| Titel: | Die Rauhmaschine von Zipser und Klein im Vergleich mit der Doppelrauhmaschine; von Prof. C. H. Schmidt in Stuttgart. | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. LXXIV., S. 350 | 
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                        LXXIV.
                        Die Rauhmaschine von Zipser und Klein im Vergleich mit der Doppelrauhmaschine; von
                           Prof. C. H. Schmidt in
                           Stuttgart.
                        Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1859, Nr.
                              45.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. V.
                        Schmidt, über Zipser's und Klein's Rauhmaschine im Vergleich mit
                           der Doppelrauhmaschine.
                        
                     
                        
                           Die ältere einfache Rauhmaschine hat nur einen Tambour
                              (Rauhtrommel), welcher stets in gleicher Richtung sich umdreht, während das Tuch
                              auf- und abwärts geführt wird, wobei es aber immer nur an einer Stelle in Berührung mit der Trommel kommt und auch
                              immer nur den Strich nach einer Richtung erhält, da die
                              Geschwindigkeit des Trommelumfanges viel größer als die Geschwindigkeit des Tuches
                              ist. Das Rückwärtsrauhen macht ein Abnehmen des Tuches und ein Auflegen in der
                              entgegengesetzten Richtung erforderlich.
                           Die seit ungefähr 6 Jahren in Gebrauch gekommenen Doppelrauhmaschinen haben zwei Tambours, deren Achsen bei der Geßner'schen Construction in einer Horizontalebene, bei
                              der Hartmann'schen Construction in einer Verticalebene
                              liegen. In beiden Fällen ist der Betriebsmechanismus so angeordnet, daß die beiden
                              Tambours nach Belieben in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung bewegt werden
                              können; das Tuch wird so geleitet, daß es an jedem Tambour zweimal, bei jedem
                              Durchgange also im Ganzen viermal anstreicht, wobei durch angemessene Mechanismen
                              sowohl für selbstthätige Breithaltung des Tuches, als auch für angemessene
                              Regulirung des Anstreichens Sorge getragen ist. Man kann demnach bei den
                              Doppelrauhmaschinen nach Belieben mit beiden Tambours im Strich, mit dem andern aber
                              gleichzeitig gegen den Strich rauhen, wobei im letzteren Fall selbstverständlich die
                              Kardenstäbe auf dem einen, für Vor- und Rückwärtsbewegung eingerichteten
                              Tambour in umgekehrter Lage angeschlagen werden müssen.
                           Die Geschwindigkeiten der in Bewegung befindlichen Theile zeigen in der Praxis, je
                              nach der Gattung der bearbeiteten Stoffe und je nach den Ansichten des Dirigenten,
                              vielfache Abweichungen. Die Tambours haben 22'' württ. Durchmesser und machen
                              gewöhnlich gegen 90 Umdrehungen per Minute, entwickeln
                              sonach eine Umfangsgeschwindigkeit von circa 622' per Minute, während das Tuch mit 40 bis 80', im Mittel
                              also mit 60' Geschwindigkeit per Minute an ihnen
                              vorübergeführt wird. Unter Annahme des letzteren Mittelwerthes verhält sich demnach
                              die Geschwindigkeit des Trommelumfanges zur Geschwindigkeit des Tuches, wie 622 :
                              60, oder ungefähr wie 10,4 : 1, d.h. der Trommelumfang bewegt sich 10,4 mal
                              schneller als das Tuch.
                           Die Rauhmaschine von Zipser und Klein in Biala, seit etwa vier Jahren in die Praxis eingeführt, ist ihrer
                              Hauptanordnung nach durch die, nur nach dem Augenmaaß gezeichnete Skizze, Fig. 29
                              dargestellt. Sie hat nur einen, mit 12 Kardenstäben
                              besetzten Tambour A, welcher sich stets auch nur nach
                              einer Richtung umdreht. Die Kardenstäbe sind aber
                              nicht, wie bei den vorhergehenden Maschinen, mittelst Klammern eingespannt, sondern
                              jeder derselben ist um zwei, in den Trommelkränzen gelagerte Zapfen drehbar, so daß
                              er nach Auslösung einer Feder leicht und schnell umklammert werden kann, wenn die
                              auf der andern Seite befindliche Kardenfläche in Thätigkeit gesetzt werden soll
                              – eine Manipulation, welche sich bei dem langsamen Gang des Tambours ohne
                              Abstellung der Maschine ausführen läßt. Ueber und hinter dem Tambour liegen zwei
                              Zugwalzen D, nebst mehreren Leitwalzen E zum Spannen des Tuches nach der Längenrichtung, und
                              unter dem Tambour ist eine zum Ausputzen des Kardenbeschlages dienende rotirende
                              Bürstenwalze B angebracht. Das durch zwei Breithalter
                              C gespannte Tuch wird so geleitet, daß es mit der
                              Trommel nur einmal, und zwar an deren höchster Stelle in Berührung kommt; um aber
                              die Karden zu schonen und deren Niederdrücken zu verhindern, wird die
                              Berührungsfläche möglichst beschränkt, so daß sie eigentlich nur eine Linie, nicht
                              wie bei den anderen Maschinen einen größeren Theil des Trommelumfanges einnimmt. Die
                              Bewegungsrichtung des Tuches kann mit Leichtigkeit während eines momentanen
                              Stillstandes der Maschine umgesetzt werden, so daß man, unter gleichzeitiger
                              Umkehrung der Kardenstäbe mit dem Rück- und Vorwärtsrauhen, innerhalb sehr kurzen Pausen
                              nach Belieben wechseln kann – eine Operationsweise, die bekanntlich für die
                              Güte der Rauharbeit als besonders vortheilhaft erachtet wird.
                           Die Geschwindigkeitsverhältnisse sind hier wesentlich andere, als bei den
                              Doppelrauhmaschinen. Der Tambour hat 16'' württ. Durchmesser und dreht sich in zwei
                              Minuten nur einmal um, macht demnach per Minute nur eine
                              halbe Umdrehung mit 2,5' Umfangsgeschwindigkeit. Die Geschwindigkeit mit welcher das
                              Tuch sich bewegt, beträgt je nach Umständen 100 bis 200' (öfter auch noch mehr), im
                              Mittel also 150' per Minute, so daß sich also hier die
                              Geschwindigkeit des Trommelumfangs zur Geschwindigkeit des Tuches wie 2,5 zu 150, d.
                              i. wie 1 zu 60, oder wie 0,0166 zu 1 verhält. Während also bei den
                              Doppelrauhmaschinen der Trommelumfang 10 bis 12 mal schneller als das Tuch sich
                              bewegt, läuft hier das Tuch gegen 60mal schneller als der Trommelumfang.
                           Nach den Erfahrungen, die man in Fabriken, welche mit beiden Systemen von
                              Rauhmaschinen arbeiten, gemacht hat, soll sich ein wesentlich überwiegender Vortheil
                              in der Arbeitsweise bei keinem der beiden Systeme herausgestellt haben. Gut
                              behandelt und für die geeignete Waarengattung angewandt, geben beide Systeme gleich
                              gute Resultate. Einen Vortheil bietet die Maschine von Zipser und Klein dadurch, daß sie die
                              Bearbeitung des Tuches im fast trockenen Zustande gestattet, wobei die Karden viel
                              länger brauchbar bleiben. Der Verkaufspreis ist für beide Maschinen fast derselbe,
                              er beträgt circa 800 fl.
                           
                        
                     
                  
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