| Titel: | Ueber die Anwendung des überhitzten Wasserdampfes; von Professor E. Bède in Lüttich. | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XXV., S. 90 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXV.
                        Ueber die Anwendung des überhitzten
                           Wasserdampfes; von Professor E.
                              Bède in Lüttich.
                        Aus der Revue universelle des mines, 1859, t. V p.
                              361.
                        Bède, über die Anwendung des überhitzten
                           Wasserdampfes.
                        
                     
                        
                           Man hat schon vor langer Zeit vorgeschlagen, den Dampf durch Röhren zu leiten, welche
                              mittelst der Wärme des Dampfkesselofens selbst oder eines Nebenofens erhitzt werden,
                              um das mitgerissene Wasser zu verdampfen. Dadurch beabsichtigte man aber nicht, den
                              Dampf auf einen höheren Temperaturgrad zu erhitzen als er im Kessel besitzt, man
                              betrachtete im Gegentheil das Ueberhitzen des Dampfes als nachtheilig; es kam
                              nämlich oft vor, daß der Dampf in diesen erhitzten Röhren eine so hohe Temperatur
                              erlangte, daß Hauptorgane der Maschine von ihm benachtheiligt wurden: die Stopfung
                              der Stopfbüchsen wurde verbrannt, die heiß und trocken gewordenen Kolben griffen die
                              Cylinder an. In Folge dieser Resultate verzichtete man auf das sogenannte Austrocknen des Dampfes durch die Wärme.
                           Seit einigen Jahren hat man sich aber neuerdings mit der Anwendung des überhitzten
                              Dampfes beschäftigt. Man betrachtete seine Anwendung mit Recht nicht mehr bloß als
                              ein Mittel um sich des mitgerissenen Wassers zu entledigen, sondern man sah darin
                              ein neues Princip der Ersparniß an Dampf und folglich an Brennmaterial. Wenn man
                              nämlich den Dampf nach
                              seinem Austritt aus dem Kessel erhitzt, so muß die Folge entweder eine Druckzunahme
                              desselben seyn, wenn sich sein Volum nicht ändert, oder eine Volumzunahme bei
                              gleichem Gewicht und gleichem Druck, wenn man ihm gestattet sich auszudehnen. Im
                              ersten Falle wird man beim Verbrauch desselben Volums und desselben Gewichts von
                              Dampf eine Kraftzunahme haben; im zweiten Fall wird man bei Verwendung desselben
                              Volums unter demselben Druck ein geringeres Gewicht verbrauchen. Wenn daher das
                              Ueberhitzen des Dampfes auf Kosten einer sonst verlorengehenden Wärme geschah, so
                              ist die erzielte Druckzunahme des Dampfes, oder der verminderte Verbrauch desselben
                              dem Gewichte nach, als reiner Gewinn zu betrachten.
                           Ueberhitzt man z.B. den Dampf um beiläufig 300° C., so wird man das Volum von
                              1 Kilogr. Dampf verdoppeln, indem man ihm denselben Druck läßt. Man kann folglich
                              auf diese Weise Dampf erhalten, welcher bei zwei Kolbenzügen dieselbe Kraft mit
                              demselben Gewicht ausübt, welches ein einziger Kolbenzug erforderte als der Dampf
                              gesättigt war. Man wird also 50 Proc. am Gewicht des verbrauchten Dampfes, und
                              folglich am Gewicht der verbrannten Steinkohlen ersparen.
                           Die verschiedenen Anwendungen, welche bisher vom Princip der Ueberhitzung des Dampfes
                              gemacht worden sind, haben zwar gezeigt welchen Nutzen man daraus ziehen kann, aber
                              keineswegs constante Resultate geliefert. Das Mißlingen des Erfolgs läßt sich
                              dadurch erklären, daß man entweder den Dampf zu stark überhitzte, wo dann die
                              praktischen Nachtheile die Vortheile überwogen, oder die Ueberhitzung zu schwach
                              war, wo dann in Folge der zahlreichen Veranlassungen einer Abkühlung der überhitzte
                              Dampf auf den gesättigten Zustand zurückgebracht wurde. Um ein gegebenes Gewicht
                              überhitzten Dampfes auf den gesättigten Zustand zurückzuführen, braucht man nämlich
                              demselben viel weniger Wärme zu entziehen, als einem gleichen Gewicht gesättigten
                              Dampfes um ihn zu condensiren.
                           Man wird leicht einsehen, daß es schwierig ist das Ueberhitzen des Dampfes so zu
                              reguliren, daß die Wärmeverluste compensirt werden, ohne die Gränze zu überschreiten
                              wo die Temperatur den Organen der Maschine nachtheilig wird. Die zur Ueberhitzung
                              angewandten Methoden waren überdieß so verschiedenartig, daß man sich über die
                              ungenügende Uebereinstimmung der erhaltenen Resultate nicht wundern kann und
                              folglich an der Anwendbarkeit des Princips nicht verzweifeln darf.
                           Die schätzbarste Untersuchung über die Anwendung des überhitzten Wasserdampfes bei
                              Dampfmaschinen verdankt man bis jetzt Hrn. G. A. Hirn
                              zu Logelbach bei Colmar. (Seine Resultate sind zusammengestellt im polytechn.
                              Journal Bd. CXLV S. 321.)