| Titel: | Ueber mikroskopische Photographien; von Prof. J. Müller. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XXXIV., S. 125 | 
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                        XXXIV.
                        Ueber mikroskopische Photographien; von Prof.
                           J. Müller.
                        Aus den Berichten der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i.
                                 B., 1858 Nr. 29.
                        Müller, über mikroskopische Photographien.
                        
                     
                        
                           Kurz nach der Erfindung der Daguerreotypie und der Photographie wurde die Hoffnung
                              ausgesprochen, mit Hülfe derselben nicht nur mikroskopische Gegenstände in
                              vergrößertem Maaßstab mit der größten Genauigkeit und Wahrheit darstellen, sondern
                              in diesen Bildern, wenn man sie als Object der mikroskopischen Betrachtung
                              unterwirft, noch Details entdecken zu können, welche man in ursprünglichen Objecten
                              sonst nicht zu entdecken im Stande war.
                           Diese Hoffnung wurde nun weder durch die Daguerreotypie, noch durch die Photographie
                              auf Papier realisirt, und zwar wohl deßhalb, weil die Quecksilbertröpfchen, welche
                              die Lichter auf der Daguerreotyp-Platte bilden, und namentlich die
                              Unebenheiten des Papiers, auf welchen die Photographien dargestellt werden, viel zu
                              groß sind, als daß bei starker Vergrößerung noch weitere Details wahrnehmbar wären.
                              Die Photographie auf Collodium scheint mit diesem Uebelstande nicht behaftet zu
                              seyn, denn es sind in neuester Zeit mikroskopische Photographien in Handel gekommen,
                              welche mit dem Mikroskop untersucht Details erkennen lassen, von denen mit bloßem
                              Auge auch nicht die leiseste Spur wahrzunehmen ist.
                           In den letzten Tagen hatte ich Gelegenheit eine solche Photographie zu sehen. Die
                              ganze Photographie bildet auf dem Glase ein graues Fleckchen von ungefähr 1 1/2
                              Millimeter Breite und 2 Millimeter Höhe. Es ist unmöglich mit bloßem Auge zu
                              erkennen was sie darstellt, durch eine starke Loupe erst erkennt man zur Noth eine
                              stehende Figur in militärischer Kleidung; durch das Mikroskop aber erblickt man ein
                              Porträt Napoleons III. in ganzer Figur. Bei etwas starker Vergrößerung (ich habe 25
                              bis 300fache Vergrößerung angewendet) kann man natürlich nicht mehr das ganze Bild
                              übersehen, aber man erblickt nun die Details mit einer wahrhaft bewundernswürdigen
                              Deutlichkeit. So unterscheidet man z.B. die einzelnen Trotteln an der Säbelquaste
                              und an den Epauletten, das Schnitzwerk an dem Sessel, welcher neben der Figur steht
                              u.s.w.
                           Die mikroskopische Untersuchung dieser kleinen Photographie zeigt, daß dieselbe nach
                              einer Lithographie hergestellt ist, denn man erkennt deutlich das Korn der
                              Zeichnung.
                           
                           Ueber das Verfahren, nach welchem diese mikroskopischen Photographien hergestellt
                              sind, habe ich noch nichts erfahren können, doch wird dasselbe hoffentlich bald
                              allgemein bekannt werden.
                           Daß dieses Verfahren der Wissenschaft mannichfache Vortheile verspricht, unterliegt
                              wohl keinem Zweifel. Denken wir uns ein photographisches Bild des Mondes von
                              ungefähr 2 Zoll Durchmesser nach dieser Methode dargestellt, so sind die Ringgebirge
                              an der Lichtgränze in diesem Bilde noch groß genug, um mit dem Mikroskop eben soviel
                              oder vielleicht noch mehr Einzelnheiten zu zeigen, als man durch die besten
                              Fernrohre auf dem Mond bis jetzt wahrzunehmen im Stande war.
                           Was dieß Verfahren der Mikroskopie zu leisten im Stande ist, kann man aus folgender
                              Notiz ersehen, welche einem Briefe Mohl's an Prof. Dr. de Bary entnommen
                              ist:
                           
                              „Wenn man mit einem Objectiv, mit dem man die Streifen der Navicula angulata noch nicht in Punkte aufgelöst
                                 sieht, ein photographisches Bild macht und dieses als Object benutzt, so zeigt
                                 das nun kolossal vergrößerte Bild die Punkte als Sechsecke. Das zeigte Oberhäuser oder Nachet, im
                                 letzten Herbste Steinheil. In England ist das
                                 Experiment schon früher gemacht worden.“