| Titel: | Ueber die Kämm-Maschine von Josua Heilmann; von Hrn. Alcan, Professor am Conservatorium der Künste und Gewerbe in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. XCV., S. 332 | 
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                        XCV.
                        Ueber die Kämm-Maschine von Josua Heilmann; von Hrn. Alcan, Professor am
                           Conservatorium der Künste und Gewerbe in Paris.
                        Auszug des von ihm der Société
                           d'Encouragement erstatteten Berichtes. – Aus der deutschen Gewerbezeitung, 1858 S.
                              133.
                        Alcan, über Heilmann's Kämmmaschine.
                        
                     
                        
                           Anwendung der Kämmmaschine auf die Wollindustrie.
                              – Unsere wichtige Industrie der glatten Wollenzeuge würde durch die
                              zunehmende Preissteigerung des Rohstoffes ernstlich bedroht gewesen seyn, wenn ihr
                              nicht die Kämmmaschine zu Hülfe gekommen wäre, dadurch daß sie auf sehr merkliche Art
                              sowohl die Menge als Güte des Erzeugnisses (des Kammzugs) steigerte und zugleich die
                              Kosten um mehr als 100 Proc. abminderte. Von 2 1/2 Franken, was früher im
                              Durchschnitt das unvollkommene Kämmen von 1 Kilogr. Wolle kostete, sind diese Kosten
                              auf 1 Fr. für eine Arbeit von seltener Vollkommenheit herabgebracht und zwar ohne
                              daß die Arbeitslöhne zugleich gedrückt worden wären. Wir müssen hier auch der neu
                              erworbenen Leichtigkeit, sich mit gekämmtem Zug zu versorgen, Erwähnung thun, Dank
                              der Aussortirerei der mittelst der Kämmerei sich für Kammgarn eignenden Fasern aus
                              allen möglichen Wollen. Die seltene und theure Wolle würde heutzutage unbezahlbar
                              seyn, wenn so bedeutende Aufspeicherungen nöthig wären wie vordern.
                           Die Anwendung der neuen Maschinen hat sich demnach mit einer beispiellosen
                              Geschwindigkeit über alle Staaten Europa's verbreitet. Die französische Industrie
                              besitzt nahe an 800 Kämmmaschinen, die im Durchschnitt 40,000 Kilogr. täglich
                              umarbeiten, was einen Werth von beinahe 100 Mill. Fr. vertritt. In Großbritannien
                              ist diese Anwendung vielleicht von noch größerer Bedeutung. In den deutschen Staaten
                              arbeiten ungefähr 300 Maschinen, in Rußland mehr als 500.Wenn Hr. Professor Alcan meint, daß überall in den
                                    genannten Ländern, selbst Frankreich eingeschlossen, nur Maschinen Heilmann'schen Princips und Bauart gehen, so ist
                                    er im Irrthum, ebensowenig als es an dem ist, daß Heilmann der Urerfinder der Kämmmaschine ist, denn sie war im
                                    Wesen lange vor ihm erfunden. Zur Zeit sind Principe von Kämmmaschinen
                                    gekannt und werden benutzt: die von Collier,
                                       Opelt-Wieck, Heilmann, Lister, Donistorpe, Crabtree, Eastwood. Man vergleiche die Beiträge zur
                                    Geschichte der Wollkämmmaschinen im polytechn. Journal, 1852, Bd. CXXV S.
                                    411. Wieck.
                              
                           Anwendung auf die Baumwollspinnerei. – So
                              vortheilhaft diese Erfindung für die Kammgarnspinnerei ist, so wird sie es
                              vielleicht in noch höherem Grade für die Baumwollspinnerei werden. Seit einigen
                              Jahren fast stehen geblieben, beschränkten sich die Verbesserungen in der
                              Baumwollspinnerei auf Kleinigkeiten. Man glaubte, daß sie sich genüge, daß sie das
                              Endziel des Fortschrittes erreicht habe, doch die Maschine Heilmann's erschien, um ihr einen neuen unerwarteten Antrieb zu
                              geben.Die Heilmann'sche Maschine eignet sich allerdings
                                    besonders zur Kämmerei kurzer Fasern, daher zur
                                    Zeit vorzugsweise für Kämmerei der Baumwolle. Ueberdieß wollen wir bei
                                    dieser Gelegenheit der Wahrheit die Ehre geben und bemerken, daß allerdings
                                    Heilmann der Erfinder der Kämmmaschine ist,
                                    die mit der Zange arbeitet, daß dieselbe aber
                                    erst durch das Haus N. Schlumberger u. Comp. in
                                    Gebweiler zu einer nützlichen Maschine gemacht und in die Fabrication
                                    eingeführt worden ist, was auch Hr. Alcan
                                    anerkennt. Wieck. Die schönste Baumwolle von Georgien und Aegypten
                              (für feinste Garne) konnte nur mit Vortheil mit der Hand gelesen, gereinigt und geschlagen werden.
                              Diese ungesunde, den Frauen zugewiesene Arbeit war eine stete Anklage für die Kunst
                              der Mechanik und eine noch viel schwerere für die Menschheit. Es wird Heilmann einen unsterblichen Ruhm sichern, zugleich die
                              Frauen von einer mühseligen Arbeit erlöst und das Kardätschen und seine
                              unvollkommenen Vorbereitungen durch eine so vollendete Kämmerei ersetzt zu haben,
                              daß die Baumwolle in einer früher nicht gekannten Reinheit, Sauberkeit, Glanz, mit
                              einem Worte in einem ganz neuen Charakter erscheint. Die Gränze der Feinheit und
                              Festigkeit des Garnes ist auf merkwürdige Art erweitert worden. Man erzeugt mit
                              einer gegebenen Wolle nicht bloß viel feinere und festere Fäden, sondern der mit
                              aller Art von Schmutz aus der Maschine kommende Wollabfall, bis jetzt mit 1 1/2 bis
                              2 Franken das Kilogr. verkauft, erfährt eine solche Umwandlung, daß er eine
                              Baumwolle von 6 bis 8 Franken das Kilogr. vertritt.
                           Fortschritte von solcher Wichtigkeit haben die Gewerbsleute aller Länder sehr
                              überrascht. Die des classischen Bodens der Baumwollspinnerei, denen wir so
                              bereitwillig das Erstrecht in diesem Zweige der Industrie zugestanden, haben sich
                              beeilt ihren Nutzen aus diesem neuen System der Kämmerei zu ziehen. Die Engländer
                              besitzen in der That mehr als 2400 (?) dieser Kämmmaschinen für Baumwolle, und
                              unsere Baumwollspinnerei, fünfmal geringer, zählt deren über 750. Die anderen
                              industriellen Länder gehen mit gleicher Thätigkeit auf demselben Wege fort.
                           Anwendung auf die Flachsspinnerei. – Auch die
                              dieser Spinnerei von der Kämmmaschine erwiesenen Dienste werden bald von Wichtigkeit
                              seyn. Das sowohl in Hinsicht auf Menge als Werth beinahe die Hälfte des Rohstoffes
                              bildende Werg liefert, auf Heilmann's Maschine gekämmt,
                              schöneres und eben so hoch im Preise stehendes Garn als die langen
                              Flachsfasern.Ist sehr zu bezweifeln, denn die Wergfasern sind an sich schon schlechter als
                                    die Fasern, welche den langen Flachs bilden. Wieck.
                              
                           Wir konnten uns nicht die genaue Zahl der in der Wergspinnerei verwendeten
                              Kämmmaschinen verschaffen, aber wir wissen, daß sie in vielen Fabriken eingeführt
                              sind und daß eine einzige im Yorkshire deren wenigstens 500 im Gange hat.
                           Anwendung auf die Flockseide, Florettseide, Seidenabgang.
                              – Die Bearbeitung endlich der Flockseide, schlechten Florettseide u.s.w. ist
                              besonders ungesund, unvollkommen und gibt Abfälle von großem Werth. Sie hat durch
                              die betreffende Maschine eine der glücklichsten Umgestaltungen in
                              technisch-ökonomischer sowohl als gesundheitlicher Beziehung erfahren. Die Arbeiter
                              werden durch sie bewahrt vor dem Fasernstaub und die Abfälle, die früher 10 bis 75
                              Cent. werth waren, verkaufen sich jetzt zu 2 bis 9 Fr. das Kilogr. Mehr als 50
                              Maschinenseidenkämmereien arbeiten in Frankreich, wo jetzt noch die Bearbeitung der
                              Flockseide sehr beschränkt ist. In der Schweiz geht die doppelte Zahl.