| Titel: | Ueber Portland-Cement; von A. Winkler in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXXVI., S. 263 | 
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                        LXXVI.
                        Ueber Portland-Cement; von A. Winkler in Berlin.
                        Aus dem chemischen Centralblatt, 1858, Nr.
                              31.
                        Winkler, über Portland-Cement.
                        
                     
                        
                           Wenn ein pulverförmiger Körper sich so verändern soll, daß er eine zusammenhängende
                              Masse bildet, so ist es nothwendig, daß die einzelnen Theilchen desselben, welche
                              sich nur mit kleinen Flächen unmittelbar berühren, sich so verändern daß nach und
                              nach eine große Flächenberührung hergestellt wird. Die einzelnen Molecüle der
                              Pulvertheilchen müssen also unter einander verschiebbar werden, so daß sie sich
                              entweder durch gegenseitige Anziehung oder durch äußern Druck in neuer Ordnung an
                              einander lagern können. Verschwindet dann die Ursache der Beweglichkeit der
                              Molecüle, so bleibt eine zusammenhängende Masse.
                           Diese nothwendige Beweglichkeit der Molecüle erreicht man entweder durch Wärme oder
                              durch chemische Kräfte. Die Vereinigung durch Schmelzen und Erkalten oder durch
                              Druck auf weiche Stoffe ist hier nicht weiter zu berücksichtigen. Das auf einander
                              folgende Schmelzen und Erkalten wird aber ersetzt, wenn ein flüssiger Körper sich
                              mit einem festen zu
                              einem dritten vereinigt, oder ein gelöster Körper sich durch Entziehen des
                              Lösungsmittels zwischen den Theilen eines festen abscheidet. In beiden Fällen sind
                              sowohl die neugebildeten, als die ausgeschiedenen Molecüle beweglich, können demnach
                              der Anziehung unter sich und schwerer fester Theile folgen und so eine
                              zusammenhängende Masse bilden.
                           Uebergießt man entwässerten Kupfervitriol mit einer gesättigten Lösung desselben, so
                              verwandelt sich alles in eine zusammenhängende Masse. Dasselbe findet statt, wenn
                              man reines Wasser nimmt, wo sich nur erst eine gesättigte Lösung bildet, dann diese
                              mit dem Ueberschuß von Vitriol erstarrt. Das Erhärten erfolgt hier sowohl in der
                              Art, daß eine Anzahl flüssiger Wassermolecüle ein festes Molecül CuO, SO₃
                              anziehen, dieses dadurch vorübergehend beweglich machen und nach der Verbindung mit
                              demselben als bewegliches Gesammtmolecül ausgeschieden werden, als auch dadurch, daß
                              durch diese Verbindung von Wasser mit CuO, SO₃ gewässertes schwefelsaures
                              Kupferoxyd aus der Lösung ausgeschieden wird und diese auf beide Arten gebildeten
                              Molecüle von CuO, SO₃ + aq. endlich sich
                              krystallinisch aneinanderlagern und dadurch zugleich die vorhandenen festen
                              Massentheile verbinden.
                           Ganz ähnlich ist der Vorgang beim Erhärten des Gypses, nur daß die Anzahl der aus der
                              Lösung geschiedenen Molecüle wegen der Schwerlöslichkeit gering ist im Verhältniß zu
                              den durch Verbindung beweglich gewordenen.
                           Das Erhärten von Cement unterscheidet sich insofern, als durch Wasser mehrere
                              verschieden zusammengesetzte Verbindungen entstehen, welche durch Umlagerung
                              erhärten, und zwar hauptsächlich kieselsaurer Kalt, Thonerdekalt und Kalkhydrat.
                           Dafür, daß durch die Einwirkung des Wassers auf Portland-Cement Kalkhydrat
                              ausgeschieden wird, spricht außer bereits früher angeführten Versuchen (polytechn.
                              Journal Bd. CXLII S. 106) besonders das
                              Verhalten eines Cements, welches ich aus Plänerkalk von Strehlen bei Dresden
                              dargestellt habe. Einige Stücke davon, ohne Auswahl genommen, enthielten auf 72
                              Proc. Kalk 22 Proc. SiO₃, 6 Proc. Thonerde und Eisen; Alkali nur sehr wenig.
                              In kaltem Wasser zerfielen sie nicht, nach mehrstündigem Kochen aber zu einem
                              vollständig feinen Schlamm. Vermengt man diesen Schlamm mit Flußspath, 1–2
                              Proc. der wasserfreien Bestandtheile, und brennt das Gemenge bei Weißgluth 2 Stunden
                              lang, so erhält man ein grünliches schweres Cement, welches sich mit Wasser nicht
                              erwärmt und kräftig erhärtet, gleich einem guten Portland-Cement, jedoch bei
                              ebenso großer Härte viel spröder wird. Zerbricht man erhärtete Stücke, welche etwa 4
                              Wochen unter Wasser gelegen und wieder getrocknet sind, so
                                 findet man in allen inneren Blasenräumen Krystalldrusen von Kalkhydrat.
                              Hieraus kann man schließen, daß auch in der ganzen übrigen Cementmasse Kalkhydrat
                              abgelagert ist, wie ja in ähnlicher Art auch Granit, der in Blasenräumen Quarzdrusen
                              enthält, in der ganzen Masse von Quarz erfüllt ist. Da dieses Cement auf 1 Aeq.
                              SiO₃ oder Al₂O₃ nahezu 5 Aeq. CaO enthält, so erfolgt hier eine
                              stärkere Ausscheidung von CaO, HO, die deßhalb auch leichter wahrnehmbar ist, als
                              bei Cementen, welche weniger Kalk enthalten. Die Zusammensetzung dieses Cementes
                              zeigt auch, daß das Portland-Cement durchaus keine so bestimmte chemische
                              Verbindung von Kalk mit Kieselsäure ist, wie dieß beim Gyps zwischen CaO und
                              SO₃ der Fall ist; es ist eben nur nothwendig daß der Kalk mit Kieselsäure
                              oder Thonerde verbunden ist, damit die Hydratbildung mit Wasser so verzögert und
                              vermindert werde, daß sich die gebildeten Molecüle nach und nach an einander lagern
                              können. Es können im frischen Cement 3, 4 und mehr Aeq. Kalk auf 1 SiO₃ oder
                              Al₂O₃ enthalten seyn, nur muß die hergestellte Verbindung gleichartig
                              seyn. Das Erhärten erfolgt ohne alle Mitwirkung der Kohlensäure bloß durch Wasser;
                              das gebundene Wasser entweicht zum Theil unter 100° C., vollständig erst bei
                              der Temperatur, wo Kalkhydrat sein Wasser verliert. Das entwässerte Cement zieht
                              Wasser wieder an.
                           Die Beimengung von Flußspath zu dem Strehlener Kalk bewirkte schon bei geringerer
                              Hitze eine hinlängliche Versinterung und Verbindung, ohne bei sehr hoher Temperatur
                              Verschlackung hervorzubringen. Thone, welche wenig Alkali enthalten, werden daher
                              mit Vortheil einen solchen Zuschlag von CaFl bei der Verarbeitung zu Cement
                              vertragen, insbesondere wird dadurch die Ausbeute an Gutbrand vermehrt werden, weil
                              im Ofen eine größere Temperaturdifferenz zulässig ist. Das zweimalige Brennen des
                              Strehlener Kalkes ist nicht nöthig, sondern vervollständigt nur die homogene
                              Mischung. Ebenso wie aus Pläner bei Dresden habe ich aus Pläner von Oppeln in
                              Schlesien sehr gutes Cement ohne alle Beimengung
                              erhalten. Bedingung ist auch hier nur Herstellung einer sehr vollständigen Mischung
                              von Thon und Kalk. Ein sehr zu beachtendes Material sind ferner die Braunkohlenthone
                              wegen ihrer feinen Zertheilung und der unter allen Torflagern
                                 sich findende feine Schlamm von kohlensaurem Kalk. Letzterer ersetzt die
                              Kreide vollständig.
                           Die Darstellungskosten sind natürlich nach der Lage einer Fabrik verschieden und
                              hängen hauptsächlich vom Preise des Brennmaterials und der Rohmaterialien ab. Zum
                              Trocknen, Brennen und Mahlen von 1 Tonne Cement wird etwa 1 Tonne Steinkohlen
                              verbraucht; eine Dampfmaschine von 12 Pferdekräften kann etwa 5000 Tonnen Cement mahlen.
                              Bei billigem und gutem Rohmaterial und guter Leitung der Fabrication bleiben demnach
                              die Kosten für eine Tonne Cement noch unter 2 Thlr. Da der gegenwärtige Verkaufspreis 4–5 Thlr. ist, so ist die Fabrication von Cement sehr
                                 empfehlenswerth.