| Titel: | Anwendung der Runkelrübentrester zur Papierfabrication; von R. H. Collier in London. | 
| Fundstelle: | Band 149, Jahrgang 1858, Nr. CXI., S. 392 | 
| Download: | XML | 
                     
                        CXI.
                        Anwendung der Runkelrübentrester zur
                           Papierfabrication; von R. H.
                              Collier in London.
                        Aus dem Moniteur industriel, 1858, Nr.
                              2279.
                        Collier, über Anwendung der Runkelrübentrester zur
                           Papierfabrication.
                        
                     
                        
                           Der Hauptwerth des Rückstandes, welchen die Runkelrüben nach der Verarbeitung auf
                              Spiritus in der Destillirblase hinterlassen, besteht in seinem Gehalt an
                              Pflanzenfaserstoff (welcher 36 Proc. des trocknen Rückstandes beträgt), ferner an
                              Stärkmehl, Gummi, Eiweißstoff und Pflanzenleim oder anderen Proteinstoffen
                              (beiläufig 34 Procent des trocknen Rückstandes). Letztere Substanzen sind ganz
                              geeignet dem mit Zusatz von Rübentrestern angefertigten Papier Festigkeit, Zähigkeit
                              und Undurchdringlichkeit oder Leimung zu ertheilen, daher es darauf ankommt sie zu
                              fixiren und zu conserviren, während man bisher bei der Verwendung der Rübentrester
                              zur Papierfabrication im Gegentheil bemüht war diese Substanzen so gut als möglich
                              wegzuschaffen, nämlich durch Auspressen der Rückstände im rohen Zustand, oder durch
                              Auswaschen derselben mit Wasser oder durch Einwirkung von Essigsäure oder
                              caustischen Alkalien. Die essigsaure Gährung zerstört bekanntlich die
                              Proteinsubstanzen; durch kaltes Wasser werden dieselben im rohen und nicht
                              geronnenen Zustande fast gänzlich aufgelöst, daher man ein Auswaschen oder ein
                              Auspressen der Trester vor ihrer Präparation (welche die eiweißartigen und
                              schleimigen Substanzen gerinnen macht) durchaus vermeiden muß. In dem feuchten
                              Zustand, worin diese Trestern von den Rübenbrennereien abgegeben werden, müßte sich
                              aber die essigsaure Gährung bald einstellen, wenn man sie nicht zu verhindern suchen
                              würde. Zu diesem Zweck und um zugleich zu verhüten, daß sich die Trestern erhitzen,
                              endlich um sie zum Transport geeigneter zu machen, läßt man sie bei einer Temperatur
                              unter 40° C. (32° R.) trocknen. Man kann sie auch dadurch conserviren,
                              daß man sie (ohne sie
                              auszupressen) in Wasser kochen läßt, aber dieses Verfahren ist für einen weiten
                              Transport derselben weniger vortheilhaft, weil sie nach diesem Kochen ein viel
                              beträchtlicheres Volum einnehmen und man sie doch nicht auspressen darf.
                           Die erwähnte Präparation der Trestern besteht darin, daß man dieselben in kochendes
                              Wasser wirft oder sie in einem geeigneten Apparat mit Dampf behandelt, kurz sie der
                              Einwirkung feuchter Wärme von 100° bis 145° C. (80 bis 116° R.)
                              so lange aussetzt, daß die eiweißartigen und schleimigen Substanzen gerinnen, was,
                              wenn man sich des Dampfes bedient, unter einem Druck von 1 bis 2 Atmosphären
                              gewöhnlich nach Verlauf einer Stunde der Fall ist.
                           Nachdem dieses Kochen oder Dämpfen lange genug gedauert hat, setzt man 2 bis 4 Proc.
                              calcinirte Soda zu, um die außer dem Faserstoff und den Proteinstoffen vorhandenen
                              Substanzen zu entfernen, oder auch 1 1/2 bis 5 Procent Schwefelsäure, je nachdem das
                              Papier mehr oder weniger fest werden soll. Die Schwefelsäure ertheilt nämlich dem
                              neuen Papierzeug Zähigkeit und Dichtigkeit, indem sie dem Zellgewebe Cohäsion
                              verleiht und in den Proteinstoffen einen klebrigen Zustand entwickelt.
                           Die Trestern sind nun präparirt, und es kann jetzt der Zeug damit angefertigt und mit
                              andern Faserstoffen in geeignetem Verhältniß versetzt werden.
                           Um weißes Papier zu machen, wird der auf angegebene Weise aus den Trestern
                              angefertigte Zeug mit Chlorkalklösung gebleicht. Man vermengt ihn dann mit Zeug von
                              baumwollenen oder leinenen Lumpen im Verhältniß von 10 bis 50 Procent, je nach der
                              beabsichtigten Papiersorte.
                           Da die Cellulose, das Stärkmehl und die Proteinsubstanzen in hohem Grade das
                              Bestreben besitzen, sich auszudehnen, wenn man sie der Wärme und der Feuchtigkeit
                              aussetzt, so sind sie besonders geeignet um Zeugsorten von anderen Faserstoffen,
                              z.B. von Baumwolle, Körper zu ertheilen. In einem solchen Gemenge wird jede Faser
                              cylindrisch, dick, und erlangt die Festigkeit derjenigen des Hanfs und des Leins,
                              überdieß verliert sie ihre Form in der Presse nicht mehr. Setzt man 10 Procent
                              präparirte Trestern anderen gewöhnlichen Zeugsorten zu, so erhält man ein festeres
                              und biegsameres Papier; 25 Procent sind sogar hinreichend, um das Packpapier ohne
                              besondere Leimung wasserdicht zu machen.
                           Bei der Anfertigung des Tresternzeuges zu Packpapier für Messerschmiedewaaren und
                              andere polirte metallene Gegenstände, muß man die Soda und die Schwefelsäure
                              weglassen. 50 Procent (mit Dampf gekochter und dann gepreßter) Trestern liefern ein
                              Papier welches fast so stark wie Pergament ist, und selbst in Form dünner Bogen die
                              eingepackten Gegenstände gegen jeden Angriff der Feuchtigkeit schützt.
                           Sehr starkes Papier, Pappe etc., kann man mit 75 Procent präparirter Trestern und 50
                              Procent Baumwolle machen; oder mit 50 Proc. präparirten Trestern, 40 Proc. rohen
                              Trestern und 10 Proc. Holzsägespänen, gehacktem Heu oder Stroh etc. Sehr festes
                              Packpapier erhält man mit 50 Proc. präparirter Trestern und eben so viel gehacktem
                              feinem Stroh; oder auch mit 50 Theilen weißen Sägespänen, 30 Theilen präparirten
                              Trestern und 20 Th. Baumwolllumpen. Will man dem Papier ein glasirtes Ansehen
                              ertheilen, so setzt man 1/2 bis 1 Procent oder mehr Schwefelsäure zu. Die
                              Verhältnisse der erwähnten Materialien müssen stets nach der Stärke, Weichheit oder
                              Festigkeit, die man dem Papier ertheilen will, abgeändert werden; wenn man aber die
                              präparirten Trestern in zu starkem Verhältnis, z.B. über 75 Proc. zusetzt, so hält
                              es schwer das Papier auf den Walzen der Maschine zu trocknen, wegen der
                              Undurchdringlichkeit der geronnenen Proteinstoffe.