| Titel: | Zur Theorie und Praxis der Weinbereitung; von G. E. Habich. | 
| Autor: | G. E. Habich | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XLII., S. 139 | 
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                        XLII.
                        Zur Theorie und Praxis der Weinbereitung; von
                           G. E. Habich.
                        Habich, zur Theorie und Praxis der Weinbereitung.
                        
                     
                        
                           III.Fortsetzung von Bd.
                                    CLIII S. 303
                           Von den Farbstoffen im Wein hat mich zunächst der des Rothweins interessirt.
                           Mulder hat in seiner „Chemie des
                                 Weines“ die Farbstoffe des Weines auf zwei
                              zurückgeführt. Der eine ist blau, in Verbindung mit
                              Säuren roth, – er ist im reinen Zustande unlöslich in Wasser und Alkohol, mit Säuren verbunden
                              wird er aber löslich. Der andere Farbstoff ist braun, in
                              der Verdünnung gelb. Beide zusammen kommen in den
                              Rothweinen vor, und ihr relativ verschiedenes Verhältniß zu einander bedingt die
                              Nüancen der verschiedenen Rothweine.
                           So erscheint die Sache außerordentlich plausibel, – allein sie entspricht der
                              Wirklichkeit nicht. Und man konnte doch am Ende schon aus dem sehr verschiedenen
                              Verhalten einiger Rothweine zum Bleizucker (s. Mulder a.
                              a. O. S. 373) mit Sicherheit annehmen, daß es sich nicht bloß um einen, und zwar blauen Farbstoff als charakteristisches
                              Färbungsmittel der
                              Rothweine handelt. Darnach gibt Portwein einen schmutzigbraunen, Tavella einen schmutzigweißen, Burgunder etc. einen blaßblauen,
                              Benicarlo einen dunkelblauen, Bordeaux einen blaßblauen Niederschlag. – S. 228 gibt uns Mulder den Weg an, auf dem er sich den blauen Farbstoff
                              der Traube aus dem Bordeauxwein dargestellt habe. Wenn man weiß, weßhalb die
                              deutschen Heidelbeeren einen bedeutenden Export-Artikel nach Frankreich
                              bilden, so wandelt einen der Verdacht an, daß Mulder's
                              blauer Weinfarbstoff mehr oder weniger mit Heidelbeeren-Farbstoff gemengt
                              gewesen sey.
                           Ich hatte in Oberingelheim, wo man dieselbe Rebsorte für die
                              Rothwein-Erzeugung baut, wie in BurgundEs ist der schwarze Burgunder, Pineau noir, am
                                    Rheine „Klebroth“ genannt – Gelegenheit, 1858er Rothweine zu prüfen. Die Weine waren frei von
                              jedem färbenden Zusatze, – eine solche Nachhülfe ist im Jahre 1858 nirgends
                              nothwendig gewesen. Dieser Rothwein verhielt sich folgendermaßen.
                           Wurde die Säure desselben genau mit verdünntem Ammoniak neutralisirt, so erfolgte
                              eine Trübung, die sich alsbald als blaugrauer Niederschlag am Boden ablagerte. Die
                              überstehende Flüssigkeit war in dünnen Schichten blaulichgrün, in dickern Schichten
                              und bei durchfallendem Lichte tief granatroth durchscheinend. Wurde sie wiederum mit
                              Weinsäure versetzt, so erhielt sie nicht nur ihre vollständige
                              Farben-Intensität wieder, sondern diese erschien sogar noch tiefer als sie vorher war. Im Verhalten zu einer Bleizuckerlösung
                              zeigte sich diese wieder hergestellte Farbe etwas anders als der reine Rothwein. Der
                              Rothwein gab nämlich einen blaugrauen Niederschlag, – der mit Ammoniak
                              versetzte, abfiltrirte und wieder angesäuerte Wein zeigte einen viel blassern
                              Niederschlag (in Folge der Beimengung einer viel größern Portion weinsauren
                              Bleioxyds). Blieb aber die ammoniakalische Lösung erst 12 Stunden stehen, ehe denn
                              sie angesäuert wurde, so war der Bleiniederschlag aus der tiefrothen Flüssigkeit schmutzig weiß. Hiernach sollte man sich doch wohl
                              überzeugt halten, daß eine bedeutende Modification in der Natur des Farbstoffs
                              vorgegangen seyn kann, ohne daß solche sich in der Farbnüance des Weines geltend
                              macht.
                           Der durch Ammoniak bewirkte Niederschlag löst sich weder in Ammoniak noch in
                              Weinsäure. Bei solcher Indifferenz für die Zwecke der Weinbereitung habe ich ihn
                              vorläufig nicht weiter untersucht. Nach den Angaben Mulder's hätte man annehmen sollen, daß dieser Niederschlag der seines Lösungsmittels
                              beraubte Farbstoff sey. Er hat aber damit gar nichts zu schaffen.
                           Den Farbstoff der Rothweine rein darzustellen, habe ich unterlassen. Dagegen will ich
                              einige Thatsachen über das Verhalten des in der gegohrenen Flüssigkeit aufgelösten
                              Farbstoffs hierhersetzen.
                           Diese rothe Verbindung des blauen Farbstoffs geht mit verschiedenen anderen
                              Substanzen sehr leicht Verbindungen ein und spielt dann dieselbe Rolle wie die
                              Mehrzahl der Farbstoffe in der Färberei gegenüber den gebeizten Zeugen.
                           Während der Gährung scheiden sich einige gerbsaure Eiweißstoffe ab, denen sich der
                              Farbstoff sofort anhängt und sie roth färbt. Ebenso wird die ausgeschiedene Hefe,
                              deren Zelleninhalt alsbald einen Theil der Gerbsäure des Rothweines an sich zieht,
                              durch den Farbstoff roth gefärbt. Man bedient sich dieses Umstandes zuweilen, um Rothweine zu entfärben. Ein Beispiel der Art ist mir
                              in Algesheim begegnet. Dort hatte man einen rothen Fleischtraubenwein (von der
                              Trollingertraube) mit etwa 1/7 weißer Drusen (Weinhefen) gemischt, – der Wein
                              war vollständig entfärbt und zugleich seiner Gerbsäure beraubt.
                           Schönt man einen Rothwein mit Hausenblase, so entsteht zunächst die Verbindung der
                              Gerbsäure mit dem Leim, – der Wein verliert also Gerbsäure. Mit dieser
                              Verbindung associirt sich aber auch eine große Menge Farbstoff, – man kann
                              den Wein auf diese Weise ebenfalls entfärben und hat deßhalb
                                 die Hausenblase oder den Leim als Schönungsmittel für Rothweine zu
                                 meiden.Man pflegt die Rothweine mit Eiweiß zu schönen.
                                    Die chemische Veränderung, welche dadurch im Rothweine hervorgerufen wird,
                                    ist dieselbe wie beim Leim, – gerbsaurer Eiweißstoff vereinigt sich
                                    mit Farbstoff und fällt zu Boden. Aber das Eiweiß ist (als lösliche Substanz) besser zertheilbar, und
                                    deßhalb reicht eine geringere Menge desselben zur
                                    Schönung aus und der Wem verliert nur wenig an
                                    Gerbsäure und Farbstoff. – Ebenso ist's mit der Milch, – Gerbsäure, Käsestoff und
                              Farbstoff fallen zu Boden und der Wein ist zum weißen Wein geworden. Uebrigens ist
                              Milch ein so kräftiges Entfärbungsmittel, daß sie auch
                              dient, um den zu tief gefärbten weißen Weinen einen Theil des gelb färbenden
                              Farbstoffs zu entziehen.
                           Uebergießt man die Rothweindrusen (die am Boden liegende Hefe) mit einer Auflösung
                              von Weinsäure, so löst sich ein Theil des Farbstoffs wieder auf, indessen kann man
                              denselben dadurch nicht allen Farbstoff entziehen. – Es erklärt sich dadurch
                              die Thatsache, daß die Rothweine guter (sehr zuckerreicher, aber wenig saurer)
                              Jahrgänge oft heller von
                              Farbe sind, als die Gewächse geringerer Jahre, – so war der 1834er weniger
                              gefärbt, als der sehr gedeckte aber viel geringere 56er. Also steht die Menge des
                              aus den Hülsen aufgenommenen Farbstoffs nicht im
                              Verhältniß zu der Menge des durch die Gährung gebildeten Alkohols, sondern sie ist
                              – eine genügende Menge des Farbstoffs vorausgesetzt – adäquat der vorhandenen Säuremenge. Die Verbindung des
                              Farbstoffs mit anderen unauflöslichen Substanzen widersteht der Einwirkung der
                              gegohrenen Flüssigkeit vollständig, auch der Proceß des Gährungsverlaufs ändert an
                              diesem Verhalten nichts. Folgender einfache Versuch belehrt uns am überzeugendsten,
                              daß die bisherige Meinung, der Farbstoff sey durch den Alkohol der gegohrenen
                              Flüssigkeit gelöst, eine irrige ist. Man übergieße rothe
                              Weindrusen mit einer Traubenzuckerlösung und setze etwas weiße Drusen oder sonstige
                              Hefe hinzu (die rothen Drusen bringen nämlich keine Gährung hervor, weil der
                              Eiweißstoff der Hefenzellen durch die Gerbsäure unauflöslich geworden ist und die
                              Diasmose deßhalb aufhört), – die Flüssigkeit nach der Gährung ist farblos. Derselbe Versuch unter Zusatz von etwas
                              Weinsäure gibt eine rothe Auflösung, während die Drusen ziemlich entfärbt
                              werden.
                           Auf dem bisher besprochenen Verhalten des Farbstoffs zur Weinsäure beruhen nun auch
                              die Erscheinungen, welche das sog. Umgehen oder Umschlagen der rothen Weine begleiten. Diese Krankheit
                              hat ihren Ausgangspunkt in einer Zersetzung der Weinsäure, – junge Weine
                              insbesondere, welche sich ihres Weinsteins noch nicht entledigt haben, enthalten
                              dann statt des weinsauren Salzes kohlensaures Kali. Dabei
                              verschwindet also der Stoff, welcher mit dem blauen Farbstoff eine rothe Verbindung eingeht, – darum geht die Farbe
                              zu Anfang ins Violett etc. über, genau so, wie oben bei der Neutralisation des Weins
                              mit Ammoniak. Im weitern Verlauf der Affaire aber geräth das kohlensaure Kali mit
                              dem Farbstoffe in Conflict und verändert denselben so, daß an eine Rückführung
                              desselben nicht mehr zu denken ist. Der einzig mögliche Weg zur Rettung bleibt
                              hierbei der bereits vom Prof. Breton in Paris empfohlene
                              Zusatz von Weinsäure, – nur darf man mit dem Einschreiten nicht zögern. Man
                              setzt also Weinsäure zu, sobald sich die Farbe etwa bis zum Violett entwickelt hat,
                              – ein Theil der Weinsäure zersetzt das kohlensaure Kali und fällt als
                              Weinstein nieder, ein anderer Theil verbindet sich mit dem Farbstoff und führt die
                              Farbe wieder ins Roth über. Man hat nach und nach so viel Säure zuzusetzen, daß die
                              Flüssigkeit den normalen Säuregehalt wieder besitzt,
                              – je weiter die Krankheit eingerissen, desto mehr Säure ist nöthig.
                              Allgemeine Vorschriften – wie z.B. Breton 1 Loth
                              Weinsäure auf 100 Liter Wein vorschreibt – kann es dabei nicht geben; der
                              Weinproducent muß denken lernen und sich dadurch seinen Wegweiser selbst
                              schaffen.
                           Die Eigenschaft des Farbstoffs, sich mit andern ausgeschiedenen Substanzen färbend zu
                              vereinigen, führt auch die Entfärbung des Rothweins beim Altern herbei. Der Hergang
                              ist folgender. Die Gerbsäure desselben erleidet eine Veränderung, wobei sich ein
                              unauflöslicher Absatz (das sog. Apothema) bildet, – gleichzeitig wird mehr
                              gelber (oder brauner) Farbstoff in dem Weine gebildet, wodurch das ursprüngliche
                              Roth desselben mehr ins Granatrothe getrieben wird. Diesem Apothema aber hängt sich
                              alsbald eine Portion des Farbstoffs an, und die Farbe des Weins sticht dann noch
                              mehr ins Gelbe.
                           Die Wirkung der Weinsäure auf den blauen Farbstoff zeigt sich in höchst
                              eigenthümlicher Weise bei einer Traubensorte, der Färbertraube, teinturier. Bekanntlich lagert sich der Farbstoff der
                              blauen Trauben in den Hülsen ab, der Saft derselben ist farblos. Anders ist's bei
                              der eben erwähnten Spielart, – der Saft derselben bleibt auch in der Reife so
                              sauer, daß der Farbstoff der Hülsen den Angriffen der
                              Säure nicht mehr widerstehen kann und in den Saft hinüber wandert; so bildet denn
                              dieser Saft schließlich eine concentrirte, tiefrothe Farbstofflösung. – Es
                              geht eine Sage unter den Weingärtnern, daß es auch eine süße rothsaftige Traube gäbe, die besonders an der Haardt (Rheinpfalz) zu
                              Hause sey. Meine Nachforschungen darnach waren indessen vergeblich, – auf
                              Grundlage der obigen Erfahrungen wird man auch wohl die Möglichkeit eines solchen
                              Vorkommens stark bezweifeln dürfen.
                           Für die Herstellung der rothen Tresternweine à la
                                 Petiot ist das Verhalten der Weinsäure zum Farbstoff von Wichtigkeit. Die
                              ersten Aufgüsse zeigen sich dabei nämlich ziemlich intensiv gefärbt, die späteren
                              aber liefern einen schlecht gefärbten Wein, während die Trestern immer noch viel
                              Farbstoff enthalten. Es fehlt nämlich an Weinsäure, um diesen Farbstoff in Lösung zu
                              bringen. Ich hatte Gelegenheit, mehrere solcher rothen Tresternweine auf ihren
                              Säuregehalt zu untersuchen und fand ihn schwankend zwischen 0,37 und 0,28
                              Acetometer-Procenten, während der bekannte Oberingelheimer 0,48 Proc. Säure
                              ausweist. Diesem geringern Säuregehalt entspricht auch ein geringerer Farbgehalt.
                              Und daraus entspringt für die Fabrication der Trestern-Rothweine die Regel,
                              daß man den spätern Aufgüssen den normalen Säuregehalt
                                 geben muß (durch Zusatz von Weinsäure), um auch hinreichend gedeckte Weine zu
                                 erhalten.
                           Außerdem muß man in Anschlag bringen, daß bei einer im Ganzen so geringen Säuremenge ein längerer
                                 Zeitraum erforderlich
                               ist, um alle Säure mit
                              dem Farbstoffe in Contact und diesen dadurch in Auflösung zu bringen. Daher denn die
                              weitere Regel, daß man den Wein nicht zu frühe von den
                                 Trestern abzapfen soll. Ist auch die Gährung vollendet, so hat doch die
                              Auflösung des Farbstoffs noch nicht genügend stattgefunden, – man läßt also
                              den jungen Wein immer einige Wochen auf den Trestern liegen.
                           Ich muß hier eine Erfahrung einschalten, die vielleicht für die Rothweinbereitung
                              überhaupt von Wichtigkeit seyn kann. Ein Oberingelheimer Weinproducent, Hr. Scheuermann, erzählte mir, daß mehrere seiner Freunde
                              einen Wein von gleichem Farbgehalt wie die seinen zu Stande gebracht hätten,
                              – man habe ihn deßhalb zu Rath gezogen. Und dabei habe sich denn ein kleiner
                              Unterschied im Verfahren herausgestellt. Hr. Sch. läßt nämlich die Decke seines
                              Traubenmaisches so lange stehen, bis eine erhebliche
                                 Temperatur-Erhöhung eingetreten ist, – dann erst wird die
                              Decke untergerührt. Nachdem dieses Verfahren auch von den mit der Farbe ihres Weines
                              unzufriedenen Producenten adoptirt war, ergaben sich auch da besser gedeckte Weine.
                              Vergleichende Versuche müßten diese Sache in ein helleres Licht setzen.
                              Wahrscheinlich wird sich dann herausstellen, daß der gefärbtere Wein auch etwas
                              saurer ist, indem der Säuregehalt in den heißgewordenen
                              Zellen dünner ist und deßhalb durch Exosmose leichter in
                              die kältere, also dichtere,
                              Flüssigkeit übergeführt wird.
                           Das eben erwähnte Verfahren ist einigerwaßen überraschend, wenn man erwägt, wie
                              außerordentlich leicht zersetzbar der Farbstoff ist. Man erinnere sich, daß beim
                              Abbeeren mit großer Sorgfalt jede faule oder überreife Beere entfernt wird, weil sie
                              den Wein zum „Abfallen“ geneigt machen würden. Solcher Wein
                              bekommt nämlich, anstatt der schönen rothen, eine matte braune Farbe, die aber auch
                              nicht einmal haltbar ist und bald einer bernsteingelben Färbung Platz macht. Man
                              sieht, wie sehr zarter Natur der Farbstoff ist, – und doch soll er die
                              Selbsterhitzung so gut vertragen können!
                           Mit der Zersetzung des Farbstoffs beim Abfallen der Rothweine geht Hand in Hand die
                              Umwandlung der Gerbsäure, – es entsteht eine Portion Gallussäure. Man nehme einen alten Rothwein (der seinen herben Geschmack
                              verloren und statt dessen einen bitterlichsauren Geschmack bekommen hat) und bringe
                              ihn mit in Wasser aufgequollenem Leim (Gelatine) in Berührung, – es scheidet
                              sich flockiger gerbsaurer Leim aus und die Flüssigkeit wird ziemlich entfärbt. Durch
                              Neutralisiren mit Ammoniak scheidet man noch etwas gerbsauren Leim aus, der in der
                              Säure des Weines gelöst
                              war. Die filtrirte, blaßgelbe Flüssigkeit wird durch Eisenoxydsalze sehr dunkel
                              gefärbt und enthält die Gallussäure.
                           Ich komme nun auf ein Capitel zu sprechen, welches Manche unter die Ueberschrift
                              „Weinverfälschung“ zu registriren pflegen, – es ist
                              die Mitbenutzung noch anderer Farbstoffe als des Traubenblaues. Will man gerecht seyn, so muß man
                              eingestehen, daß der Vorzug, welchen die Consumenten den
                              mehr gedeckten Weinen gegeben haben, dem Weinfärben den Weg gebahnt hat. Gerade so,
                              wie das Vorurtheil mancher Biertrinker in einem dunklern Bier auch einen größern
                              Gehalt vermuthet und die Anwendung des Farbmalzes (welches einen ganz andern
                              Farbstoff enthält als das durch große Mengen ungebrannten Malzes gebräunte Bier)
                              hervorrief, – gerade so hat auch dasselbe Vorurtheil der Rothweintrinker die
                              Anwendung einiger Farbmittel nothwendig gemacht. Und es
                              gilt hier wie überall der Satz, daß der Producent nach der Pfeife des Consumenten
                              tanzen muß.
                           Daß in Sachen der Weinfärberei die Franzosen schon längst die Meisterstufe erklommen
                              hatten, ist eine bekannte Thatsache. Der größte Theil der dort gezogenen weißen
                              Landweine wird auf rothe Weine umgearbeitet. Die
                              Färbungsmittel sind ganz unschädlicher Art und man könnte also die Praxis
                              ungehindert ausüben lassen. Nun hat sich aber schon vor langer Zeit durch eine
                              naheliegende Gedankenverbindung die Meinung eingepilzt, daß, wo man Farbstoff
                              zuzusetzen sich erlaube, man vielleicht auch noch andere ungehörige Dinge in den
                              Wein einführe. Auf dieser grundfalschen Basis suchte man denn nach einem
                              Erkennungsmittel, um den Weinfarbstoff von anderen unterscheiden zu können.
                           Bei der ausnehmend leichten Wandelbarkeit des Traubenblau's hat aber diese Sache
                              ihren Haken, und es gibt kein Reagens, welches den Zusatz eines fremden Farbstoffes
                              nachzuweisen vermöchte.
                           Die in Deutschland gebräuchlichsten Weinfärbungsmittel sind der Saft der kleinen
                              wilden Kirsche (am Rheine „Weinkirsche“ genannt) und die
                              Blumenblätter der schwarzen Malve.
                           Wäre ein Rothwein lediglich mit dem einen oder andern
                              dieser Farbmittel bereitet, so würde man wohl durch die verschiedenen Farben, welche
                              die Verbindungen der Farbstoffe mit Bleioxyd oder Thonerde besitzen, auf die Spur
                              kommen, – so z.B. bewirkt Bleizuckerlösung in einem Rothwein einen
                              blaugrauen, Malvenfarbstoff aber einen ziemlich rein blauen Niederschlag. Neben dem Weinfarbstoff sind jedoch diese Zusätze nicht
                              wohl durch solche einfache Reagentien zu erkennen.
                           Zum Schluß noch ein paar Worte über die Bedeutung des blauen Farbstoffs für die Zeitigung der Traube. Sobald nämlich der blaue Farbstoff einigermaßen
                              entwickelt ist, tritt eine progressive Beschleunigung der Zuckerbildung in der Beere
                              ein, – offenbar aus demselben Grunde, aus welchem manche andere chemische
                              Processe unter blau gefärbten: Glase besser oder rascher von Statten gehen als unter
                              anders gefärbtem oder farblosem. Für die Weinbereitung ist dieser Umstand deßhalb
                              von Wichtigkeit, weil in schlechten Jahrgängen die blaue
                              Traube ihren Inhalt wenigstens so weit fortentwickelt, daß beim Abpressen des Saftes
                              ein ohne Weiteres genießbarer Wein erhalten wird, während die weißen Trauben einen
                              Saft liefern, der ohne die Mithülfe einer rationellen Weintechnik nicht als Getränk
                              dienen kann.
                           
                        
                           Nachschrift.
                           Die Erfahrungen, welche ich im vorstehenden Artikel zusammengestellt habe, sammelte
                              ich vor Eintritt der Weinlese. Ich kann jetzt, nach dem
                              „Herbst,“ Manches ergänzen und vervollständigen.
                           Zunächst die Färbertraube. Ich habe aus dem Dunkel,
                              welches über die Natur derselben verbreitet ist, endlich den Faden gefunden. Und
                              dadurch kommen wir auch zu besseren Anschauungen über die Verhältnisse des blauen
                              Farbstoffs. Ich hätte meine obigen Mittheilungen über den
                              „Färber,“ die nur auf mündlicher Ueberlieferung beruhten,
                              kurzer Hand streichen können. Indessen lasse ich sie lieber stehen, weil ich meine,
                              es ist immer gut, den Weg kennen zu lernen, wie man aus dem Irrthum zur Wahrheit
                              gelangt.
                           Die erste Färbertraube, deren Saft ich auf den Säuregehalt untersuchte, ergab nur 5,1
                              pro mille und war noch nicht völlig reif. Darnach
                              waren meine Erwartungen von dem verschrieenen Säuerling natürlich ganz beseitigt,
                              und auch die Meinung, daß lediglich der vorherrschende Säuregehalt den Farbstoff im
                              Traubensaft aufgelöst erhalte, mußte aufgegeben werden. Leider wurden die Trauben
                              dieses einzeln stehenden Stocks mit anderen geerntet, ehe denn ich die
                              Weiterverfolgung des Säuregehalts und schließlich die Zuckerbestimmung vornehmen
                              konnte. Jedenfalls war ich nunmehr sicher, die Bekanntschaft des „Süßfärbers“ gemacht zu haben.
                           Inzwischen wurde mir ein wahrhafter „Sauerfärber“ verrathen. Ich kam zu spät, um die Traube zu
                              erhaschen, – man hatte bereits gekeltert und der dunkelrothe Saft war bereits
                              in Gährung gekommen, so daß eine saccharometrische Feststellung des Zuckergehalts
                              nicht mehr thunlich war. Der Säuregehalt wurde zu 6,2 pro
                                 mille ermittelt, – die Differenz ist ziemlich geringfügig und man
                              kann wohl nicht von einem Sauerfärber reden. – Ich
                              habe später von dem Weine getrunken, welcher aus diesem reingehaltenen Färbermost hervorgegangen war,
                              – er war sehr gedeckt von Farbe, äußerst wenig adstringirend, von angenehmer
                              Säure, aber der geistige Gehalt hätte besserIch habe die Bestimmung des Alkoholgehalts unterlassen, weil die Menge
                                    desselben jedenfalls zu gering war, um neben andere Rothweine gestellt
                                    werden zu können. seyn können.
                           Ich habe auch das Färbungsvermögen dieses Weines, den man
                              namentlich in Frankreich benutzen soll, um weiße Weine in Rothweine zu verwandeln,
                              festgestellt. Es ist in önologischen Schriften behauptet worden, man könne mit 3
                              Theilen Färberwein 10 Theile weißen Wein hinlänglich roth färben. Der vorliegende
                              Most hat das nicht leisten können, – bei der Verdünnung mit einem gleichen Volum weißen Weines hatte das Gemisch ungefähr
                              die Farbe des bekannten „Oberingelheimer.“
                              
                           Hr. Bürgermeister George in Büdesheim, von dem ich mir
                              behufs Gährungsversuchen Trauben der neuerdings sehr empfohlenen
                              „Portugieser“ erbat,Dabei kam ich wieder „zu spät,“ – es war schon
                                    gekeltert. theilte mir mit, daß diese Rebsorte ebenfalls einen rothen Saft liefere und
                              daß der Farbstoff derselben bei der Wäsche des damit befleckten Tischzeugs großen
                              Widerstand entgegensetze. Ich werde später Gelegenheit haben, den aus dieser dritten Sorte des „Färber“
                              bereiteten Wein, der wegen seines Feuers sehr geschätzt ist, sowohl auf seinen
                              geistigen und Säure-Gehalt zu untersuchen, als auch den Farbstoff genau zu
                              prüfen.
                           Eine interessante Erscheinung bietet das Laub des Färber
                              im Herbst, – das Blattgrün desselben geht sofort in ein intensives Carminroth über. Solche Blätter, in Weinsäure haltiges Wasser
                              gelegt, geben den Farbstoff leicht ab und färben die Flüssigkeit herrlich roth. Der
                              aufgelöste Farbstoff der Blätter verhält sich genau so, wie der Farbstoff des blauen
                              Burgunder (Klebroth, s. oben).
                           Durch die im Ganzen zu geringen Säuremengen der obigen
                              zwei Färberarten verliert nun meine frühere Meinung, daß die vorherrschende Säuremenge den Farbstoff beständig gelöst halten müsse,
                              allen Boden. Man gewinnt erst neues Licht, wenn man das Mikroskop zu Hülfe zieht.
                              Ich will hier meine unvollständigen Erfahrungen mittheilen, – Andere, denen
                              neben besserm Handwerkszeug auch mehr Muße zu solchen
                              Untersuchungen zu Gebote steht, mögen daran weiter arbeiten.
                           Ein frischer Traubenmaisch von der blauen Burgunder, der eben erst in Gährung
                              gekommen war, wurde abgepreßt. Der Most zeigte unter dem Mikroskop viele blaue
                              Farbstoffzellen, einzelne waren geröthet, – der
                              filtrirte Most war wenig gefärbt.
                           
                           Am Schluß der Maischgährung, wo eine filtrirte Probe noch immer wenig gedeckt war, schwammen in der abgepreßten Flüssigkeit noch immer
                              einzelne blaue Farbstoffzellen, – die meisten aber
                              waren roth, – einige auch erschienen farblos, d.h.
                              ihr Inhalt war eben so roth, wie die Flüssigkeit, in der sie schwammen.
                           Saft vom Färber abgepreßt ließ wenige blaue und rothe Farbstoffzellen erblicken.
                           Nach diesen Beobachtungen ist man zu dem Schluß berechtigt, daß die Farbstoffzellen
                              eine Auskleidung oder einen Ueberzug von einer Substanz haben müssen, welche der
                              Einwirkung der Säure des Saftes auf den eingeschlossenen Farbstoff einen Widerstand entgegensetzt. Mulder hat bei Reindarstellung des blauen Farbstoffs (s. S. 230 s. Chemie
                              d. Weines) zugleich etwas Fett erhalten. Vielleicht ist
                              diese störende Substanz identisch mit dem wachsartigen
                              Ueberzug, welcher die Schaben, vorzugsweise der blauen Trauben, überkleidet.
                              – Vielleicht auch, daß die Erfahrungen des Hrn. Sch. über die bessere
                              Extraction des Farbstoffs nach vorgängiger Selbsterhitzung der emporgetriebenen
                              Tresterdecke ihre Begründung finden in einer Veränderung dieses Ueberzugs der
                              Farbstoffzellen, – wenigstens erwies sich im vermutheten Säuregehalt kein
                              erheblicher Unterschied.