| Titel: | Ueber Jodgewinnung in Schottland; von Otto Krieg. | 
| Fundstelle: | Band 154, Jahrgang 1859, Nr. LXXX., S. 375 | 
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                        LXXX.
                        Ueber Jodgewinnung in Schottland; von Otto Krieg.
                        Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd.
                              III S. 232.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Krieg, über Jodgewinnung in Schottland.
                        
                     
                        
                           Als im Jahre 1812 der Franzose Courtois in der Mutterlauge
                              der Varec-Soda das Jod entdeckt hatte, dachte man wohl nicht daran, eine wie
                              weit umfassende Anwendung dieser merkwürdige Körper durch die Medicin, und in der
                              neuesten Zeit hauptsächlich durch die Photographie finden würde, so daß Fabriken im
                              großartigsten Maaßstabe zur Gewinnung desselben angelegt wurden. Die Fabrik von Paterson bei Glasgow in
                              Schottland bringt allein jährlich 600 bis 700 Centner Jod in den Handel.
                           Das Jod kommt bekanntlich nicht im freien Zustand, sondern in Verbindung mit
                              Metallen, vorzugsweise als Jodkalium, in der Natur vor, und da es in allen seinen
                              Eigenschaften dem Chlor sehr analog ist, auch gewöhnlich zusammen mit Chlormetallen,
                              aber immer im Verhältniß zum Chlor in sehr geringen Mengen. Es findet sich daher in
                              allen Salzsoolen und im Meerwasser (in diesem letzteren noch nicht 1/10'000 Proc.),
                              aber in so sehr kleinen Mengen, daß seine Gegenwart sich nur eben nachweisen läßt.
                              Nun besitzen aber viele Seepflanzen, und darunter besonders gewisse Fucus-
                              und Algen-Arten, die merkwürdige Eigenschaft, den Jodgehalt des Meerwassers
                              in ihren Säften auffallend zu concentriren, so daß man in ihrer Asche 1/4 bis 2/3
                              Proc. Jod nachweisen kann. Auf diese Eigenthümlichkeit der Seepflanzen stützt sich
                              die Jodfabrication.
                           Im Frühjahr zur Zeit der Stürme treibt das Meer große Massen dieser Seepflanzen an
                              die Westküste von Irland und die weiter nördlich gelegenen Hebriden-Inseln.
                              Die Küstenbewohner sammeln dieselben, trocknen sie während des Sommers an der Sonne
                              ab und verbrennen sie dann in großen Gruben. Die dabei erhaltene Asche, der man im
                              Handel den Namen Kelp gegeben hat, bildet eine bläulich- oder
                              grünlichgraue, geschmolzene dichte und äußerst feste Masse, zuweilen etwas blasig
                              und unverbrannte Stückchen Kohle einschließend, die in großen Stücken ohne alle
                              Emballage, wie etwa die Steinkohlen, versandt wird. Auf dem Markte in Glasgow
                              kostete im vorigen Jahre der Centner Kelp 1 1/2 bis 2 Thlr., je nach der Menge der
                              löslichen Bestandtheile und feinem Jodgehalt, der oft sehr variirt, wie schon oben
                              angegeben, von 1/4 bis 2/3 Proc.
                           Die erste Operation, die mit dem Kelp vorgenommen wird, ist die, ihn mittelst großer
                              Hämmer in kleine Stücke von der Größe der kleinen Chausseesteine zu zerschlagen. So
                              vorbereitet wird er in großen gußeisernen Gefäßen mit heißem Wasser übergossen, um
                              alle löslichen Bestandtheile auszuziehen. Es wird dabei wie beim Auslaugen der rohen
                              Soda verfahren, indem dieselbe Flüssigkeit mit verschiedenen Quantitäten Kelp
                              zusammengebracht wird, zuerst mit beinahe schon ganz ausgelaugtem und erst zuletzt
                              mit frischem Kelp, bis die Flüssigkeit 36 bis 40 Grad nach dem Twaddel'schen Aräometer oder ein specifisches Gewicht von 1,18 bis 1,20
                              zeigt.
                           Der bei diesem Auslaugen bleibende Rückstand beträgt 30 bis 40 Proc. des angewendeten
                              Kelps und bildet eine dunkelgrüne erdartige Masse, der Hauptsache nach aus
                              Kieselerde bestehend (wohl meist von dem den Seepflanzen vor dem Verbrennen noch
                              anhängenden Sande herrührend), ferner aus kohlensaurer, schwefel- und
                              phosphorsaurer Kalkerde und Magnesia und Stückchen unverbrannter Kohle. Dieser
                              Rückstand wird von Glashütten, welche ordinäre Flaschen anfertigen, gern
                              gekauft.
                           Der auf die oben beschriebene Weise erhaltene wässerige Auszug des Kelps wird in
                              gußeisernen fast halbkugelförmigen Kesseln von 7 bis 8 Fuß Durchmesser über freiem
                              Feuer abgedampft; er enthält der Hauptsache nach Chlorkalium, viel weniger
                              Chlornatrium, schwefelsaures und kohlensaures Kali und Natron, endlich Jodkalium,
                              Schwefelkalium und unterschwefligsaures Kali und Natron; und es ist nun interessant
                              zu sehen, wie diese Salze größtentheils nur durch abwechselndes Abdampfen und
                              Abkühlen vermöge ihrer verschiedenen Löslichkeit getrennt werden. Das schwefelsaure
                              Kali, als das bei weitem unlöslichste, fällt schon während des ersten Eindampfens
                              fortwährend zu Boden und wird von den umstehenden Arbeitern mit großen siebartig
                              durchlöcherten Löffeln herausgeschöpft. Nachdem dieses Salz ziemlich vollständig
                              entfernt ist, läßt man die Flüssigkeit in ein großes gußeisernes Gefäß (cooler) abfließen, wo beim Erkalten eine große Menge
                              Chlorkalium herauskrystallisirt und sich an den Gefäßwänden festsetzt. Die
                              Mutterlauge hiervon wird wieder nach dem Kessel zurückgebracht. Bei dem weiteren
                              Eindampfen fängt nun das Chlornatrium an herauszukrystallisiren. Dasselbe hat bekanntlich die
                              Eigenthümlichkeit, in heißem Wasser nur sehr unbedeutend mehr löslich zu seyn, als
                              in kaltem, während die Löslichkeit der meisten anderen Salze mit der Temperatur
                              außerordentlich zunimmt. Man kann daher mit der Concentration der Lauge immer
                              fortfahren, bis man glaubt, daß auch schon Chlorkalium mit herausfallen könnte. Dann
                              schöpft man das zu Boden fallende Kochsalz mit großen durchlöcherten Löffeln heraus
                              und bringt die Lauge wieder zur Krystallisation einer neuen Menge Chlorkalium in die
                              Kühlgefäße, ohne besorgen zu müssen, dasselbe durch Chlornatrium verunreinigt zu
                              erhalten, eben weil ja die abgekühlte Flüssigkeit noch fast genau so viel von diesem
                              Salze in Lösung zu halten vermag, als die heiße.
                           Auf diese Weise verfährt man viermal und erhält vier Krystallisationen von
                              Chlorkalium (das werthvollste von den als Nebenproducte erhaltenen Salzen). Die
                              erste Krystallisation davon enthält etwa 86 bis 90 Proc. reines Chlorkalium, das
                              übrige ist meist schwefelsaures Kali; die zweite und dritte Krystallisation sind
                              sehr rein und enthalten 96 bis 98 Proc. Chlorkalium; die vierte enthält schon etwas
                              schwefelsaures Natron beigemischt.
                           Die nach der vierten Krystallisation bleibende Mutterlauge wird nicht weiter
                              eingedampft; sie zeigt 66 bis 76 Grad am Twaddel'schen
                              Aräometer oder ein spec. Gewicht von 1,33 bis 1,38; sie enthält noch schwefelsaures
                              Natron, Schwefelverbindungen der Alkalien und unterschwefligsaure Salze derselben,
                              die kohlensauren Alkalien (hauptsächlich kohlensaures Natron, etwa 2 Proc.
                              sämmtlicher löslicher Salze ausmachend) und Jodkalium. Diese Flüssigkeit wird in
                              einem flachen offenen, unter freiem Himmel stehenden Gefäße langsam mit verdünnter
                              Schwefelsäure versetzt. Es erfolgt ein heftiges Aufbrausen, indem die Kohlensäure
                              der kohlensauren Alkalien und Schwefelwasserstoff gasförmig davon gehen; an der
                              Oberfläche setzt sich, von der Zersetzung der höheren Schwefelungsstufen und der
                              unterschwefligsauren Salze der Alkalien herrührend, ein dicker Schaum von reinem
                              Schwefel ab. Man schöpft ihn ab in Gefäße zum Abtropfen und Trocknen, um ihn
                              demnächst zu verkaufen. (Man sagte mir, daß etwa eben so viel Schwefel als nachher
                              Jod gewonnen werde.) Auch etwas freies Chlor scheint bei dieser Zersetzung zu
                              entweichen, wenigstens überziehen sich die in der Nähe stehenden Mutterlaugen, die
                              mit den entweichenden Gasen in Berührung kommen, mit einem feinen violetten
                              Häutchen, was wohl nur etwas durch das Chlorgas frei gemachtes Job seyn kann.
                           Wenn diese Gase vollständig entwichen sind, mischt man die Flüssigkeit mit einer noch
                              größeren Quantität Schwefelsäure, fügt eine gewisse Menge feingemahlenen Braunstein
                              hinzu und bringt die Mischung in ein großes eisernes Destillirgefäß über freiem
                              Feuer. Die nun stattfindende Zersetzung ist ganz dieselbe wie die bei der
                              Chlorentwickelung aus Chlornatrium, Braunstein und Schwefelsäure; man darf sich nur
                              an Stelle des Chlornatriums das Jodkalium denken, und anstatt des Chlors entwickelt
                              sich Jod in Gasform, das in den vorgeschobenen thönernen Vorlagen aus dem
                              dampfförmigen Zustand sogleich in den festen übergeht und sich als eine feste
                              krystallinische Masse hier absetzt.In einer französischen Jodfabrik (von Cournerie in
                                    Cherbourg) gewinnt man das Jod auf nassem Wege, indem man einen Strom
                                    Chlorgas durch die Jodkalium haltende Flüssigkeit treibt. Das Chlor, noch
                                    elektronegativer als das Jod, treibt dieses aus seiner Verbindung mit Kalium
                                    aus und bildet Chlorkalium, während sich das Jod in Form eines schwarzen
                                    Schlammes zu Boden setzt.
                              
                           Der Destillationsapparat, Fig. 30 und 31, besteht
                              aus einem starken gußeisernen halbkugelförmigen Kessel von ungefähr 4 Fuß
                              Durchmesser, der in einer besonderen Feuerung eingemauert ist. Darauf befindet sich
                              ein bleierner Deckel mit zwei Helmen von Steinzeug befestigt, welche letztere die
                              Joddämpfe in zwei Systeme von Vorlagen (jedes zu 4 bis 5 Stück) führen.
                           Diese thönernen Vorlagen sind eiförmig gestaltet (die große Achse 1 1/2 bis 2 Fuß,
                              die kleine 1 bis 1 1/2 Fuß); sie enden vorn und hinten in einer halsartigen Oeffnung
                              von etwa 4 Zoll Durchmesser und sind damit nur lose in einander geschoben. Die
                              hintere Oeffnung der letzten Vorlage ist mit einem nassen Tuche leicht verstopft; an
                              diesem setzen sich dann sehr schöne Jodkrystalle ab. Jede Vorlage hat auf ihrer
                              unteren Lagerfläche, womit sie aufliegt, ein kleines Loch zum Abtropfen der mit
                              überdestillirenden Flüssigkeit.
                           Eine vollständige Destillation dauert immer 14 Tage; wenigstens erst nach Ablauf so
                              langer Zeit werden die Vorlagen abgenommen. In den Kessel selbst aber wird jeden
                              Morgen nach Ablassen des Rückstandes (der an Düngerfabrikanten verkauft wird) neue
                              Mutterlauge, Braunstein und Schwefelsäure gebracht, und das Feuer, das während der
                              Nacht nicht unterhalten wurde, wieder angemacht. Gerade dieses Erkaltenlassen des
                              Apparats während der Nacht ist nicht ohne Bedeutung: einmal condensirt sich dadurch
                              noch alles dampfförmig vorhandene Jod in den Vorlagen, was sonst bei der neuen
                              Füllung des Kessels, respective Oeffnung der Apparate, verloren gehen würde, und
                              dann würden auch bei einer ununterbrochenen Destillation die Vorlagen zu warm
                              werden, um die Joddämpfe gehörig niederzuschlagen, und es würden Verluste eintreten.
                              Nach Ablauf von 14 Tagen findet man 100 bis 150 Pfund Jod in jeder einzelnen
                              Vorlage.
                           
                           Es sind 5 solcher Destillationsapparate vorhanden, wovon jedoch immer mehrere der
                              Reparatur wegen außer Thätigkeit sind; der gußeiserne Kessel des Apparates wird
                              nämlich sehr angegriffen und muß alle 4 Monate ungefähr erneuert werden; er wiegt 30
                              Cntr., wenn er eingemauert wird, und nach 4 Monaten etwa nur noch die Hälfte.
                           Eine sehr unangenehme Arbeit ist das Herausbringen der festen 1/2 bis 1 1/2 Zoll
                              starken Jodlage aus dem Innern der Vorlagen ohne dieselben zu zerschlagen. Die
                              Joddämpfe greifen dabei hauptsächlich die Augen der Arbeiter an. Das so in
                              unregelmäßigen Bruchstücken erhaltene rohe Jod wird in kleine eichene Fäßchen à 100 Pfd. gepackt und so in den Handel gebracht.
                              Der Preis desselben war im vorigen Jahr 3 1/2 Thlr. pro
                              Pfund loco Glasgow.
                           Die Fabrik von Paterson verarbeitet in einem Jahr nicht
                              weniger als 120 bis 150,000 Cntr. Kelp und gewinnt daraus 6 bis 700 Cntr. Jod und
                              entsprechende Quantitäten der eben angeführten Salze als Nebenproducte.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
