der Werth von w/s mit aller Schärfe zu bestimmen seyn. Da aber die specifische Wärme der
                              festen Körper mit der Temperatur zunimmt, so können die gefundenen Zahlen
                              2993° und 3340° nur als Näherungswerthe gelten, die indessen nach
                              Allem, was wir über die Größe der Zunahme der spec. Wärme mit der Temperatur wissen,
                              nicht weit von der Wahrheit abliegen können. Da s mit
                              der Temperatur wächst, so wurde w/s zu groß gefunden,
                              und da außerdem in der Wirklichkeit die Flammentemperatur stets durch Wärmestrahlung
                              und Leitung erniedrigt wird, so kann man immerhin unter allen Umständen mit
                              Gewißheit annehmen, daß die Temperaturen 3340° und 2993° einen
                              Gränzwerth darstellen, dem sich die Temperatur der Pulverflamme mehr oder weniger
                              nähert, den sie aber in der Wirklichkeit niemals völlig erreichen oder überschreiten
                              kann. Aus dieser Thatsache läßt sich ein wichtiger Schluß auf die Größe des Druckes
                              machen, der bei der Explosion des Pulvers in dem von demselben gravimetrisch
                              erfüllten Raume ausgeübt wird.
                           Man hat bisher allgemein angenommen, daß der Rückstand während der Verbrennung des
                              Pulvers in Dampfgestalt auftrete und durch seine Tension auf das Wesentlichste die
                              mechanischen Wirkungen des Pulvers mitbedinge. Obwohl eine geringe Verflüchtigung
                              dieses Rückstandes nicht geläugnet werden kann, so läßt sich doch mit Hülfe der eben
                              berechneten Flammentemperatur leicht zeigen, daß die durch eine solche
                              Verflüchtigung bewirkte Tension nicht einen Atmosphärendruck betragen kann. Die
                              Flammentemperatur des mit Luft verbrenenden Wasserstoffs beträgt 3259°
                              C.Geometrische Methoden von R. Bunsen, S. 254. Eine aus Pulverrückstand an einen haardicken Platindraht angeschmolzene
                              Perle verflüchtigte sich zwar allmählich vollkommen in einer in Luft verbrennenden
                              Wasserstoffflamme, allein sie geräth dabei nicht ins Kochen und ihre Dampftension
                              kann daher niemals den Druck von nur einer Atmosphäre erreichen. Der Druck, welchen
                              die Dämpfe der festen Zersetzungsproducte des Pulvers in Temperaturen von
                              2993° und 3340° ausüben, kann daher nur ein verschwindend kleiner seyn
                              und füglich vernachlässigt werden. Es ist dadurch die Möglichkeit gegeben, aus
                              unsern Versuchen das Druckmaximum zu berechnen, das bei der Verbrennung des Pulvers
                              in einem geschlossenen Raume noch ausgeübt, aber niemals überschritten werden
                              kann.
                           
                           Nennt man das Gewicht Pulver Gp, die gravimetrischeDieser Ausdruck bezeichnet in der Artillerie
                                    das Gewicht eines Kubikcentimeters Pulverkörner. Dichtigkeit
                              desselben Sp, das
                              Gewicht des aus diesen Gp Pulver erhaltenen Rückstandes Gr, die
                              Dichtigkeit dieses Rückstandes bei 3340° C. Sr, und das Volumen der aus jenen Gp erhaltenen bei
                              0° C. und ein Atmosphärendruck gemessenen Gase V,
                              nennt man ferner die Temperatur der in einem verschlossenen Raum brennenden
                              Pulverflamme t, so ergibt sich der Druck p₀, welchen das Pulver, wenn es in dem von ihm
                              erfüllten für Wärme undurchdringlich gedachten Raume Gp/Sr abbrennt, ausübt, aus folgender
                              Gleichung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 147, S. 427
                              
                           In dieser Gleichung ist nur eine Größe, deren Bestimmung einige Schwierigkeit
                              darbietet, nämlich Sr oder das specifische Gewicht des bei der Temperatur der Pulverflamme
                              (3340° C.) geschmolzenen Pulverrückstandes. Wir haben dieses spec. Gewicht
                              nach einer noch nicht publicirten Methode bestimmt, welche Einer von uns benutzt
                              hat, um die Verflüchtigung und Ausdehnung von in sehr hohen Temperaturen
                              geschmolzenen Gebirgsarten unabhängig von der Ausdehnung umschließender Gefäße zu
                              bestimmen. Ein nach dieser Methode ausgeführter Versuch gab mit einer zwar nur
                              angenäherten, aber vollkommen für die vorliegenden Zwecke ausreichenden Genauigkeit
                              für das spec. Gewicht des Pulverrückstandes
                           
                              
                                 bei
                                     18° C.
                                    2,350
                                 
                              
                                 bei
                                 2808° C. 1,520.
                                 
                              
                           Daraus erhält man durch Interpolation für das spec. Gewicht des Pulverrückstandes bei
                              3340° C. Sr = 1,50. Die Werthe der in der Formel vorkommenden Größen sind daher für
                              das von uns untersuchte Pulver:
                           
                              
                                 
                                    G
                                    p
                                    
                                 =
                                     1,000 Grm.
                                 
                              
                                 
                                    S
                                    p
                                    
                                 =
                                     0,964  
                                    „
                                 
                              
                                 
                                    G
                                    r
                                    
                                 =
                                     0,6806 „
                                 
                              
                                 
                                    S
                                    r
                                    
                                 =
                                     1,50    
                                    „
                                 
                              
                                 
                                    V
                                    
                                 =
                                 193,1 Kubikcentim.
                                 
                              
                                 
                                    t
                                    
                                 =
                                 3340° C.
                                 
                              
                           
                           Durch Substitution derselben in die Formel ergibt sich für p₀ der Werth 4373,6.
                           Berechnet man den Druck mit Zugrundelegung des spec. Gewichts hes Pulverrückstandes
                              bei gewöhnlicher Temperatur (2,35), so ergibt sich für p₀ der Werth 3414,6. Es kommen also von den gefundenen 4374 Atmosphären
                              ungefähr 1000 auf die durch Erhitzung bewirkte Ausdehnung des Pulverrückstandes.
                           Ein Pulver von der Zusammensetzung des von uns benutzten, welches in einem
                              Geschützlaufe hinter dem Geschosse explodiren und dabei die eben nachgewiesene
                              Zersetzung erleiden würde, kann daher in Folge des bei der Verbrennung
                              unvermeidlichen Wärmeverlustes niemals einen Druck auf die Geschützwandung ausüben,
                              der eine Höhe von 4500 Atmosphären erreicht. Ob in der Zersetzungsweise des Pulvers
                              wesentliche Aenderungen eintreten, wenn dasselbe frei oder unter hohem Druck im
                              Geschützlaufe abbrennt, wird sich aus der Zusammensetzung des in solchen Geschützen
                              abgesetzten Rückstandes und der dort entwickelten, leicht aufzufangenden Gase leicht
                              ermitteln lassen. Zeigt es sich, daß unter diesen Umständen die Zersetzungsweise im
                              Wesentlichen dieselbe bleibt, so müssen manche der bisherigen Annahmen über den
                              Druck der Pulvergase in Geschützen auf sehr fehlerhaften Voraussetzungen beruhen,
                              denn die besten artilleristischen Schriftsteller geben diesen Druck bis zu 50000, ja
                              bis über 100000Piobert, Traité d'artillerie, 1847, p.
                                    322. Atmosphären an.
                           Die mitgetheilten Versuche geben zugleich ein Mittel an die Hand, das Maximum des
                              mechanischen Effects, d.h. die theoretische Arbeit des Pulvers, zu bestimmen, welche
                              dasselbe leistet, wenn sich dessen Gase unter dem ihrem jedesmaligen Volumen
                              entsprechenden Drucke in einem für Wärme undurchdringlich gedachten Raume ausdehnen.
                              Es sey a₁a₃a₃a₁ (Fig. 31) der
                              von dem Pulver Gp
                              erfüllte Raum, a₂a₃a₃a₂ das
                              vom Pulverrückstand G, und a₁a₂a₂a₁ das von den Pulvergasen im
                              Augenblicke der Verbrennung erfüllte Volumen v₀ =
                                 Gp/Sp
                              – Gr/Sr, worin der
                              eben bestimmte Druck p herrscht; es sey endlich aa₂a₂a der Raum, welchen die Gase
                              einnehmen, nachdem sie sich bis zu dem Drucke p₁
                              ausgedehnt haben. Nennt man ferner dv die unendlich
                              kleine Volumenvergrößerung des Gases ca₂a₂c, so ist die während dieser Ausdehnung unter dem Drucke p₀ geleistete Arbeit p₀dv, und
                              die gesammte Arbeit, welche das Gas bei der gesammten Ausdehnung leistet,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 147, S. 429
                              
                           Unter der Voraussetzung, daß ein Gas sich in einer für Wärme undurchdringlichen Hülle
                              ausdehnt, ist aber, wenn p₀ den zu v₀, gehörigen Druck bedeutet,Poisson, Mécanique t. II p. 647; Clausius, Poggend. Annalen Bd.
                                    LXXIX S. 396.
                           p = p₀ (v₀/v)K,
                           wo K das Verhältniß der spec.
                              Wärme des Gases bei constantem Druck und constantem Volumen bedeutet; es folgt
                              daraus jenes Integral:
                           Arbeit = p₀v₀/(K –
                              1).
                           Ein Gramm des von uns benutzten Pulvers gibt für v₀ = Gp/Sp
                              – Gr/Sr 0,5836
                              Kubikcentim. und für p₀ 1029,8 × 4373,6
                              Grm. K ergibt sich aus der Zusammensetzung des
                              untersuchten Pulvergases zu 1,39. Ein Kilogr. des untersuchten Pulvers leistet
                              daher, wenn es die oben angegebene Zersetzung erleidet, eine theoretische Arbeit von
                              67410 Meterkilogramm.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
