| Titel: | Ueber Entkalkung der Zuckersäfte; Notizen aus Fabrik und Laboratorium, von Dr. Carl Stammer in Koberwitz bei Breslau. | 
| Autor: | Karl Stammer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. XLVI., S. 210 | 
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                        XLVI.
                        Ueber Entkalkung der Zuckersäfte; Notizen aus
                           Fabrik und Laboratorium, von Dr. Carl
                              Stammer in Koberwitz bei Breslau.
                        Stammer, über Entkalkung der Zuckersäfte.
                        
                     
                        
                           Der Kalk spielt bei der Läuterung der verschiedenen ZuckersäfteZuckerfäste eine so hervorragende Rolle, daß es jedem rationellen Fabrikanten vom
                              größten Interesse seyn muß, die Mittel kennen zu lernen, denselben da, wo er durch
                              die in Lösung bleibende Menge lästig wird, wieder entfernen zu können. Nur dadurch
                              wird es möglich, je nach dem Erforderniß der Umstände ganz beliebige Mengen Kalk zur
                              Verbesserung der Säfte anzuwenden, indem der Ueberschuß nach erreichtem Zwecke
                              wieder aus dem Safte entfernt oder auf die richtige Quantität
                                 reducirt werden kann, was besonders bei Säften von abnormer Beschaffenheit,
                              die sich schlecht scheiden oder dunkle Farbe erlangen, von großer Wichtigkeit ist.
                              Von den zahlreichen Mitteln, welche zur Entfernung des Kalkes gebraucht werden
                              können, verdienen nur eine verhältnißmäßig sehr geringe Anzahl nähere Beachtung und
                              Prüfung, aus Gründen, die hier nicht weiter entwickelt zu werden brauchen, und wenn
                              noch in jüngster Zeit Stoffe wie Seife, Wasserglas, Casein-Ammoniak u. dgl.
                              allen Ernstes vorgeschlagen und nach vorgeblicher Prüfung aufs beste empfohlen
                              werden, so weiß man wirklich nicht, was man von der Berechtigung der Vorschlagenden
                              zu praktischen Vorschlägen halten soll! Es gehört in der That eine eigene Gabe der
                              Keckheit dazu, über Begründung solcher Verfahrungsweisen durch Versuche zu
                              berichten, welche sich nicht allein von vornherein als ganz unzuverlässige
                              ankündigen müssen, sondern sich auch beim ersten Anlegen eines praktischen
                              Versuchsmaaßstabes als jedweden Kriteriums der Zuverlässigkeit entbehrend
                              erweisen.
                           Es ist Aufgabe des technischen Chemikers, nicht allein zu ermessen, ob der Natur der
                              Sache nach eine gegebene Substanz zu dem gewünschten Zwecke überhaupt Aussicht auf
                              größere Anwendung bietet, sondern auch, die Untersuchungen im Laboratorium so mit
                              den Versuchen in der Fabrik zu combiniren, daß ein wohlbegründetes und in jedem
                              Maaßstabe ausführbares Verfahren als Resultat geboten werden kann.
                           Einige der gebräuchlichen, sowie der bisher noch nicht angewandten Entkalkungsmittel
                              habe ich in dieser Weise fortgesetzten, und bis zum Schlußversuch ausgeführten
                              Proben unterworfen, und theile im Folgenden die hauptsächlichsten der gewonnenen
                              Thatsachen mit. Die charakteristischen der erhaltenen Durchschnitts- und Verhältnißzahlen
                              wähle ich dabei aus einer langen Reihe von Versuchen aus, wie sie das tägliche
                              Bedürfniß einer Rübenzuckerfabrik bot, welche im Winter grüne Rüben mittelst
                              Pressen, im Sommer Schnitzel mittelst der Maceration im größten Maaßstabe
                              verarbeitete.
                           Die entkalkende Kraft des ältesten der Entkalkungsmittel, der Knochenkohle oder Schwärze, speciell zu
                              charakterisiren, unterlasse ich theils aus dem Grunde, weil dieselbe schon
                              mannichfach der Gegenstand mehr oder weniger praktisch nutzbarer Untersuchungen
                              gewesen ist, theils weil sie allzusehr mit den Umständen wechselt. Diese Umstände,
                              die sich in ihrer Gesammtheit nicht immer mit einfachen
                              Zahlen bezeichnen lassen, sind zunächst die Menge des in der Knochenkohle
                              enthaltenen – freien und kohlensauren – Kalkes, so wie der absolute
                              Kalkgehalt der darüber Muten Zuckersäfte, dann aber auch die Menge und das
                              Verhältniß der angewandten Kohle, die Zeit der Berührung mit derselben, die
                              Concentration des Saftes und m. a. Gute, d.h. möglichst entkalkte Schwärze entzieht
                              dem Safte, wie er mit großem Kalkgehalte nach der Scheidung darüber geht, im
                              Durchschnitt 60–70 Proc. seines Kalkgehaltes, wobei der gemischte Saft von
                              dem Filter und ebenso der von den verschieden ausgenützten Filtern gemischte Saft
                              als Norm gilt. Indessen wird dieses Verhältniß nicht immer zu erreichen und eine
                              Kalkentziehung von 50 Proc. als gute Durchschnittswirkung zu bezeichnen seyn. Bei
                              kalkreichen Säften wird natürlich diese Zahl bei weitem nicht erreicht, bei sehr
                              kalkarmen, sowie bei Dicksäften aber auch wohl die Gesammtmenge absorbirt.
                           Ich will hierbei für diese und alle nachfolgenden Angaben bemerken, daß dabei im
                              Allgemeinen nur der freie oder an Zucker gebundene Kalk berücksichtigt worden ist,
                              wie derselbe sich durch alkalimetrische Bestimmungen ermitteln läßt, ohne Rücksicht
                              darauf, ob nicht ein Theil desselben durch sein Aequivalent an Alkalien vertreten
                              ist; bleibt sich doch beider Wirkung in allen hier in Betracht kommenden Beziehungen
                              gleich. Außer diesem freien Kalk findet sich indessen noch eine nicht unbedeutende
                              Menge davon im gebundenen, neutralen Zustande vor. Eine Untersuchung von filtrirtem
                              Dünnsaft durch Ausfällen mit Kleesäure und Titriren des Niederschlags mit Chamäleon
                              ergab z.B. 0,177 Proc. Kalk, während die alkalimetrische Bestimmung mit
                              Salpetersäure nur 0,055 ergeben hatte. Ebenso zeigte Dicksaft aus der
                              Schnitzelcampagne – der bekanntlich immer viel kalkhaltiger als in der grünen
                              Campagne ausfällt – 0,90 Procent Gesammtkalkgehalt, während die
                              alkalimetrische Prüfung nur 0,31 Proc. freien Kalk erkennen ließ. Ueber das
                              durchgängige Verhältniß beider Kalkmengen, so wie über die Bedeutung des gebundenen Kalkes für die
                              Fabrication, kann ich bestimmte Angaben nicht machen; auch hängt dieses Verhältniß
                              ohne Zweifel ganz besonders von der Fabricationsmethode und von der Qualität der
                              Rüben ab. Es ist jedoch durch die weiter unten anzuführenden Versuche erwiesen, daß
                              die Entfernung dieses gebundenen Kalks unter Umständen
                              von dem größten Nutzen begleitet ist.
                           Die Entkalkung der Zuckersäfte durch Knochenkohle wird den anderen
                              Entkalkungsmethoden gegenüber in beständiger Anwendung bleiben, und zwar schon
                              deßhalb, weil sie gleichzeitig mit der übrigen Wirksamkeit der Knochenkohle
                              vorgenommen wird, und also nicht einmal ganz umgangen werden kann. Der aufgenommene
                              Kalk wird bei der Wiederbelebung der Kohle durch Salzsäure weggenommen, und hier hat
                              man es in der Hand, die Entkalkung zu reguliren. Wenn nämlich von Zeit zu Zeit der
                              Kalkgehalt der Säfte vor und nach der Filtration bestimmt wird, so kann man nicht
                              allein hiernach die auf eine gewisse Menge Saft, oder für einen gewissen Zeitraum
                              erforderliche Menge Salzsäure berechnen, sondern es liefern auch häufige
                              Kalkbestimmungen der Knochenkohle einen Fingerzeig um zu erkennen, ob ihre
                              Absorptionskraft steigt oder fällt, so daß man dieselbe leicht reguliren kann.
                              Selbstredend ist dabei Gleichbleiben aller anderen Umstände, namentlich das
                              Verhältniß zwischen Saftmenge und Knochenkohle, angenommen. Bei sehr kalkhaltigen
                              Säften jedoch, welche entweder bei der Scheidung und nachfolgenden mechanischen
                              Trennung des Niederschlags mehr Kalk zurückbehalten, als daß die Knochenkohle
                              nachher den nothwendigen Bruchtheil absorbiren könnte, oder bei solchen, welche aus
                              der trocknen Kampagne herrühren, oder auch, wenn es nicht nothwendig oder möglich
                              erscheint, die zur gehörigen Kalkabsorption erforderliche Schwärzemenge anzuwenden,
                              oder endlich, wenn man die von der Kohle zu absorbirende Kalkmenge vermindern will,
                              um nicht zu viel Salzsäure anwenden zu müssen, sind noch andere Entkalkungsmittel
                              willkommen, welche aus dem Safte – Dünnsaft, Dicksaft oder mit Kalk
                              versetzten anderen Zuckerlösungen – den Kalk nach Belieben auszufällen
                              erlauben. Hiervon sey zunächst die Kohlensäure
                              erwähnt.
                           Es kann hier nur von der Kohlensäure die Rede seyn, wie sie in Zuckerfabriken
                              angewandt wird, nämlich von der durch Verbrennung von HolzkohlenDie Anwendung von Kohks ist gänzlich zu verwerfen. Auch beim sorgfältigen
                                    Reinigen des Gases durch Kalksteinstücke (nicht aber etwa durch Kalkmilch,
                                    wie es in gewissen Fabriken geschieht, die freilich dann mit Stickstoff und
                                    Sauerstoff saturiren) bleibt eine nachweisbare Menge schweflige Säure in der
                                    Kohlensäure, die jedenfalls nur schädlich wirken kann, da sie leicht zur
                                    Bildung von Schwefelsäure oder Schwefelsäure-Salzen Veranlassung
                                    gibt. mittelst eines hindurch gesaugten Luftstromes
                              erhaltenen. Ohne Zweifel
                              würde die viel concentrirtere, wie sie aus kohlensaurem Kalk oder aus Magnesit durch
                              Säuren dargestellt wird, etwas andere Wirkungen äußern, allein bis jetzt hat diese
                              Methode nur locale Anwendung finden können; selbst da, wo Magnesit billig zu
                              erhalten ist, gibt dessen Anwendung keine Rechnung, weil für die Magnesiasalze bei
                              der starken Production derselben vorläufig der Markt fehlt. Im Allgemeinen sey
                              bemerkt, daß die Entkalkung durch die gewöhnliche unreine Kohlensäure auf dünnere
                              Säfte beschränkt bleibt, und daher nur beim Scheide- (Dünn-) Saft
                              Anwendung findet. Dicksäfte halten vermuthlich in Folge der durch die Quantität des
                              Zuckers schwerer zu besiegenden Affinität zwischen Zucker und Kalt letztern zu
                              energisch fest. Eine Gränze für die Anwendbarkeit der Kohlensäure anzugeben ist aus
                              dem Grunde nicht möglich, weil mit der Concentrirung der Säfte die erforderliche
                              Zeit zur Saturation derart wächst, daß man dieselbe schon weit früher aufgeben muß,
                              als sie wirklich unmöglich wird. Daß aber auch sonst bei der Kohlensäure eine Gränze
                              in der Entziehbarkeit des Kalkes stattfindet, erhellt schon aus dem Umstande, daß im
                              Durchschnitte bei gleich kalkhaltigen Säften auch nahe der
                                 gleiche Bruchtheil des Kalkes gefällt wird. Dieß ist bei reiner Kohlensäure nicht der
                              Fall; es gelingt leicht, im Laboratorium die alkalischsten Zuckerlösungen durch
                              Kohlensäure vollkommen neutral zu erhalten, während in der Fabrik auch noch so lange
                              saturirte Säfte, nach dem Aufkochen – zur Zersetzung des
                              doppelt-kohlensauren Kalkes – und Abfiltriren des Niederschlags, sich
                              stets stark alkalisch zeigen.
                           Als eine Durchschnittsermittelung in einfachen Zahlen mag die Angabe gelten, daß
                              Scheidesäfte, die nach mechanischer Trennung des Niederschlags mit 0,2 Proc. Kalk
                              zur Saturation kamen, dieselbe mit 0,1 Proc. verließen, worauf sie dann mit 0,05
                              Proc. von den Filtern (gemischt aus verschiedener Filtrationsbauer) liefen. Man wird
                              hiernach als Mittelergebniß bei normalen Säften annehmen können, daß die Kohlensäure
                              die Hälfte, die Kohle wiederum die Hälfte des Restes des Kalkes wegnimmt. Wie wenig
                              von diesem Verhältniß Abweichung stattfindet, zeigen neben obigen z.B. noch folgende
                              Zahlen:
                           
                              
                                 Kalkgehalt des
                                 geschiedenen
                                 Saftes
                                 0,26 Proc.;
                                 0,29 Proc.;
                                 0,28 Proc.
                                 
                              
                                       
                                    „          
                                    „
                                 saturirten
                                 „
                                 0,14    „
                                 0,15    „
                                 0,10    „
                                 
                              
                                       
                                    „          
                                    „
                                 filtrirten
                                 „
                                 0,07    „
                                 0,06    „
                                 0,06    „
                                 
                              
                           Letzteres sind Versuche aus der Schnitzelcampagne; der Saft wog etwa 16–18
                              Proc. Balling, war aber zum Vergleiche mit den
                              gewöhnlichen Säften auf 12 Proc. Balling verdünnt
                              worden.
                           Als Anhaltspunkte für die Abschätzung der in verschiedenen Stadien der Fabrikation
                              verbleibenden Kalkmengen können hieraus folgende Schlüsse gezogen werden. Im Scheidesafte
                              eines jeden Tages bleibt nach mehrfachen Ermittelungen etwa 1/3 des Gesammtzusatzes
                              gelöst (2/3 werden im Schlamm abgeschieden); sind nun während 24 Stunden (bei 100
                              Scheidekesseln von 1000 Quart und 14–15 Pfd. Kalk zur Scheidung) 1470 Pfd.
                              Kalk verbraucht worden, so kamen 488 Pfd. im Safte zur Saturation. Da die
                              Kohlensäure hievon die Hälfte herausnimmt, so kommen in diesem Beispiel 244 Pfd. auf
                              die Schwärzefilter, und es werden 120 Pfd. Kalk alle 24 Stunden in die Schwarze
                              gebracht; mithin sind diese durch Salzsäure wegzunehmen. Es folgt daraus, daß der
                              Salzsäurezusatz so zu bemessen ist, daß in je 24 Stunden 480 Pfd. Salzsäure (von der
                              gewöhnlichen Stärke) oder etwa 3 1/5 Ballons verwandt werden. Im Safte bleiben dann
                              ebenfalls 120 Pfd. Kalk, welche später im Dicksafte auf die Filter kommen und hier
                              zum größten Theil absorbirt werden. Die auf die Dicksaftkohle verwandte Salzsäure
                              wird etwas weniger betragen müssen, weil bekanntlich ein Theil des Kalkes während
                              des Kochens in den Verdampfapparaten abgeschieden wird und ein gewisser Bruchtheil
                              Kalk auch schließlich in den Säften belassen werden muß. Indessen ist auch nicht zu
                              verkennen, daß selbst bei der vollkommensten Manipulation stets ein Theil der
                              Salzsäure nicht zur normalen Wirkung gelangt. Es wird sich aber in allen Fällen, wo
                              namhafte Abweichungen von diesen oder ähnlichen, in
                              derselben Weise festgestellten Säuremengen vorkommen, zeigen, daß entweder die
                              Schwärze an Kalkgehalt ab- oder zunimmt, also nach und nach angegriffen wird
                              oder ihr Entkalkungsvermögen einbüßt.
                           Nimmt man die Saturation mit Kohlensäure als Norm an, wie denn wohl die dadurch
                              erhaltenen Säfte in ihrem Kalkgehalt als am vorzüglichsten zur Weiterverarbeitung
                              geeignet erscheinen, so läßt sich durch sehr einfache Versuche für jedes andere
                              Saturationsmittel die erforderliche Menge ermitteln und also der Kostenpunkt
                              feststellen. Beispielsweise stellte sich die Masse Casein (Krüger'sches patentirtes MittelMit der Neuheit dieses patentirten Mittels stimmt es wenig überein, daß schon
                                    im Gartenbuch von Henriette Davidi's, 1857, S. 219 die Anwendung des Caseins zur
                                    Entkalkung der Zuckersäfte sich empfohlen findet. folgendermaßen fest: 50 Quart Scheidesaft von 0,145 Proc. Kalk wurden auf
                              0,07 Procent gebracht durch diejenige Menge dieses patentirten Mittels, welche aus
                              etwa 6 Quart Milch hergestellt worden war, woraus sich ein Erforderniß von 12 Procent Milch vom Volumen des Scheidesaftes ergibt. Es
                              gibt manche Fabriken, welche in 24 Stunden 100,000 Quart Scheidesaft verarbeiten;
                              diese bedürften also in dieser Zeit die geringe Quantität von 12,000 Quart Milch. Dieß beiläufig, denn es ist dieß noch bei
                              weitem nicht das Schlimmste an diesem „Mittel.“
                              
                           
                           Die Anwendung stärkerer Säuren übergehend, wenden wir uns zur Stearin- und Oelsäure und beginnen damit
                              die Reihe derjenigen Saturationsmittel, welche besonders in Folge ihres höheren
                              Preises besser zur Anwendung auf concentrirte Säfte sich eignen. Wenn nämlich durch
                              Kohlensäure und Knochenkohle, oder auch nur durch letztere ein gewisser Antheil Kalk
                              aus dem Dünnsafte entfernt und beim Einkochen eine weitere Menge davon
                              niedergeschlagen worden ist, so ist die zur theilweisen Entlassung eines Antheils
                              Dicksaftes, wenn derselbe zu kalkhaltig ist,
                              erforderliche Quantität Saturationsmittel weit geringer, als die zur Saturation
                              derjenigen Dünnsaftmenge, aus welchem sein Antheil erhalten wurde. Nach den
                              Versuchen, welche ich im großen Maaßstabe anstellte, bietet weder die
                              Stearin-, noch die wohlfeilere Oelsäure Schwierigkeiten in der Anwendung,
                              sowohl bei Dünn- wie bei Dicksäften. Die Verseifung erfolgt bei der
                              Temperatur, bei welcher Stearinsäure schmilzt; die erhaltene Seife läßt sich ohne
                              große Mühe von dem Safte trennen und durch Auspressen von dem eingeschlossenen Safte
                              befreien. Dagegen ist die erforderliche Quantität so beträchtlich, daß dadurch wohl
                              die Anwendung auf lange Zeit hin ausgeschlossen bleibt. Nicht allein verursacht
                              dieselbe nämlich erhebliche Kosten, sondern es wird die Manipulation dazu sehr
                              erschwert. Die bedeutende Menge dieser Säuren rührt von ihrem hohen Aequivalent her,
                              welches bei der Stearinsäure das Zehnfache des Kalkes
                              beträgt.
                           Nimmt man z.B. die oben angegebenen Zahlen wieder an, so erfordern die durch die
                              Kohlensäure täglich entfernten 244 Pfd. Kalk in dieser Zeit die Anwendung von 2440
                              Pfd. Stearinsäure. Theoretisch genommen kann zwar dieselbe Menge immer wieder
                              gewonnen und fortwährend gebraucht werden; allein es wird jedenfalls eine auf eine
                              Woche reichende Menge in Gebrauch gezogen, und für diese Verhältnisse also etwa 150
                              Centner verwandt werden müssen. Welche Arbeit bei der Verseifung, Abscheidung und
                              Wiederzersetzung solcher Mengen aber dadurch veranlaßt werden muß, ist klar, und
                              ebenso wird man einsehen, daß dabei Abgänge selbst in größerer Menge nicht zu
                              vermeiden sind, die bei dem hohen Preise der Stearinsäure nicht zu vernachlässigen
                              sind. Ferner kommt auch noch der Preis der Salz oder Schwefelsäure hinzu, welche in
                              einer dem abgeschiedenen Kalk äquivalenten Menge verbraucht werden, ohne ein
                              verwerthbares Nebenproduct zu liefern. Für Oelsäure stellt sich der Kostenpunkt
                              etwas günstiger; dafür ist aber die Abscheidung der Seife schwieriger und auch die
                              Behandlung der erhaltenen Schmierseife unangenehmer. Endlich hebe ich hervor, daß
                              ein Ueberschuß von Stearin- oder Oelsäure einen zersetzenden Einfluß auf den
                              Zucker übt. Säfte, welche alkalische Kupferlösung nicht reduciren, thun dieß nach dem Kochen mit diesen
                              Säuren, und längere Berührung mit einem Ueberschusse derselben ist beim Mischen der
                              Zuckersäfte mit solchen Quantitäten nicht zu vermeiden. Auch ist, zur Beurtheilung
                              des Abgangs beim Wiederbeleben, nicht zu übersehen, daß schon einmalige
                              Wiederabscheidung ein sehr unreines Product liefert, indem völlige Trennung der
                              Seifen von allen anhängenden Substanzen für diese ganz untergeordnete Arbeit viel zu
                              umständlich werden würde.
                           So sehr ich der Anwendung einer dieser beiden Stoffe, namentlich der Oelsäure, das
                              Wort reden möchte, so haben mich doch alle meine Versuche, welche die beregten
                              Punkte hervortreten ließen, von der Unmöglichkeit derselben, den übrigen
                              Entkalkungsmitteln gegenüber, überzeugt.
                           Ich wende mich zur Phosphorsäure oder vielmehr dem sauren phosphorsauren Kalk, der zuerst von Brande vorgeschlagen, dann von Pfeiffer angewandt und demselben patentirt worden ist. Die Darstellung
                              dieses Stoffes, dem der Kürze wegen der erstere Namen belassen bleiben mag, darf ich
                              als bekannt voraussetzen. Hauptaugenmerk bleibt dabei, die klare Lösung möglichst
                              frei von freier Schwefelsäure zu erhalten; vollkommen gelingt dieß im Großen nie;
                              eine Zuckerlösung wird auch bei der größten Sorgfalt in der Bereitung der Säure beim
                              Abdampfen im Wasserbade mit etwas Phosphorsäure mehr oder weniger gelbbraun gefärbt.
                              Indessen ist sie, wenn die Färbung dunkel ausfällt, zu
                              verwerfen, und durch fortgesetztes Kochen mit Knochenkohlepulver zu verbessern. Ich
                              bemerke, daß selbst eine Probe Phosphorsäure aus der Fabrik des Hrn. Pfeiffer den Zucker dunkel färbte. Abgesehen von dem gleichfalls nie gänzlich
                              zu vermeidenden Rückhalt an Gyps, übt die Phosphorsäure nur durch diesen Gehalt an
                              freier Schwefelsäure einen schädlichen Einfluß aus. Im Uebrigen ist sie als Entkalkungsmittel ganz vortrefflich; die vom Erfinder ihr
                              nachgerühmten wunderbaren Eigenschaften in Bezug auf Verbesserung der Zuckersäfte,
                              oder gar auf Veredlung der Melasse, vermag ich auf einen vernünftigen Grund nicht
                              zurükzuführen, und sie haben sich bei meinen in dieser Richtung zahlreich
                              angestellten Versuchen weder im kleinen noch im großen Maaßstabe auch nur im
                              Geringsten bestätigt. Sie wirkt eben nur dadurch, daß sie den Kalk wegnimmt und
                              dadurch verstattet, eine beliebige Menge davon anzuwenden. Den Gypsgehalt der
                              Phosphorsäure habe ich nicht merklich störend gefunden. Bei der Anwendung auf
                              Dünnsaft statt Kohlensäure würde es ohne Zweifel anders seyn; ich habe sie dauernd
                              nur bei Dicksaft gebraucht und keine solche Zunahme im Gypsgehalte der Schwärze am
                              Ende der Campagne
                              wahrgenommen, daß dieselbe nicht weit eher anderen Ursachen zur Last gelegt werden
                              könnte.
                           Was zunächst die erforderliche Quantität der Phosphorsäure anlangt, so ist dieselbe
                              natürlich abhängig von ihrer Concentration. Die Angaben, welche hier folgen,
                              beziehen sich durchschnittlich auf solche von 6–7 Proc. Anzeige am Balling'schen Saccharometer. Die beste Arbeit liefert sie
                              bisweilen von 8–9 Proc. Anzeige; in diesem Falle sind die Quantitäten
                              entsprechend zu reduciren. Dünnsaft von normalem Kalkgehalt erfordert nach zwei
                              Versuchen 8–9 Proc. seines Volumens zur genauen Neutralisation. Wenn also die
                              gleiche Wirkung wie bei der Saturation mit Kohlensäure erreicht werden soll, so sind
                              auf eine Scheidepfanne von 1000 Quart etwa 40–50 Quart Phosphorsäure
                              erforderlich. Bei einem täglichen Betriebe von 100 Scheidepfannen kommen sonach 4000
                              bis 5000 Quart Phosphorsäure zur Anwendung. Dieß entspricht etwa 70 Ballons in 24
                              Stunden, und es möchte jedenfalls sehr mißlich erscheinen, solche Massen dieses
                              Körpers in den Saft zu tragen. Daß geringe Mengen nichts nützen, geht nicht, allein
                              aus diesen Thatsachen, sondern auch aus einem Versuche hervor, den ich mit
                              denjenigen Mengen im Großen anstellte, welche hie und da angewandt und empfohlen
                              werden. Der Scheidesaft enthielt 0,168 Proc. Kalk, nach einer nicht ganz vollendeten
                              Saturation mit Kohlensäure verblieben darin 0,092; ein hiernach erfolgter Zusatz von
                              etwa 6 Quart auf 1000 Quart Saft gab 0,091 Proc. Bei Anwendung derselben Menge
                              Phosphorsäure für sich allein blieben 0,15 Proc. und bei der doppelten Menge noch
                              0,137 Proc. Dieß stimmt mit obigen Ermittelungen genau genug; die Anwendung der
                              Phosphorsäure nach der Kohlensäure gab, wie zu erwarten
                              stand, gar keine Wirkung.
                           Bei Dicksaft stellte sich das Verhältniß günstiger; der Gehalt desselben an Kalk ist
                              ein viel geringerer und die zur Bearbeitung kommende Menge ebenfalls nur eine
                              verhältnißmäßig kleine. Daher eignet sich die Phosphorsäure, mit Vorsicht
                              gehandhabt, sehr wohl zur Verminderung des Kaltgehalts allzu kalkhaltiger Dicksäfte.
                              Die zu verwendende Menge läßt sich auch im Allgemeinen nicht angeben; sie muß bei
                              verschiedenen Säften so bemessen werden, daß auch nach dem Filtriren derselben über
                              Knochenkohle eine deutliche alkalische Reaction bemerklich bleibt. In vielen Fällen
                              wird eine recht gute Wirkung durch Kalkzusatz zum Dicksaft oder den verschiedenen
                              Syrupen erzielt; alsdann ist es sehr zweckmäßig einen Ueberschuß anzuwenden und
                              letzteren wieder durch Phosphorsäure wegzunehmen.
                           Ein gewisser Grad schädlicher Wirkung ist indessen bei jedem nicht allzu kleinen
                              Zusatze kaum zu vermeiden. Nach den Versuchen, die ich mit verschiedenen Zuckersäften
                              anstellte, fand eine Verminderung der Polarisation nicht
                              statt, wenn dieselben mit Phosphorsäure nur neutralisirt
                              wurden, wohl aber wenn sie durch Phosphorsäure sauer gemacht und dann gekocht waren.
                              Die Verminderung betrug bis zu 10 Proc. der ursprünglichen Polarisation;
                              selbstredend konnte nachher veränderter Zucker mittelst der Kupferprobe nachgewiesen
                              werden. Dieser Umstand ist offenbar der freien Schwefelsäure zuzuschreiben, und wenn
                              es bei großer Sorgfalt auch gelingt, die Phosphorsäure so den Säften zuzusetzen, daß
                              an keiner Stelle ein Säureüberschuß stattfindet, so ist es doch beim fabrikmäßigen
                              Gebrauch nicht zu vermeiden, daß bei so ungleich dichten Flüssigkeiten die
                              Vermischung nicht augenblicklich vor sich geht, sondern stellenweise überschüssige
                              Säure ihre Wirkung äußern kann. Bei starken Zusätzen von Phosphorsäure wird man dann
                              auch stets das Entstehen von sogenanntem verändertem Zucker oder einer Vermehrung
                              des vorhandenen wahrnehmen. Wie es sich bei sehr zahlreichen, in dieser Beziehung
                              angestellten Versuchen in größtem Maaßstabe erwiesen hat, kochen sehr kalkhaltige
                              Säfte in der Regel sehr schlecht und geben auch eine unbefriedigende Ausbeute,
                              während dieselben, wenn sie eines Theiles ihres Kalkgehaltes durch Phosphorsäure
                              beraubt worden, weit besser kochen und eine ungleich höhere Auslieferung zeigen.
                              Dieß ist namentlich bei der trocknen Campagne, sowie bei schlechten Zuckersäften,
                              welche einer starken Behandlung mit Kalk bedurften, der Fall, und man wird dann sehr
                              leicht in der Lage seyn, den eben erwähnten Uebelstand, diesen sehr fühlbaren
                              Vortheilen gegenüber hinzunehmen. Ich werde übrigens im Folgenden angeben, wie sich
                              auch diese Nachtheile beseitigen lassen.
                           Es geschieht dieß durch Anwendung eines bisher wenigstens meines Wissens im Großen
                              nach nicht benutzten Saturationsmittels, des phosphorsauren
                                 Ammoniaks. Daß diese Substanz die Eigenschaft haben müsse, ohne jede
                              nachtheilige Einwirkung den Kalk (unter Freiwerden des Ammoniaks) aus Zuckerlösungen
                              zu entfernen, dürfte nichts Neues seyn, allein es handelte sich immer noch um eine
                              im Großen ausführbare Darstellung, die einmal keine bemerkenswerten Kosten und das
                              anderemal nur so viel Arbeit verursacht, wie sie auch eine untergeordnete
                              Hülfssubstanz verträgt. Die einfachste Methode, die Lösung des sauren phosphorsauren
                              Kalkes mit Ammoniak zu neutralisiren, bietet verschiedene Schwierigkeiten. Erstens
                              wird der größte Theil des phosphorsauren Kalks ausgefällt und es bleibt daher nur
                              ein Minimum der Wirkung, zweitens wird eine sehr bedeutende Menge Ammoniak
                              erfordert, deren Kostenpreis nicht unbeträchtlich ist, und drittens ist ein starker
                              Niederschlag von der Lösung abzuscheiden. Da aber nach zahlreichen Versuchen fest
                              stand, daß das Ammoniak
                              vor Allem die Schwefelsäure neutralisirt und die Lösung von phosphorsaurem Ammoniak
                              keine zersetzenden Wirkungen auf die Zuckerlösung ausübt, so habe ich über das
                              gegenseitige Verhalten dieser Substanzen eine Reihe von Versuchen angestellt, in
                              deren Folge es mir gelungen ist eine Darstellung zu finden, welche die früher
                              erforderliche Menge Ammoniak auf ein so Geringes vermindert, daß alle die beregten Uebelstände beseitigt und eine Substanz
                              erhalten wird, welche nur ganz unbedeutend mehr kostet als Phosphorsäure. Diese
                              Lösung von phosphorsaurem Ammoniak hat, selbst in dem größten Ueberschuß angewandt,
                              keinen zerstörenden Einfluß auf Zuckerlösung, wie
                              mich die oft wiederholten Proben im Laboratorium, sowie eine
                                 länger fortgesetzte Anwendung in der Fabrik überzeugt haben, und glaube ich
                              sicher, daß sie in der Vortrefflichkeit ihrer Anwendung und Wirkung, besonders auch
                              in der Gewißheit, daß selbst ein zufälliger Ueberschuß – der bei
                              Phosphorsäure nicht ängstlich genug verhütet werden kann – nur einen guten
                              Einfluß auf Dicksäfte, Syrupe u.s.w. ausüben kann, von keinem
                                 Entkaltungsmittel übertroffen wird. Das phosphorsaure Ammoniak eignet sich
                              auch für Dünnsaft ganz vorzüglich, es ist leicht die Quantitäten genau so zu
                              bemessen, daß jeder gewünschte Bruchtheil des Kalkgehaltes ausgefällt wird; allein
                              es dürfte auch hier, wie bei der Phosphorsäure, der Kostenpunkt und die
                              Schwierigkeit die bedeutenden Massen, wie sie große Fabriken täglich erfordern,
                              herzustellen, der Kohlensäure den Vorrang unbestritten lassen. Es bedarf wohl kaum
                              der Erwähnung, daß sich auch dieses Urtheil nicht auf Laboratoriumsversuche allein,
                              sondern auf Fabrikproben im größten Maaßstabe stützt.
                           Endlich erwähne ich eines Entkalkungsmittels, welches unbestritten den Vortheil der
                              einfachsten Beschaffung besitzt, und von dem nur der Umstand auffallend erscheint,
                              daß nicht schon längst umfassendere Versuche über seine Anwendung gemacht worden
                              sind. Ich meine das kohlensaure Ammoniak, wie es als
                              Handelswaare zu nicht hohem Preise überall zu finden ist. Es bedarf keines
                              Nachweises, daß es ganz vorzüglich geeignet ist den Kalk aus Zuckersäften zu
                              entfernen; dabei findet eine Entwickelung von Ammoniak statt, die jedoch keinen
                              schädlichen Einfluß üben kann.
                           Was zunächst die Anwendung auf Dünnsaft betrifft, so scheint es, als ob der hohe
                              Preis von circa. 30 Thlr. pro Centner vorab noch ein Hinderniß darbieten wird; für Dicksaft aber ist
                              diese Substanz ganz ausgezeichnet und dürfte sich da, wo man es vorzieht, fertige
                              Substanzen zu kaufen, gewiß sehr empfehlen. Ich habe damit Versuche im Laboratorium
                              und in der Fabrik
                              angestellt, konnte indeß dem phosphorsauren Ammoniak gegenüber keinen wesentlichen
                              Vortheil, als den eben genannten bemerken; auch konnte ich, des nahen Schlusses der
                              Campagne wegen, damals die Versuche nicht so weit verfolgen, daß ich ein Mittel
                              angeben könnte, wie dem Umstande vorzubeugen seyn wird, daß das kohlensaure
                              Ammoniak, seiner großen Flüchtigkeit wegen, in Berührung mit dem über 100° C.
                              heißen Dicksaft zum großen Theil verdampft, ehe es zur Wirkung gelangt. Aus diesem
                              Uebelstand, der jedoch auf mancherlei Weise zu beseitigen seyn wird, leitet sich der
                              unverhältnißmäßig hohe Verbrauch bei meinen Versuchen ab, der seinerseits wieder
                              mehr als nothwendig die Kosten dieser Saturation steigerte. Ich bedaure sehr, daß
                              der damals bald erfolgte Schluß der Sommercampagne und die im Winter etwas
                              abweichend angeordnete Arbeitsmethode mir nicht verstattet haben diesen Versuch über
                              das kohlensaure Ammoniak weiter fortzusetzen, was er ganz bestimmt verdient
                              hätte.
                           ––––––––––
                           Ich habe schon oben darauf hingewiesen, daß ein Unterschied besteht zwischen dem in
                              den Säften enthaltenen freien und dem gebundenen Kalke, und es mag hier noch der
                              Bericht über einige Proben betreffs der Entfernung des letztern folgen. Freie Säuren
                              eignen sich dazu nicht, und so mag es kommen, daß dieser Punkt bisher ganz übersehen
                              worden ist, obwohl die Rolle, welche der gebundene Kalk spielt, vielleicht ebenso
                              wichtig für die weitere Verarbeitung der Säfte ist, wie die des freien Kalkes, was
                              schon durch die oben mitgetheilten Zahlenverhältnisse angedeutet seyn kann. Die
                              Unart mancher Säfte, das schlechte Kochen, welches sich
                              bei gewissen Rüben und in manchen Jahreszeiten, besonders aber bei Schnitzelsäften
                              oft mit großer Hartnäckigkeit zeigt, veranlaßte mich zu vergleichenden Versuchen,
                              welche darauf führten, die Ursachen nicht in zu großer Alkalität, nicht im Gehalt
                              von verändertem („Trauben“-)Zucker, sondern in dem
                              Vorhandenseyn einer Kalkverbindung zu suchen. Damit will ich indeß nicht sagen, daß
                              nicht stark alkalische Säfte auch in Folge ihres großen Kalkgehaltes schlecht kochen
                              können, aber es gibt Fälle, wo man trotz großer Sorgfalt und der Beseitigung der zu
                              großen Alkalität, dennoch das schlechte Kochen nicht verhüten kann. Neutralisirt man
                              solche Säfte vollkommen mit saurem phosphorsaurem Kalke oder irgend einer Kalk
                              fällenden Säure, filtrirt den erhaltenen Niederschlag ab und fügt dann noch mehr
                              Säure hinzu, so entsteht, namentlich beim Kochen, nochmals ein starker Niederschlag.
                              Dieser rührt, wie hierin schon angedeutet ist, und wie sich durch andere Versuche
                              bestätigt gefunden hat, von einer Verbindung des Kalkes mit einer den Pektinverbindungen
                              ungehörigen Säure her. Da schon beim Versetzen des Dicksaftes mit einem geringen
                              Ueberschuß an Phosphorsäure (und Abfiltriren des erhaltenen Niederschlags) nicht
                              allein das Kochen sich verbesserte, sondern auch die bei schlecht kochenden Säften
                              stets geringere Ausbeute vom I. Producte merklich stieg, so unterliegt es keinem
                              Zweifel, daß durch Hinreichenden Zusatz der Uebelstand vollständig gehoben werden
                              würde, allein die dadurch gleichzeitig herbeigeführte Zuckerzerstörung verstattet
                              nicht näher darauf einzugehen. Vielfache Versuche ließen mich noch eine Substanz
                              finden, welche ebensosehr wie die Phosphorsäure jene Kalkverbindung auszuscheiden
                              erlaubt, ohne eine schädliche Wirkung auszuüben; diese ist das Kleesalz. Indessen
                              scheitert die Anwendung nicht allein an der Giftigkeit der Kleesäure, sondern auch
                              an dem Kostenpunkt, indem die erforderlichen Mengen des sauren oralsauren Kalis
                              nicht unbedeutend befunden wurden. Erst als ich später mit den vorzüglichen
                              Eigenschaften des phosphorsauren Ammoniaks und des kohlensauren Ammoniaks bekannt
                              wurde, konnte ich daran denken, diese Versuche ernstlich fortzusetzen, die besonders
                              für die Schnitzelarbeit von dem größten Interesse seyn mußten. Ich fand, daß beide
                              Substanzen sich in Bezug auf die weitere Kalkausfällung nach Ueberschreitung der zur
                              genauen Neutralisation erforderlichen Menge ebenso verhalten wie die Phosphorsäure,
                              und daß die gebildeten Niederschläge sehr beträchtlich sind, ohne daß im Geringsten
                              eine schädliche Einwirkung zu bemerken wäre, wie sich nach dem oben Angeführten wohl
                              erwarten ließ. Ich habe beide Substanzen bei sehr schlecht kochenden und geringe
                              Ausbeute liefernden Säften wiederholt im Großen angewandt und so übereinstimmende
                              Resultate erhalten, daß es vollkommen feststeht, daß dadurch das Kochen nicht allein
                              erheblich erleichtert, sondern auch die Auslieferung am I. Product so wesentlich
                              erhöht wird, daß die aufgewandten Kosten nicht in Betracht kommen.
                           Diese Versuche wurden stets so angestellt, daß möglichst gleichzeitig zwei gleiche
                              Quantitäten desselben Dicksaftes mit und ohne die bezeichneten Substanzen behandelt
                              und dann in genau gleicher Weise filtrirt und weiter verarbeitet wurden. Die
                              erhaltenen Füllmassen wurden dann ebensowohl, wie der daraus durch Ausschleudern
                              gewonnene Zucker gewogen, und letzterer durch Polarisation verglichen. Es zeigte
                              sich in allen Fällen eine höhere Polarisation des vollkommen entkalkten Dicksaftes
                              und des daraus erhaltenen Zuckers, sowie, selbst abgesehen hievon, eine Mehrausbeute
                              in dem einen Falle von 4,5, im andern sogar von 6,3 Procenten ersten Productes,
                              gerechnet in Procenten von dem Gewicht der Füllmasse. Sowohl in ihrer
                              Uebereinstimmung, als in der Sorgfalt, womit außer dieser Kalkfällung alle anderen
                              Umstände bei den zu vergleichenden Säften gleich gehalten und in dem Maaßstabe, in
                              welchem die Proben ausgeführt wurden, liegt vollkommene Garantie für die
                              Zuverlässigkeit dieses Verfahrens. Da sich auch die vom I. Product abgeschleuderten
                              Syrupe mindestens von gleicher Qualität zeigten, so kann
                              mit Bestimmtheit auch in den Rohproducten keine üble Einwirkung erwartet werden, was
                              auch noch daraus folgt, daß sich alles Zugesetzte mit einem Theil des Gelösten
                              entweder als Niederschlag oder als Dampf abscheiden muß. Am besten ist es freilich,
                              wenn der Dicksaft leicht kocht und vollkommen fest zuckert; dann gebraucht man alle
                              diese Hülfsmittel nicht, allein der Zuckerfabrikant ist von der Qualität der Rüben
                              und der Dauer der Campagne abhängig, und die Qualität der Säfte aus Schnitzeln läßt
                              fast immer viel zu wünschen übrig, es werden daher stets Perioden kommen, wo man mit
                              den erwähnten bösen Eigenschaften zu kämpfen hat. Als Regel kann dann dienen, so
                              viel wie möglich, und in allen Stadien der Fabrication Kalk anzuwenden, den
                              Ueberschuß desselben aber durch die zu Gebote stehenden Mittel mehr oder weniger
                              wieder zu entfernen, bei sehr geringen Dicksäften sogar, welche Kochen und Zuckern
                              hartnäckig erschweren, zu einer vollkommenen Abscheidung mit den erwähnten
                              Substanzen, einzeln oder nach einander angewandt, zu
                              schreiten. Doch lasse man sich nicht dazu verleiten, diese gänzliche Entkalkung beim
                              Dünnsaft zu versuchen; Säfte, die man in diesem Stadium ganz entkalkt, verarbeiten
                              sich schlecht wie alle neutralen Zuckerlösungen, während der durch phosphorsaures
                              oder kohlensaures Ammoniak entkalkte Dicksaft durch einen Rückhalt des Zusatzes
                              alkalisch bleibt und auch ohne Nachtheil den Rohproducten wieder so viel Kalk
                              zugefügt werden kann, daß die alkalische Reaction eben bemerkbar wird. Man vergesse
                              nicht, daß diese beiden Salze nicht den Kalk allein, sondern auch die Säure, mit
                              welcher er verbunden war – vermuthlich in Folge der späteren Zersetzung ihrer
                              Ammoniakverbindung – ausgefällt haben.