| Titel: | Experimentelle Untersuchungen um die Dichtigkeit des Wasserdampfes für jede Temperatur zu bestimmen; von William Fairbairn und Thomas Tate. | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Experimentelle Untersuchungen um die Dichtigkeit
                           des Wasserdampfes für jede Temperatur zu bestimmen; von William Fairbairn und Thomas Tate.
                        Vorgetragen vor der British Association for the Advancement of Science,
                              1859. – Aus dem Civil
                                 Engineer and Architect's Journal, November 1859, S.
                              365.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Fairbairn's experimentelle Untersuchungen um die Dichtigkeit des
                           Wasserdampfes für jede Temperatur zu bestimmen.
                        
                     
                        
                           Ich beabsichtige im Folgenden die Skizze von einem Apparate und die Resultate der
                              Versuche mitzutheilen, wodurch ich in Verbindung mit Hrn. Thomas Tate das Gesetz der Dichtigkeit des Wasserdampfes und
                              anderer verdichtbarer Dämpfe direct auf experimentellem Wege zu ermitteln bezweckte,
                              so daß die bisherigen Hypothesen bezüglich der Relation zwischen dem specifischen
                              Volumen und der Temperatur des Wasserdampfes und anderer Dämpfe entweder bestätigt
                              oder berichtigt werden mußten. Unsere Versuche wurden nach einem ganz neuen Princip
                              durchgeführt, welches für jede Temperatur und jeden Druck, den Glasgefäße
                              auszuhalten vermögen, anwendbar ist.
                           Hinsichtlich der permanenten Gase ist das Gesetz für die Relation zwischen Temperatur
                              und Volumen als Gay-Lussac'sches oder Dalton'sches bekannt und wird
                              ausgedrückt durch die Gleichung:
                            (V × P)/(V₁
                              × P₁) = (458 +
                              t₁)/(458 + t)    (1).
                           Die Dichtigkeit des Wasserdampfes wurde mit Genauigkeit durch directen Versuch bei
                              der Temperatur von 212° F. – und nur bei dieser Temperatur –
                              mittelst der Methode von Dumas bestimmt. Bei 212°
                              F. ist seine Dichtigkeit eine solche, daß sein Volumen 1670mal so groß ist, als
                              dasjenige des Wassers welches ihn erzeugte. Substituirt man diese Werthe von
                              Volumen, Temperatur und Druck, so erhält man für das Dampfvolumen, welches eine
                              Wassereinheit bei irgend einer andern Temperatur liefert,
                           
                           V – (1670 × 15)/670
                              × (458 + t)/P
                           oder
                           V = 37⅓ (458 + t)/P    (2).
                           Dieses ist die bekannte Formel, auf welcher bis jetzt unsere Tabellen für die
                              Dichtigkeit des Wasserdampfes fußten, nach denen wir die Leistung der Dampfmaschinen
                              zu berechnen pflegen.
                           Theoretische Betrachtungen machen jedoch die Anwendbarkeit der obigen Formel auf den
                              Wasserdampf und andere verdichtbare Dämpfe sehr zweifelhaft. Vor einigen Jahren
                              kamen Dr. Joule und Professor
                              William Thomson bei Anwendung der neuen dynamischen
                              Wärmetheorie auf das Carnot'sche Gesetz zu dem Resultat,
                              daß für Temperaturen über 312° F. hinsichtlich des Wasserdampfes eine
                              bedeutende Abweichung von dem für die permanenten Gase geltenden Gesetze
                              stattfindet. Später, im Jahre 1855, stellte Prof. Macquorn Rankine eine neue theoretische Formel für die Dichtigkeit des
                              Wasserdampfes, unabhängig vom Gay-Lussac'schen Gesetze auf, welche die Vermuthung Thomson's bestätigt. Die Richtigkeit dieser Hypothesen
                              muß jedoch noch durch directe Versuche nachgewiesen werden.
                           Die Dichtigkeit des Dampfes wird dadurch bestimmt, daß man ein bekanntes Gewicht
                              Wasser in einer Glaskugel von bekanntem Inhalt verdampft und die Temperatur, bei
                              welcher alles Wasser in Dampf verwandelt wird, genau beobachtet. Aus diesen drei
                              Elementen, Volumen, Gewicht und Temperatur, ergibt sich das spec. Gewicht. Aber bei
                              Anwendung dieser Methode müssen folgende zwei Schwierigkeiten überwunden werden:
                              erstens ist man wegen des Dampfdruckes genöthigt die Glaskugel in einem starken und
                              folglich undurchsichtigen Gefäße zu erhitzen; zweitens würde es, da mit einer
                              Erhöhung der Temperatur über die Sättigungs-Temperatur der Dampf schnell an
                              Volumen zunimmt, jedenfalls unmöglich seyn, durch das Auge die Temperatur zu
                              bestimmen, bei welcher sämmtliches Wasser verdampft ist. Die
                              Sättigungs-Temperatur, d.h. die Temperatur bei welcher sämmtliches Wasser in
                              Dampf verwandelt worden ist, ohne daß ein Theil des Dampfes überhitzt wurde, muß
                              aber mit der größten Genauigkeit bestimmt werden, sonst sind die Resultate
                              werthlos.
                           Um diese Schwierigkeiten zu beseitigen, war ein genaues und empfindliches Verfahren
                              zur Bestimmung des Sättigungspunktes erforderlich; diesem Zweck entspricht unser
                              Sättigungsmesser (saturation gauge), in dessen Anwendung
                              das Neue der gegenwärtigen Versuche besteht.
                           
                           Um das Princip des Sättigungsmessers zu verstehen, denke man sich zwei Kugeln A und B (Fig. 25) durch eine
                              gebogene Röhre, welche bis a, b mit Quecksilber gefüllt
                              ist, verbunden und in ein Bad gesetzt, worin sie auf jede erforderliche Temperatur
                              erhitzt werden können. In jeder Kugel sey eine Toricellische Leere hergestellt
                              worden, und man habe 20 Gran Wasser in A, und 30 oder 40
                              in B gebracht. Angenommen nun, die Temperatur werde
                              langsam und gleichförmig um diese Kugeln herum erhöht, so wird das Wasser in jeder
                              derselben verdampfen und sie mit Dampf füllen, dessen Dichtigkeit der angewandten
                              Temperatur entspricht und mit deren Steigen größer wird. Zuletzt wird ein Punkt
                              eintreten, wo sämmtliches Wasser in der Kugel A in Dampf
                              verwandelt ist, und bei diesem Punkte wird die Quecksilbersäule bei a steigen und bei b sinken.
                              Dieß ist das Zeichen der Sättigung; so lange nämlich die Verdampfung in beiden
                              Kugeln A und B vor sich geht
                              und die Temperatur eine gleichförmige ist, wird jede Kugel Dampf von gleicher
                              Spannung enthalten und die Quecksilbersäulen a und b werden auf gleicher Höhe bleiben; sobald aber das
                              Wasser in A verdampft ist und der Dampf anfängt
                              überhitzt zu werden, hört der Druck in A auf mit dem in
                              B gleich zu seyn und die Quecksilbersäule wird
                              sogleich fallen und so die Differenz anzeigen. Durch die plötzliche Veränderung des
                              Quecksilberstandes wird der Punkt angezeigt, bei welchem die Temperatur des Bades
                              mit dem Sättigungspunkte des Dampfes in A
                              correspondirt.
                           Als Beweis für die Empfindlichkeit dieser Probe führe ich an, daß bei 290° F.
                              die Quecksilbersäule für jeden Temperaturgrad über dem Sättigungspunkte um beinahe
                              zwei Zoll steigen würde, weil dann die Druckzunahme in Folge der Verdampfung
                              zwölfmal so groß ist als diejenige in Folge der Expansion beim Ueberhitzen, und eine
                              ähnliche Differenz findet bei anderen Temperaturen statt.
                           Der zu den Versuchen dienende Apparat erhält je nach dem beabsichtigten Drucke und
                              anderen Umständen eine verschiedene Einrichtung. Fig. 26 stellt eine
                              Anordnung desselben dar, welche mit Erfolg benützt wurde. Sie besteht in einer
                              Glaskugel von ungefähr 70 Kubikzoll Inhalt, in welche, nachdem darin eine
                              Toricellische Leere erzeugt wurde, die gewogene Wassermenge eingebracht wird. Die
                              mit einem Stiel versehene Kugel A ist von einem
                              kupfernen Kessel B, B umgeben, welcher durch eine starke
                              Glasröhre C, C verlängert ist, die den Stiel der Kugel
                              einschließt. Der kupferne Kessel bildet das Wasser- und Dampfbad, durch
                              welches die Kugel erhitzt wird und entspricht der zweiten Kugel B in der ersten Figur. Die bewegliche Quecksilbersäule
                              oder der Sättigungsmesser ist unten in der Röhre C, C
                              angebracht, und der Sättigungspunkt wird durch das Steigen der innern
                              Quecksilbersäule a und das gleichzeitige Fallen der
                              äußern Quecksilbersäule b angezeigt. Sobald sämmtliches
                              Wasser in der Kugel A verdampft ist, steigt die innere
                              Quecksilbersäule augenblicklich um das Gleichgewicht des Druckes herzustellen, und
                              zwar zunehmend mit der Temperatur-Erhöhung.
                           Der Kessel kann bei E durch Gasstrahlen erhitzt werden
                              und ist mit einem offenen Oelbade G versehen, um die
                              Glasröhren auf derselben Temperatur wie den Kessel zu erhalten; dieses Oelbad ist
                              auf ein Sandbad gesetzt und wird ebenfalls durch Gas erhitzt. Ein Thermometer D zeigt die Temperatur und ein Manometer F den Druck des Dampfes an; mittelst eines Ausblasehahns
                              H kann die Temperatur nöthigenfalls vermindert
                              werden.
                           Wir haben bereits eine Anzahl von Resultaten erzielt, aber sie sind noch nicht
                              genügend vorgeschritten, um veröffentlicht zu werden.
                           Die folgenden Zahlen wurden annähernd mittelst der obigen theoretischen Formel
                              berechnet und die durch Versuche erhaltenen Resultate denselben beigesetzt. Am
                              zweckmäßigsten wird die Dichtigkeit des Dampfes durch die Anzahl der Volume
                              ausgedrückt, auf welche sich das Wasser bei seiner Erzeugung ausgedehnt hat. So
                              verwandelt sich ein Kubikzoll Wasser in 1670 Kubikzoll Dampf von 212° F., in
                              882 Kubikzoll Dampf von 215° F., und in 400 Kubikzoll Dampf von 304°
                              F.; in dieser Weise wurden die folgenden Zahlen berechnet:
                           
                              
                                 
                                 
                                    Dampfvolumen
                                    
                                 
                              
                                 Temperatur.
                                 nach der Formel.
                                 nach dem Versuch.
                                 
                              
                                 244° F.
                                         
                                    1005
                                 896
                                 
                              
                                 245° F.
                                 969
                                 890
                                 
                              
                                 257° F.
                                 790
                                 651
                                 
                              
                                 262° F.
                                 740
                                 680
                                 
                              
                                 268° F.
                                 680
                                 633
                                 
                              
                                 270° F.
                                 660
                                 604
                                 
                              
                                 283° F.
                                 540
                                 490
                                 
                              
                           Diese Bestimmungen sind für die Pressungen von 10 bis 50 Pfd. Ueberdruck nicht genaue
                              Reductionen aus den Versuchsresultaten, sondern nur annähernde; sie zeigen aber
                              durchaus eine entschiedene Abweichung von dem Gesetze für permanente Gase, in dem
                              schon von Prof. Thomson angegebenen Sinne; die
                              Dichtigkeit ist nämlich immer größer als sie die Formel ergibt.
                           Ich hoffe der nächsten Versammlung der Gesellschaft mit Hülfe meines Freundes Tate eine Reihe von Resultaten vorlegen zu können,
                              wodurch wir über den Werth
                              des überhitzten Dampfes vollkommen ins Klare kommen; wir werden nämlich seine
                              Dichtigkeit und sein Volumen im Vergleich zum Druck, bei allen Pressungen, von der
                              atmosphärischen bis zu 500 Pfd. auf den Quadratzoll, bestimmen.
                           ––––––––––
                           Nach dem Vortrage dieses Berichtes machte Prof. Macquorn Rankine die Versammlung auf die Uebereinstimmung dieser Versuche mit der
                              mechanischen Wärmetheorie aufmerksam. Folgende Formel wurde zuerst aus den
                              thermodynamischen Principien von Prof. Clausius
                              abgeleitet:
                           v – v' = JL/(t
                              dp/dt),
                           worin v' das Volumen in Kubikfußen
                              von 1 Pfd. Wasser, bei einer gegebenen Temperatur ist; v
                              das Volumen in Kubikfußen von 1 Pfd. gesättigtem Dampf; L die latente Verdampfungswärme von 1 Pfd. Dampf, in gewöhnlichen
                              Wärmeeinheiten ausgedrückt; J
                              Joule's mechanisches Aequivalent einer Wärmeeinheit,
                              dessen Werth für Fahrenheit's Scala 772 Fußpfund ist; t
                              die absolute Temperatur = der Temperatur nach Fahrenheit's Scala + 461°,2;
                              und dp/dt das Verhältniß, in
                              welchem der Druck des gesättigten Dampfes sich mit der Temperatur ändert.
                           Hr. Rankine ließ vor einiger Zeit Tabellen über die
                              Dichtigkeit und das Volumen des Wasserdampfes für den praktischen Gebrauch drucken,
                              welche er in Ermangelung directer experimenteller Daten mittelst dieser
                              theoretischen Formel berechnete. Folgende Tabelle zeigt, daß die Resultate der
                              Formel nahezu mit jenen der Versuche von Fairbairn und
                              Tate übereinstimmen.
                           
                              
                                 
                                 
                                    Verhältniß des
                                       Dampfvolumens
                                    
                                    zum
                                       Wasservolumen
                                    
                                 
                              
                                 Temperatur.
                                 nach der Theorie.
                                 nach dem Versuch
                                 
                              
                                 244° F.
                                 936
                                 896
                                 
                              
                                 245° F.
                                 920
                                 890
                                 
                              
                                 257° F.
                                 756
                                 751
                                 
                              
                                 262° F.
                                 698
                                 684
                                 
                              
                                 268° F.
                                 635
                                 633
                                 
                              
                                 270° F.
                                 616
                                 604
                                 
                              
                                 283° F.
                                 506
                                 490
                                 
                              
                           Wie man aus dieser Tabelle ersieht, sind die theoretischen Resultate immer größer als
                              die experimentellen, was sich vielleicht durch eine Differenz in dem angenommenen
                              Werthe für die Dichtigkeit des Wassers erklären läßt. Bei der theoretischen Berechnung wurde das Volumen
                              des Wasserdampfes mit dem kleinstmöglichen Volumen eines
                              gleichen Gewichtes Wasser verglichen, nämlich mit dem Volumen bei 39°,1
                              Fahr.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
