| Titel: | Ueber einige Bestandtheile des Hopfens; von Professor Dr. Rudolph Wagner. | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XVI., S. 65 | 
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                        XVI.
                        Ueber einige Bestandtheile des Hopfens; von
                           Professor Dr. Rudolph
                              Wagner.Vorgetragen am 28. Mai 1859 in der Würzburger physikalisch-medicinischen
                                 Gesellschaft. – Aus den Verhandlungen dieser Gesellschaft Bd. X S. 1.
                           
                        Wagner, über einige Bestandtheile des Hopfens.
                        
                     
                        
                           In einer früheren Abhandlung über das ätherische Oel des HopfensPolytechn. Journal Bd. CXXVIII S.
                                       217 suchte ich zu zeigen, daß dieses Oel ein Gemenge sey
                           
                              1) eines mit dem Terpenthinöl isomeren Kohlenwasserstoffes
                                 mit
                              2) einem sauerstoffhaltigen Oele, wahrscheinlich Valerol, welches
                                 die Eigenschaft besitzt, durch Oxydation in Valeriansäure überzugehen, deren
                                 Natur ich später durch Analyse des Baryum- und des Silbersalzes
                                 bestätigte.
                              
                           MulderMulder, Chemie des Bieres, 1858, S. 97. hat meine Versuche wiederholt und meine Angaben, wie er sagt, richtig
                              gefunden, nur begeht auch er den allgemein verbreiteten Fehler, nur in dem
                              sogenannten Lupulin die Quelle des Hopfenöles zu suchen
                              und daraus das Oel darzustellen. Wenn gleich das Hopfenöl in dem Hopfenmehl in
                              größerer Menge als in den mehlfreien Zapfen enthalten seyn mag, so fehlt es doch
                              auch in letzteren nicht, und Mulder würde zur gründlichen
                              Untersuchung hinreichende Mengen Oel erhalten haben, wenn er die Hopfendolden, so
                              wie sie im Handel sich finden, zur Destillation des Oeles benutzt hätte. Wenn die
                              Resultate der Untersuchung des Hopfens praktischen Werth haben sollen, so muß man
                              vor Allem die Ansicht aufgeben, als sey das Lupulin der allein wirksame Bestandtheil
                              des Hopfens, um dessentwillen derselbe in der Bierbrauerei Anwendung fände. Die für
                              die Brauerei allein in Betracht zu ziehenden Hopfenbestandtheile sind über alle Theile der
                              Hopfendolde, allerdings ungleichmäßig, vertheilt. Man darf daher bei der
                              Untersuchung das Lupulin von der Dolde nicht trennen, sondern muß den Hopfen in der
                              Gestalt anwenden, in welcher er in der Bierfabrication verwendet wird.
                           Ich habe meine Untersuchung der Hopfenbestandtheile fortgesetzt und mich mit den
                              nicht flüchtigen Stoffen beschäftigt. Zunächst galt es die Natur der Gerbsäure zu ermitteln, von welcher alle technologischen
                              Schriftsteller bis auf die neueste ZeitHabich, Taschenbuch der Chemie des Bieres, 1858,
                                    S. 19. behaupten, daß sie mit der Zeit in Gallussäure übergehe, und daß der alte
                              Hopfen, weil er keine Gerbsäure mehr enthalte, in der Bierbrauerei nicht mehr
                              angewendet werden könne. Die Bestandtheile des Hopfens unverändert zu erhalten,
                              namentlich zu verhüten, daß „die zum Klären der Bierwürze unentbehrliche
                                 Gerbsäure in Gallussäure übergehe“
                              Siehe meinen Jahresbericht der chem. Technologie pro 1857, S. 302., ist ja zum großen Theil der Zweck der Bereitung von Hopfenextract.
                           Genaue Versuche mit bayerischen Hopfensorten, nämlich
                           mit 3jährigem Hopfen aus Hersbruck,
                           mit mehr als 10jährigem (wahrscheinlich aus der Hollerdau),
                           mit Spalter Hopfen von der Ernte 1858,
                           haben mir die Abwesenheit der Gallussäure dargethan. Der
                              befolgte Gang war folgender: Etwa 50 Grm. des Hopfens wurden mit Wasser ausgekocht,
                              aus dem filtrirten Decoct mit Hausenblaselösung (bei einigen Versuchen eine Lösung
                              von englischem Leim mit etwas Alaun) die Gerbsäure gefällt, abfiltrirt, das Filtrat
                              zur Trockne verdampft und der Rückstand mit siedendem Alkohol ausgezogen. Der
                              Alkohol wurde verdunstet und der Rückstand mit Aether extrahirt. Man erhielt keine
                              Gallussäure, sondern kleine Mengen eines gelbgefärbten amorphen Körpers.
                           Zur Controle der Probe wurden 50 Grm. desselben Hopfens mit 0,5 Grm. reiner
                              Gallussäure versetzt und wie vorstehend behandelt; aus dem Aether schieden sich
                              deutliche Krystalle von gelblicher Gallussäure aus.
                           Ein Gemenge von arabischem Gummi und Leimlösung fällt Gallussäure (die
                              Gallussäurereaction von Pelletier
                              Journal für praktische Chemie Bd. XLVIII S. 95.). Arabisches Gummi gibt aber in der von der Gerbsäure durch überschüssigen
                              Leim befreiten Hopfenabkochung keinen Niederschlag, der sich auf Zusatz von einigen
                              Tropfen Gallussäurelösung sofort bildet.
                           Zur Bestimmung der Gerbsäuremenge bediente ich mich der von Gustav Müller empfohlenen Methode.Polytechn. Journal Bd. CLI S. 69.
                              
                           
                           Von der Voraussetzung ausgehend, daß die Gerbsäure des Hopfens identisch sey mit der
                              Gerbsäure des Gelbholzes (siehe weiter unten), bestimmte ich die Menge der
                              Leimlösung, die zum Fällen einer genau abgewogenen Quantität reiner Moringerbsäure
                              erforderlich war.
                           I. 0,462 Grm. Moringerbsäure brauchten 15,2 K. C. Leimlösung.
                           II. 0,621 Grm. derselben Gerbsäure erforderten 20,3 K. C. Leimlösung.
                           1,000 Grm. Gerbsäure entspricht demnach bei dem Versuche I. 32,9; bei dem Versuche
                              II. 32,6 K. C. Leimlösung.
                           1. Versuch. 10 Grm. Hopfen (Spalt, Ernte 1857,
                              geschwefelt) dreimal mit Wasser ausgekocht, die filtrirten Decocte vereinigt,
                              brauchen 10,3 K. C. Leimlösung.
                           2. Versuch. 10 Grm. Hopfen (Saazer, Ernte 1858) = 19,8 K.
                              C. Leimlösung.Daubrawa (Verhandl. des niederösterr.
                                    Gewerbevereins, 1859, S. 147) fand im Saazer Hopfen der Ernte 1858 7,86
                                    Proc. Gerbsäure. Diese Angabe ist offenbar eine irrige.
                              
                           3. Versuch. 10 Grm. Hopfen (3jähriger aus Hersbruck, nicht
                              geschwefelt) = 13,4 K. C. Leimlösung.
                           4. Versuch. 10 Grm. alter 10jähriger Hopfen = 11,6 K. C.
                              Leimlösung.
                           5. Versuch. 10 Grm. belgischer Hopfen (aus Alost, mehrere
                              Jahre alt) = 14,9 K. C. Leimlösung.
                           6. Versuch. 10 Grm. Hopfen (Spalter Landhopfen, Ernte
                              1858, ungeschwefelt) = 12,8 K. C. Leimlösung.
                           7. Versuch. 10 Grm. Hopfen (Langenzenn, Ernte 1856) = 15,8
                              K. C. Leimlösung.
                           8. Versuch. 10 Grm. englischer Hopfen (Kent, Ernte 1858,
                              wahrscheinlich geschwefelt) = 10,4 K. C. Leimlösung.
                           Aus diesen Versuchen folgt, daß
                           
                              
                                 Sorte
                                 1.
                                 3,17
                                 Proc.
                                 Gerbsäure
                                 enthielt.
                                 
                              
                                 „
                                 2.
                                 5,7
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 3.
                                 4,1
                                 „
                                 „
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                                 „
                                 4.
                                 3,5
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 5.
                                 4,5
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 6.
                                 3,9
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 7.
                                 4,7
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 8.
                                 3,20
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           
                           Vorstehende Zahlen machen keine großen Ansprüche auf Genauigkeit, sie sind jedenfalls
                              etwas zu hoch, da Leimlösung aus der Hopfenabkochung außer die Gerbsäure auch andere
                              Körper fällt, doch werden sie im Stande seyn, zu zeigen, daß das Alter auf den
                              Gerbsäuregehalt von geringerem Einflusse ist, als man bisher glaubte.
                           Was die Natur der Gerbsäure des Hopfens betrifft, so kann
                              ich vor der Hand darüber nur folgende Mittheilungen machen:
                           1. Die Hopfengerbsäure unterscheidet sich von der gewöhnlichen Galläpfelgerbsäure
                              dadurch, daß
                           a) sie eine sogenannte eisengrünende Gerbsäure ist,
                           b) sie sich beim Behandeln mit Säuren und Synaptase
                              nicht in Gallussäure und Glycose spaltet,
                           c) bei der trockenen Destillation keine Pyrogallussäure
                              bildet.
                           2. Die Hopfengerbsäure hat große Aehnlichkeit mit der Moringerbsäure:
                           a) mit concentrirter Schwefelsäure gibt sie eine rothe
                              Säure, die ihren Reactionen nach mit der Rufimorsäure identisch ist;
                           b) bei der trockenen Destillation bildet sie
                              Oxyphensäure.
                           In Folge dieser großen Aehnlichkeit (ob Identität, wird sich durch weitere
                              Untersuchungen herausstellen) der Gerbsäure des Hopfens mit der des Gelbholzes habe
                              ich bei der Bestimmung der Menge der Gerbsäure die Moringerbsäure und nicht das
                              Tannin zu Grunde gelegt.
                           3. Der Hopfen enthält einen gelbgefärbten und gelbfärbenden Körper, welcher sich
                              gegen Reagentien wie Quercitrin (Rutin) verhält und sich eben so wie dieses in
                              Quercetin und Glycose spaltet.
                           4. Bestätigt sich durch fernere Untersuchungen die Identität der Hopfengerbsäure mit
                              der des Gelbholzes (der Moringerbsäure), so würde, wenn der Hopfen nur der Gerbsäure
                              wegen in der Bierbrauerei Anwendung fände, das Gelbholz ein vom chemischen
                              Standpunkte aus zu empfehlendes Surrogat seyn. Es ist wohl aber keinem Zweifel
                              unterworfen, daß die sogenannten bitteren Extractivstoffe, unter denen sich, wie
                              schon Personne
                              Comptes rendus, t. XXXVIII p. 309. andeutet, eine organische Base findet, bei der Herstellung des Bieres eine
                              wichtige Rolle spielen und wahrscheinlich diejenigen sind, um derentwillen der
                              Hopfen der Würze zugesetzt wird. Die Ansicht Knapp's
                              Knapp, Lehrbuch der chemischen Technologie, Bd.
                                    II S. 469. nach welchem das Biertrinken einigermaßen einem combinirten Genusse von
                              Opium und Spirituosen zu vergleichen seyn dürfte, scheint eine durchaus
                              gerechtfertigte zu seyn.
                           
                           Der Gegenstand der nächsten Abhandlung über die Bestandtheile des Hopfens wird die
                              genaue Feststellung der Natur der Hopfengerbsäure und ihrer Zersetzungsproducte
                              seyn.