| Titel: | Ueber Gerberei und Leder; von Professor Dr. Fr. Knapp. | 
| Autor: | Fr. Knapp | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. CX., S. 379 | 
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                        CX.
                        Ueber Gerberei und Leder; von Professor Dr. Fr. Knapp.
                        (Fortsetzung und Schluß von S. 314 des
                           vorhergehenden Heftes.)
                        Knapp, über Gerberei und Leder.
                        
                     
                        
                           Gerbversuch mit Chloraluminium.
                           Man brachte 1,386 Grm. reingewaschene unter der Luftpumpe getrocknete Haut in 29,093
                              Grm. einer durch Ausfällen von schwefelsaurer Thonerde mit Chlorbarium dargestellten
                              Lösung von Chloraluminium, welche in 100 Gewichtstheilen bei der Analyse gab:
                           
                              
                                 
                                     I
                                  II u. III
                                  im Mittel
                                 
                              
                                 Thonerde
                                   3,86
                                   3,39
                                   3,625
                                 
                              
                                 Chlorsilber   
                                 29,73   
                                 29,97   
                                 29,76
                                 
                              
                           Diese Werthe entsprechen einem Verhältniß von 1 Aeq. Thonerde auf 2,94 Aeq.
                              Chlorsilber. Nach zweimal 24 Stunden gab die Lösung in 100 Theilen:
                           
                              
                                 Thonerde
                                   1,84
                                   1,95
                                 
                              
                                 Chlorsilber   
                                 14,99   
                                 14,87
                                 
                              
                           entsprechend 1 Aeq. Thonerde auf 2,92 Aeq. Chlorsilber. Auch hier hat sich daher die
                              Zusammensetzung nicht geändert, während eine starke Reaction der Haut auf die
                              Flüssigkeit stattfand. Denn es berechnet sich der Gehalt der Flüssigkeit an
                              Chloraluminium
                           
                              
                                 vor dem Versuch mit
                                 1,744
                                 
                                 
                              
                                 nach der Gerbung mit   
                                 1,365
                                 und sind mithin fixirt worden
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 0,379
                                 oder 27,3 Procent der Haut.
                                 
                              
                           Durch Auswaschen in destillirtem Wasser nach oben bezeichneter Methode enthielt die
                              Haut nach 3 Tagen noch 3,46 Proc., welche ohne Zweifel bei fortgesetztem Auswaschen
                              ebenfalls weggegangen wären.
                           
                        
                           
                           Gerbversuch mit essigsaurer Thonerde.
                           Man digerirte 1,139 Grm. reine Haut mit 6,565 Grm. einer aus Bleizucker und
                              schwefelsaurer Thonerde dargestellten Lösung von essigsaurer Thonerde.
                           
                              
                                 Diese gab vor dem Versuch
                                 0,432 Grm.
                                 
                              
                                          nach der
                                    Gerbung
                                 0,166 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 Glührückstand oder Thonerde, es sind
                                    also
                                 0,266 Grm.
                                 
                              
                           von der Haut fixirt worden, entsprechend 23,3 Proc.Diese Zahl ist etwas zu groß, da an der Haut einige Flocken coagulirtes
                                    Thonerdesalz sichtbar waren.
                              
                           Man würde irren, wollte man glauben, die Thonerdesalze verbänden sich stets in
                              denselben hier angegebenen Verhältnissen; im Gegentheil machte der Umstand, daß die
                              Häute an Wasser wieder von dem fixirten Salz abgeben, es sehr wahrscheinlich, daß
                              sie in concentrirten Lösungen mehr, in verdünnten weniger aufnehmen, wie die
                              Erfahrung auch bestätigt hat.
                           Es geht nun aus diesen Versuchen zunächst hervor, daß die Thonerdesalze von der
                              thierischen Haut nicht im Verhältniß der Aequivalente aufgenommen worden, z.B.
                           
                              
                                 
                                 Aequivalent:  
                                 Aufgenommene  Menge Salz:
                                 
                              
                                 Alaun, wasserleer   
                                    258,6
                                     11 Proc.
                                 
                              
                                 Chloraluminium
                                    133,6
                                     27,3
                                 
                              
                           daß hier die Thonerdesalze überhaupt nicht in constanten,
                              sondern in Mengen aufgenommen worden, welche nach äußern Bedingungen, Concentration
                              etc. variiren, daß endlich bei der Aufnahme des Salzes durch die Hautfaser keine
                              Zersetzung stattfindet und nicht etwa ein basisches Salz sich auf die Haut
                              befestigt, während ein saures zurückbleibt.„Wahrscheinlich ist das mit der Haut sich verbindende Thonerdesalz
                                       basisch, während in der Auflösung ein saures Salz
                                       zurückbleibt.“Berzelius' Lehrbuch Bd. IX S. 372. – Bekanntlich nimmt man in der Praxis nicht Chloraluminium, sondern
                              eine Lösung von Alaun mit Kochsalz in wechselnden Verhältnissen (19 bis 130 und mehr
                              Proc. des Alauns) zum Gerben. Es scheint, daß das Kochsalz mehr als ein bloßes
                              Mittel ist, schwefelsaure Thonerde in salzsaure umzuwandeln, ja daß seine
                              eigentliche Wirksamkeit ihren Schwerpunkt anderswo hat. Wenn man in einem
                              vergleichenden Versuch dieselbe Haut aus Lösungen verschiedener Thonerdesalze
                              gerbte, so wird man einen sehr großen Unterschied bemerken. Salzsaure Thonerde ist
                              weit entfernt unter gleichen Umständen ein ebenso brauchbares und geschmeidiges
                              Leder zu geben, als eine Lösung von Alaun mit Kochsalz. Als man drei Proben Kalbhaut von
                              gleicher Beschaffenheit, zu gleicher Zeit und gleich lang in Lösungen brachte,
                              – die erste Probe in eine Lösung von Alaun für sich, die zweite von Alaun mit
                              Kochsalz, die dritte von RothbeizeMit Bleizucker gefällter Alaun, wie ihn die Kattundrucker gebrauchen. – Lösungen, welche alle drei genau gleich viel Thonerde enthielten
                              – so war das Leder der zweiten Probe allein entsprechend gar und geschmeidig,
                              das der letztern am schlechtesten, was um so auffallender ist, als die Essigsäure
                              doch weitaus am meisten geneigt ist, Thonerde abzugeben.
                           Es ist darnach außer Zweifel gestellt, daß das Kochsalz in der Weißgerberei einen
                              eigenen und zwar activen Einfluß übt, theils als eine die Endosmose lebhaft
                              befördernde Substanz, theils weil es als Auflösung eine dem Alkohol ähnliche Wirkung
                              auf die Haut besitzt, wovon weiter unten die Rede seyn wird.
                           Ganz und gar analog mit den Thonerdesalzen verhalten sich die Eisenoxyd- und Chromoxydsalze, welche in
                              Bezug auf ihr Verhalten zur Haut gleichfalls ihren Homomorphismus mit der Thonerde
                              geltend machen. Nur werden sie nicht in so reichlicher Menge aufgenommen und
                              fixirt.
                           
                        
                           Gerbversuch mit Eisenchlorid.
                           Das Eisenchlorid war aus Klavierdraht durch Auflösen in Salzsäure, Oxydiren mit
                              einigen Tropfen Salpetersäure und Eindampfen zur Trockne, um die überschüssige Säure
                              zu verjagen, dargestellt worden. In eine verdünnte Auflösung dieses Eisenchlorides
                              aus 0,200 Klavierdraht brachte man 2,230 trockene reine Haut. Nach zweimal 24
                              Stunden, wo das Gewicht der Lösung 12,643 Grm. betrug, ergab eine Analyse derselben
                              auf 6,433 Lösung 0,196 Eisenoxyd. Die angewendeten 0,200 Klavierdraht
                           
                              
                                 entsprechen
                                 0,575
                                 
                              
                                 die nachher gefundenen 0,196
                                    Eisenoxyd   
                                 0,403 Grm.
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 Eisenchlorid und sind mithin
                                 0,172 Grm.
                                 
                              
                           oder 7 3/4 Proc. auf der Haut verdichtet worden.
                           Während die Thonerdesalze wegen ihrer Farblosigkeit weißes Leder bilden, so besitzen
                              die eisengaren Leder eine braune bis braungelbe, die chromgaren Leder eine graublaue
                              natürliche Farbe.
                           Nach dem Verhalten der Metallsalze war es von Interesse, das Verhalten der
                              indifferenten Stoffe zur Haut zu studiren. Bekanntlich besitzen die Fette und
                              ähnliche Körper in ausgezeichnetem Grad die Eigenschaft, Haut in Leder zu verwandeln, es
                              fragt sich daher, welche Kraft besitzt die Haut, sie zu fixiren.
                           
                        
                           Gerbversuch mit Stearinsäure.
                           Ein Streifen Haut im Gewicht von 1,062 Grm. über Nacht in eine Auflösung von 1,145
                              Grm. Stearinsäure in 25,595 Grm. Weingeist von 80 Proc. gebracht, dann
                              herausgenommen und getrocknet, hatte sich in ein blendendweißes, gares, feinnarbiges
                              Leder verwandelt. Die zurückgebliebene Lösung gab auf 3,512 Grm. – 0,151 Grm.
                              Stearinsäure, woraus der Gesammtgehalt sich auf 1,135 Grm. berechnet. Es sind daher
                              von der Haut absorbirt worden 1,145 – 1,135 = 0,010 Grm. Stearinsäure, also
                              nicht ganz 1 Proc.
                           Bei einem zweiten Versuch waren 22,295 Lösung mit 0,606 Stearinsäure zum Gerben von
                              1,471 Haut mit gleichem Erfolg verwendet worden. Die rückständige Lösung ergab 0,535
                              Grm. Stearin in 22,295 Grm. oder 0,601 Grm. in der gesammten Lösung; es waren daher
                              0,606 – 0,601 = 0,005 Stearin an die Haut übergegangen, entsprechend 1/3
                              Proc.
                           
                        
                           
                              Gerbversuch mit Oelsäure
                              
                           Die weingeistige Lösung enthielt anfangs 1,201, nach der Gerbung von 1,132 reiner
                              trockener Haut 1,189 Oelsäure; es sind mithin absorbirt worden 1,201 – 1,189
                              = 0,012 Grm. oder 1 Proc. –
                           
                        
                           Gerbversuch mit Thran.
                           Es wurden 2,181 Grm. gewaschener Haut in eine Auflösung von 0,338 Thran in Aether
                              gebracht. Nach der Gerbung enthielt die Lösung noch 0,328 Thran und sind mithin
                              absorbirt worden 0,338 – 0,328 = 0,010 Grm. Thran oder 1/2 Proc.
                           Aehnlich wie die Fette verhalten sich die Harze. Eine verdünnte Lösung von
                              Colophonium verwandelt die Haut in ein gares gelbweißes Leder.
                           
                        
                           Gerbversuch mit Colophonium.
                           Die Lösung bestand aus 15,113 absolutem Alkohol und 1,505 Colophonium. Nach
                              geschehener Gerbung der eingelegten 1,326 Grm. reiner trockener Haut ergab die
                              rückständige Lösung in 15,691 Grm. 0,154 Grm. oder im Ganzen einen Gehalt von 1,549
                              Colophonium.
                           Bei einem zweiten Versuch betrug das Gewicht der Haut 2,653 Grm., der Gehalt der
                              Lösung 0,293 Colophonium. Nach der Gerbung enthielt die Lösung noch 0,043
                              Colophonium in 4,166 Grm., also im Ganzen 0,360 Colophonium. Bei beiden Versuchen erscheint statt
                              Absorption vielmehr eine Mehrung der gelösten Substanz, im erstem Fall von 0,044, im
                              andern Fall von 0,039 Grm. Der Grund dieser Anomalie war leicht einzusehen; die zu
                              den Versuchen benutzte Haut war nur in destillirtem Wasser, nicht in Weingeist
                              ausgewaschen und gab daher beim Versuch an den Alkohol etwas darin lösliche Substanz
                              ab. Als man bei einem dritten Versuch 2,831 Grm. in Wasser und Alkohol gereinigter
                              Haut anwendete, so änderte sich die Sache. Die Lösung enthielt vor der Gerbung 0,510
                              Colophonium, nach der Gerbung hinterließen 19,732 Lösung nach dem Eindampfen zur
                              Trockne 0,415 Colophonium. Daraus berechnen sich für das Ganze 0,495 und sind
                              absorbirt worden 0,510 – 495 = 0,015 oder 1/2 Proc. der Haut.
                           In den Fetten und Harzen hat man sonach Körper, die einerseits vollkommen im Stande
                              sind die Haut in Leder zu verwandeln, andererseits aber von der Haut aus ihren
                              Lösungen nicht fixirt werden, denn was in obigen Versuchen von der Haut aufgenommen
                              worden, ist kaum über die Beobachtungsfehler.
                           So viel Interesse es hat die Fixirung der Gerbstoffe im engern Sinn kennen zu lernen,
                              so ist doch die Reindarstellung derselben so schwer, insbesondere aber die
                              Veränderlichkeit derselben groß genug, um dem Versuch alle Aussicht auf Genauigkeit
                              zu nehmen. Um jedoch einigermaßen das Verhalten von Körpern ähnlicher Natur zu
                              studiren, wählte man die Pikrinsäure, welche bekanntlich
                              in ausgezeichnetem Grad die Eigenschaft besitzt zu gerben. Zugleich gab die
                              Pikrinsäure durch ihre Auflöslichkeit in zwei anwendbaren Vehikeln Gelegenheit, den
                              Einfluß des Lösungsmittels zu studiren.
                           
                        
                           Gerbversuch mit Pikrinsäure.
                           Mehrmals umkrystallisirte Pikrinsäure, in Weingeist gelöst, diente zum Gerben von
                              1,871 gereinigter Haut. Die angewandte Lösung betrug 5,758 Grm.; 3,560 Grm.
                              derselben gaben erst im Wasserbad, dann unter der Luftpumpe getrocknet 0,183 Grm.
                              Pikrinsäure. – Nach geschehener Gerbung wog die Lösung noch 16,975 Grm. und
                              es gaben 13,618 derselben 0,111 Grm. Pikrinsäure. – Daraus berechnet sich
                           
                              
                                 der Pikrinsäuregehalt vor der Gerbung mit
                                    0,296 Grm.,   nach der Gerbung mit
                                 0,138;
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 das fixirte Quantum also mit
                                 0,158 Grm.
                                 
                              
                           oder 8 1/2 Proc. der Haut.
                           Als man 0,867 Grm. reine Haut in 14,528 Grm. reiner Lösung von Pikrinsäure in Wasser
                              legte, wovon 5,964 Grm. 0,137 Grm. Pikrinsäure hinterließen, blieben nach der Gerbung noch 13,756 Grm.
                              Lösung, wovon 11,583 Grm. 0,075 Grm. Pikrinsäure gaben. – Es berechnet
                           
                              
                                 sich daher das Quantum Pikrinsäure vor der
                                    Gerbung mit
                                       0,286
                                 
                              
                                 nach der Gerbung mit
                                       0,089
                                 
                              
                                 
                                     ––––––––––
                                 
                              
                                 und wurden daher fixirt
                                       0,197
                                    Grm.
                                 
                              
                           Pikrinsäure, entsprechend 22 3/4 Proc. der Haut.
                           Es liegt also hier der Beweis vor, daß die Haut aus einer wässerigen Lösung von
                              Pikrinsäure (von 2 Proc. Gehalt) fast dreimal so viel fixirt als aus einer über
                              doppelt so starken (4 1/2 Proc. Gehalt) weingeistigen Lösung, während zugleich im
                              ersten Fall die Haut über sechsmal, im letzten Fall nur dreimal mehr, als die
                              Pikrinsäure betrug.
                           –––––––––––
                           In allen angeführten Fällen ist jederzeit eine völlig gare Gerbung erfolgt. Es
                              liefern diese Versuche mit Waage und Gewicht den Beweis, daß bei der Gerbung das
                              Gerbemittel keineswegs in unveränderlichen bestimmten Verhältnissen aufgenommen
                              wird, daß diese Verhältnisse von der Concentration sowie von der Natur des
                              Lösungsmittels abhängen, und daß endlich, wie bei den Fetten, eine Gerbung erfolgen
                              kann, ohne alle fixirende Einwirkung der Haut auf das Gerbemittel, lediglich durch
                              denjenigen Antheil der Lösung, der nach dem Herausnehmen der Haut in den Poren
                              zurückbleibt und dort eintrocknet. Wenn demnach der Vorstellung von einer chemischen
                              Verbindung des Gerbemittels mit der Haut nicht mehr Raum gegeben werden kann, so
                              entspringt um so lebhafter die Frage, in welchem Zustand man sich beide zu einander
                              zu denken hat. Darauf läßt sich folgende Antwort geben.
                           Die in ihrer Structur aus mikroskopisch feinen Fasern bestehende thierische Lederhaut
                              bildet, wie schon Eingangs bemerkt, beim Trocknen nur dadurch eine anscheinend
                              homogene, faserlose, dichte, durchscheinende, hornartige Masse, daß die Fasern mit
                              großer Adhäsion und ohne oder fast ohne Zwischenräume aneinander kleben, so daß die
                              Lichtzerstreuung, welche das natürliche Gewebe der Haut weiß erscheinen läßt,
                              wegfällt und die Lichtstrahlen ungebrochen durchgehen, so weit sie überhaupt
                              durchgehen. Die Fasern der hornartig getrockneten Haut kleben in der That so fest
                              und innig zusammen, daß es nicht möglich ist, sie mechanisch etwa durch Recken und
                              Krispeln zu trennen und ihr diejenige Geschmeidigkeit zu geben, die das Leder
                              charakterisirt. In so hohem Grade das Fett auch geeignet ist die Haut in Leder zu
                              verwandeln, so wenig wird je eine hornartig getrocknete Haut durch Eintauchen in
                              Fett oder durch Bestreichen damit gar, weil es keine Zwischenräume findet um einzudringen.
                              Man streicht bekanntlich in der praktischen Sämischgerberei den Thran auf die nasse
                              Haut, so daß das Fett unmittelbar hinter dem durch die Verdunstung entweichenden
                              Wasser nachrückt und in die noch offenen Zwischenräume einzieht.
                           Wenn nun die hornartige Beschaffenheit der natürlichen Haut, wenn ihre im Sinn des
                              Gerbers ungare spissige Beschaffenheit vom Aneinanderkleben der Fasern herrührt, so
                              steht zu erwarten, daß jedes Mittel, welches dieses Zusammenkleben der Fasern beim
                              Trocknen verhindert, und das Gegentheil, nämlich die lederartige Beschaffenheit
                              hervorbringt, zum Gerben tauglich ist; im weitern Sinn wird der Praktiker eine Haut
                              jedesmal im Allgemeinen als Leder ansprechen, sobald ihre Fasern im trockenen
                              Zustande statt zusammengeklebt, lose wie im nassen Zustande sind. Die Gerbung, d.h.
                              der Zustand, in welchem man die Haut im weitern Sinne Leder nennt, ist in der That
                              nicht unmittelbar das Product einer Bindung der Gerbemittel durch die Haut, dieser
                              Zustand ruht überhaupt nicht in dem Gerbemittel, sondern wesentlich in der
                              Beschaffenheit der Haut; sie ist ein ganz indirectes Product der Gerbemittel. Ein
                              ursprünglich nicht faseriges Gebilde wie Thierblase kann deßhalb zwar gegerbt
                              werden, aber das Product wird kein Lederhändler, Riemer oder Schuster als Leder
                              ansprechen. Die Gerbemittel haben zunächst keine andere Bedeutung, als daß sie in
                              die Poren der Haut eingedrungen, die Fasern umhüllen. In der Regel und am besten,
                              aber nicht nothwendig, geschieht dieß, indem das Werbemittel durch Flächenanziehung
                              auf die Faser niedergeschlagen und befestigt wird wie die Farbstoffe auf Seide,
                              Wolle oder Baumwolle; in andern Fällen, wo die Flächenanziehung nicht hinreicht
                              einen Stoff aus seiner Lösung niederzuschlagen, geschieht die Einhüllung der Faser,
                              indem die Auflösung zwischen den Fasern eintrocknet. Mit der größten Energie werden
                              die den Harzen nahestehenden, aber in Wasser löslichen Körper Gerbsäure,
                              Pikrinsäure, dann die Salze der Metalloxyde der Formel M₂O₃ der Faser
                              niedergeschlagen, ferner Chromsäure, andere schwach, noch andere wie die Fette gar
                              nicht. Gewisse Gerbemittel haben die Eigenschaft, die Faser in der Art einzuhüllen,
                              daß das Zusammenkleben vollkommen unmöglich wird und die Haut beim Trocknen ohne
                              weiteres Zuthun sogleich offen und geschmeidig auftritt (Lohegerbstoff und Gerbsäure
                              überhaupt); bei andern Gerbemitteln findet zwar ein Zusammenkleben statt, die Haut
                              erscheint dann zwar dicht und mehr hornig nach dem Trocknen, aber der Zusammenhang
                              der Fasern ist sehr locker und die Haut läßt sich durch Ziehen und Dehnen (Stollen)
                              leicht und vollständig in die Beschaffenheit des Leders überführen (Alaun etc.).
                           
                           Die Kraft der thierischen Haut, Substanzen aus Auflösungen unlöslich auf sich
                              niederzuschlagen, beruht, wie bei Geweben überhaupt, auf der ungemeinen Vergrößerung
                              der Oberfläche durch die faserige Structur. Die Dicke der Bindegewebfasern erreicht
                              keinesfalls 0,01 Linien; bei dieser Dicke würden in einer 1 Linie starken Haut 100
                              Fasern in der Höhe und auf den Schuh Breite 10,000, zusammen 1,000,000 Fasern
                              nebeneinander Raum haben. Auf einen Schuh Länge wäre die Oberfläche der Faser von
                              0,01 Linien Dicke 0,000,314 Quadratfuß und die Gesammtoberfläche von 1 Quadratfuß
                              Haut oder 1,000,000 Fasern, 314 Quadratfuß. In der Wirklichkeit ist sie weit größer,
                              weil die Fasern nicht nur feiner, sondern durch Verästelung auch in allen Richtungen
                              vertheilt sind.
                           Ist die ausgesprochene Ansicht, wonach das Gerben kein chemischer, sondern ein rein
                              physikalischer Proceß und das Leder in seinem weitern Begriff nichts als Haut ist,
                              in welcher man durch irgend ein Mittel das Zusammenkleben der Fasern beim Trocknen
                              verhindert hat, ist diese Ansicht die richtige, so muß auch das Umgekehrte wahr seyn
                              und die Haut selbst ohne alle Gerbemittel in ein Leder verwandelt werden können,
                              wenn es auf sonst irgend eine Weise gelingt, das Zusammenkleben der Fasern beim
                              Trocknen zu hindern. Es läßt sich dieß wirklich durch ein experimentum crucis darthun. Bedenkt man nämlich, daß die Bindegewebfasern
                              der Haut nur dann aneinanderkleben können, wenn sie mit Wasser benetzt und durchdrungen sind, so lag der Gedanke nahe, die in
                              Wasser erweichte Haut in eine Flüssigkeit zu bringen, welche einerseits durch
                              Endosmose das Wasser aus den Zwischenräumen verdrängt, während sie andererseits den
                              Fasern die Fähigkeit benimmt zusammenzukleben, also Aether oder Weingeist.
                           Bringt man eine reingemachte Haut, nachdem man sie zwischen Löschpapier oder Tüchern
                              aber ohne Presse oberflächlich abgetrocknet hat, einige Stunden lang erst in
                              gewöhnlichen Spiritus und dann, nachdem sie abgetropft ist, eben so lang in
                              absoluten Alkohol oder Schwefeläther, wobei es, um den Austausch der Flüssigkeiten
                              zu befördern, nothwendig ist, die Haut in einiger Entfernung vom Boden aufzuhängen,
                              so besitzt sie nach dem Herausnehmen und Trocknen eine blendende Weiße, und eine
                              Beschaffenheit, welche jeden Praktiker nöthigen wird, sie als (weißgares) Leder
                              anzusprechen. Sie ist in der That ein Leder ohne allen
                                 Gerbestoff, welches in Wasser gebracht sofort wieder zu Haut und im Kochen
                              zu Leim wird. Ist der zuletzt gebrauchte Alkohol noch wasserhaltig, oder der Menge
                              nach so wenig, daß er durch die eingelegte Haut bemerklich wasserhaltig wird, so
                              erscheint die Haut nach dem Trocknen nicht als Leder, aber sie läßt sich genau wie
                              die weißgaren Häute durch Stollen mit der größten Leichtigkeit in solches verwandeln. Da zu
                              einer chemischen Verbindung wenigstens zwei Dinge gehören, so schließt es die
                              Verwandlung der Haut durch Weingeist in Leder völlig aus, die Gerbung als das
                              Ergebniß einer chemischen Verbindung anzusehen.
                           Concentrirte Kochsalzlösung hat ebenfalls die Eigenschaft, den thierischen Geweben
                              ihren Wassergehalt so weit zu entziehen, daß sie nicht mehr zusammenkleben. Es lag
                              daher nahe, der Haut durch Kochsalzlösung ähnlich wie durch Alkohol das Wasser zu
                              entziehen, die Fasern gleichsam in der Salzlösung auszutrocknen, so daß sie keine
                              Gelegenheit finden, bei dem Austrocknen aneinander zu kleben. In der That, wenn man
                              Haut einige Stunden in concentrirte Kochsalzlösung mit überschüssigem Kochsalz
                              einweicht und dann erst zwischen Fließpapier, zuletzt an der Luft trocknet, so zeigt
                              sie eine entschiedene, wenn auch unvollkommene Gerbung, etwa wie schlechtgerathenes
                              weißgares Leder.
                           Welche Schlüsse lassen sich nun aus der Ansicht, daß das Gerben nur ein specieller
                              Fall der Färberei ist, auf die Eigenschaften des Leders, insbesondere seinen
                              Widerstand gegen Fäulniß, seine Geschmeidigkeit, sowie auf den Gang der Gerbung
                              ziehen?
                           Es wird zwar vom Leder im Allgemeinen verlangt, daß es der Fäulniß widerstehen soll,
                              allein dieß ist nicht buchstäblich, sondern nur relativ zu nehmen; es widersteht
                              zwar im Vergleich mit der Haut außerordentlich lang, aber nicht völlig, am wenigsten
                              die weißgaren, am besten die sämischen und lohgaren Leder. Die Gerbmittel, wie
                              Gerbsäuren, Eisen- und Thonerdesalze sind an sich styptisch und antiseptisch;
                              sie bilden – wenigstens die ersteren, und auch die Fette etc. – eine
                              der Hautfaser fest anhängende, sie dicht umhüllende Schichte, welche die Faser
                              gleichsam wie mit Firniß überzieht, die Luft abhält und sie weniger hygroskopisch
                              macht. So wird die anscheinend so paradoxe Thatsache, daß im Faulen begriffene Haut
                              in eine in Umsetzung begriffene Infusion von Lohe gebracht zu Leder wird, worin die
                              Fäulniß des einen, sowie die Umsetzung des andern sofort aufhört, doch einigermaßen
                              erklärlich.
                           Wenn in gewissen Fällen, wie bei Lohe und Gerbsäure, die Gerbung in Wasser, selbst in
                              alkalisch gemachtem Wasser, nicht mehr zurückgeht, während die Gerbung in andern
                              Fällen (bei Alaun etc.) durch Wasser wieder aufgehoben wird, so ist dieß genau
                              dasselbe Verhältniß, welches man in der Färberei mit ächten und mit unächten Farben bezeichnet.
                           Eine Frage von vorwiegendem Interesse ist die Zeit, welche zu einer bestimmten
                              Gerbung nothwendig ist, die Geschwindigkeit, mit der sie vor sich geht. In allen
                              aufgeführten Fällen der mitgetheilten Versuche sind nicht Tage, sondern nur Stunden
                              erforderlich, oft nur eine oder eine halbe Stunde. Man fand, daß die Raschheit der Gerbung um so
                              größer ist, je größer die Verschiedenheit der ins Spiel kommenden Flüssigkeiten,
                              d.h. der Flüssigkeit, mit welcher die Haut beim Einlegen imprägnirt ist und der
                              Gerbflüssigkeit. Je größer diese Verschiedenheit ist und zwar sowohl in der Natur
                              der Flüssigkeiten, als in ihrer Dichtigkeit, mit um so größerer Energie werden sie
                              in einander diffundiren. Man kann daher sagen, daß wenigstens soweit die
                              vorliegenden Versuche reichen, die Gerbung um so schneller verläuft, je energischer
                              die Diffusion in der Haut vor sich geht. Haut im Innern mit Wasser imprägnirt,
                              außerhalb Alkohol, Aether, syrupdicke ätherische Gerbsäurelösung, Chromsäurelösung
                              (wässerige) als Gerbflüssigkeit, solche Haut verwandelt sich in einer halben bis
                              ganzen Stunde in Leder.
                           Auch andere Einflüsse wirken nebenbei auf die Raschheit der Gerbung ein. Dahin gehört
                              die größere oder geringere Leichtigkeit, mit der das Gerbmittel durch die
                              Flächenanziehung der Faser unlöslich gemacht wird, ferner die Natur des Vehikels,
                              worin das Gerbmittel gelöst ist. Hat dieses Vehikel, wie Weingeist oder
                              Kochsalzlösung, schon an und für sich die Eigenschaft, die Faser in den Zustand der
                              Gerbung zu versetzen oder nahezubringen, so wird die Raschheit der Gerbung sehr
                              erhöht.
                           Es bedarf kaum besonderer Erwähnung, daß die Dicke der Haut für die Dauer des Gerbens
                              in hohem Grad maaßgebend ist. Kalbfelle oder Lammfälle, welche man bei obiger Angabe
                              im Auge hatte, bedürfen natürlich weniger Zeit, als halbzolldicke Rindshäute.
                              Bekanntlich ist die Gerbung mit Gerbstoff der Eichenlohe diejenige, welche bei
                              weitem am meisten Zeit und somit Betriebscapital in Anspruch nimmt. Bei starken
                              Sohlledern sind bis zu drei Jahren nöthig, um sie gar zu machen, und alle Methoden,
                              die Zeit abzukürzen, sind nur auf Kosten der Qualität gelungen. Bei der fast
                              völligen Unkenntniß des Lohrindengerbstoffs, in der wir uns befinden, fehlen zur
                              Zeit alle Anhaltspunkte, um einen bestimmteren Schluß auf die Ursache zu ziehen.
                           Ist die Gerberei nur ein besonderer Fall der Färberei, so kann darum nicht
                              vorausgesetzt werden, daß jede Färbung der Haut auch nothwendig mit einer Gerbung
                              verbunden seyn müsse. In einer Indigküpe ausgefärbt und dann der Luft ausgesetzt,
                              färbt sich die Haut tief und satt blau, in einem Infusum von Nußschalen tief
                              schwarzbraun. In beiden Fällen – so viel man sich auch Mühe gab, das Alkali
                              der Indigküpe durch Säuren und Auswässern fortzuschaffen – entsteht nach dem
                              Trocknen eine dichte hornige Masse, aber kein Leder. Offenbar besitzen diese
                              Farbstoffe eher die Eigenschaft, die Hautfasern an einander zu leimen, als sie am
                              Zusammenkleben zu hindern.
                           
                           Dieser Erfahrungen mit Indig und Wallnußschalen ungeachtet lag es nahe, die über das
                              Wesen des Leders und der Gerberei gewonnenen Ansichten über die Gränzen der jetzigen
                              Praxis auszudehnen, um zu sehen, ob nicht sonst praktisch brauchbare Methoden daraus
                              abzuleiten seyen, ob nicht etwa die Färberei in ihren Kunstgriffen und Erfahrungen
                              mit Vortheil für die Gerberei ausgebeutet werden kann.
                           Nun ist es eine bekannte Erfahrung in der Färberei, daß eine färbende Verbindung sich
                              dann am dauerhaftesten und haltbarsten auf der Faser befestigt, wenn sie unmittelbar
                              auf der Faser selbst niedergeschlagen wird. Man wählte also Körper, die sich
                              einerseits auf diese Art befestigen lassen, andererseits voraussichtlich das
                              Zusammenkleben der Faser möglichst verhindern und endlich, während sie den
                              Bedingungen einer raschen Gerbung genügen, sich thunlichst der Geschmeidigkeit der
                              Hautfaser anschmiegen, während sie zugleich der auflösenden Kraft des Wassers
                              möglichst widerstehen.
                           Die gerbende Eigenschaft des Eisenoxyds ist längst bekannt, aber man hat bis jetzt
                              kein brauchbares Leder daraus erhalten, theils weil man es seiner Farbe wegen als
                              Surrogat des lohgaren Leders und mit diesem concurrirend anwenden wollte, theils aus
                              mangelhafter Kenntniß der Bedingungen der Lederbildung. Eisenoxyd- und
                              Chromoxydsalze haben beide in eminentem Grad die Eigenschaft Haut in Leder zu
                              verwandeln. In einer Auflösung von schwefel- oder besser salzsaurem Eisenoxyd
                              färbt sich die Haut schön rothbraun, in einer solchen von salzsaurem Chromoxyd schön
                              blaugrau, allein nach dem Trocknen bildet sie ein plattes, schlechtes,
                              narbenbrüchiges, oft ganz sprödes Leder, selbst dann noch, wenn die Gerbflüssigkeit
                              möglichst wenig oder keine freie Säure enthält. Von der Art sind die Eisenleder, wie
                              man sie bisher gewöhnlich dargestellt hat. Denn wenn auch die freie Säure völlig aus
                              dem Spiel bleibt, so versetzt doch die saure Reaction der fraglichen Salze die Haut
                              in einen Zustand, welcher das Product nur zu leicht benachtheiligt. Eine
                              ausgesprochene neutrale oder alkalische Reaction versetzt die Haut in den Zustand
                              der Schwellung, welchen Zustand sie in und nach der Gerbung beibehält. Leder von
                              geschwellter Haut, wie Sohlleder, ist, wenn auch noch so gar, dicker, straffer und
                              steifer als Leder von nicht geschwellter Haut. Die saure Reaction der Eisensalze und
                              Chromsalze macht selbst bei dünnen Häuten ein allzusteifes, besonders dem
                              Narbenbruch unterworfenes Leder. Versetzt man dagegen die salzsaure Lösung des Oxyds
                              vor dem Gerben allmählich mit so viel Soda oder Aetznatron, als sie verträgt, ohne
                              einen bleibenden Niederschlag zu bilden, so hat man den doppelten Vortheil, daß die
                              Verbindung des Oxyds auf diese Art leichter und reichlicher auf die Faser niedergeschlagen, daß
                              die saure Reaction auf die Haut (wenn auch nicht auf Lackmuspapier) gehoben, und daß
                              endlich eine dem Zusatz der Soda entsprechende Menge Kochsalz gebildet wird. Es
                              verhält sich mit andern Worten eine so präparirte Eisen- oder Chromoxydlösung
                              zu der einfachen salzsauren, wie die Alaunlösung der Gerber zu Chloraluminium. Aus
                              dieser Lösung gerben sich nun die Häute ohne Vergleich viel leichter und mit voller
                              Geschmeidigkeit. Sie bedürfen wie die alaungaren Leder vor der völligen Trockne des
                              Stollens, d.h. der völligen Trennung der Fasern durch Dehnen und Ziehen. Nimmt man
                              statt der wässerigen ebenso präparirte weingeistige Lösungen von salzsaurer
                              Thonerde, Chromoxyd und Eisenoxyd, so geht die Gerbung überraschend leicht vor sich
                              und die Leder haben nicht einmal das Stollen mehr nothwendig. Immer haben sie jedoch
                              mit dem weißgaren gemein, daß sie im Wasser die Gerbung verlieren und deßhalb nur
                              für Gegenstände brauchbar sind, die nicht mit Feuchtigkeit in Berührung kommen. Um
                              ihnen Widerstand gegen dieses Element zu geben, suchte man die genannten Metalloxyde
                              auf der Faser in unlösliche Verbindungen überzuführen, welche zugleich möglichst der
                              Biegsamkeit und Weichheit der Hautfasern sich anschmiegen, die Raschheit der Gerbung
                              möglichst befördern und möglichst haltbar auf der Faser fixirt sind. Unter allen
                              Verbindungen der in Rede stehenden Metalloxyde erscheinen zu diesem Zweck keine
                              geeigneter, als die mit den fetten Säuren, also die Thonerde-, Eisen –
                              und Chromoxydseifen. Sie sind in Wasser unlöslich, im trockenen Zustande mehr
                              wachsartig biegsam als spröde, besitzen die Farbe der zu Grund liegenden Oxyde und
                              gewähren den Vortheil, daß sie sich durch doppelte Zersetzung aus in Wasser
                              löslichen Verbindungen herstellen lassen. Dabei kommt der bekannte
                              Erfahrungsgrundsatz der praktischen Färberei zur Anwendung, daß ein Stoff sich dann
                              am dauerhaftesten und haltbarsten auf die Faser fixiren läßt, wenn er unmittelbar
                              aus seinen Bestandtheilen auf die Faser niedergeschlagen wird. Der Erfolg entsprach
                              in jeder Beziehung der Erwartung.
                           Zum Behuf dieser neuen Art von Gerbung bereitet man zwei Bäder, eines mit
                              Seifenwasser und eines mit den auf obige Weise bereiteten Salzlösungen. Zu dem
                              Seifenbad ist ihrer vollständigen Auflöslichkeit wegen Schmierseife besser als die
                              in der Kälte nur theilweise lösliche gewöhnliche harte Seife. Gemeine Schmierseife
                              beeinträchtigt jedoch die Reinheit der Farbe des Leders einigermaßen, was bei
                              gewöhnlicher Sodaseife nicht der Fall ist. Wo es daher besonders darauf ankommt,
                              eine reine Farbe zu haben, wie beim weißen Alaunleder, thut man am besten, eine
                              Schmierseife aus Kalilauge und reinerem Fett (Talg etc.) zu verwenden. Die
                              Seifenbäder müssen verdünnte seyn, d.h. nicht mehr als 1/20 bis 1/30 Seife enthalten, und wenn sie
                              aus Sodaseife hergestellt sind, etwa 30° R. warm seyn, was bei Schmierseife
                              nicht nothwendig ist. Die Auflösung der gerbenden Salze soll ebenfalls etwa 1/20
                              daran enthalten. Man bringt die Blößen zuerst in die Salzlösung, bewegt sie darin
                              fleißig, nimmt sie öfter heraus zum Abtropfen, legt sie wieder ein u.s.f., bis sie
                              gehörig mit angezogen haben und imprägnirt sind, wozu 1 bis 2mal vierundzwanzig
                              Stunden hinreichen. Nachdem sie zum letztenmal abgetropft sind, kommen sie zum
                              Ausgerben in die Seifenlösung, ebenfalls 1 bis 2mal vierundzwanzig Stunden. Durch
                              die äußerlich anhängenden Reste der Salzlösung, die man vor dem Einlegen in das
                              Seifenwasser nie völlig entfernen kann, bildet sich stets etwas Niederschlag auch
                              außerhalb der Haut, der sich ohne weiteren Nachtheil zu Boden setzt. Nach der
                              Gerbung werden die Häute abgespült und getrocknet. Bedient man sich für diese
                              Gerbmethode weingeistiger Lösungen von Seife und Gerbsalz, so ist dieß der Höhepunkt
                              von Raschheit und Vollständigkeit der Gerbung; die Leder kommen so zu sagen schon
                              zugerichtet aus der Brühe, weich und geschmeidig.
                           Wie man sieht, ist diese Gerbung mit unlöslichen Seifen, wenn auch keineswegs im
                              Princip, doch in der Tendenz der aus der Weiß- und Sämischgerberei gemischten
                              ähnlich. Das mit Alaun und Seife gegerbte Leder ist weiß und besitzt statt der
                              trocken anzufühlenden fast kreidigen Oberfläche der rein alaungaren Leder, eine
                              weiche mehr glänzende und fettig anzufühlende Oberfläche, wie dieß auch bei den
                              Eisen- und Chromoxydledern der Fall ist. Die Farbe dieser ist gerade so, wie
                              bei der Gerbung mit Oxyden für sich, bei Eisen rothbraun, bei Chrom graublau; gerbt
                              man aus einer Flüssigkeit, welche Eisen- und Chromoxydsalze gemischt enthält,
                              so entsteht eine Farbe, welche bei richtigem Verhältniß der der lohgaren Leder bis
                              zur Täuschung ähnlich gemacht werden kann.
                           Nach demselben Princip läßt sich eine Art sämisches Leder erzeugen, wenn man eine
                              Blöße abwechselnd mit einer Lösung von Seife in oben bezeichneter Stärke und
                              verdünnter Säure behandelt, so daß sich die fetten Säuren in der Faser
                              niederschlagen, nur muß man in diesem Fall noch verdünntere Lösungen nehmen und das
                              Leder nach der Gerbung gut auswässern. Am besten gelingt es, die Haut zuerst in das
                              angesäuerte Wasser, dann in das Seifenwasser zu legen, dieß zu wiederholen zwei bis
                              dreimal, bis eine Probe garen Schnitt zeigt, dann die Haut erst zu trocknen und nach
                              dem Trocknen mit dem Schwamm von der anhängenden Seife zu befreien.
                           Schließlich ist noch zu erwähnen, daß sich ein vorzüglich schönes weißes Glanzleder
                              erzeugen läßt, wenn man das reingemachte Lamm- oder Ziegenfell, wie es zu
                              Glacéhandschuhen gebraucht wird, in einer gesättigten weingeistigen lauen
                              Stearinsäurelösung ausgerbt, wozu man das unter diesem Namen vorkommende Product der
                              Stearinfabriken verwenden kann. Das so erzeugte Leder ist sehr geschmeidig und
                              zügig, von weißerer Farbe als gewöhnliches Glacéhandschuhleder und hat einen
                              ganz besonders schönen natürlichen Glanz der Narbe.