| Titel: | Haste's Sicherheitsventil für Dampfkessel. | 
| Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. XLVI., S. 169 | 
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                        XLVI.
                        Haste's Sicherheitsventil für Dampfkessel.
                        Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Februar
                              1860, S. 31.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. III.
                        Haste's Sicherheitsventil für Dampfkessel.
                        
                     
                        
                           Bei den immer noch häufig vorkommenden Dampfkesselexplosionen bleibt die Ursache der
                              Explosion allzu oft räthselhaft, oder sie läßt sich nicht mit hinreichender
                              Gewißheit ermitteln, um dadurch einen Anhaltspunkt für die Sicherung gegen derartige
                              Katastrophen zu gewinnen. In vielen Fällen war gewiß der Ueberdruck über den
                              berechneten Druck im Dampfkessel die Ursache der Explosion, und dieser Ueberdruck wurde dadurch
                              veranlaßt, daß das Sicherheitsventil den Dampf nicht so schnell entströmen ließ, als
                              er erzeugt wurde. In drei Fällen ergab die Untersuchung, daß das Feuer unterhalten
                              worden war, wie wenn die Maschinen im vollen Gange wären, während im Gegentheil die
                              Maschinen stillstanden und schon 10 oder 15 Minuten vor der Explosion die Pumpen
                              kein Wasser mehr in den Kessel pumpten. Die Kessel hatten daher eben soviel Dampf
                              erzeugt, wie wenn die Maschinen im Gang gewesen wären; außerdem war das sonst zum
                              Erwärmen des Speisewassers erforderliche Brennmaterial gleichfalls zur
                              Dampferzeugung verwendet worden, so daß durch das Sicherheitsventil mehr Dampf
                              entströmen mußte, als zum Betrieb der Maschinen mit voller Kraft erforderlich
                              war.
                           Ein Sicherheitsventil, welches bis zu einem gewissen Druck per Quadratzoll belastet ist, so daß, wenn dieser Druck im Dampfkessel
                              stattfindet, die geringste Steigerung desselben eine Dampfentströmung zur Folge
                              haben sollte, bietet keine Garantie, daß der Dampf eben so schnell ausströmt als er
                              erzeugt wird, und daß dabei im Kessel keine Anhäufung des Dampfdruckes über den
                              Druck, unter welchem das Sicherheitsventil den Dampf ausströmen läßt, stattfindet.
                              Die Erfahrung hat wenigstens gelehrt, daß gewöhnliche Sicherheitsventile diesen
                              Zweck nicht erfüllen. Vor etwa 25 Jahren, als der Dampfdruck bei Locomotiven 50 Pfd.
                              per Quadratzoll betrug, pflegte man ein Ventil
                              mittelst eines Hebels und einer Federwaage auf 50 Pfund und ein zweites Ventil auf
                              60 Pfd. per Quadratzoll zu belasten. Der Verfasser hat
                              oft bemerkt, daß wenn das eine Ventil bei 50 Pfd. Druck stark ausblies, das andere
                              bei 60 Pfd. Druck auszublasen begann, und daß öfters beide Ventile den Dampf
                              gleichzeitig sehr stark entströmen ließen, was beweist, daß ein Ueberdruck von
                              mindestens 10 Pfd. per Quadratzoll über denjenigen
                              stattfinden mußte, unter welchem das eine Ventil den Dampf eben so rasch entströmen
                              lassen sollte, als er erzeugt wurde. Solche mittelst Hebeln und Federwaagen
                              belastete Ventile sind bei Dampfkesseln von mäßig starkem Drucke sehr gebräuchlich;
                              aber sie sind, wenn es sich um eine starke Dampfspannung handelt, unter den
                              günstigsten Umständen unzuverlässig; außerdem lassen sie den Einwurf zu, daß sie
                              durch angehängte Gewichte zu stark belastet werden können.
                           Der Mangel an Wasser im Kessel ist ohne Zweifel auch oft die Hauptursache von
                              Dampfkesselexplosionen, insbesondere bei stationären Dampfmaschinen; denn wenn der
                              Wasserstand unter die vom Feuer berührte Fläche des Kessels herabsinkt, so wird
                              diese bald überhitzt, und dadurch geschwächt bis sie den Dampfdruck nicht mehr
                              aushalten kann.
                           
                           Es ist daher wünschenswerth ein Sicherheitsventil zu haben, welches folgende drei
                              Bedingungen erfüllt: dasselbe soll den Dampf bei Ueberschreitung der Normalspannung
                              eben so schnell ausströmen lassen, als er erzeugt wird; es soll Niemandem zugänglich
                              und so angeordnet seyn, daß wenn das Wasser zu tief sinkt, das Ventil Dampf
                              ausbläst, und auf diese Weise einer Explosion vorbeugt.
                           Fig. 17
                              stellt das von J. Haste in Leeds erfundene
                              Sicherheitsventil, welches obige Bedingungen erfüllt und sich sehr gut bewährt hat,
                              im Durchschnitte dar. Das Ventil A, durch welches der
                              Dampf in die freie Luft entweicht, wenn er die Gränze des Druckes überschreitet, hat
                              zwei Sitze, wovon der obere 3 Zoll, der untere 3 1/4 Zoll Durchmesser hat, so daß
                              der Unterschied der Oberfläche 1,23 Quadratzoll beträgt. Der Dampf drückt auf beide
                              Enden des Ventils, indem er durch die Mitte desselben strömt, so daß, wenn das
                              Ventil offen ist, der Dampf an beiden Enden in den das Ventil umgebenden Mantel und
                              von da in die Atmosphäre entweicht. Dieses Ventil wird nicht durch den auf die
                              Differenz der Flächen an beiden Enden wirkenden Dampfdruck von seinem Sitz bewegt,
                              sondern dadurch geöffnet, daß der Dampf auf den Kolben B
                              wirkt, dessen Stange auf das Ventil A drückt. Das kleine
                              Sicherheitsventil C, durch welches die Gränze des
                              Dampfdruckes bestimmt wird, ist mit einem Gewichte D
                              belastet, welches in einer Kammer eingeschlossen ist und durch einen kleinen Kolben
                              E seine Führung erhält. Der letztere läuft in einem
                              Cylinder mit gleichem Querschnitt, wie das Ventil C.
                              Wenn nun der Dampfdruck im Kessel den Druck für welchen das kleine Ventil belastet
                              ist, übersteigt, so wird dieses von seinem Sitze gehoben und der entweichende Dampf
                              drückt nun auf die obere Fläche des Kolbens B. Diese
                              beträgt 7 Quadratzoll, oder nahezu das Sechsfache vom Unterschiede der
                              Flächeninhalte der Ventilsitze A. Nimmt man den
                              Dampfdruck im Kessel zu 35 Pfd. per Quadratzoll an, so
                              strebt eine Kraft von 42 Pfd. das Ventil A zu schließen,
                              gleichbedeutend mit einem Druck von 6 Pfd. per
                              Quadratzoll auf der unteren Seite des Kolbens B, so daß,
                              wenn der Druck oberhalb des Kolbens 6 Pfd. per
                              Quadratzoll erreicht hat, jede Zunahme des Druckes das Ventil A öffnen muß. Findet ein Druck von 35 Pfd. per
                              Quadratzoll auf den Kolben B statt, so gibt dieses eine
                              Kraft von 245 Pfund, welche das Ventil A gegen einen
                              Widerstand von 42 Pfd. zu öffnen strebt, so daß für die Oeffnung dieses Ventils eine
                              Kraft von mehr als 200 Pfd. übrig bleibt. Von dem Querschnitt der Ventilöffnung
                              hängt seine Wirksamkeit hinsichtlich der Verhütung einer Anhäufung der Dampfspannung
                              im Kessel ab.
                           
                           Ein derartiges Sicherheitsventil ist an einem Dampfkessel in der Fabrik der Herren
                              Bray und Waddington zu
                              Leeds angebracht. Der Kessel ist 24 Fuß 3 Zoll lang, hat 6 Fuß 6 Zoll im Durchmesser
                              und besitzt 2 Feuercanäle von 2 Fuß 6 Zoll Durchmesser mit 6 Fuß langen Roststangen,
                              welche eine Rostfläche von 30 Quadratfuß darbieten; er versieht drei
                              Hochdruckmaschinen, zusammen von 34 Pferdekräften mit Dampf, dessen Spannung 35
                              Pfund per Quadratzoll beträgt. Um sich durch einen
                              Versuch von der Wirkung des Ventils zu überzeugen, wurde außer dem Manometer des
                              Kessels noch ein Manometer oben an der Kammer D
                              angebracht, und das kleine Ventil C mit 35 Pfund per Quadratzoll belastet. Nach vielen Versuchen zur
                              Ermittelung der Dampfmenge, welche der Kessel erzeugen konnte, während der Dampf dem
                              Ventil A entströmte, stieg der Druck im Kessel nicht
                              über 37 Pfund per Quadratzoll, d.h. der Ueberschuß des
                              Druckes belief sich nur auf 2 Pfund per Quadratzoll. Das
                              Ventil A wurde alsdann absichtlich am Ausblasen
                              verhindert, bis sowohl auf den Kolben B als auch im
                              Kessel ein Ueberdruck von 3 Pfund per Quadratzoll
                              stattfand, wie man sich an beiden Manometern überzeugen konnte. Nun ließ man das
                              Ventil A durch den Dampfdruck sich öffnen, worauf der
                              Druck im Kessel in wenigen Minuten sich auf 35 Pfd. per
                              Quadratzoll verminderte.
                           Um sich von dem wirklichen Werth dieses Sicherheitsventils in Vergleich mit dem
                              gewöhnlichen Ventil zu überzeugen, wurden mit aller Sorgfalt folgende Versuche
                              angestellt, wobei weder die Maschinen im Gang waren, noch Wasser in den Kessel
                              gepumpt wurde. Es handelte sich zunächst darum, zu ermitteln, wie schnell der
                              Dampfdruck bis zum Punkt des Ausblasens erhöht werden konnte, d.h. von 5 Pfund bis
                              zu 35 Pfund Druck per Quadratzoll. Dem Versuche gemäß
                              verflossen 13 Minuten, was eine Steigerung des Druckes von 2,3 Pfund per Minute ergibt.
                           Sodann handelte es sich darum, zu ermitteln, welchen Einfluß es auf den Druck ausüben
                              würde, wenn man den Dampf durch eine Oeffnung von 1 Quadratzoll Querschnitt
                              ausströmen ließe. Als daher der Druck bis auf 35 Pfund per Quadratzoll gestiegen war, wurde ein Schieberventil geöffnet, worauf
                              der Dampf in eine 4zöllige Seitenröhre strömte; an diese war eine Platte mit einem
                              Loch von 1 Quadratzoll Querschnitt geschraubt, durch welches der Dampf in die freie
                              Luft ausströmte. Es zeigte sich, daß der Druck im Dampfkessel zwischen 35 und 43
                              Pfd. per Quadratzoll schwankte, und nach 45 Minuten das
                              Maximum von 43 Pfd. erreichte. Das Schieberventil wurde sodann geschlossen und der
                              Dampf genöthigt, durch das in Fig. 17 dargestellte neue
                              Sicherheitsventil zu entweichen. Das Manometer des Kessels und dasjenige oben an der Kammer
                              zeigten auf 43 Pfd. per Quadratzoll, und das Ventil A öffnete sich augenblicklich vollständig. Der
                              Dampfdruck im Kessel fiel sofort in den ersten 5 Minuten von 43 Pfd. auf 38 Pfund
                              und endlich binnen 15 Minuten auf den gewöhnlichen Arbeitsdruck von 35 Pfund.
                              Während der ganzen Stunde wurde ein weit stärkeres Feuer unterhalten, als zum
                              gewöhnlichen Betriebe der Maschine nöthig war. Bei Beobachtung des Wasserstandes
                              zeigte es sich, daß innerhalb dieser Stunde 75,5 Kubikfuß Wasser in Dampf verwandelt
                              waren – ein Quantum, welches hingereicht haben würde, eine Dampfmaschine von
                              60 Pferdekräften zu versehen. Somit war bei dieser Dampferzeugung eine Oeffnung von
                              1 Quadratzoll Querschnitt hinreichend, um während 45 Minuten den Dampfdruck auf 43
                              Pfund per Quadratzoll zu bringen, wogegen durch das neue
                              Sicherheitsventil dieser Druck innerhalb 15 Minuten auf 35 Pfd. herabgebracht
                              wurde.
                           Hierauf wurde ein Versuch angestellt, um zu ermitteln, wie weit ein gewöhnliches
                              Sicherheitsventil von 3 3/4 Zoll Durchmesser eine Anhäufung des Druckes im
                              Dampfkessel über den Punkt bei welchem er ausblasen sollte, verhindern könnte. Das
                              Ventil wurde durch Hebel und Federwaage belastet, und 1 Pfund an der Federwaage
                              entsprach 1 Pfund, per Quadratzoll am Ventil. Als das
                              Manometer am Kessel einen Druck von 43 Pfd. und ebenso die Federwaage auf 43 Pfund
                              zeigte, war ein sehr geringes Ausblasen am Ventil bemerkbar, was anzeigt, daß
                              Manometer und Federwaage gut übereinstimmten. Hierauf lockerte man die Federwaage
                              bis auf 30 Pfund und ließ den Dampf frei ausblasen. In 5 Minuten zeigte das
                              Manometer am Dampfkessel 46 Pfund, nach weiteren 5 Minuten 46 1/2 Pfund und wieder
                              nach 5 Minuten 46 Pfund. Somit betrug nach 15 Minuten bei einem auf 30 Pfund per Quadratzoll belasteten Ventil der wirkliche Druck im
                              Dampfkessel 46 Pfund, d.h. 16 Pfund mehr als der Druck unter welchem das Ventil
                              ausblasen sollte.
                           Bei dem vorhergehenden Versuche hatte es sich herausgestellt, daß eine Oeffnung von 1
                              Quadratzoll Querschnitt den Dampf ebenso schnell, als er erzeugt wurde, entströmen
                              ließ, ohne daß der Druck 43 Pfund überstieg. Im vorliegenden Falle jedoch wäre mit
                              einem Ventil von 3 3/4 Zoll Durchmesser oder 11 Quadratzoll Oberfläche eine 0,085
                              Zoll breite Oeffnung oder ein verticaler Hub von 0,122 Zoll erforderlich, damit
                              rings um die Peripherie eine Oeffnung von 1 Quadratzoll Querschnitt entsteht, indem
                              der Umfang 11,78 Zoll beträgt und der Mantel des Ventils eine Neigung von 45°
                              besitzt. Dieser senkrechte Hub würde die Federwaage bei einem Hebelverhältniß von 3
                              1/4 zu 35 3/4 Zoll um 1,34 Zoll ausdehnen; und da die Scala der Federwaage für jeden
                              Zoll Ausdehnung 12 Pfund angab, so würde durch diese Hebung des Ventils beim
                              Ausblasen ein Ueberschuß des Druckes von 16 Pfund per
                              Quadratzoll veranlaßt, wobei für die Dampfentweichung eine Oeffnung von 1
                              Quadratzoll Querschnitt bliebe. Dieses Resultat stimmt mit dem beobachteten
                              überschüssigen Druck von 16 Pfund per Quadratzoll
                              überein. Bei gewöhnlichen Sicherheitsventilen ist auch der Umstand häufig die
                              Ursache eines Ueberdruckes, daß das Ventil in eine Kammer eingeschlossen ist, aus
                              welcher der Dampf durch eine Röhre ins Freie entweicht; wenn nun der Dampf mit
                              großem Geräusch dieser Röhre entströmt, so setzt dieses einen gewissen Dampfdruck in
                              der Kammer voraus, welcher auch auf das Ventil zurückwirkt, und die Belastung
                              desselben über das normale Maaß erhöht.
                           Die andere Ursache der Explosion, der Mangel an Wasser im Kessel, wird bei dem in
                              Rede stehenden Sicherheitsventil durch den Schwimmer F
                              beseitigt, welcher, indem er unter das richtige Niveau herabsinkt, das Ventil A öffnet und den Dampf ohne Rücksicht auf seinen Druck
                              aus dem Kessel ins Freie entweichen läßt. Als bei einem Versuche das
                              Ausströmungsventil durch den sinkenden Schwimmer vollständig geöffnet wurde, nahm
                              der Dampfdruck in jeder Minute um 2 Pfund per
                              Quadratzoll ab. Das laute Geräusch des ausströmenden Dampfes könnte nicht verfehlen,
                              die Aufmerksamkeit zu erregen. Aber selbst wenn man nicht darauf achten würde, so
                              wäre der Erfolg ganz einfach der, daß sämmtlicher Dampf aus dem Kessel strömen und
                              die Maschine zuletzt stillstehen würde, so daß die Gefahr einer Explosion gänzlich
                              beseitigt wäre.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
