| Titel: | Ueber die absolute Festigkeit der Metalldrähte; von Carl Karmarsch. | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. IX., S. 46 | 
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                        IX.
                        Ueber die absolute Festigkeit der Metalldrähte;
                           von Carl
                              Karmarsch.
                        Im Auszug aus den Mittheilungen des hannoverschen
                                 Gewerbevereins, 1859 S. 137.
                        Karmarsch, über die absolute Festigkeit der
                           Metalldrähte.
                        
                     
                        
                           Es ist, sagt der Verf., eine Thatsache, welche ich vor längerer Zeit durch eine große
                              Reihe von Versuchen ausführlich nachgewiesen habeJahrbücher des k. k. polytechn. Instituts in Wien, 1834, Bd. XVIII S. 54., daß der Regel nach – alle sonstigen Umstände, namentlich die
                              Beschaffenheit des Metalls und die Einwirkung der Glühungen zwischen dem Ziehen
                              gleichgesetzt – die Zerreißungsfestigkeit eines Drahtes, auf gleiche
                              Querschnittfläche reducirt, desto größer sich herausstellt, je feiner derselbe
                              gezogen ist. So steigert sich beim Eisendrahte durch fortgesetzte Verfeinerung die
                              Festigkeit, für 1 Quadratzoll Querschnittsfläche berechnet, auf das Anderthalbfache
                              und sogar auf das Doppelte, beim Stahl- und Messingdrahte auf das 1 1/2fache,
                              beim Kupferdrahte auf das 1 1/3fache, beim Feinsilberdrahte auf das 1,3fache u.s.w.
                              Es läßt sich deßhalb ein einziger durchweg gültiger Festigkeitscoefficient für
                              Drähte aus einer und derselben Metallsorte nicht aufstellen, und verlieren dadurch
                              die Resultate der vorhandenen Versuche über Festigkeit der Drähte ungemein viel an
                              Bequemlichkeit des Gebrauchs, wenn man nach ihnen Schätzungen über die Tragkraft
                              eines Drahtes in bestimmtem Falle ableiten will.
                           Die Ursache der berührten Erscheinung liegt unstreitig in Folgendem: Wenn ein Draht
                              feiner und feiner gezogen wird, vermindert sich seine Festigkeit – d.h. die zum
                              Abreißen desselben erforderliche Zugkraft – nach Verhältniß seiner
                              Querschnittsfläche oder des Quadrats seines Durchmessers. Zugleich aber findet ein
                              Zuwachs an Festigkeit dadurch statt, daß das Metall, zunächst an der Oberfläche,
                              vermöge des Druckes in den Ziehlöchern verdichtet, wohl in der Textur vortheilhaft
                              verändert wird. Da diese Wirkung unmittelbar am Umkreise des Querschnittes vor sich
                              geht, so steht ihre Größe im Verhältnisse dieses Umkreises, oder was eben so viel
                              sagen will, des Durchmessers.
                           Man darf sich daher die Festigkeit F eines Drahtes vom
                              Durchmesser D als aus 2 Theilen zusammengesetzt
                              vorstellen, von welchen der eine von dem Durchmesser, der andere von der zweiten
                              Potenz des Durchmessers abhängig ist; d.h. man kann
                           F = aD² + bD
                              
                           setzen, worin a und b aus der Erfahrung abgeleitete Coefficienten sind.
                           Zieht man einen einzelnen Draht für sich in Betrachtung, so gestattet die vorstehende
                              Gleichung unzählig viele Auslösungen, d.h. unzählig viele Werthe für die
                              Coefficienten a und b, weil
                              von diesen der eine abnimmt, so wie der andere beliebig vergrößert wird. Sollen aber
                              die Coefficienten für zwei oder gar für viele – dickere und dünnere –
                              Drähte aus demselben Metalle Gültigkeit haben, so sind sie nicht mehr willkürlich;
                              vielmehr bekommen sie alsdann feste Werthe, deren Auffindung mittelst Gleichungen zu
                              geschehen hat, wie die folgenden:
                           F = aD² + bD          f = ad² + bd,
                           worin D und d die Durchmesser zweier verglichenen Drähte, F und f deren Festigkeiten sind.
                           Der Verf. bemerkt hierbei, daß in Folgendem ohne Ausnahme die Drahtdicken in
                              Millimetern, und die Festigkeiten in deutschen Pfunden (Zollpfunden oder halben
                              Kilogrammen) ausgedrückt werden.
                           Um aus Versuchsresultaten die Coefficienten a und b mit einiger Sicherheit ableiten zu können, muß man die
                              Zerreißungsgewichte einer etwas größeren Reihe von Drähten sehr verschiedenen
                              Durchmessers und aus möglichst gleich beschaffenem Metalle vor sich haben. Leider
                              entsprechen die in Druckschriften niedergelegten Erfahrungen fast durchaus sehr
                              wenig dieser Forderung; der Verf. ist deßhalb hauptsächlich auf seine eigenen
                              Beobachtungen verwiesen, welche sich nicht auf Drähte von bedeutender Dicke
                              erstrecken.
                           Will man aus einer derartigen Reihe von Festigkeitsbestimmungen die Coefficienten a und b herleiten, so hat
                              man die Zahlen, welche der Ausdruck der Festigkeiten sind, alle paarweise ohne
                              Wiederholungen zu combiniren und jedes Paar zur Aufstellung zweier Gleichungen nach der Form
                           F = aD² + bD          f = ad² + bd
                              
                           zu verwenden. Durch Auflösung sämmtlicher Gleichungen werden
                              eben so viele Werthe für a und b gefunden, als man Paare gehabt hat. Diese Werthe weichen nicht selten
                              bedeutend von einander ab; ja es kommen einzelne Fälle vor, wo sie widersinnig sind,
                              weil b mit dem Zeichen – (als negative Größe)
                              auftritt. Jeder einzelne der berechneten Werthe ist richtig für die zwei Drähte, aus
                              deren Zusammenstellung er hervorging, aber deßhalb nicht auch richtig für andere
                              Drähte. Das weiter einzuschlagende Verfahren besteht nun darin, unter der ganzen
                              Liste die am nächsten mit einander übereinstimmenden Werthe in möglichst kleiner
                              Anzahl jedoch so auszuwählen, daß jeder Draht wenigstens einmal darin repräsentirt
                              ist; und endlich hieraus das arithmetische Mittel zu nehmen. Wenn etwa für einen
                              einzelnen Draht die Werthe gar zu bedeutend abweichen, so bekundet diese eine
                              abnorme Beschaffenheit dieses Drahtes, und es ist besser, ihn ganz bei Seite zu
                              lassen, als durch seine Miteinführung das arithmetische Mittel zum Nachtheile der
                              übrigen Versuche wesentlich zu alteriren.
                           Mittelst der so gewonnenen durchschnittlichen Coefficienten a und b kann man nun die Festigkeit eines
                              Drahtes von gegebenem Durchmesser durch die bekannte Gleichung
                           F = aD² + bD
                              
                           berechnen, was der Verf. durch folgende Beispiele
                              erläutert:
                           Versuchsreihe mit Eisendrähten aus einer österreichischen
                                 Fabrik.
                           
                              
                                 Nr.
                                 Dicke.Millim.
                                 Festigkeit.Pfund.
                                 Nr.
                                 Dicke.Millim.
                                 Festigkeit.Pfund.
                                 
                              
                                 I.
                                 1,118
                                 129,7
                                 VII.
                                 0,513
                                 39,2
                                 
                              
                                 II.
                                 0,991
                                 105,5
                                 VIII.
                                 0,451
                                 30,6
                                 
                              
                                 III.
                                 0,794
                                   69,0
                                 IX.
                                 0,394
                                 26,7
                                 
                              
                                 VI.
                                 0,699
                                   60,9
                                 X.
                                 0,348
                                 21,0
                                 
                              
                                 V.
                                 0,591
                                   49,7
                                 XI.
                                 0,316
                                 18,8
                                 
                              
                                 VI.
                                 0,551
                                   44,3
                                 XII.
                                 0,265
                                 14,4
                                 
                              
                           Die 12 Drähte geben durch Combination zu Paaren 66 Zusammenstellungen. Aus I. und II.
                              z.B. erhält man die Gleichungen:
                           a . (1,118)² + b .
                              1,118 = 129,7 und
                           a . (0,991)² + b .
                              0,991 = 105,5;
                           
                            d. i.
                           a . 1,25   + b
                              . 1,118 = 129,7 und
                           a . 0,982 + b . 0,991 =
                              105,5,
                           woraus gefunden wird:
                           a = 75,20
                           b = 31,94,
                           und analog für die übrigen Paare. Eine Auswahl unter den 66
                              Werthen der Coefficienten, nach oben angezeigtem Grundsatze bewerkstelligt, ergibt
                              Folgendes:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 a =
                                 b =
                                 
                              
                                 durch
                                 I.
                                 und
                                 X.
                                 72,30
                                 35,18
                                 
                              
                                 „
                                 I.
                                 „
                                 XII.
                                 72,30
                                 35,18
                                 
                              
                                 „
                                 II.
                                 „
                                 X.
                                 71,72
                                 35,38
                                 
                              
                                 „
                                 III.
                                 „
                                 XII.
                                 61,55
                                 38,03
                                 
                              
                                 „
                                 IV.
                                 „
                                 XI.
                                 72,17
                                 36,69
                                 
                              
                                 „
                                 V.
                                 „
                                 IX.
                                 82,84
                                 35,14
                                 
                              
                                 „
                                 VI.
                                 „
                                 IX.
                                 80,45
                                 36,08
                                 
                              
                                 „
                                 VII.
                                 „
                                 IX.
                                 72,60
                                 39,17
                                 
                              
                                 „
                                 I.
                                 „
                                 VIII.
                                 72,35
                                 35,12
                                 
                              
                                 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Mittel
                                 73,14
                                 36,22
                                 
                              
                           Der Verf. führt nun weiter die speciellen Resultate seiner Forschungen auf und stellt
                              dann am Schlusse die allgemeinen Ergebnisse der ganzen Untersuchung mit folgenden
                              Worten zusammen:
                           1) Die absolute Festigkeit eines Drahtes richtet sich, bei gleicher Art des Metalles,
                              nicht allein nach der Größe der Querschnittsfläche, sondern ist als aus zwei Theilen
                              zusammengesetzt zu betrachten, von welchen der eine mit dem Quadrate des
                              Durchmessers, der andere mit dem Durchmesser selbst in geradem Verhältnisse wächst
                              und abnimmt.
                           2) Daher kann man für jede bestimmte Art oder Sorte von Metall zwei Coefficienten a und b aufstellen, welche
                              – für alle Drahtdicken geltend – durch Multiplication mit
                              beziehungsweise dem Durchmesser und dem Quadrate des Durchmessers zwei Producte
                              geben, deren Summe direct die absolute Festigkeit des Drahtes ausdrückt, d.h. man
                              kann diese Festigkeit gleich setzen
                           aD² + bD,
                           wenn D die Dicke des Drahtes
                              heißt.
                           3) Es ist gelungen, aus vorhandenen Zerreißungsresultaten die Coefficienten a und b für viele zu Draht
                              gezogene Metalle – vorbehältlich der Vervollständigung und Berichtigung durch fernere
                              Versuche – in einem solchen Grade genau zu bestimmen, daß man mittelst
                              derselben die Festigkeit eines gegebenen Drahtes mit einer allermeist völlig
                              befriedigenden Annäherung zu den Erfahrungsresultaten berechnen kann (was mittelst
                              der bisher aufgestellten Festigkeitscoefficienten für 1 Quadratzoll, 1
                              Quadratmillim. etc. nicht möglich ist).
                           4) Die ausgemittelten Coefficienten sind – unter der Voraussetzung, daß die
                              Drahtdicken in Millimetern, die Festigkeiten in deutschen Pfunden (zu 500 Grm.)
                              ausgedrückt werden – folgende:
                           
                              
                                 
                                 Nicht
                                       geglüht.
                                 Geglüht.
                                 
                              
                                 Arten der Drähte.
                                 a =
                                 b =
                                 a + b
                                    od. Festigkeitbei 1 Millim.Dicke.
                                 a =
                                 b =
                                 a + bod. Festigkeitbei 1 Millim.Dicke.
                                 
                              
                                 Gold, 14 karatig
                                  125
                                 23
                                 148
                                 96
                                 14
                                         110
                                 
                              
                                 Stahl
                                  100
                                 42
                                 142
                                 90
                                   6
                                 96
                                 
                              
                                 Eisen, Klaviersaiten
                                  100
                                 36
                                 136
                                 68
                                 10
                                 78
                                 
                              
                                   
                                    „      beste gewöhnliche
                                    Drähte
                                  100
                                 25
                                 125
                                 52
                                   6
                                 58
                                 
                              
                                   
                                    „      gewöhnl.
                                    Drähte
                                 72
                                 36
                                 108
                                 45
                                 10
                                 55
                                 
                              
                                 Neusilber (Argentan)
                                 73
                                 42
                                 115
                                 73
                                   7
                                 80
                                 
                              
                                 Silber, 12löthig
                                 79
                                 33
                                 112
                                 51
                                 16
                                 67
                                 
                              
                                 Messing, gewöhnl. Drähte
                                 86
                                 16
                                 102
                                 45
                                 11
                                 56
                                 
                              
                                       „      
                                    Klaviersaiten
                                 79
                                 11
                                   90
                                 55
                                   4
                                 59
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 55
                                 15
                                   70
                                 37
                                   0
                                 37
                                 
                              
                                 Platin
                                 35
                                 19
                                   54
                                 29
                                 15
                                 44
                                 
                              
                                 Silber, fein
                                 38
                                 15
                                   53
                                 26
                                   3
                                 29
                                 
                              
                                 Gold, fein
                                 29
                                 10
                                   39
                                 24
                                   3
                                 27
                                 
                              
                                 Zink
                                 20
                                     3,5
                                       23,5
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Blei
                                     3,8
                                  0
                                         3,8
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 bis
                                     2,5
                                  0
                                         2,5
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 durchschnittlich:
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Blei, hartes
                                     3,5
                                  0
                                         3,5
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   „    
                                    weiches
                                     2,7
                                  0
                                         2,7
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           5) Der Coefficient a ist jederzeit sehr viel größer, als
                              der Coefficient b; letzterer wird bei den weichsten
                              Metallen fast oder völlig = 0, so: Blei, ausgeglühtes Kupfer, Zink, geglühtes
                              Feingold, geglühtes Feinsilber.
                           
                           6) Durch das Ausglühen der Drähte verkleinern sich beide Coefficienten (– das
                              Neusilber bildet anscheinend eine Ausnahme, welche wahrscheinlich verschwinden wird,
                              wenn man auf Grundlage zahlreicherer Versuche die Coefficienten genauer bestimmen
                              kann –); allein die Verkleinerung ist im Allgemeinen viel bedeutender an b, so daß von diesem Coefficienten ein geringerer
                              Bruchtheil des Werthes, den er im ungeglühten Drahte gehabt hat, zurückbleibt, als
                              von a.
                           7) Deßhalb findet zwischen ungeglühten und geglühten Drähten derselben Art, aber von
                              verschiedener Dicke, keineswegs ein constantes Verhältniß der Festigkeiten statt;
                              vielmehr stellt sich die Festigkeit nach dem Ausglühen als ein desto größerer Theil
                              von der Festigkeit vor dem Ausglühen dar, je dicker der Draht ist. Ein Beispiel mag
                              dieß zeigen. Für gewöhnlichen Eisendraht berechnet sich
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 154, S. 50
                              die Festigkeit; bei der Dicke von;
                                 vor d. Glühen (a = 72, b = 36); nach d. Glühen (a = 45, b = 10); Verhältniß;
                                 Millim.
                              
                           8) Bezieht man, um eine Vergleichung der verschiedenen Metalle in dieser Hinsicht
                              möglich zu machen, das Verhältniß zwischen der Festigkeit vor dem Glühen und jener
                              nach dem Glühen auf Drähte von 1 Millim. Dicke, so stellt es sich folgendermaßen
                              heraus:
                           
                              
                                 Platin
                                 1
                                 :
                                 0,81
                                 
                              
                                 Gold, 14 karatig
                                 1
                                 :
                                 0,74
                                 
                              
                                 Neusilber
                                 1
                                 :
                                 0,69
                                 
                              
                                 Gold, fein
                                 1
                                 :
                                 0,69
                                 
                              
                                 Stahl
                                 1
                                 :
                                 0,68
                                 
                              
                                 Messing, Klaviersaiten
                                 1
                                 :
                                 0,65
                                 
                              
                                 Silber, 12löthig
                                 1
                                 :
                                 0,60
                                 
                              
                                 Eisen, Klaviersaiten
                                 1
                                 :
                                 0,57
                                 
                              
                                 Messing, gewöhnl. Drähte
                                 1
                                 :
                                 0,55
                                 
                              
                                 Silber, fein
                                 1
                                 :
                                 0,55
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 1
                                 :
                                 0,53
                                 
                              
                                 Eisen, gewöhnl. Drähte
                                 1
                                 :
                                 0,51
                                 
                              
                                     „    
                                    beste gew. Drähte
                                 1
                                 :
                                 0,46