| Titel: | Beiträge zur Chlorometrie; von Prof. Dr. Rud. Wagner in Würzburg. | 
| Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XXX., S. 146 | 
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                        XXX.
                        Beiträge zur Chlorometrie; von Prof. Dr.
                           Rud. Wagner in
                           Würzburg.
                        Wagner, Beiträge zur Chlorometrie.
                        
                     
                        
                           Eine sehr genaue volumetrische Bestimmung des Chlors gründet sich bekanntlich (vergl.
                              Mohr's Lehrbuch der
                              Titrirmethode S. 382) auf die Ausscheidbarkeit des Jodes aus einer mit Salzsäure
                              angesäuerten Jodkaliumlösung durch Chlor, und Bestimmung der ausgeschiedenen
                              Jodmenge durch eine titrirte Lösung von Natrondithionit (unterschwefligsaurem
                              Natron), welches letztere durch die Einwirkung von Jod in Natriumjodid und
                              Natrontetrathionat übergeht, nach folgender Gleichung:
                           2 (NaO, S₂O₂) + J + HO = NaJ + NaO,
                              S₄O₅ + HO.
                           
                           Diese Methode verdient zur Bestimmung des Handelswerthes der
                                 Hypochlorite weit mehr Beachtung als sie bisher gefunden hat, da sie, was
                              Einfachheit der Operationen betrifft, allen übrigen chlorometrischen Proben
                              vorangeht, hinsichtlich der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Resultate den Proben
                              von Bunsen und Mohr an die
                              Seite zu stellen ist. Vor der Mohr'schen Probe hat sie
                              das voraus, daß sie die giftige arsenige Säure überflüssig macht.
                           Die Ausführung der Probe geschieht auf folgende Weise:
                           10 Grm. Chlorkalk werden mit gröblich gepulvertem Glas
                              (ich bediene mich in Stücken von 5 bis 10 Millimeter Länge zerbrochener Glasstäbe)
                              und Wasser in einer Mischflasche aus starkem Glas zusammengeschüttelt bis der
                              Chlorkalk vollständig zertheilt ist. Das Volumen der Glasstücke wird vorher in der
                              Bürette bestimmt. Bei meinen Versuchen betrug deren Volumen 13,2 Milliliter. Die
                              milchige Flüssigkeit wird mit den Glasbrocken in die Literflasche gespült und darin
                              genau bis zu 1 Liter (bei 17,5° C.) verdünnt. Darauf setzt man noch 13,2
                              Millil. Wasser (das Volumen der Glasstücke) hinzu. Von dieser Lösung verwendet man
                              zu einem Versuche 100 Millil. (= 1 Deciliter), entsprechend 1,0 Grm. Chlorkalk.
                           Die Jodkaliumlösung erhält man durch Auflösen von 10 Grm.
                              Jodkalium in Wasser bis zu 1 Deciliter.
                           Die Lösung des Natrondithionits stellt man durch Lösen von
                              24,8 Grm. (= 2/10 Aeq.) krystallisirtem Natrondithionit (2NaO, S₂O₂ +
                              5HO = 248) in Wasser bis zu 1 Liter dar. 1 Milliliter oder Kubikcentimeter
                              entspricht 1/10'000 Aequivalent Jod = 0,0127 und 1/10'000 Aeq. Chlor = 0,00355.
                           100 Milliliter (= 1 Deciliter) der umgeschüttelten milchigen Chlorkalklösung mischt
                              man mit 25 Millil. Jodkaliumlösung und setzt unter fortwährendem Umschwenken
                              verdünnte Salzsäure bis zur schwachsauren Reaction zu. Es bildet sich eine ziemlich
                              klare, dunkelbraune Lösung, welche man mit
                              Natrondithionit farblos titrirt. Obgleich man auch mit
                              einer kleineren Menge Jodkaliumlösung eben so gute Resultate erzielt, als mit der
                              angegebenen Quantität, so erleichtert es doch die Probe, wenn man mit einer Lösung
                              von Jod in überschüssigem Jodkalium, anstatt mit Jod in Substanz zu thun hat,
                              welches letztere zuweilen ein anhaltendes Rühren und Zertheilen mit dem Glasstabe
                              erfordert, um in dem Natrondithionit gelöst zu werden.
                           
                        
                           Versuche.
                           ChlorkalkA (aus einer hiesigen Apotheke); die Chlorkalklösung wie
                              oben angegeben bereitet (100 Millil. = 1 Grm. Chlorkalk).
                           
                           
                              
                                 I.
                                 100 Millil.
                                 Chlorkalklösung,
                                 
                              
                                 
                                   25    „
                                 Jodkalium,
                                 
                              
                                 
                                   47,6 „
                                 Natrondithionit.
                                 
                              
                                 II.
                                   50 Millil.
                                 Chlorkalklösung,
                                 
                              
                                 
                                   15    „
                                 Jodkalium,
                                 
                              
                                 
                                   24    „
                                 Natrondithionit.
                                 
                              
                                 III.
                                   50 Millil.
                                 Chlorkalklösung,
                                 
                              
                                 
                                   16    „
                                 Jodkalium,
                                 
                              
                                 
                                   24    „
                                 Natrondithionit.
                                 
                              
                                 IV.
                                   50 Millil.
                                 Chlorkalklösung,
                                 
                              
                                 
                                   12    „
                                 Jodkalium,
                                 
                              
                                 
                                   23,9 „
                                 Natrondithionit.
                                 
                              
                                 V.
                                   50 Millil.
                                 Chlorkalklösung,
                                 
                              
                                 
                                   12    „
                                 Jodkalium,
                                 
                              
                                 
                                   23,8 „
                                 Natrondithionit.
                                 
                              
                           50 Milliliter der Chlorkalklösung erforderten demnach im Durchschnitte 23,9 Millil.
                              Natrondithionit. Der untersuchte Chlorkalk enthielt 16,94 Proc. wirksames Chlor,
                              denn
                           23,9 × 0,00355,     0,0847 ×
                                 2,          0,1694
                              Chlor in    1,000 Grm. Chlorkalk,
                                 16,94        „    
                              „  100          
                              „          
                              „
                           Derselbe Chlorkalk wurde zur Vergleichung nach der Methode von Mohr geprüft.
                           100 Millil. Chlorkalklösung (= 1 Grm. Chlorkalk) wurden mit 49 Millil. arsenigsaurem
                              Natron versetzt; zum Blautitriren verbrauchte man 11 Millil. Jodlösung (Titer: 1
                              Vol. Arseniklösung = 10 Vol. Jodlösung), mithin 47,9 Millil. Arseniklösung; der
                              Chlorkalk enthält folglich 17,004 Proc. Chlor (47,9 × 0,00355 = 17,004).
                           ChlorkalkB (von einem hiesigen Materialisten).
                           
                              
                                 I.II.
                                 100 Millil.  25    
                                    „  43,8  „100
                                    Millil.  25    
                                    „  44,2  „
                                 ChlorkalklösungK JNaO,
                                    S₂O₂ChlorkalklösungK JNaO,
                                    S₂O₂
                                 
                                    
                                    
                                 im Mittel demnach44 Millil. NaO,
                                    S₂O₂44,0 × 0,00355 = 15,62 Proc. Chlor.Es ist
                                          unglaublich, wie geringhaltig zum großen Theile der Chlorkalk der
                                          Apotheker und Materialisten ist; anstatt nach der Vorschrift der
                                          bayerischen Pharmakopöe mindestens 20 Proc. wirksames Chlor zu
                                          enthalten, trifft man häufig Chlorkalksorten mit nur 12 Proc.
                                          verwerthbarem Chlor. Auch in Mustern von englischem Chlorkalk, wie
                                          er in den Bleichereien Anwendung findet, findet man nicht selten
                                          anstatt 30 bis 34 Proc. nur etwa 25 Proc. Chlor.
                                 
                              
                           
                           Derselbe Chlorkalk gab nach Mohr 15,79 Proc. Chlor,
                              nämlich:
                           
                              
                                 100 Millil.
                                 Chlorkalklösung,
                                 
                              
                                   50    „
                                 arsenige Säure,
                                 
                              
                                     5,5 „
                                 Jodlösung (Vol. gegen Vol.),
                                 
                              
                                 –––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 demnach 44,5 Millil. AsO₃
                                 
                              
                                 
                                 44,5 × 0,00355 = 15,79.
                                 
                              
                           Eine vorräthige Chlorkalklösung C.
                           I. 5 Millil. davon mit 10 Millil. K J versetzt, brauchten 22,2 Millil. NaO,
                              S₂O₂ zur Entfärbung;
                           II. 1 Millil. davon mit 3 Millil. KJ, brauchten 4,42
                              Millil. NaO, S₂O₂ (4,42 × 5 = 22,1).
                           Bei einer anderen Versuchsreihe brauchte ich zu je 5 Millil. einer mit
                           
                              
                                 10
                                 12
                                 15
                                 und
                                 12,5
                                 Millil.
                                 K J
                                 versetzten Lösung
                                 
                              
                                 22,6
                                 22,5
                                 22,6
                                 „
                                 22,5
                                 „
                                 NaO, S₂O₂.
                                 
                                 
                              
                           Die Uebereinstimmung der Resultate und die Brauchbarkeit der Methode ist daher
                              genügend dargethan.
                           Es braucht kaum angeführt zu werden, daß man die jodhaltigen Flüssigkeiten zu sammeln
                              und daraus von Zeit zu Zeit das Jod abzuscheiden und wieder in Jodkalium zu
                              verwandeln hat.