| Titel: | Ueber die oxydirenden Eigenschaften des übermangansauren Kalis und dessen Anwendung zur Bestimmung mehrerer Mineralsäuren; von L. Péan aus Saint-Gilles. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XI., S. 34 | 
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                        XI.
                        Ueber die oxydirenden Eigenschaften des
                           übermangansauren Kalis und dessen Anwendung zur Bestimmung mehrerer Mineralsäuren; von
                           L. Péan aus
                           Saint-Gilles.
                        Aus den Comptes rendus, März 1858, Nr.
                              13.
                        Péan, über die oxydirenden Eigenschaften des
                           übermangansauren Kalis.
                        
                     
                        
                           Damit das übermangansaure Kali (mineralische Chamäleon) vollständig reagirt, sind,
                              wie ich gefunden habe, oft zwei Bedingungen nothwendig: 1) das übermangansaure Kali
                              muß in Ueberschuß zugesetzt werden; 2) die Flüssigkeiten womit man operirt, müssen
                              je nach dem Fall, alkalisch oder sauer gemacht werden.
                           Unter diesen Umständen konnte ich in der Kälte, vollständig und fast augenblicklich
                              die unterschwefligsauren und schwefligsauren Salze sowie die Schwefelmetalle in
                              schwefelsaure Salze umwandeln, das freie Jod und die Jodmetalle in jodsaure Salze,
                              die salpetrigsauren Salze in salpetersaure, und die arsenigsauren in arsensaure.
                              Diese verschiedenen Verbindungen lassen sich sehr leicht nach Margueritte's Verfahren bestimmen, indem man folgende zwei Reagentien
                              anwendet:
                           1) Eine titrirte Auflösung, welche beiläufig 25 Gramme krystallisirtes
                              übermangansaures Kali auf 2 Liter Wasser enthält. Ich habe mich überzeugt, daß dieselbe, gegen das
                              Licht verwahrt, sich mehrere Monate aufbewahren läßt, ohne ihren Gehalt zu
                              ändern.
                           2) Eine Auflösung, welche auf 1 Liter Wasser beiläufig 100 Grm. krystallisirten
                              Eisenvitriol und 100 Kubikcentimeter concentrirte Schwefelsäure (frei von
                              salpetrigen Verbindungen) enthält. Dieser Ueberschuß von Säure hat den Zweck, die
                              Oxydation des Eisenoxydulsalzes in Berührung mit der Luft zu verzögern. Von Zeit zu
                              Zeit bestimmt man das Chamäleon-Volum, welches durch ein constantes
                              Eisenvitriol-Volum entfärbt wird.
                           Die zu untersuchende Flüssigkeit wird, je nach dem Fall, mit einem kohlensauren
                              Alkali oder mit einer Säure versetzt; man gießt dann einen solchen Ueberschuß von
                              Chamäleon hinein, daß die über dem meistens entstandenen Niederschlag von Manganoxyd
                              befindliche Flüssigkeit intensiv roth wird. Ist die Flüssigkeit alkalisch, so macht
                              man sie nun sauer, versetzt sie mit einem bekannten Volum der Eisenvitriollösung,
                              und titrirt mit Chamäleonlösung zurück, bis zum Erscheinen der rosenrothen Farbe.
                              Man erhält das Resultat, indem man an der Bürette das Gesammtvolum des angewandten
                              Chamäleons abliest und von demselben die durch die Eisenvitriollösung entfärbte
                              Menge abzieht.
                           Ich will nun einige Anwendungen dieser Methode beschreiben.
                           Schweflige und unterschweflige Säure. – Die
                              schwefligsauren und unterschwefligsauren Salze reagiren in Gegenwart überschüssiger
                              Säure unvollständig auf das Chamäleon. Es entsteht in diesem Falle ein Gemisch von
                              Schwefelsäure und Unterschwefelsäure, nahezu im Verhältniß von 4:1. Wenn man die
                              unterschwefligsauren Salze oxydirt, so kann man jede Ausscheidung von Schwefel
                              vermeiden, indem man das neutrale unterschwefligsaure Salz in die sauer gemachte
                              Chamäleonlösung gießt. – In den alkalischen Flüssigkeiten ist der Vorgang ein
                              anderer: die schwefligsauren Salze absorbiren genau 1 Aequivalent und die
                              unterschwefligsauren 4 Aequiv. Sauerstoff, um sich gänzlich in schwefelsaure Salze
                              zu verwandeln. So läßt sich deren Bestimmung sehr genau ausführen.
                           Unterschwefelsäure. – Das Baryt- und
                              Natronsalz, welche im Handel vorkommen, enthalten gewöhnlich Spuren von
                              schwefligsaurem oder unterschwefligsaurem Salze, welche das Chamäleon entfärben.
                              Setzt man den Auflösungen dieser Salze einen Ueberschuß von Chamäleon zu, so liefern
                              die neuen Krystalle, welche sich aus der Flüssigkeit absetzen, reine
                              Unterschwefelsäure, welche gar nicht auf das Chamäleon reagirt, selbst wenn sie mit
                              einem Alkali übersättigt worden ist.
                           
                           Schwefelwasserstoff. – In Gegenwart eines
                              kohlensauren Alkalis absorbiren die löslichen und die meisten unlöslichen
                              Schwefelmetalle 4 Aequiv. Sauerstoff und verwandeln sich in schwefelsaure Salze. Ich
                              habe jedoch gefunden, daß häufig eine sehr geringe Menge Schwefel der Einwirkung
                              entgeht, wahrscheinlich weil ein wenig Schwefelmangan gefällt und von dem
                              Oxydniederschlag zurückgehalten wird. In diesem Falle ist die durch
                              Eisenvitriollösung entfärbte Flüssigkeit stets ein wenig milchig.
                           Unterphosphorige Säure. – Aus dem Barytsalz durch
                              Schwefelsäure abgeschieden, entzieht sie dem Chamäleon eine Quantität Sauerstoff,
                              welche nicht hinreicht um Phosphorsäure zu bilden.
                           Jod und Jodwasserstoff. – Das Chamäleon gibt an
                              das Jod 5 Aequivalente und an die Jodüre 6 Aequiv. Sauerstoff ab, um Jodsäure zu
                              bilden, welche auf das saure schwefelsaure Eisenoxydul nicht reagirt. Man kann mit
                              saurer Flüssigkeit operiren; aber in einer alkalischen erfolgt die Oxydation
                              rascher, und in diesem Falle braucht man vorhandene Chlorüre und Bromüre nicht zu
                              berücksichtigen, denn sie reagiren nicht. Nach dieser Methode läßt sich das Jod und
                              die Jodwasserstoffsäure mit großer Genauigkeit bestimmen, und ich habe sie bereits
                              zur Untersuchung des käuflichen Jodkaliums angewandt, welches oft 2 bis 3 Procent
                              jodsaures Kali enthält.
                           Blausäure. – Die freie Cyanwasserstoffsäure
                              entfärbt das Chamäleon nicht; übersättigt man sie aber mit einem Alkali, so
                              absorbirt sie, je nach der Menge des freien Alkalis, 2 bis 4 Aequiv. Sauerstoff; ich
                              beabsichtige dieses Verhalten noch näher zu untersuchen.
                           Schwefelblausäure. – Das Schwefelcyankalium
                              absorbirt in alkalischer Flüssigkeit 8 Aequiv. Sauerstoff; in einer sauren absorbirt
                              es hingegen nur 6 Aequiv., weil die Cyanüre in Gegenwart von Säure nicht
                              reagiren.
                           Salpetrige Säure. – Die Bestimmung derselben
                              gründet sich auf folgende Thatsachen:
                           1) Man kann sehr verdünnte Schwefelsäure oder Salpetersäure in die Auflösung eines
                              salpetrigsauren Salzes gießen, ohne einen merklichen Verlust von Stickoxyd zu
                              veranlassen. Anders verhält es sich aber, wenn man das salpetrigsaure Salz in die
                              Säure gießt.
                           2) Ein Ueberschuß von Chamäleon verwandelt die salpetrige Säure vollständig in
                              Salpetersäure. Würde man das Chamäleon tropfenweise in die salpetrige Säure gießen,
                              so ließe sich das Ende der Reaction nicht genau treffen, denn bevor man diese Gränze erreicht,
                              erfolgt die Entfärbung viel langsamer.
                           Die Bestimmung der salpetrigsauren Salze läßt sich also in sauren Flüssigkeiten mit
                              großer Genauigkeit bewerkstelligen.
                           Arsenige Säure. – Dieselbe läßt sich in
                              alkalischen wie in sauren Flüssigkeiten mit gleicher Genauigkeit bestimmen. Die
                              röthliche Färbung welche entsteht, weil sich ein Manganoxydsalz bildet wenn man das
                              Chamäleon in. die arsenige Säure gießt, macht die Anwendung titrirter
                              Eisenvitriollösung unumgänglich nothwendig.
                           Titrirung des übermangansauren Kalis. – Der Gehalt
                              der Chamäleonlösungen kann sehr genau mittelst metallischen Eisens bestimmt werden;
                              aber diese Methode ist etwas langwierig und nicht empfindlich genug. Die arsenige
                              Säure, das unterschwefligsaure Natron und das Jod lassen sich zu diesem Zweck leicht
                              benutzen; ich ziehe ihnen aber das oralsaure Ammoniak noch vor, ein sehr gut
                              krystallisirtes Salz, welches gar nicht hygroskopisch und leicht zu reinigen ist.
                              Hempel hat gezeigt, daß die Oralsäure das Chamäleon
                              eben so gut wie die Eisenoxydulsalze entfärbt; man muß dabei nur etwas erwärmen und
                              einen gewissen Ueberschuß an Schwefelsäure anwenden, wo man dann die genauesten
                              Resultate erhält.
                           Man drückt den Titer der Chamäleonlösung gewöhnlich aus, indem man das Volum
                              derselben angibt, welches durch 1 Grm. Eisen entfärbt wird. Dieses Verfahren,
                              welches für die Eisenbestimmungen sehr bequem ist, complicirt die Rechnungen bei
                              anderen Anwendungen des Chamäleons. Es wäre vortheilhafter, als Basis für den Titer
                              den Sauerstoff zu nehmen, welchen das übermangansaure Kali an die reducirenden
                              Körper abgibt. So würde z.B. 350 der Titer einer Flüssigkeit seyn, welche 1 Grm.
                              Sauerstoff in 350 Kubikcentimeter enthält. Diese Zahl, durch 7 dividirt, gibt genau
                              den Titer derselben Flüssigkeit in Beziehung auf 1 Grm. Eisen, da bekanntlich 7
                              Theile Eisen 1 Theil Sauerstoff aufnehmen, wenn das Oxydul in Oxyd übergeht.