| Titel: | Ueber die Behandlung des sogenannten schmiedbaren Messings bei der Anfertigung von gewalzten Fabricaten, von C. Kesseler, Hütten-Ingenieur in Greifswald. | 
| Autor: | C. Kesseler | 
| Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XXXVIII., S. 141 | 
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                        XXXVIII.
                        Ueber die Behandlung des sogenannten schmiedbaren
                           Messings bei der Anfertigung von gewalzten Fabricaten, von C. Kesseler, Hütten-Ingenieur in
                           Greifswald.
                        Ueber die Behandlung des schmiedbaren Messings bei Anfertigung
                           gewalzter Fabricate.
                        
                     
                        
                           Seit einer Reihe von Jahren erscheinen im Handel Fabricate von Messing, welche in der
                              Hitze zwischen Walzen gestreckt sind. Dahin gehören namentlich das Bolzenmetall zum
                              Schiffsbau, Bleche zum Kupfern der Schiffe, und Siederöhren zu Locomotiven. Diese
                              Waaren zeichnen sich durch eine große Zähigkeit und durch die Eigenschaft aus, daß
                              sie im rothglühenden Zustande ferner bearbeitet werden können. Die Mischung, aus
                              welcher dieses Messing besteht, ist in der Technik längst bekannt; sie wird legirt
                              aus 3 Theilen Kupfer und 2 Theilen Zink. Die Erfahrung hat gelehrt, daß dieses
                              Verhältniß noch etwas modificirt werden kann; es gibt jedoch zwei Gränzen, welche
                              nicht überschritten werden dürfen, wenn die Legirung ihre Eigenschaft, in der Hitze
                              dehnbar zu seyn, nicht vollständig einbüßen soll. Diese Gränzen sind folgende: die
                              kupferärmste Legirung darf aus 7 Theilen Kupfer und 5 Theilen Zink, die
                              kupferreichste aus 8 Theilen Kupfer und 5 Theilen Zink bestehen. Alle Legirungen,
                              welche innerhalb dieser Gränzen liegen, sind in der Hitze dehnbar, alle jene
                              außerhalb derselben haben diese vorzügliche Eigenschaft nicht.
                           Es genügt indeß zur Herstellung eines guten schmiedbaren Messings nicht, die Metalle
                              auf gewöhnliche Weise im Tiegel zu legiren, es kommen erfahrungsmäßig einige weitere
                              Punkte dabei in Betracht. Da dieselben durchaus außerhalb der wissenschaftlichen
                              Berechnung liegen, vielmehr einzig und allein durch die Praxis gefunden werden
                              können, so ist hierin der Grund zu suchen, weßhalb das schmiedbare Messing bis jetzt
                              noch immer verhältnißmäßig wenig in der Technik angewandt wird.
                           In England hatte zuerst der Erfinder des schmiedbaren Messings, Muntz in Birmingham, ein Patent auf die Verwendung dieser Legirung, und
                              lange Zeit kam nach Deutschland wohl das Fabricat, und mit ihm die Ueberzeugung daß
                              es im glühenden Zustande gestreckt worden seyn müsse, indeß nicht die Kunde wie das
                              Metall bei der Bearbeitung zu behandeln sey. Der Verfasser dieser Zeilen hat sich
                              eine Reihe von Jahren mit dem vorliegenden Gegenstande speciell beschäftigt, und
                              macht sich ein. Vergnügen daraus dem betheiligten Publicum seine Erfahrungen über
                              denselben in diesem Journal mitzutheilen. Nachdenken und eine Menge von Versuchen
                              haben mich schließlich in den Stand gesetzt, ein Fabricat erzeugen zu können, welches die
                              Concurrenz des englischen in keinerlei Weise zu scheuen braucht.
                           Ich werde zunächst von der Anfertigung des Bolzenmetalls
                              reden, als dem einfachsten Artikel. Dieses Fabricat wird beim Bau von Seeschiffen zu
                              dem Zwecke verwandt, alle Verbolzungen der Hölzer unterhalb der Wasserlinie damit
                              vorzunehmen, wenn das Schiff bestimmt ist später einen kupfernen Boden zu erhalten.
                              Eisen darf zu diesem Zwecke in Verbindung mit dem Kupferboden nicht angewandt
                              werden, weil es in Folge galvanischer Einflüsse sehr rasch verrostet. Es wird dieses
                              Bolzenmetall in Stangen von kreisförmigem Querschnitt, 1/2'' bis 1/2'' dick, und 12' bis 16' lang geliefert,
                              also ähnlich wie im Handel vorkommendes Rundeisen. Vielfach werden in Deutschland
                              diese Stangen noch gegossen und auf einer Ziehbank vollendet; dieses Verfahren ist
                              indeß so mangelhaft, daß nur Waare von höchst geringer Haltbarkeit durch dasselbe
                              erzielt wird. Soll das Metall gut werden, so muß man es im rothglühenden Zustande
                              auswalzen, und zu diesem Zwecke runde Barren von 3''
                              Durchmesser gießen, welche durch ein Walzwerk in einer
                              Hitze auf die verlangte Stärke gebracht werden. Die Walzen dieses Walzwerks haben
                              einen Durchmesser von 10'' bis 12'' und machen per Minute 180 bis 200
                              Umgänge.
                           Wie oben schon angedeutet wurde, kommt es ohne besondere Vorsichtsmaßregeln beim
                              Gusse der Barren indeß fast immer vor, daß diese, sey die Legirung auch richtig,
                              bereits in der Vorwalze zerbrechen, oder doch so rissig werden, daß sie nicht zu
                              verwenden sind. Die Beseitigung dieses Uebelstandes ist mir nach einer Unzahl von
                              Versuchen gänzlich gelungen. Um eine gute Legirung zu
                                 erhalten, muß dieselbe im Tiegel zunächst bis zum Kochen überhitzt werden, wobei
                                 eine Lage Kohlenstaub die Verflüchtigung verhindert; hierauf wird so viel kaltes
                                 Metall von gleicher Mischung zugesetzt, daß die Flüssigkeit nicht mehr spiegelt,
                                 und sodann wird die Masse in Formen gegossen. Bei genauer Beobachtung
                              dieses Verfahrens werden die erzielten Gußstücke im höchsten Grade dehnbar in der
                              Rothglühhitze seyn.
                           Es scheint als ob diese Eigenschaft des schmiedbaren Messings demselben von dem Zink
                              überkommen sey; denn bekanntlich muß Zink ebenfalls vor dem Ausgießen auf diese
                              Weise behandelt werden, wenn dasselbe sich zum Auswalzen eignen soll.
                           Hat man nun die nach dieser Anweisung erzielten Barren in einem Glühofen bis zur
                              Rothglühhitze, indeß nicht höher, erwärmt, so geht das Auswalzen ohne weiteren
                              Unfall von Statten. Aber auch die Vollendung der Stangen macht noch einen Kunstgriff nöthig, ohne
                              welchen das Metall spröde bleibt, so sehr auch daß Legiren mit der größten Vorsicht
                              vorgenommen seyn mag. Sobald nämlich die Stangen die Walzen verlassen (wo sie sich
                              im braunwarmen Zustande befinden), müssen sie plötzlich in kaltem Wasser abgekühlt
                              werden, zu welchem Zwecke ein Bassin hinter dem Walzwerk in der Erde sich befinden
                              muß. Die Eigenschaft, nach erfolgtem Ablöschen in der Kälte weich und zähe sich zu
                              verhalten, hat die Legirung von dem Grundstoff, dem Kupfer angenommen, welches
                              ebenfalls heiß in Wasser abgekühlt werden muß, wenn es weich und dehnbar werden
                              soll. Interessant ist die Wahrnehmung, daß der Bruch des Bolzenmetalls welches nicht
                              abgelöscht wurde, kurz und körnig ist, eine matt-gelbe Farbe hat, während das
                              in Wasser abgelöschte Metall Anlage zur fadigen Textur zeigt, und eine mehr
                              röthlich-gelbe Bruchfläche hat.
                           Sollen Bleche von der schmiedbaren Mischung gewalzt
                              werden, so ist dieß auch am besten in der Rothglühhitze zu bewerkstelligen. Legt man
                              mehrere Bleche auf einander, um dünnere Nummern zu erzielen, so müssen dieselben
                              einen Ueberzug erhalten, der das Anhaften verhindert; dieser besteht am besten aus
                              einer concentrirten Lösung von Kochsalz, welche auf die etwas erwärmte Platte
                              gestrichen wird; es empfiehlt sich dieses Verfahren durch seine Einfachheit.
                           Das englische, theilweise auch in Deutschland angenommene Verfahren, nach welchem die
                              Siederöhren für Locomotiven ohne Löthnaht gefertigt
                              werden, besteht bekanntlich im Wesentlichen darin, daß die Gußstücke mit flachovalen
                              Oeffnungen angefertigt und wie Bandeisen in der Länge gestreckt werden. Die Oeffnung
                              walzt sich hiebei zu, ist indeß die gewünschte Dicke erzielt, so wird dieselbe
                              wieder aufgebogen und ein Rohr von rundem Querschnitt hergestellt, wobei etwas
                              überflüssiges Metall zu beiden Seiten durch Fräsen oder Sägen entfernt wird. Diesem
                              Verfahren haftet der große Uebelstand an, daß das Metall beim Auswalzen zu beiden
                              Seiten der im Gußstück vorhandenen Oeffnung sich stark einkneift, und an den
                              betreffenden Stellen beim Aufbiegen leicht Risse entstehen.
                           Wie durch ein von mir erfundenes Verfahren nicht allein der angedeutete Uebelstand
                              beseitigt wird, sondern auch die Röhren mit großer Schnelligkeit in höchstens zwei
                              Hitzen vollendet werden können, dieß soll den Gegenstand eines weiteren Artikels
                              bilden, den ich demnächst für dieses Journal auszuarbeiten gedenke.
                           Greifswald, im März 1860.