| Titel: | Ueber die Einwirkung der Weizenkleie auf das Stärkmehl; von H. Mége-Mouriès. | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XCIV., S. 311 | 
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                        XCIV.
                        Ueber die Einwirkung der Weizenkleie auf das
                           Stärkmehl; von H.
                              Mége-Mouriès.
                        Aus den Comptes rendus, Februar 1859, Nr.
                              9.
                        Mége-Mouriès, über die Einwirkung der
                           Weizenkleie auf das Stärkmehl.
                        
                     
                        
                           Durch frühere VersuchePolyt. Journal Bd. CXLIV S. 209 und
                                    273, Bd. CXLVIII S. 220. habe ich nachgewiesen, daß die dunkle Farbe des ordinären Weizenbrodes durch
                              Zersetzung eines Theiles der Mehlbestandtheile verursacht wird und daß diese
                              Zersetzung der doppelten Wirkung eines Ferments zuzuschreiben ist, welches ich
                              Cerealin genannt habe.
                           Seit einigen Jahren habe ich beobachtet, daß gewisse Membranen des Splintes und
                              Markes der Pflanzen durch ihre Anwesenheit Wirkungen auszuüben vermögen, die ganz
                              außer dem Bereich der gewöhnlichen chemischen Verwandtschaften liegen; andererseits
                              fand ich, daß es schwer hält, in größeren Quantitäten weißes Weizenbrod mit Kleie
                              gemischt herzustellen, selbst wenn man das Cerealin beseitigt hat, und ich mußte
                              daher vermuthen, daß die Membranen der Kleie während des Keimprocesses an der
                              Zersetzung der Mehlsubstanz mitwirken und daß sie dieses Vermögen selbst nach dem
                              Trocknen und Mahlen zum Theil beibehalten. Die Resultate weiterer Versuche haben
                              diese Voraussetzung bestätigt.
                           Um sich von dieser Thatsache zu überzeugen, nimmt man 100 Grm. Weizen, wäscht ihn,
                              weicht ihn einige Stunden in lauem Wasser, und läßt ihn wieder trocknen; sodann
                              mahlt man ihn gröblich auf einer kleinen Mühle, sondert Mehl und Grütze von der
                              Kleie ab, und gibt die Kleie auf die Mühle zurück, wo sie gequetscht wird, ohne
                              zerrieben zu werden. Man siebt alsdann, und wiederholt das Mahlen und Sieben
                              wenigstens sechsmal. Die erhaltene Kleie besteht dann aus den fünf Hüllen des
                              Weizenkorns und einigen noch anhängenden Spuren von Mehl.
                           Das Ganze der so erhaltenen Gewebe wiegt etwa 18 Grm.; man setzt 200 Grm. Wasser von
                              30° C. hinzu und preßt aus. Das ablausende Wasser enthält ein wenig Mehl,
                              lösliche und unlösliche eiweißartige Stoffe, und hauptsächlich Cerealin, welches
                              leicht daran kenntlich ist, daß es beim Zusammenbringen mit den schwächsten Säuren
                              niedergeschlagen wird, daß es zwischen 60 und 70° C. gerinnt und daß es
                              Stärkmehl in Traubenzucker und Dextrin verwandelt. Man filtrirt diese Flüssigkeit
                              und gibt sie in einen Glascylinder Nr. 1.
                           Man wäscht sodann die Kleie mit vielem Wasser aus, bis dasselbe klar abläuft; man
                              bringt hernach die aufgeschwollene Kleie unter die Presse, filtrirt die ausgepreßte
                              Flüssigkeit und hebt sie im Glascylinder Nr. 2 auf.
                           Die zurückbleibenden dünnen Kleieblättchen gibt man mit 50 Grm. warmem Wasser in
                              einen Glascylinder Nr. 3.
                           Einer jeden der drei Flüssigkeiten setzt man nun 100 Grm. Kleister aus 9 Theilen
                              Wasser und 1 Th. Stärke zu, bringt die Glascylinder in ein Wasserbad von 40°
                              C. und rührt alle Viertelstunden schwach um.
                           Nach etwa 1 1/2 Stunden enthält Nr. 1 keine Stärke mehr; sie ist durch das Cerealin,
                              welches sich in den Zellen der Innenseite der Kleie befindet, umgewandelt worden. In
                              Nr. 2 ist die Stärke unverändert geblieben, was beweist, daß die Kleie kein Cerealin
                              mehr enthielt. In Nr. 3 haben die bloßen Gewebe der Kleienhülsen die Stärke in
                              Dextrin und Zucker umgewandelt. Dieselben Hülsen, wieder ausgewaschen, vermögen
                              abermals Stärke umzuwandeln, und dieß läßt sich so lange wiederholen, bis ihre
                              Gewebe eine beginnende Desorganisation erleiden, was ziemlich schnell eintritt; denn
                              die Zersetzung des Stärkmehls erfolgt um so langsamer, je öfter der Versuch mit
                              denselben Hülsen schon angestellt wurde.
                           Nimmt man statt gewöhnlicher Weizenkörner gekeimte, so ist die Wirkung dieselbe, aber
                              sie ist bei weitem energischer.
                           Diese umsetzende Wirkung ist lediglich Folge der bloßen Anwesenheit der Hülsen, denn
                              diese hatten nach sechsmaliger Wiederholung des Versuchs noch nichts von ihrem
                              Gewicht verloren. Das Cerealin ist, wie man gesehen hat, diesem Vorgange ganz fremd,
                              und der Kleber hat keinen Theil daran, denn erstens ist er durch das Wasser
                              beseitigt worden, und wenn man zweitens eine gleiche Menge Mehl auswäscht wie in der
                              Kleie enthalten war, und den Kleber mit dem Kleister zusammenbringt, so ist selbst
                              nach fünf Stunden noch keine Veränderung zu bemerken; auch kann ich noch beifügen,
                              daß Gerste und Roggen, gekeimt oder nicht, dieselben Resultate geben, obwohl sie
                              keinen Kleber enthalten, und die stickstoffhaltige Substanz, welche hier dessen
                              Stelle vertritt, sich mit der größten Leichtigkeit zertheilt und ohne den mindesten
                              Rest abscheidet.
                           
                           Die Zersetzung der Stärke ist also eine Folge der bloßen Anwesenheit der Kleie; aber
                              das Weizenkorn hat, wie erwähnt, fünf verschiedene Hüllen, und es fragt sich also,
                              welchen Antheil jede derselben an diesem Vorgange hat.
                           Verreibt man geleimte und noch vom Wasser angeschwellte Körner tüchtig, so haben die
                              Hülsen, welche nach mehrfachen Auswaschungen übrig bleiben, die erwähnte chemische
                              Wirkung nicht oder beinahe nicht mehr, weil die Zellmembran, welche die Mehlmasse im
                              Korn unmittelbar umgibt, durch das Einweichen und Keimen weich geworden, durch das
                              Reiben zertheilt und von den Waschungen mit fortgenommen worden ist. Diese Membran
                              wäre sonach der wirkende Theil der Kleie, was durch die folgenden Versuche zur
                              Gewißheit erhoben wird.
                           1) Man entzieht den mit Wasser benetzten Weizenkörnern durch Reiben mit einem groben
                              Linnen das Oberhäutchen (Epidermis) und überzeugt sich, daß dieses keine Wirkung auf
                              den Kleister hat. 2) Man läßt grobe Kleie drei Stunden lang in warmem Wasser
                              weichen, verreibt dann die Masse und wäscht sie vollständig aus; ein Versuch wird
                              dann ergeben, daß das Uebrigbleibende, aus den ersten vier Hüllen bestehend, nur
                              eine sehr langsame Wirkung auf den Kleister ausübt, welche kaum nach sechs Stunden
                              erkennbar wird. 3) Man nimmt, was man im Handel weiße Grützekleie nennt, in welcher
                              ein starker Antheil der innersten Zellschicht enthalten ist, und wird nach
                              vollständiger Auswaschung finden, daß diese Kleie in Folge ihres starken Gehalts an
                              weißer Membran, auf die Stärke sehr energisch wirkt, so daß die Zersetzung in 1 1/2
                              Stunden vollendet ist.
                           Somit liegt die wirkende Kraft hauptsächlich in der innersten, die Mehlmasse
                              unmittelbar umgebenden Membran. Dieses Gewebe ist sehr reich an Stickstoff (10
                              Proc.); es besteht aus einer regelmäßigen Membran, an welcher eine Schicht großer
                              Zellen angelagert ist, die andererseits unmittelbar auf den mit Mehl gefüllten
                              Zellen liegen. Um dieses Gewebe zu isoliren, bringt man die Körner in Wasser,
                              welches 1 Proc. Aetzkali enthält. Nach dreistündigem Erweichen trennt man durch
                              Abreiben die vier ersten Hüllen von den Körnern, wobei man diese spaltet, um auch
                              die Tiefe der Furche zu treffen; dann bringt man diese Körner in das alkalische
                              Wasser zurück. Nach zwölfstündigem Stehen ist das Innere breiig geworden; man
                              schafft es durch mehrfaches Auswaschen fort und hat nun die gesuchten weißen, in
                              Säuren und Alkalien unlöslöslichen Membranen sehr schön.
                           Die verschiedenen Ursachen, welche die Wirkung dieses Körpers steigern oder hemmen,
                              bieten viel Interesse. Man kann im Allgemeinen sagen, daß alles, was die Keimung verhindert, was das
                              Eiweiß gerinnen macht, alles was, wie Hitze, Frost, plötzliche Temperatursprünge,
                              dieses Gewebe desorganisiren kann, auch die Wirkung desselben auf die Stärke aufhebt
                              oder verlangsamt; so vermindert das siedende Wasser seine Wirkung beträchtlich,
                              vernichtet sie aber nicht.