| Titel: | Die Pappdächer, nach vierzehnjähriger Bewährung; vom Rittergutsbesitzer A. Schönberg auf Koselitz. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXVIII., S. 222 | 
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                        LXVIII.
                        Die Pappdächer, nach vierzehnjähriger Bewährung;
                           vom Rittergutsbesitzer A.
                              Schönberg auf Koselitz.
                        Aus Stöckhardt's chemischem Ackersmann, 1857, Nr.
                              4.
                        Schönberg, über die Pappdächer.
                        
                     
                        
                           Unter dem Titel: „Die Pappdächer, Erfahrungen über Haltbarkeit und Werth,
                                 sowie Anleitung zur Anfertigung derselben“ ist in Schönfeld's Buchhandlung in Dresden ein kleines
                              Schriftchen erschienen, welches ich um so lieber der Beachtung der
                              landwirthschaftlichen Praxis anempfehle, als ich kürzlich Gelegenheit hatte mich
                              nicht nur in Koselitz bei Großenhain bei dem Verf. selbst, sondern auch auf den
                              Besitzungen des Hrn. General-Landschaftsrathes Jachmann in Ostpreußen von der Vortrefflichkeit dieser Bedachungsart durch den
                              Augenschein zu überzeugen. Haben die mannichfachen Klagen über die schlechte
                              Bewährung solcher Dächer ihren Grund ohne Zweifel entweder in der mangelhaften
                              Darstellung des Materials oder in der unzweckmäßigen Anfertigung des Daches, so
                              dürfte es Manchem erwünscht seyn, bewährte Erfahrungen hierüber zu vernehmen, wie
                              solche das in Rede stehende Schriftchen darbietet. Die nachstehenden Bruchstücke
                              daraus mögen näher darauf aufmerksam machen.
                           Die Anfertigung eines Pappdaches ist bei Anwendung von
                              Steinkohlentheer sehr einfach. Das Dach wird zunächst mit Spündebretern von
                              mindestens 5/4 Zoll Stärke abgeschalt, jedoch so daß man durch Abschrägen der Breter
                              an der schmalen Seite beim Aneinanderstoßen derselben Fugen erhält, welche nicht
                              rechtwinkelig auf die Dachneigung gerichtet sind, damit die zum Aufnageln der Pappe
                              dienenden Nägel allemal in Holz eindringen müssen und nicht auf die offenen Fugen
                              treffen. Unmittelbar auf die Schalung werden die getheerten Pappen aufgenagelt. Die
                              Eindeckung des Firstes geschieht durch dasselbe Material, wie Firstziegel
                              aufgeschlagen, 2 bis 3 auf jeder Seite übergreifend. Nach beendigtem Aufnageln der
                              Pappen thut man wohl die nächste warme Witterung zu benützen und dem Dache den
                              ersten Theerüberstrich zu geben. Hierbei besorgt ein Mann das Streichen des möglichst heißen Theers mit einem Pinsel oder einem an
                              einen Stock genagelten starken Lappen und sucht alle Fugen vollständig auszufüllen,
                              während ein anderer die frisch gestrichenen Stellen mit Sand und Kalk überstreut,
                              und zwar so stark daß der Theer ganz damit gesättigt wird. Man läßt nun das Dach gut
                              abtrocknen, kehrt den nicht festgeklebten Sand ab und überstreicht und incrustirt es
                              abermals wie eben beschrieben noch ein bis zweimal und gibt endlich den letzten, aus
                              Theer, Colophonium, Pech und Staubkalk bestehenden Anstrich. Zur guten Instandhaltung, die wie bei jedem Dache, so auch bei dem
                              Pappdache höchst nöthig ist, reicht es hin, den erwähnten Theeranstrich, wenn er von
                              der Luft und Sonne consumirt ist, zu wiederholen, was alle 3 bis 4 Jahre geschehen
                              muß und nur sehr wenig Kosten verursacht. Wenn sich ja ein Mal eine feuchte Stelle
                              auf der unteren Seite des Daches an den Schalbretern zeigt, so braucht man nur auf
                              dem Dache genau nachzusehen und wird den Fehler gleich finden; es liegt gewöhnlich
                              nur an einem Nagel der sich gehoben hat, weil er nicht gut in das Schalbret
                              eingegangen war.
                           Das Anfertigen der Theerpappe kann ohne große
                              Schwierigkeit überall selbst vorgenommen werden. Im vorliegenden Falle wurde sie aus
                              sogenannter halbweißer Lumpenpappe von möglichster
                              Dichtigkeit dargestellt. Zum Kochen diente eine im Freien leicht eingemauerte 30 Zoll hohe, 18 Zoll
                              breite und 30 Zoll lange gußeiserne Pfanne, die 1/2 Ctr. Theer auf einmal aufnehmen
                              konnte. Diese muß immer 2–3 Zoll tiefer und länger seyn als die Pappen, so
                              daß die Tafeln aufrecht neben einander in den Theer eingesetzt werden können und von
                              demselben vollkommen bedeckt sind.
                           Das Kochen besorgten zwei Arbeiter, indem sie so viele Tafeln als die Pfanne bequem
                              faßte, in den heißen Theer einsetzten, doch eine nach der andern, damit der Theer
                              zwischen jede einzelne Tafel gut einzudringen vermag. Nachdem man die Flüssigkeit
                              vorsichtig (um das leicht mögliche Ueberkochen zu vermeiden) ungefähr eine Stunde in
                              gelindem Kochen erhalten, werden die Pappen mit flachen Schmiedezangen
                              herausgenommen und auf einem leicht von Bretern zusammengeschlagenen Tisch zum
                              Ablaufen aufgestellt. Der Tisch muß eine Lehne haben zum Anlehnen der Pappen und mit
                              einem Rande umgeben seyn, auch eine geringe Neigung haben, so daß der ablaufende
                              Theer durch eine am tiefsten Punkte befindliche Oeffnung in einem untergestellten
                              Topfe eingesammelt werden kann. Sind die Pappen gehörig abgelaufen, was desto
                              schneller geschieht je wärmer sie aus dem Theerbade herauskommen, so breitet man sie
                              im Freien zum Trocknen aus. Von zwei Mann können in 2 Tagen 12–15 Ctr.
                              gekocht und aufgelegt werden. Sind die Tafeln auf einer Seite trocken, so werden sie
                              gewendet und dürfen ja nicht eher aufeinander geschichtet werden, bevor sie ganz
                              trocken sind, um nicht aneinander zu kleben.
                           Was die Vorzüge der Pappdachung
                              anbelangt, so schreibt der Verfasser einer solchen, dafern sie sorgfältig
                              angefertigt worden, folgende zu:
                           1) Die Anfertigung eines Pappdaches ist bedeutend billiger
                              als die eines Ziegeldaches, in Koselitz etwa im Verhältniß von 200 Thlr. zu 243
                              Thlr. für den Flächeninhalt von 1000 Quadratellen Ziegeldach. Sehr bedeutend noch
                              erhöht sich dieser Vortheil
                           2) durch das geringe Gewicht des Pappdaches (das kaum 1/3
                              von dem eines Ziegeldaches beträgt), welches die Anwendung weit schwächerer Hölzer
                              für den Dachstuhl, sowie schwächerer Mauern des Gebäudes gestattet.
                           3) Gegen schädliche Witterungseinflüsse leistet die
                              Pappdachung den vollkommensten Widerstand. Nässe und
                              Kälte sind ganz unschädlich für dieses Material, sofern bei seiner Anfertigung alle
                              nöthige Rücksicht wahrgenommen ist. Den Stürmen setzt ein gut und tüchtig
                              construirtes Pappdach eine unzerstörbare Fläche entgegen. Bei der Leichtigkeit
                              dieser Dachung gehört allerdings ein möglichst solider Verband des Dachstuhls mit
                              den Sparren zu den Erfordernissen derselben, und dieser wird am einfachsten durch
                              Verklammerung aller Berührungspunkte zwischen Sparren und Rahmwerk hergestellt.
                           4) Die Anfertigung erfordert nicht kunstgeübte Hände. Die
                              wenigen Handgriffe welche die Vorbereitung und das Aufnageln des Materials
                              erfordern, sind jedem Handarbeiter bald zu lehren, und bei vorkommenden Reparaturen
                              ist Abhülfe sogleich möglich.
                           5) Trockenheit und Reinlichkeit des Bodenraumes machen diese Bedachung ganz besonders
                              empfehlenswerth für Wirtschaftsgebäude; das Futter hält sich unter Pappdach so
                              trocken daß es in dieser Beziehung dem Strohdache gleichkommt, doch bedeutend
                              reinlicher als dieses ist. Selbst bei anhaltender nasser Witterung ist an den
                              Schalbrettern des Daches von Feuchtigkeit nichts zu bemerken. Auch legt sich im
                              Winter nie Rauhfrost, wie beim Ziegeldache, auf der inwendigen Seite an, wie auch
                              kein Schnee durch dasselbe hereingeweht werden kann.
                           6) Die Vorzüge, welche der flachen Dachconstruction
                              überhaupt zukommen, sind auch dem Pappdache eigen. Bei einer Neigung, welche die
                              Höhe des Daches zu einem Sechstel der Tiefe des Gebäudes ergibt, gewinnt man mit
                              wenig Kosten durch Anwendung sogenannter versenkter Balken einen vortrefflichen
                              Bodenraum von weit mehr kubischem Inhalt als bei steilem Dach ohne versenkte Balken,
                              und vermeidet zugleich die fatalen Hohlkehlen, da man Heulucken und Bodenfenster in
                              der Wand anbringt.
                           7) Daß endlich die Pappdächer nicht feuergefährlicher sind
                              als Dächer von Ziegeln, ist anerkannt, und findet eine weitere Bestätigung in den
                              Bestimmungen namhafter Feuerversicherungsgesellschaften, denen zufolge die ersteren
                              keine höheren Prämien bezahlen als die letzteren. Uebrigens wird die Brennbarkeit
                              der Theerpappe durch die erdige Incrustirung des Daches bedeutend vermindert. Als
                              Löschmittel ist besonders Sand zu empfehlen, wovon man schon durch geringe Quantität
                              große Wirkung erlangt.