| Titel: | Ueber die Läuterung des Zuckers durch Seifen; von C. Stahlschmidt. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXIV., S. 212 | 
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                        LXIV.
                        Ueber die Läuterung des Zuckers durch Seifen; von
                           C.
                              Stahlschmidt.
                        Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd.
                              II S. 154.
                        Stahlschmidt, über die Läuterung des Zuckers durch
                           Seifen.
                        
                     
                        
                           Im polytechnischen Journal Bd. CXLVII S. 129
                              findet sich aus den Comptes rendus der französischen
                              Akademie der Wissenschaften das Verfahren des Hrn. Basset
                              mitgetheilt, nach welchem die vollkommenste Läuterung des Zuckers durch Seifen zu
                              erzielen ist.
                           Von dem Zuckersiedereibesitzer Hrn. Kopisch zu
                              Weitzenrode, einem der ältesten Producenten und, was Theorie und Praxis im Felde der
                              Zuckersiederei anbelangt, erfahrensten Männer Schlesiens, auf die Mängel der Basset'schen Methode aufmerksam gemacht, entschloß ich
                              mich, da mir Rübensaft jeglicher Quantität zu Gebote gestellt war, das Verfahren im
                              Kleinen zu wiederholen. Durch meine Versuche bin ich zu dem Resultate gelangt, daß
                              die Läuterung des Zuckers durch Seifen bis zu einem gewissen Punkte auszuführen ist,
                              daß aber nach der andern Seite hin der dadurch erwachsene Nachtheil bedeutend größer
                              ist, als der Vortheil. Man kommt durch dieses Verfahren nicht allein um nichts
                              weiter, sondern geht vielmehr zurück. Hr. Basset scheint
                              mit der Theorie der Seifen nicht so völlig vertraut zu seyn, sonst würde er sicher
                              eingesehen haben, daß sein Verfahren nicht zum Ziele führen kann, und daß sich
                              Schwierigkeiten einstellen, die nicht mehr zu beseitigen sind.
                           Ich will zuerst etwas über das Verhalten des Zuckersaftes zur Seifenlösung im
                              Allgemeinen sagen und dann zu dem Speciellen meiner Untersuchung zurückkommen.
                           Vermischt man warmen, durch Kalk geläuterten Saft, welcher viel Kalk als Zuckerkalk
                              gelöst enthält, mit einer Auflösung von Seife, so bildet sich augenblicklich eine
                              unlösliche Kalkseife, welche sich an der Oberfläche ansammelt und abgeschöpft werden
                              kann. So lange als noch eine Spur Kalk in dem Syrup enthalten ist, entsteht auf
                              neues Hinzufügen von Seife ein abermaliger Niederschlag von Kalkseife. Ist aber
                              aller Kalk auf diese Weise beseitigt, so bringt ein weiterer Zusatz von Seifenlösung
                              eine Trübung des Saftes hervor, welche auf keine Weise zu beseitigen ist. Wenigstens
                              gelang mir dieses nicht, wenn ich den heißen Saft verschiedene Male durch große
                              Mengen Knochenkohle filtrirte.
                           Ein durch Seife vom Kalk befreiter und durch Kohle filtrirter klarer Saft ist
                              allerdings von dem Rübengeruch vollkommen befreit, von Heller Farbe und angenehm
                              reinem, süßem Geschmack. Er kocht sich gut ein und liefert einen schönen klaren
                              Syrup. Alle diese Eigenschaften zeigt aber auch der nach dem älteren Verfahren
                              bereitete Saft und Syrup.
                           Um über das Mengenverhältniß der zur Läuterung nöthigen Seife ins Klare zu kommen,
                              war es nöthig, die Menge des in dem Safte aufgelösten Kalkes zu kennen. Wäre alsdann
                              die genaue chemische Zusammensetzung der Seife bekannt, so ließe sich daraus der
                              Zusatz an solcher berechnen. Da jedoch diese eine sehr schwankende ist, so bestimmte
                              ich die nöthige Menge Seife volumetrisch. Aus der Menge der verbrauchten Seife und
                              dem bekannten Gehalt des Saftes an Kalk läßt sich dann schon ersehen, ob das
                              Verfahren ein rationelles ist.
                           Den Kalkgehalt bestimmte ich durch oralsaures Ammoniak, indem ich dieses dem
                              verdünnten Syrup zusetzte. Der entstandene Niederschlag von oralsaurem Kalk wurde in
                              kohlensauren Kalk übergeführt und aus der Menge dieses der Kalkgehalt berechnet.
                           28,454 Grm. Saft enthielten 0,075 Grm. Kalk = 0,264 Proc.
                           Es wurden nun 180 Grm. Zuckersaft auf etwa 40° bis 50° C. erhitzt und
                              dann nach und nach unter Umrühren so lange von der bekannten Seifenlösung zugesetzt,
                              als sich noch unlösliche Kalkseife ausschied. Es waren 76 Kubikcentimeter einer
                              Seifenlösung verbraucht, die 10 Grm. Kernseife in 200 Kubikcent. enthielt. In den 76
                              Kubikcent. waren mithin enthalten: (76 . 10)/200 = 3,8 Grm. Seife. Bei dem zweiten
                              Versuch wurden ebenfalls 180 Grm. Zuckersaft verwendet, aber nur die Hälfte der
                              nöthigen Seifenmenge, also nur 38 Kubikcent. Lösung zugesetzt.
                           Die erste Bestimmung gestattet für unseren Fall zu ermitteln, wie viel Seife zu einer
                              Siedepfanne voll Saft verbraucht wird, vorausgesetzt, daß der Inhalt derselben
                              bekannt ist.
                           Der Werth der verbrauchten Seife bestimmt sich dann sehr leicht.
                           
                           Das specifische Gewicht des Saftes war = 1,068; 1 Kubikfuß wiegt mithin 30915,6
                              × 1,058 = 31518 Grm. Man braucht somit zu einem Kubikfuß Saft: (31518 .
                              3,8)/180 = 665,4 Grm. Seife. Im zweiten Falle, wo nur die Hälfte des Kalkes
                              ausgeschieden wurde, würde man also 665,4/2 = 332,7 Grm. Seife pro Kubikfuß Saft nöthig haben. Berechnet man die ganze
                              in einem Kubikfuß Saft enthaltene Menge von Kalk, so ergibt sich dieselbe zu (31518
                              . 0,264)/100 = 83,2 Grm.
                           Setzt man nun beispielsweise voraus, die Seife sey reines ölsaures Natron
                              (NaO,  C₃₆H₃₃O₃), so würde man auf
                              ein Aequivalent Kalk ein Aequivalent ölsaures Natron gebrauchen, in dem Falle
                              nämlich, wo aller Kalk als Kalkseife ausgeschieden werden soll. Für jeden Kubikfuß
                              Saft, der also 83,2 Grm. Kalk enthält, würde man dann ungefähr 912 Grm. Seife
                              brauchen. Diese Zahl und die durch den directen Versuch erhaltene stimmen wohl
                              deßhalb nicht überein, weil die Seife stets kohlensaures Natron enthält, welches zur
                              Zersetzung mit beiträgt, und dann auch, weil die Seife kein reines ölsaures Natron
                              ist. Jedenfalls ist erste Zahl die richtige.
                           Angenommen, eine Siedepfanne faßt 60 Kubikfuß Saft, so würde man also (665,4 .
                              60)/467,7 = 85,3 Pfd. Seife nöthig haben. Nimmt man den durchschnittlichen Preis pro Pfd. Seife zu 4 Silbergroschen an, so würden die
                              Läuterungskosten pro Pfanne (85,3 . 4)/40 = 11 Thlr. 11
                              Silbergr. betragen. In dem Falle, wo nur die Hälfte des Kalkes ausgeschieden wird,
                              betragen dann die Kosten nur 5 Thlr. 22 1/2 Sgr.
                           Der durchschnittliche Zuckergehalt des Rübensaftes beträgt 11,11 Proc. (Knapp, Lehrbuch der chemischen Technologie), mithin sind
                              in den 60 Kubikfuß Saft (31518 . 60 . 11,11)/(467,7 . 100) = 449,2 Pfd. Zucker
                              enthalten, welche, das Pfd. zu 1/6 Thlr. berechnet, einen Werth von 74,9 Thlrn.
                              besitzen.
                           Die Productionskosten einer Quantität Zucker im Werthe zu 74,9 Thlrn. würden also
                              nach diesem neuen Verfahren 11 Thlr. 11 Sgr., oder im geringsten Falle 5 Thlr. 20
                              Sgr. mehr betragen, als nach dem bis jetzt gebräuchlichen Verfahren.
                           Gesetzt aber, man wollte die Kalkseife durch Schwefelsäure zersetzen und so die fette
                              Säure wieder gewinnen, um sie abermals mit Natronlauge zu verseifen, so würde dieser
                              Proceß für die Praxis ebenfalls zu kostspielig seyn, abgesehen davon daß doch immer noch ein
                              Theil der Säure verloren gehen würde. Vom pecuniären Standpunkte aus betrachtet ist
                              deßhalb das neue Verfahren für die Praxis nicht zulässig.
                           Gehen wir jetzt zur Theorie des neuen Verfahrens über, so beruht dieselbe auf der
                              Zersetzung der Seife durch den Kalk unter Bildung von Kalkseife und unter
                              Abscheidung des Alkalis. Die Seifen sind neutrale Verbindungen von fetten Säuren mit
                              Kali oder Natron und enthalten meistens noch einen Theil freies oder kohlensaures
                              Alkali mechanisch eingemengt. Wird deßhalb eine Lösung von Seife mit einer Lösung
                              von Kalkhydrat zusammengebracht, so tritt jedesmal die fette Säure an den Kalk,
                              damit die unlösliche Kalkseife bildend, und das Alkali wird abgeschieden. Es
                              verbleibt deßhalb nicht, wie Hr. Basset meint, meistens,
                              sondern stets im freien Zustande.
                           Nun frage ich aber, was nützt es, den Kalk und die übrigen schädlichen Stoffe zu
                              beseitigen, und an deren Stelle einen Körper zu bringen, der aus dem Zuckersafte auf
                              keine Weise entfernt werden kann? Den in einem Kubikfuß Zuckersaft enthaltenen 83,2
                              Grm. Kalt entsprechen 92,1 Grm. freies Natron; in den angenommenen 60 Kubikfuß sind
                              mithin 5526 Grm. = 11,8 Pfd., oder wenn nur die Hälfte des Kalkes ausgeschieden
                              wurde, 5,9 Pfd. freies Natron enthalten. In beiden Fällen läßt sich in einem Tropfen
                              Syrup entweder der Kalk und das Natron oder das Natron allein nachweisen. Man
                              braucht ihn nur in einem Platintiegel zu verkohlen und den Rückstand mit einem
                              Tropfen Salzsäure zu versetzen, um dann das gebildete Chlornatrium am Geschmack zu
                              erkennen.
                           Wird nur die Hälfte des Kalkes durch Seife entfernt, so muß später der andere Theil
                              durch Kohlensäure fortgeschafft werden und man erhält dann statt freien Natrons
                              kohlensaures Natron, welches aber ebensowenig wie ersteres entfernt werden kann,
                              vielmehr in der Mutterlauge verbleibt.
                           Ich glaube hierdurch zur Genüge bewiesen zu haben, daß das Basset'sche Verfahren ein für die Praxis verwerfliches ist, und daß es
                              gerathener seyn wird, den Kalk wie bisher durch Kohlensäure zu entfernen und die
                              übrigen schädlichen Bestandtheile des Saftes durch die Kohlenfilter zu
                              beseitigen.