| Titel: | Noch einiges über Entkalkung der Zuckersäfte. Bemerkungen zu Dr. Dullo's bezüglichem Artikel; von Dr. C. Stammer. | 
| Autor: | Karl Stammer [GND] | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. LXX., S. 229 | 
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                        LXX.
                        Noch einiges über Entkalkung der Zuckersäfte.
                           Bemerkungen zu Dr. Dullo's bezüglichem Artikel; von Dr.
                           C. Stammer.
                        Stammer, über Entkalkung der Zuckersäfte.
                        
                     
                        
                           Nach Veröffentlichung einiger meiner Notizen aus Fabrik und Laboratorium über
                              Entkalkung der Zuckersäfte (polytech. Journal Bd.
                                 CLIV S. 210) ist ein Artikel von Hrn. Dr. Dullo in Königsberg i. Pr. in diesem Journale (Bd. CLV S.
                              68) erschienen, in welchem Hr. Dr. Dullo in einigen Punkten mir auf Grund seiner praktischen Erfahrungen
                              widersprechen zu müssen
                              glaubt, und worauf mir daher hier einige Worte der Erwiderung verstattet seyn mögen.
                              Wenn ich dabei indessen nur einige wenige der von Hrn. Dr. Dullo veröffentlichten, von meinen Angaben
                              abweichenden Aeußerungen näher beleuchten werde, so geschieht dieß nur aus dem
                              Grunde, weil einerseits mit deren Widerlegung die übrigen von selbst fallen,
                              andererseits den Beobachtungen die ich gemacht, und den Zahlen die ich gegeben, überhaupt nur durch gleiche
                              Beobachtungen und andere Zahlenresultate widersprochen werden kann, eine
                              Ausgleichung über Meinungen aber, ohne zu weitläufig zu
                              werden, auf diesem Wege nicht zu erreichen ist. Außerdem sprechen für die
                              Richtigkeit meiner Mittheilungen nicht allein die Versuche im Laboratorium, die ich
                              vor jedem Fabricationsversuch nach allen Richtungen
                              anzustellen pflege, sondern auch eine viele Monate ja Jahre lange Fabrikpraxis, die beständig durch gleichzeitige
                              Controleversuche im Laboratorium überwacht worden ist. Ob Hr. Dr. Dullo eine ähnliche feste Basis seinen
                              Einwendungen zur Stütze dienen lassen kann, habe ich leider aus jenem Artikel nicht
                              entnehmen können, indem Hr. Dr. Dullo darin weder mit Zahlen beweisende Laboratoriumsversuche, noch eine
                              längere Fabrikerfahrung anführt, seine Einwendungen vielmehr auf eine mehr
                              theoretische Art führt, was freilich zur unmittelbaren Anwendung auf technische
                              Praxis, von der doch hier allein die Rede seyn kann, wenig geeignet ist, denn da
                              geht nun einmal Probiren über ein Studiren.
                           Um mich möglichst kurz zu fassen, will ich beim Schlusse von Hrn. Dr. Dullo's Artikel beginnen.
                              So viel ich habe erkennen können, sind es zwei Vorschläge, die aus den gemachten
                              Einwendungen hervorgehen: erstens die Anwendung reiner
                              aus Magnesit und Schwefelsäure dargestellter Kohlensäure, und zweitens die Anwendung einer Kohle, die mit 25 Proc. (!) Salzsäure von
                              20° Baumé behandelt worden ist.
                           Ueber letztere Manipulation ist es wohl kaum nöthig etwas zu sagen. Wer die
                              Eigenschaften und Wirkungen der Knochenkohle aus Erfahrung kennt, der weiß, daß zu
                              einer normalen Wirkung, so wie zur Sicherung gegen einen Gehalt an Säure, und zur
                              Conservirung der Schwärze selbst nicht allein der phosphorsaure Kalk unangetastet,
                              sondern auch noch eine gewisse Menge kohlensauren (oder freien) Kalkes zurückbleiben
                              muß. Auch soll ja die Schwärze nicht allen Kalk aus den
                              Säften wegnehmen, da dieselben durchaus alkalisch bleiben müssen. Eine Kohle aber, die mit 25 Proc. concentrirter Säure behandelt
                              worden, kann eine Garantie weder dafür bieten, daß sie die erforderliche
                              Dauerhaftigkeit besitzt, noch dafür, daß auch die letzte Spur Säure daraus zu
                              entfernen ist; und eine Kohle, die auch nur eine Spur
                              freier Säure enthält, wirkt zwar sehr stark entfärbend (denn auch mit Salzsäure allein
                              kann man Zuckersäfte entfärben) und entkalkend, aber wie unendlich schädlich sind
                              nicht ihre anderweitigen Wirkungen! Diese Verhältnisse sind so allgemein anerkannt
                              und durch die täglichen Erfahrungen der Zuckerfabriken bestätigt, daß sich bestimmt
                              kein Zuckerfabrikant finden lassen würde, der seine Kohle – wenn sie anders
                              von normaler Beschaffenheit ist – dieser
                              Behandlung aussetzte, noch viel weniger seine Säfte derselben anvertraute!
                           Was nun aber die reine Kohlensäure betrifft, die Hr. Dr.
                              Dullo so sehr zur Entkalkung der Zuckersäfte
                              empfiehlt, so scheint derselbe zu übersehen, daß dieselbe aus concentrirten Zuckerlösungen gar keinen Kalk ausscheidet. Selbst
                              verdünnten Zuckerlösungen entzieht sie allen Kalk nur
                              nach längerem HindurchleitenDie aus Kohle erzeugte läßt bekanntlich auch dann noch einen Antheil
                                    aufgelöst., Säfte aber von der Concentration der Dicksäfte u.s.w. geben keinen
                              Niederschlag mit Kohlensäure. Hätte Hr. Dr. Dullo sich die Mühe gegeben, eine kalkhaltige
                              Dicksaftlösung von dem gewöhnlich vorkommenden Kalkgehalt
                              mit Kohlensäure zu behandeln, so würde er dieß selbst gefunden haben. Die Sache
                              schien mir zu bekannt, um sie in meinem ersten Artikel zu erwähnen. Indessen mag
                              hier noch ein Versuch angeführt seyn, welchen ich mit Dicksaft von reichlichem
                              Gehalt an caustischem Kalk anstellte. Nachdem während zwei Stunden reine Kohlensäure
                              hindurchgeleitet worden, fand sich nach dem Aufkochen – wobei die gelöste
                              Kohlensäure reichlich entwich – nicht allein kein Niederschlag, sondern auch
                              der Kalkgehalt war genau gleich dem des ursprünglichen, zur sichereren Controle
                              gleichfalls aufgekochten Dicksaftes, nämlich 0,140 Proc.
                           Wie sehr ich die Kohlensäure zur Entkalkung der dünnen Säfte schätze und vor allen
                              anderen Mitteln empfehle, scheint Hr. Dr. Dullo in meinem ersten Aufsatze nicht gefunden zu haben,
                              wenigstens möchte man aus seinen Einwendungen schließen, daß ich sie mindestens
                              übersehen habe, obwohl ich zahlreiche Ermittelungen und Bestimmungen über dieselbe
                              angeführt. Reine Kohlensäure dazu anzuwenden, bleibt zwar
                              immer wünschenswerth, aber nur in wenigen Fällen. Die Verwerthung des Magnesiasalzes
                              ist bei den enormen Quantitäten, die producirt werden würden, eine Unmöglichkeit,
                              selbst in der von Hrn. Dr. Dullo vorgeschlagenen Weise. Nach sorgfältigen Ermittelungen wäre zu der
                              Kalkausscheidung, wie sie in vorjähriger Campagne hierselbst durch die
                              Kohlensäuresaturation bewirkt wurde, eine Quantität Kohlensäure erforderlich, zu
                              deren Erzeugung täglich etwa 400 Pfd. Magnesit und 400 Pfd. Schwefelsäure nothwendig
                              seyn würden. Diese
                              würden liefern 1200 Pfd. Bittersalz oder 600 Pfd. geglühtes Salz. Rechnet man aber,
                              daß eine sehr große Menge Kohlensäure unbenutzt durch den Saft geht und daß eine
                              völlige Ausnützung der Säure und des Magnesits nicht stattfinden kann, so ist wohl
                              die Annahme des Dreifachen dieser Zahl nicht zu hoch gegriffen. Für eine Campagne
                              von 150 Tagen macht dieß eine Production von 2700 Centnern geglühten Salzes oder
                              5400 Centner Bittersalz. Man denke sich nun die erforderliche Abdampfung und die
                              Unmöglichkeit der entsprechenden Verwerthung dieser Massen, deren Düngewerth
                              mindestens sehr gering ist!
                           Da möchte ich denn doch noch lieber vorschlagen, die Kohlensäure der Brennereien
                              durch kohlensaures Natron absorbiren zu lassen und das erhaltene
                              doppelt-kohlensaure Natron durch Erhitzen zu zersetzen, um eine reine
                              Kohlensäure zu erhalten.
                           Ferner schlägt Hr. Dr. Dullo
                              das schwefelsaure Ammoniak vor und stützt sich dabei auf
                              meine Bemerkung, daß die geringe Menge schwefelsauren Kalkes, die in der
                              Phosphorsäure oder dem phosphorsauren Ammoniak in den Zucker komme, nicht
                              nachtheilig sey. Hr. Dr. Dullo übersieht aber dabei, daß das schwefelsaure
                                 Ammoniak ganz anders große Quantitäten Gyps in Saft und Kohle bringen muß,
                              die sicher sehr bald die Kohle ganz mit Gyps beladen und sehr störend einwirken
                              werden. Mir scheint, daß ein solcher, ohnehin durch kein Bedürfniß motivirter
                              Vorschlag doch wenigstens praktisch, d.h. in der Fabrik
                              geprüft und der durch diesen Zusatz bewirkte Gypsgehalt der Säfte und der Kohle mit
                              Genauigkeit ermittelt worden seyn sollte, ehe er allen Ernstes bekannt gemacht
                              wird.
                           Was nun die übrigen Bemerkungen des Hrn. Dr. Dullo, namentlich über meine Besprechung der
                              Phosphorsäure und des phosphorsauren Ammoniaks betrifft, so ist es schwer aus
                              denselben etwas zur Berichtigung zu wählen. Man weiß wirklich nicht, was man in
                              dieser Auseinandersetzung mehr bewundern soll: den häufig zu bemerkenden Mangel an
                              klarem Verständniß vieler, auf specielle Versuche in großem und kleinem Maaßstabe
                              gestützten Angaben, oder den Mangel an Uebersicht über längst bekannte oder doch in
                              jenem Aufsatze bewiesene Thatsachen, die nun hier entweder ganz ignorirt oder als
                              etwas ganz Neues dargestellt werden. Eine solche Art der Beweisführung, gestützt
                              nicht etwa auf das einzig mögliche Beweismittel, nämlich auf bestimmte Erfahrungen,
                              sondern nur auf theoretische Ansichten, die sogar nicht selten auf Mißverständnisse
                              und Widersprüche gebaut sind, zu würdigen und zu berichtigen, würde hier mehr Raum
                              in Anspruch nehmen, als einer Erwiderung auf diese Bemerkungen wohl vergönnt seyn
                              dürfte.
                           
                           Und fragen wir, welchen Zweck diese Beweisführung haben soll? – So viel ich
                              habe aus Hrn. Dullo's Aufsatz entnehmen können,
                              zweierlei: nämlich erstens: gegen die Anwendung zweier
                              Stoffe zu Felde zu ziehen, des sauren phosphorsauren
                                 Kalkes – in seinen Wirkungen doch wohl zu unterscheiden von der Phosphorsäure! – und des phosphorsauren Ammoniaks, zweier Substanzen, mit deren erster Hr. Dr. Dullo mindestens
                              keinerlei eigene Versuchsresultate anführt, und von der er uns ganz im Zweifel läßt,
                              ob er Beobachtungen über die Folgen ihrer praktischen Anwendung in Fabriken
                              gesammelt hat, deren andere aber ihm wenigstens in der vorgeschlagenen Form völlig unbekannt scheint
                              Ich habe die Darstellung des phosphorsauren
                                       Ammoniaks natürlich nicht sofort bekannt gemacht, wie dieß ja meist
                                    nicht mit selbst geringen Verbesserungen geschieht. Doch brauche ich wohl
                                    kaum zu sagen, daß ich Fabrikanten, die sich
                                    dafür interessiren, aus nähere Anfragen gerne zu Diensten stehe. – und zweitens: um zur Entkalkung der
                              Dicksäfte (denn nur für diese hatte ich letztere Substanz
                              auf Grund meiner nunmehr fast ein Jahr dauernden Versuche
                              empfohlen) die Kohlensäure anzuempfehlen, die es aber nun
                              einmal durchaus nicht thun will!
                           Hiernach mag jeder unbefangene Sachverständige ein Urtheil fällen; ich glaube nichts
                              weiter hinzufügen zu dürfen.