| Titel: | Construction eines Schwungrads, von C. Kayser in Gleiwitz. | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XX., S. 85 | 
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                        XX.
                        Construction eines Schwungrads, von C. Kayser in
                           Gleiwitz.
                        Im Auszug aus der Zeitschrift des Vereins deutscher
                                 Ingenieure, 1859, Bd. III S. 196.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Kayser's Construction eines Schwungrads.
                        
                     
                        
                           Der Verf. hatte vor Kurzem die Aufgabe, für ein neu zu bauendes Zinkwalzwerk ein
                              Schwungrad zu construiren, welches bei einem Durchmesser von 24 Fuß einen
                              Schwungring von mindestens 400 Centnern Gewicht erhalten sollte. Die
                              Arbeitsgeschwindigkeit des Rades sollte 40 Umdrehungen pro Minute betragen. Die angewendete Construction wird durch die
                              beigegebenen Abbildungen erläutert. Der Schwungring hatte im Querschnitt die aus Fig. 29 zu
                              entnehmenden Maaße und war in acht Segmente getheilt, von welchen jedes in der Mitte
                              das Ende einer Speiche aufnahm. Die Verbindung der Speichen mit den Segmenten war
                              dadurch erreicht, daß das schwalbenschwanzförmige Ende der Speiche in ein
                              entsprechend größeres Loch des Segments eingesteckt wurde (s. Fig. 30). Da die
                              schwalbenschwanzförmige Oeffnung natürlicherweise entsprechend größer werden muß, so
                              sind die zwischen dem Speichenblatte und der Felgenöffnung verbleibenden
                              Zwischenräume durch je zwei Keile fest ausgefüllt, von denen der eine aus Eisen, der
                              andere aus hartem Holze besteht, während noch ein conisch eingetriebener Bolzen quer
                              durch geht. Dieser Bolzen ist von außerordentlichem Nutzen beim Zusammenhängen des
                              Schwungrades und verhindert insbesondere noch beim anfänglichen Eintreiben der Keile
                              den Arm durch ein unvorsichtiges Anziehen einseitig zu spannen, während der Holzkeil
                              bei aller nur wünschenswerthen Widerstandsfähigkeit doch das Zerspringen eines
                              Segments durch Antreiben nicht so leicht zuläßt.
                           Diese gemeinschaftliche Anwendung von Holzkeilen und Eisenkeilen gibt, wenn man die
                              Vorsicht beachtet, recht trocknes Eichenholz zu den Keilen zu verwenden und
                              namentlich mehrere Tage oder Wochen nach der ersten Inbetriebsetzung die eisernen
                              Gegenkeile nochmals fest nachzuziehen (weil auf keine Weise das Holz so sehr zum
                              Austrocknen und Schwinden gebracht werden kann, als durch das Umschwingen in der
                              Luft), eine so feste und dauerhafte Verbindung, daß man, wenn später eintretende
                              Umstände ein Auseinandernehmen eines solchen Rades veranlassen, große Mühe hat,
                              diese Keilschlüsse wieder zu öffnen. In ähnlicher Weise bewirkte der Verf. nun auch
                              die Verbindung der Stöße der einzelnen Segmente unter einander, wie Fig. 31–33 zeigen.
                           Die Segmente waren an den Enden in der Art wie das Hakenblatt bei zusammengestoßenen
                              Balken geformt und greifen mit diesen Haken über einander. Diese Haken paßten jedoch
                              nicht vollständig dicht in einander, sondern ließen in der Mitte zwischen sich einen
                              Spielraum von ungefähr 3 1/2 Zoll Länge frei, welcher wiederum durch zwei Keile a und b, von denen ersterer
                              von Holz, letzterer von Eisen seyn sollte, ausgefüllt wurde. Während zwei Schrauben
                              von je 1 3/4 Zoll Durchmesser die Seitenflächen der Hakenblätter zusammenpreßten,
                              sollten die Keile die Stirnflächen fest und dicht zusammenhalten. Die
                              Maschinenbauanstalt, welcher die Ausführung dieses Schwungrads übertragen worden
                              war, erhob gegen diese Construction Bedenken, nicht sowohl wegen etwaiger
                              Unzuverlässigkeit bei der verhältnißmäßig nur geringen Umdrehungsgeschwindigkeit (40
                              Umdrehungen pro
                               Minute), sondern weil
                              möglicherweise die überaus kräftig treibende Maschine (eine liegende
                              Hochdruckmaschine) bei plötzlich eintretendem Mangel an Arbeitswiderständen, und
                              wenn etwa gleichzeitig der besonders empfindlich construirte Regulator seine
                              Schuldigkeit versagen sollte, durchgehen und das Schwungrad mit einer weit über
                              seine größte Arbeitsgeschwindigkeit hinaufsteigenden Schnelligkeit umtreiben könnte.
                              Der Calcül belehrte indeß bald, daß selbst für einen Fall, der bei dem beschriebenen
                              Schwungrad nie vorkommen konnte, immer noch genügende Sicherheit vorhanden war. Es
                              wurde nämlich angenommen, die Maschine mache in solchem außerordentlichen Falle 100
                              Umdrehungen pro Minute (was bei 3 Fuß 9 Zoll Kolbenhub
                              einer noch nie dagewesenen Kolbengeschwindigkeit von 750 Fuß pro Minute entsprechen würde); nach der in unserer Quelle entwickelten
                              Formel ergibt dieß eine auf das Zerreißen des Ringes hinwirkende Spannung
                           p = 0,0000552327 . 40000 . 100² . 11 1/3 = 250388
                              Pfd.,
                           indem das Gewicht des Schwungringes zu 400 Ctr. und die Lage
                              vom Schwerpunkte des symmetrischen Querschnitts in dessen Mitte, also 11 1/3 Fuß vom
                              Centrum angenommen worden sind.
                           Es ist aber die schwächste Stelle des Schwungringes offenbar die, wo neben dem
                              Hakenblatt der Bolzen durchgezogen ist, und dort unbedingt würde ein Zerreißen
                              stattfinden, wenn die Spannung größer als die absolute Festigkeit des dort gegebenen
                              cohärenten Querschnitts würde. Mit Rücksicht auf die oben angegebenen Dimensionen
                              des Querschnitts des ganzen Schwungringes und der Blatthaken berechnet sich aber die
                              volle Fläche aus dem Rechteck von 16 Zoll und 3 Zoll Seitenlänge und dem
                              Kreisabschnitt von 97 Zoll Radius und 16 Zoll Sehne. Bei diesen Abmessungen ist die
                              Höhe des flachen Bogens genau 2 Zoll und sein Flächeninhalt berechnet sich
                              hinreichend genau nach der parabolischen Formel, also zu 2/3 . 16 . 2; der totale
                              Flächeninhalt ist demnach gleich 16 . 3 + 2/3 . 16 . 2 = 69 1/3 Quadratzoll.
                           Hiernach bringe man nun noch den Längendurchschnitt des Lochs für den Schraubenbolzen
                              in Abzug, also 5 . 1 3/4 = 8 3/4 Quadratzoll, so bleiben an der schwächsten Stelle
                              des Schwungradkranzes noch 69 1/3 – 8 3/4 = 60 7/12 Quadratzoll Querschnitt,
                              dessen absolute Festigkeit dem Zerreißen durch die Centrifugalkraft Widerstand zu
                              leisten hat. Wird dafür in runder Summe 60 Quadratzoll angenommen, so ergibt sich,
                              daß die auf jeden Quadratzoll entfallende Spannung = 250388/60 = 4173 Pfund beträgt.
                              Der Einheitscoefficient für die absolute Festigkeit des Gußeisens beträgt 19000
                              Pfund, und wenn man, da hier ausschließlich schon neues Gewicht als maßgebend gerechnet ist, jene
                              19000 Pfund darauf reducirt, so ergeben dieselben 17773 Pfund, und es bietet dieses
                              Schwungrad in dem angenommenen außerordentlichen Falle, der aller Wahrscheinlichkeit
                              nach nie eintreten kann, immer noch eine 17773/4173 = ungefähr 4 1/4fache
                              Sicherheit, was für alle Fälle weit ausreichend ist.
                           Das fertige Schwungrad wiegt 543 1/2 Centner und wurde für den Preis von 5 1/2 Thlr.
                              pro Centner fertig montirt geliefert, kostet also in
                              Summa 2989 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., während ein gleich wirksames Schwungrad nach der
                              Construction des Hrn. Hoppe mindestens das Doppelte
                              gekostet haben würde. Welche Schwierigkeit die Anfertigung eines so schweren
                              Schwungrades nun gar nach der von Hrn. Hofmann zur
                              Anwendung gebrachten MethodePolytechn. Journal Bd. CXLVIII S.
                                       104. geboten haben würde, läßt sich eigentlich gar nicht a
                                 priori vollständig ermessen, und man würde sich großen Täuschungen
                              hingeben, wenn man auch nur auf eine annähernd billige Herstellung rechnete.
                              Jedenfalls scheinen nach dem hier Gesagten die Fälle höchst selten zu seyn, wo so
                              außerordentliche Bedingungen obwalten, daß die Herstellung der Schwungräder aus
                              Gußeisen nicht mehr zulässig erscheint und man nothgedrungen sich zu dem bei weitem
                              größere absolute Festigkeit bietenden Schmiedeeisen wenden muß.
                           In den meisten Fällen, wo ein Zerreißen von Schwungrädern vorgekommen ist, mag wohl
                              nur die sorglose oder unwissenschaftliche Construction der Verbindungen des Kranzes,
                              nicht aber die specifische Eigenschaft des verwendeten Materials die Schuld davon
                              getragen haben.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
