| Titel: | Notizen über Gußstahlbereitung; vom Ingenieur Fr. A. Thum. | 
| Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. CXXIV., S. 427 | 
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                        CXXIV.
                        Notizen über Gußstahlbereitung; vom Ingenieur
                           Fr. A.
                              Thum.
                        Aus der berg- und hüttenmännischen Zeitung, 1860,
                              Nr. 7.
                        Thum, über Gußstahlbereitung.
                        
                     
                        
                           Das nächste Erforderniß für die Gußstahlfabrication ist ein gutes, reines Eisen und
                              darf mit Rücksicht auf den Werth eines guten Gußstahls der ungleich geringere Preis
                              selbst des besten Roheisens kaum in Betracht kommen. Man verwendet daher stets mit
                              Vortheil das beste, mittelst Holzkohlenarbeit dargestellte Roheisen.
                           Das in Anwendung genommene weiße Spiegel- oder Stahleisen ist zunächst einem
                              Puddelprocesse zu unterwerfen, um ein weiches, möglichst reines Stabeisen zu
                              erhalten. Vortheilhaft walzt man es nach den nöthigen Vorarbeiten in dünne, etwa
                              1/8'' starke Bleche aus, welche sodann in kleine, 2 Zoll lange und 1–2 Zoll
                              breite Stücke zu zerschneiden sind und in dem, nach der Erfahrung und der Art des in
                              Anwendung befindlichen Roheisens bestimmten Verhältniß mit dem weißen, reinen
                              Stahleisen in die Schmelztiegel gegeben werden.
                           Die Güte der Tiegel ist von besonderer Wichtigkeit für den günstigen Erfolg des
                              Processes und muß daher die Darstellung derselben namentlich mit großer
                              Aufmerksamkeit vorgenommen werden. Bei der größtmöglichen Feuerbeständigkeit müssen
                              sie hinreichend fest und dicht seyn, um die flüssige Stahlmasse nicht durchzulassen;
                              sie dürfen ferner nur aus Substanzen angefertigt werden, die an den Stahl keine
                              verunreinigenden oder verändernden Stoffe abtreten können. Einer ausgedehnten
                              Erfahrung gemäß nimmt man auf rheinischen Werken für die Zusammensetzung der Tiegel
                              1 Th. Regensburger Graphit (113 Pfd. Zollgewicht zum Preise von 14 Gulden), 1 Th.
                              sorgfältig von Schlacken gereinigte Bruchstücke alter gebrauchter Tiegel und so viel
                              rheinischen (Mehlemer) Thon als für die Verbindung der erstgenannten Massen und zur
                              Erlangung der nöthigen Plasticität des Thonteiges erfordert wird. Den Graphit mahlt
                              man zunächst oberflächlich und glüht ihn in bedeckten Tiegeln, um alle etwa
                              beigemengten organischen Substanzen zu zerstören. Hierauf mahlt man denselben fein
                              und bringt ihn durch Beuteln in ein gleichmäßiges unfühlbares Pulver. In gleicher
                              Weise müssen die Bruchstücke der gebrauchten Tiegel durch Mahlen und Beuteln in ein
                              möglichst zartes Pulver verwandelt werden. Den so vorbereiteten Massen setzt, man
                              den gleichfalls gemahlenen rohen Thon zu und läßt das Ganze, nachdem es
                              oberflächlich mit Wasser
                              angefeuchtet ist, durch eine Knetmaschine gehen, wobei man noch so viel Wasser
                              zugibt, daß der aus der Maschine tretende Teig eine möglichst steife, zähe, aber
                              zugleich gleichmäßige Consistenz zeigt. Um den Tiegeln bei nur geringer Wandstärke
                              (so daß die Einwirkung der Hitze nicht beeinträchtigt wird) die nöthige Dichtigkeit
                              und Festigkeit zu geben und zugleich ihre Anfertigung zu erleichtern, preßt man sie,
                              und zwar vortheilhaft in nachfolgender Weise:
                           Der für die Aufnahme der Tiegelmasse bestimmte Theil der Presse, die sogenannte
                              Nonne, welcher aus Gußstahl angefertigt und innerhalb blank polirt seyn muß, ist in
                              der Weise am Boden befestigt, daß der darüber angebrachte, in eine starke Schraube
                              sich verlängernde Mönch beim Niedergehen gerade die Mitte der mit Tiegelmasse
                              gefüllten Höhlung der Nonne trifft, und indem der überschüssige Theil der Masse
                              hierbei heraus gequetscht wird, den Tiegeln ihre innere Form ertheilt.
                           Der Mönch ist aus Messing und ebenfalls polirt; an seinem oberen Theile sitzt ein
                              etwas überstehender Rand, der die aufdringende Tiegelmasse beim völligen Niedergehen
                              zurückhält. Die am Mönche festsitzende Schraube läuft in einer erhöht angebrachten
                              Mutter und ist an ihrem oberen Theile mit zwei horizontal stehenden Armen versehen,
                              welche an ihren Enden sich kugelförmig verdicken. Zwei Arbeiter, welche auf einem
                              erhöhten Gestühle stehen, schleudern mittelst der beschriebenen Arme die unterhalb
                              von anderen Arbeitern besorgte Tiegelpresse auf und zu.
                           Die auf diese Weise geformten Tiegel, denen man zweckmäßig in ihrem weitesten Theile
                              einen inneren Durchmesser von 10 Zoll (rhein.), eine äußere Höhe von 16 Zoll und 3/4
                              Zoll (am Boden etwa 1 Zoll) Wandstärke gibt, müssen mit aller Vorsicht getrocknet
                              werden und dürfen erst nach mehrmonatlichem langsamem Austrocknen zur Verwendung
                              kommen.
                           In die so dargestellten, vollständig trockenen Tiegel schichtet man das Schmelzgut so
                              ein, daß es möglichst compact auf einander zu liegen kommt, und zwar beträgt die in
                              einen der beschriebenen Tiegel einsetzbare Masse durchschnittlich 30 bis 60 Pfund.
                              Nach dem Beschicken der Tiegel verschließt man sie mit einem gut passenden, aus
                              gleicher Masse wie sie selbst bestehenden Deckel, welcher an der einen Seite mit
                              einem kreisförmigen Ausschnitt von 1 1/2 Zoll Durchmesser versehen ist, in den ein
                              Thonstopfen gut schließend eingestellt wird.
                           Die beschickten Tiegel setzt man nun reihenweise in Flammöfen ein, von denen ein
                              jeder mit Vortheil für die Aufnahme von 100 Stück eingerichtet werden kann. Es sind
                              dieß die Vorwärmöfen, und man bringt in ihnen die Tiegel bei nach und nach gesteigerter
                              Temperatur zur starken Glühhitze. Ist dieß erreicht, so kommen sie in die
                              eigentlichen Schmelzöfen, welche zweckmäßig in der Mitte des Hüttengebäudes angelegt
                              sind, während auf der einen Seite die Vorwärmöfen, auf der andern dagegen diejenige
                              Vorrichtung angebracht ist, in welcher die für die Schmelzöfen bestimmten Kohks
                              vorher zum Glühen gebracht werden. Sind nämlich die aus den Vorwärmöfen genommenen
                              glühenden Tiegel in die Schmelzöfen eingesetzt, wovon der einzelne vortheilhaft
                              nicht mehr als 4 bis 5 Stück fassen darf, so gibt man augenblicklich glühende Kohks
                              ein und verschließt sodann.
                           Die Einrichtung der Schmelzöfen ist übereinstimmend auf mehreren der bedeutendsten
                              Gußstahlwerke wie folgt: Sie bilden viereckige, etwa 3 Fuß tiefe Gruben von 2 Fuß
                              Breite und Länge, welche, wie erwähnt, vortheilhaft durch die Mitte der
                              Hüttengebäude reihenweise angebracht sind, und zwar so, daß ihre obere, durch eine
                              feuerfeste Steinplatte verschlossene Oeffnung im Niveau der Hüttensohle liegt. Der
                              Boden dieser Schmelzöfen wird durch 5 bis 6 Roststäbe gebildet, unter denen sich für
                              den Luftzug und die Aufnahme der durchfallenden oder durchgearbeiteten Schlacken
                              Gewölbe hinziehen. Die Schmelztiegel setzt man auf über den Rost gelegte feuerfeste
                              Ziegel. Was den Zug der Oefen anbelangt, so erreicht man denselben durch
                              gemeinschaftliche Essen, und zwar können in eine 150 Fuß hohe Esse mit Vortheil
                              50–60 Oefen eingeleitet werden. Beide jedoch, die Oefen sowohl wie die zu
                              ihnen gehörigen Essen müssen sehr feuerfest hergestellt werden, weil die nur
                              zeitweise sehr starke Hitze während der Schmelzzeit, in Verband mit der immer wieder
                              darauf folgenden Abkühlung, sehr zerstörend auf sie einwirkt. Man umgibt daher den
                              Ofenraum, der nur aus einer etwa 6 Zoll starken feuerfesten Mauer auszuführen ist,
                              mit einem Luftcanal und führt die Essen aus vier, nur durch das Ankerwerk
                              zusammenhängenden, ihrer Höhe entlang aber in der Mauerung getrennten Theilen auf.
                              Nach dem Einsetzen der Tiegel gibt man, wie erwähnt, sogleich glühende Kohks ein, so
                              daß die ersteren ohne jede Abkühlung der gesteigerten Schmelzhitze unterworfen
                              werden können.
                           Man gibt nun noch mehrmals Kohks auf und untersucht nach einiger Zeit, indem man den
                              kleinen Thonstopfen am Rande des Deckels der Tiegel abnimmt, mittelst eines starken
                              Eisendrahts, ob die Stahlmasse den hinreichenden Grad der Flüssigkeit erreicht hat,
                              worauf der Guß stattfinden kann.
                           Dieser letztere, der Guß, bildet eine der wichtigsten Operationen bei der ganzen
                              Arbeit. Die dafür bestimmten Gußgruben müssen so angelegt seyn, daß die Schmelzöfen, aus
                              denen die Tiegel genommen und rasch herzu getragen werden, sich nur in geringer
                              Entfernung davon befinden, um – dieß ist vor Allem wichtig –
                              sämmtliche für einen Guß bestimmte Tiegel bei gleicher Temperatur entleeren zu
                              können. In der Grube hängt man die gußeiserne, meist aus zwei Theilen bestehende
                              Form schwebend auf, so daß eine starke eiserne Klammer, welche den oberen Theil der
                              Form faßt, nach beiden Seiten hin über den Rand der Grube ragt und in der Mitte jene
                              herabhängen läßt.
                           Bekanntlich nimmt nun die Schwierigkeit, ein gleichmäßiges Gußstück zu liefern, mit
                              der Größe desselben beträchtlich zu, und ist eine mechanische taktmäßige Dressur der
                              Arbeiter für diese Operation das nächste Erforderniß, um so mehr, wenn es sich um
                              den Guß größerer Gegenstände handelt. Vor die Gußgrube setzt man, je nachdem das
                              Gußstück größer oder kleiner werden soll, nach vier, drei, zwei oder auch nur nach
                              einer Seite hin geneigte Gerinne aus Eisenblech, welche im Innern mit feuerfestem
                              Thon ausgeschlagen seyn müssen und deren äußerster, geneigter Theil in die oben
                              offene Form mündet. Diese Gerinne werden vor dem Gusse stark angewärmt und eben so
                              wie das Innere der Form von allen etwa anhängenden organischen Substanzen, sowie von
                              Kohlenstaub u.s.w., gereinigt. Während des Gusses stehen an jedem der erwähnten
                              Gerinne vier bis fünf Tiegel, welche vorsichtig, nachdem alle Unreinigkeiten, als
                              Schlacken etc., entfernt sind, durch die kleine Oeffnung im Deckel entleert werden
                              müssen. Ist der Tiegel leer, so tritt sogleich ein neuer wieder zu und man erhält
                              auf diese Weise von allen angewandten Gerinnen einen continuirlichen Strahl nach der
                              Form. Hierdurch wird es möglich, die größten Gußmassen bei gleichmäßiger, nicht zu
                              hoher Temperatur zusammenfließen lassen zu können, wovon wiederum anderntheils die
                              Gleichmäßigkeit der größeren Gußstücke wesentlich abhängig ist. Das Steigen des
                              Gußstahls in den Formen, was häufig große Schwierigkeiten veranlassen kann, ist
                              hierdurch (bei einer nicht zu hohen, gleichmäßigen Temperatur) gleichfalls sowie mit
                              durch Anwendung der erwähnten Vorsichtsmaßregel, die Form und die Gerinne von
                              Kohlenstaub etc. vor dem Gusse zu reinigen, ziemlich zu vermeiden.