| Titel: | Dodds' Verbesserungen in der Cementstahl-Fabrication und über die Verwendung dieses Stahls als Eisenbahn-Material so wie zu anderen Zwecken. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LIV., S. 181 | 
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                        LIV.
                        Dodds' Verbesserungen in der Cementstahl-Fabrication
                           und über die Verwendung dieses Stahls als Eisenbahn-Material so wie zu anderen
                           Zwecken.
                        Nach Dodds' Vortrag in
                              der Institution of Mechanical Engineers. – Aus dem London Journal of arts, Mai 1858, S. 305, und dem
                           Mechanics'
                                 Magazine Nr. 1810.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              III.
                        Dodds, über Cementstahl-Fabrication.
                        
                     
                        
                           Das gewöhnliche Verfahren bei der Cement- oder Brennstahl-Bereitung
                              besteht bekanntlich darin, die Eisenstäbe in abwechselnden Schichten, mit
                              Holzkohlenpulver zwischen denselben, in thönerne Kästen zu legen und nachdem dieselben auf diese
                              Weise angefüllt sind, obenauf eine Schicht von einer feuerfesten Substanz, wie Sand,
                              Lehm etc. zu bringen, um die äußere Luft auszuschließen. Hernach werden die
                              Zuglöcher in dem Gewölbe geöffnet, es wird der Ofen gefeuert und die Hitze 7 bis 9
                              Tage unterhalten. Man läßt dann den Ofen langsam so weit erkalten, daß man unter das
                              Gewölbe gelangen und die Cementirkästen entladen kann. Die Stabeisenstangen sind nun
                              in rohen Cementstahl, sogenannten Blasenstahl verwandelt; der ganze Proceß
                              beansprucht 16 bis 19 Tage. Der Blasenstahl wird nun entweder in Bündel oder Packete
                              zusammengelegt, in einem Ofen ausgeschweißt und dann ausgeschmiedet und ausgewalzt
                              (gegerbt), ein Proceß, der auch wohl wiederholt wird; oder man zerschlägt die
                              Cementstahlstäbe in Stücke, welche in Tiegeln, unter einer Decke geschmolzen, in
                              Eingüsse ausgegossen und auf diese Weise in Gußstahl verwendet werden, der
                              ausgeschmiedet und ausgewalzt wird.
                           Hr. Dodds von Rotherham verfolgte eine Reihe von
                              Versuchen, die einige Jahre früher in der Stahlfabrik seines Vaters, mit mehr oder
                              weniger gutem Erfolg, ausgeführt worden waren, und construirte einen Ofen, welcher
                              geladen und entladen werden kann, ohne daß die Hitze in demselben sich wesentlich
                              vermindert. Man erspart daher zuvörderst die Zeit, welche bei dem gewöhnlichen
                              Verfahren zur Abkühlung des Ofens erforderlich ist, damit ein Arbeiter in denselben
                              gelangen kann. Ueberdieß gelang es ihm durch Abänderung der
                              Cementirungs-Materialien den Proceß zu beschleunigen. Die Feuerung des Ofens,
                              welche bei dem alten Verfahren 7 bis 9 Tage dauerte, braucht bei seinem Verfahren
                              nur 3 bis 5 Tage unterhalten zu werden. Die Oefen sind in beiden Fällen von
                              ähnlicher Größe und auch die Materialien, mit denen sie betrieben werden, sind fast
                              dieselben. Die dadurch erzielte Ersparniß an Brennmaterial (Steinkohlen) beläuft
                              sich auf 50 Proc.; noch mehr wird an Zeit gespart, ohne daß die Qualität des
                              Products im Geringsten beeinträchtigt wird.
                           Dodds' Verfahren zur Bereitung des Cementstahls besteht
                              darin, das Eisen in dem Ofen mit Holzkohle zu bedecken, die mit etwa 6 Proc. Kalk
                              und etwa 2 Proc. calcinirter Soda vermengt ist, und dann das Ganze einer starken
                              Steinkohlenfeuerung auszusetzen, welche gewöhnlich 75 Stunden oder 3 1/8 Tage
                              unterhalten wird. Nachdem man dann den Ofen nur wenig abkühlen ließ, werden die
                              vollständig cementirten Stäbe aus demselben gezogen.
                           Da die Verwandlung der Eisenstäbe in Cementstahl nur nach und nach von Außen nach
                              Innen fortschreitet, so kann sie auf einer beliebigen Gränze unterbrochen werden,
                              indem man die Stäbe aus dem Ofen nimmt. Man kann somit der entstehenden äußern Rinde von reinem
                              Stahl jede erforderliche Dicke ertheilen, während im Innern ein Kern von Stabeisen
                              bleibt. Auf diese Weise erhält man ein Material, welches für manche Zwecke weit
                              besser, als Eisen oder Stahl für sich allein ist, indem es die Härte des Stahls mit
                              der Zähigkeit des Stabeisens verbindet.
                           Wir wählen als Beispiel der Anwendung dieses wichtigen Processes die Härtung der
                              Laufbahn der Eisenbahnschienen, welche man gegen die Abnutzung durch die darauf
                              rollenden Räder dadurch schützt, daß man auf ihrer Oberfläche eine Stahldicke von
                              3/16 Zoll erzeugt. Eine solche, mit Stahl umgebene Schiene, deren Kern aus
                              unverändertem zähen Eisen besteht, wird wenigstens eine dreimal längere Dauer haben,
                              als eine gewöhnliche. Den daraus hervorgehenden ökonomischen Vortheil kann man auf
                              folgende Weise annähernd schätzen: Nimmt man die Gesammtlänge der englischen
                              Eisenbahnen zu 8000 englischen Meilen an und rechnet auf jede Meile
                              doppeltgeleisiger Bahn 220 Tonnen (à 20 Ctr.)
                              Schienen, so macht dieß 1,700,000 Tonnen, welche à 8 Pfd. Sterling per Tonne 14,080,000
                              Pfd. St. tosten. Sie müssen, wie man annehmen kann, alle 7 Jahr mit neuen
                              ausgewechselt werden, während Schienen mit stählernen Oberflächen wenigstens dreimal
                              so lange, also 21 Jahre dauern würden:
                           
                              
                                 Bei den jetzigen Schienen (von gepuddeltem
                                    Eisen) würde eine    dreimalige Erneuerung
                                    ders. kosten 3 × 14,080,000 Pfd. St.  
                                 42,240,000 Pfd. St.
                                 
                              
                                 Davon geht ab der Werth von zwei Sätzen
                                    alter Schienen, zum    halben Preise
                                 14,080,000  
                                    „    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Gesammtkosten in 21 Jahren
                                 28,160,000  
                                    „    „
                                 
                              
                                 Verstählte Schienen, à 9 Pfd. St. 10 Shill. die Tonne
                                 16,720,000  
                                    „    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Es wird demnach bloß an Schienen
                                    erspart
                                 11,440,000 Pfd. St.
                                 
                              
                           Da zwei Auswechselungen erspart werden, so dürfte sich auch eine Auswechselung von
                              Schwellen ersparen lassen, und dieß würde betragen:
                           
                              
                                 Für 8000 Meilen Schwellen, 28,000,000
                                    Yards, per Stück
                                           
                                        4 Shilling
                                   5,600,000 Pfd. St.
                                 
                              
                                 Das Legen à 1 Shilling per Yard
                                   1,400,000  
                                    „    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Ersparung in 21 Jahren
                                 18,440,000    „    „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                       
                                    „       in einem
                                    Jahre
                                      878,095 Pfd.
                                    St.
                                 
                              
                           Dieß beträgt auf die englische Meile eine jährliche Ersparniß von 110 Pfd. Sterl.
                           Auch die Weichenzungen und Schienen für die Kreuzungen werden, von demselben Material
                              angefertigt, wesentliche Ersparungen gewähren, besonders auf den Stationen wo ein
                              sehr bedeutender Güterverkehr statt findet, folglich die Abnutzung dieser Theile gegenwärtig
                              sehr bedeutend ist und öftere Auswechselungen erforderlich sind.
                           Es versteht sich von selbst, daß derselbe Proceß auch für andere Gegenstände aus
                              Stabeisen, welche eine gewisse Härte beanspruchen, zu empfehlen ist.
                           Hr. Dodds befolgte, wie erwähnt, bei der Construction
                              seines Ofens das Princip, ihn so lange im Feuer zu erhalten, bis man ihn wegen
                              erforderlicher Reparaturen außer Betrieb setzen muß.
                           Fig. 14, ein
                              halber Querdurchschnitt des Ofens, und Fig. 15 ein
                              Längendurchschnitt durch die Mitte, zeigen einen einfachen Ofen mit einem
                              Cementirkasten, welcher nur an einem Ende offen ist; Fig. 16 und 17 stellen in
                              ähnlichen Durchschnitten einen doppelten Ofen mit zwei Kästen dar, welche an beiden
                              Enden offen sind. Dieselben Buchstaben bezeichnen in allen Figuren entsprechende
                              Theile. A ist der Feuerrost unter den Cementirkästen B, B, welcher mit einer Reihe von Canälen C, C in Verbindung steht, die zu beiden Seiten der
                              Kästen zu der Kuppel D gehen, aus welcher die Oeffnungen
                              E, E in die Esse F
                              führen. Eine Esse ist in der Mitte an jeder Seite des Doppelofens angebracht und
                              veranlaßt eine gleichförmige Vertheilung der Hitze durch den Ofen. Alle inneren
                              Theile, welche der unmittelbaren Einwirkung des Feuers ausgesetzt sind, bestehen aus
                              feuerfesten Steinen.
                           Bei den Oefen, worin Eisenbahnschienen verstählt werden, ist ein krahnartiger Apparat
                              angebracht, um die Schienen genau horizontal einzuführen und auf das Cementirpulver
                              zu legen. Nachdem eine Lage eingebracht ist, wird mit einer großen Schaufel das
                              Cementirmaterial eingeführt und recht gleichförmig über den Schienen verbreitet; die
                              Dicke einer solchen Schicht beträgt etwa 3/4 Zoll. Auf diese Schicht kommt wieder
                              eine Schienenlage, dann wieder eine Cementirpulverschicht u.s.f. bis der Kasten
                              beladen ist, worauf die Thür an seinem Ende verschlossen und verstrichen wird. Es
                              beginnt alsdann der Cementirproceß; während des Ladens ist die Temperatur im Ofen
                              nur wenig vermindert worden. Beim Herausnehmen der cementirten Stäbe etc. aus dem
                              Ofen, wird das Pulver in einen eisernen Kasten gezogen, und wenn derselbe voll ist,
                              so wird etwas Wasser darauf gesprengt und ein dicht schließender Deckel darauf
                              gelegt, um die atmosphärische Luft abzuhalten. Auf diese Weise bleibt der größte
                              Theil des Cementirpulvers für die folgenden Processe erhalten; es hat sich gezeigt,
                              daß es für drei aufeinander folgende Chargen benutzt werden kann, wenn man jedesmal
                              nur etwa 10 Procent frisches Material zusetzt.
                           
                           Eigenthümlich geformte Artikel erfordern natürlich besondere Ofeneinrichtungen, wie
                              z.B. die Verstählung der Radkränze; die Härtung ihrer Lauffläche vermindert die für
                              die Eisenbahnzüge erforderliche Triebkraft wesentlich, weil beim Rollen von Stahl
                              auf Stahl die Reibung sehr gering ist. Auch Achsen- oder Zapfenlager, sowohl
                              für Maschinen, als für Tender und Wagen, werden zweckmäßig mit einer Stahloberfläche
                              versehen. Außer diesen schweren Artikeln können aber auch sehr viele andere,
                              kleinere und leichtere, ebenfalls mit Vortheil dem Proceß unterworfen werden; dahin
                              gehören Werkzeuge und Geräthe, die aus Stabeisen geschmiedet und dann theilweis oder
                              gänzlich in Stahl umgewandelt werden. Der Verfasser hat selbst sehr gute schneidende
                              Werkzeuge, welche auf diese Weise verfertigt wurden, in Gebrauch. Schaufeln und
                              viele andere derartige Gegenstände, wie sie im Haushalt und in der Landwirthschaft
                              benutzt werden, lassen sich, nachdem sie aus Eisen angefertigt und auf die
                              erforderliche Tiefe in Stahl umgewandelt wurden, eben so gut schleifen und
                              abrichten, wie die von vorn herein aus Stahl hergestellten. Feilen werden aus
                              Stabeisen geschmiedet, dann gehauen, hierauf cementirt und endlich gehärtet.
                           Tyres mit verstählter Lauffläche sind seit längerer Zeit in England auf der
                              Caledonischen und auf der Midland-Bahn in Gebrauch und haben nur wenig durch
                              die Reibung gelitten. Auf der London-Brücke-Station hat man Schienen
                              mit Stahloberfläche 18 Monate lang bei einem sehr starken Güterverkehr benutzt, ohne
                              daß sie wesentlich abgenutzt wurden, während gewöhnliche Schienen nach drei Monaten
                              ausgewechselt werden mußten.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
