| Titel: | Ueber ein aus braunsteinhaltigen Erzen erblasenes Roheisen; von Dr. C. List. | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XXXVIII., S. 119 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber ein aus braunsteinhaltigen Erzen erblasenes
                           Roheisen; von Dr. C. List.Vom Verfasser aus dem „Jahresbericht der königl. preuß.
                                    Provinzial-Gewerbeschule zu Hagen“ mitgetheilt.
                           
                        List, über ein aus braunsteinhaltigen Erzen erblasenes
                           Roheisen.
                        
                     
                        
                           Auf der Grube Löh bei Rothemühl
                              an der Bigge, zwei Stunden südlich von Olpe, wird seit 1829 Brauneisenstein
                              gefördert, der dort einen mächtigen Gang in der Grauwacke bildet. Der südliche Theil
                              des Ganges wird durch einen Spatheisenstein und Bleiglanz führenden Gang durchsetzt,
                              welchen der 150 Lachter lange Stollen der Grube Löh noch nicht erreicht hat, der
                              aber durch alten, schon seit langer Zeit verlassenen Bergbau aufgeschlossen ist. Je
                              mehr der Hauptgang sich diesem durchsetzenden Gange nähert, um so mehr findet man
                              dem Brauneisenstein Psilomelan eingemengt, so daß dieser gegenwärtig vor Ort an
                              vielen Stellen in solchem Maaße vorwaltet, daß der Betrieb der Grube hauptsächlich
                              auf die Gewinnung von Braunstein gerichtet ist. Die Braunsteinstücke werden vom
                              Brauneisenstein ausgelesen, gepocht und gewaschen, um sie von thonigen Theilen zu
                              befreien, und darauf in verschiedenen Sorten nach dem Grade der Reinheit dem Handel
                              übergeben.
                           
                           Der erwähnte Brauneisenstein ist viele Jahre hindurch vorzugsweise auf dem Hohofen zu
                              Rüblinghausen bei Olpe verhüttet worden. Obgleich die mit der Zeit immer mehr
                              zunehmende Beimengung von Psilomelan nicht unbemerkt geblieben ist, so hat man doch
                              das wirkliche Wesen desselben nicht geahnt, sondern sich damit begnügt, das Erz
                              durch den Namen „Blaustein“ als ein besonderes Eisenerz zu
                              bezeichnen. Erst im Anfange vorigen Jahres, als die Menge des ausgebrachten Eisens
                              bedeutend hinter der berechneten zurückblieb, wurde das Erz einer genaueren
                              Untersuchung unterworfen, welche ergab, daß der sogenannte Blaustein zum größeren
                              Theile aus Braunstein bestand.
                           Die Möllerung bei der fraglichen Campagne zu Rüblinghausen bestand nach einer mir
                              durch Hrn. G. Lehrkind in Haspe gemachten Mittheilung im
                              Durchschnitt aus 4/7 Spatheisenstein, aus dem Siegener Revier, beste Sorte, und 3/7
                              Brauneisenstein, welcher zur Hälfte von der Grube Löh war und 50–60 Proc.
                              Braunstein enthielt. Hiernach bestand etwa 1/9 aus Psilomelan. – Da es mir
                              unzweifelhaft schien, daß die Analyse des bei einer an Mangan so reichen Beschickung
                              erblasenen Eisens das Maximum des Mangangehaltes ergeben würde, welcher von Roheisen
                              aufgenommen werden kann, so bemühte ich mich, mir eine Probe davon zu diesem Zwecke
                              zu verschaffen. Ich erhielt eine solche in Rüblinghausen selbst durch den
                              Platzmeister der Hütte und halte mich über die Aechtheit derselben vollkommen
                              überzeugt. Leider waren die zugleich gefallenen Schlacken schon völlig vom
                              Hüttenplatze abgeräumt, so daß ich darauf verzichten mußte diese zugleich zu
                              untersuchen.
                           Das fragliche Eisen ist im Aeußern von normalem weißen Eisen durchaus nicht
                              verschieden. Es zeigt indessen geringe Härte, indem es nicht in Glas einschneidet
                              und selbst von Spiegeleisen stark geritzt wird. Es hat sich als sehr strengflüssig
                              gezeigt und aus diesem Grunde beim Herausziehen aus dem Herde große Schwierigkeiten
                              verursacht. Es rostet sehr schnell und wird von Salpetersäure ungewöhnlich stark
                              angegriffen. Bei der Behandlung mit Königswasser scheidet sich kein Kohlenstoff ab,
                              es entsteht eine vollständige Lösung.
                           Ich habe mich vorläufig auf die Bestimmung des Siliciums und Mangans beschränkt.
                              – 1,761 Grm. lieferten 0,055 vollkommen weiße Kieselsäure und 0,092
                              Mn³O⁴. Hiernach enthält das Eisen
                           
                              
                                 Kieselsäure
                                 1,46 Proc.
                                 
                              
                                 Mangan
                                 3,80 Proc.
                                 
                              
                           Die Voraussetzung, daß das fragliche Eisen sich durch einen ungewöhnlich hohen
                              Mangangehalt auszeichnen würde, hat sich mithin nicht bestätigt. Die gefundene Menge
                              bleibt sogar hinter der im Spiegeleisen von verschiedenen Chemikern nachgewiesenen
                              Menge (4 bis 7 Proc.) noch zurück und stimmt mit derjenigen überein, welche Bromeis in ordinärem weißem, aus Spatheisenstein zu
                              Mägdesprung am Harz erblasenen Eisen gefunden hat (3,72 Proc.). Es ergibt sich also
                              hieraus, daß durch einen vermehrten Zusatz von Mangan haltenden Erzen zur
                              Beschickung der Mangangehalt des Roheisens nicht über das bisher gefundene Maximum
                              gesteigert werden kann. – Daß dennoch der bedeutende Mangangehalt einen
                              indirecten Einfluß auf das Eisen ausgeübt hat, ergibt sich aus seinen oben erwähnten
                              Eigenthümlichkeiten. Diese machen es unzweifelhaft, daß es eine sehr geringe Menge
                              Kohlenstoff enthält. Es folgt dieses nicht nur aus dem Verhalten gegen Säuren; die
                              geringe Härte, die Strengflüssigkeit, ja auch einige Notizen, die ich über das
                              Verhalten im Puddelofen erhalten habe, zeigen, daß es in einem unvollständig
                              gekohlten, halbgefrischten Zustande den Hohofen verlassen hat. Bei einem Versuch das
                              Eisen für sich allein zu Stabeisen zu puddeln „ist es nicht recht hoch
                                 gekommen“ – d.h. es ist keine starke Entwickelung von
                              Kohlenoxydgas eingetreten – hat aber schließlich doch gutes Stabeisen
                              geliefert; als Zusatz zu schwerfrischenden, also kohlenstoffreichen Eisensorten hat
                              es sehr günstigen Einfluß ausgeübt. Durch alle diese Verhältnisse scheint mir ein
                              geringer Kohlenstoffgehalt mit ebenso großer Entschiedenheit bewiesen zu seyn, als
                              wenn es durch eine analytische Bestimmung geschehen wäre, zu welcher mir bisher Zeit
                              und Hülfsmittel gefehlt haben.
                           Auf welche Weise der Braunstein die höhere Kohlung des Eisens verhindert, ist leicht
                              zu erklären. Wenn im Hohofen die mit Braunstein gemischten Eisenerze in die
                              Reductionszone gelangen, so wird durch Einwirkung des Kohlenoxydgases das Eisenoxyd
                              zu metallischem Eisen reducirt, während die höheren Oxydationsstufen des Mangans
                              nicht weiter als zu Manganoxydul reducirt werden können, da dieses weder durch
                              Wasserstoffgas noch durch Kohlenoxyd, sondern nur durch Kohle in der Weißglühhitze
                              in Metall verwandelt werden kann. Während das erhaltene Gemenge von metallischem
                              Eisen und Manganoxydul die Kohlungszone passirt, nimmt ersteres allmählich mehr und
                              mehr Kohlenstoff auf, das Manganoxydul aber bleibt unverändert. Erst in der
                              Schmelzzone findet eine chemische Einwirkung auf das Manganoxydul statt; ein Theil
                              wird bei der hier eintretenden Schlackenbildung verwendet, ein anderer bei der
                              vorhandenen hohen Temperatur durch Kohlenstoff reducirt. Durch diese Reduction aber
                              wird es dem Eisen unmöglich gemacht, sich mit Kohlenstoff zu sättigen, indem theils
                              der zur Sättigung erforderliche Kohlenstoff durch den Sauerstoff des Manganoxyduls
                              in Anspruch genommen wird, theils aber auch vielleicht das Manganoxydul auf Kosten des mit
                              dem Eisen verbundenen Kohlenstoffs reducirt wird. Die durch den Mangangehalt
                              leichtflüssig gewordene Schlacke bewirkt ein schnelles Herabfließen aus der
                              Schmelzzone und das Eisen kommt unvollkommen gekohlt in den Herd.