| Titel: | Eine neue Expansionssteuerung für Locomotiven; von W. Volckmar, Ingenieur in Zürich. | 
| Fundstelle: | Band 156, Jahrgang 1860, Nr. LXXXVI., S. 347 | 
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                        LXXXVI.
                        Eine neue Expansionssteuerung für Locomotiven;
                           von W. Volckmar, Ingenieur
                           in Zürich.
                        Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, Bd.
                              IV S. 125
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.
                        Volckmar's neue Expansionssteuerung für Locomotiven.
                        
                     
                        
                           Die Coulissensteuerungen, bei denen die Dampfvertheilung durch einen einzigen
                              Schieber bewerkstelligt wird, sind ihrer constructiven Einfachheit wegen bei den
                              Locomotiven am verbreitetsten, obgleich sie alle den großen Uebelstand haben, daß
                              ihre Wirkung wenigstens in den höheren Expansionsgraden eine ganz schlechte ist.
                              Denn wenn am Ende erfahrungsgemäß die diesen Steuerungen eigenthümliche Kompression
                              des Dampfes hinter dem Kolben auch nicht von dem schädlichen Einflusse ist, als man
                              früher allgemein annahm, so läßt sich doch nicht läugnen, daß dafür das
                              gleichzeitige zu frühe und zu
                                 wenige Oeffnen der Dampfeintrittscanäle in den höheren Expansionsgraden
                              keine vortheilhafte Benutzung des Dampfes zuläßt. Will man daher stark expandiren,
                              was unbedingt bei Locomotiven, die mit so hohem Dampfdrucke fahren, sehr
                              vortheilhaft ist, da damit eine wesentliche Ersparniß von Brennmaterial erzielt
                              werden kann, so bleibt doch wohl nichts anderes übrig, als die Anwendung eines
                              zweiten Schiebers, des sogenannten Expansionsschiebers.
                           Unter den Steuerungen mit einem solchen zweiten Schieber zeichnet sich besonders die
                              Meyer'sche aus, mit der bei zweckmäßiger Wahl der
                              Dimensionen alle Expansionsgrade von 0–1 erreicht werden können, und es ist
                              eine Thatsache, daß Maschinen mit dieser Steuerung viel weniger Brennmaterial
                              brauchen bei gleichen übrigen Verhältnissen, als solche mit bloß einem Schieber.
                              Leider ist aber diese Steuerungsconstruction so complicirt und erfordert so häufige
                              und nicht zu umgehende Reparaturen, daß dieselbe für Locomotiven dadurch ganz
                              untauglich wird.
                           Andere Steuerungen dieser Art sind wohl einfacher und solider, dafür dann aber auch
                              viel beschränkter in ihrer Wirkung. Alle diese Steuerungen haben aber auch noch den
                              Uebelstand, daß dieselben zur Ueberwindung der gar nicht unbedeutenden Widerstände
                              eines zweiten Schiebers, einen Theil des ersparten Dampfes wieder verbrauchen, und
                              so ist es erklärlich, daß diese Steuerungen sich nicht der Anwendung zu erfreuen
                              haben, wie die einfachen Coulissensteuerungen, besonders wenn man dabei
                              berücksichtigt, daß letztere nur zwischen ziemlich engen Gränzen, nämlich den
                              höheren Expansionsgraden, von schlechter Wirkung sind.
                           Bei der vorliegenden Steuerung ist bloß ein Theil der oben genannten Uebelstände
                              beseitigt, indem der Expansionsschieber nur in den höheren Expansionsgraden in
                              Thätigkeit ist, und auch nur in diesen einen Widerstand verursacht. In den niederen
                              dagegen, wo der Hauptschieber schon allein von guter Wirkung ist, da läßt sich
                              dieser Widerstand ganz beseitigen.
                           Auch beim Rückwärtsgange der Maschine, bei welchem es auf eine besonders gute
                              Dampfwirkung nicht so sehr ankommt, arbeitet der Hauptschieber allein. Man hat also
                              hier die Uebelstände eines zweiten Schiebers nur in solchen Fällen, in denen auch
                              seine Wirkung von wirklichem Vortheil ist.
                           Figur 24 und
                              25 zeigen
                              zunächst eine Skizze meiner Steuerung. Der Hauptschieber, ähnlich wie der bei der
                              Meyer'schen Steuerung, wird durch eine gewöhnliche
                              Stephenson'sche Coulisse bewegt, die sowohl, wie
                              schon bemerkt, alle Expansionsgrade für den Rückwärtsgang, als auch in den niederen
                              für den Vorwärtsgang bewerkstelligt. Der aus einer einfachen Platte bestehende
                              Expansionsschieber wird nun durch eine zweite Coulisse bewegt, die in einem Schlitze
                              der Expansionsschieberstange um einen Zapfen R drehbar
                              ist. Der untere Theil der Coulisse R, C² ist, wie
                              man sieht, ein gerader Hebelarm, dessen Ende C²
                              durch die Schubstange l³ mit dem Ring des
                              Rückwärtsexcenters in Verbindung steht. In der eigentlichen Coulisse R, C³ läßt sich nun der Gleitbalken K durch Heben oder Senken der Schubstange l², die um Q drehbar
                              ist, auf- oder abwärts schieben. Das Scharnier Q
                              befindet sich auf einem Arme F, der auf der
                              Schieberstange des Hauptschiebers befestigt ist, und zugleich die
                              Expansionsschieberstange als Führung umfaßt, so daß diese den schrägen Druck der
                              Schubstange l² aufnimmt. Es wird also der Punkt
                              Q mit dem Hauptschieber durch die Hauptcoulisse
                              bewegt, und diese Bewegung durch die Schubstange l² auch auf den Gleitbalken K der Coulisse
                              R, C³ übertragen.
                           Denkt man sich nun die Schubstange C² so weit
                              gesenkt, daß der Gleitbalken in das Mittel des Drehzapfens R der Expansionscoulisse zu stehen käme, so ist einleuchtend, daß dieser
                              und damit auch der Expansionsschieber die Bewegung des Hauptschiebers annehmen wird,
                              d.h. ersterer würde sich relativ auf dem Rücken des Hauptschiebers nicht bewegen,
                              also auch keinen Widerstand verursachen.
                           Bei vorliegender Construction der Coulisse geht dieß nun nicht ganz, allein es ist
                              leicht einzusehen, daß auch hier bei ganz gesenkter Schubstange die relative
                              Bewegung des Expansionsschiebers, in Folge der Einwirkung der
                              Rückwärtsexcenterstange l³ eine so geringe ist,
                              daß der dadurch entstehende Widerstand des Expansionsschiebers kaum zu
                              berücksichtigen ist. Man sieht hieraus aber noch ferner, daß bei ganz gesenkter
                              Schubstange der Expansionsschieber wegen seiner geringen, relativen Bewegung die
                              Durchlaßcanäle des Hauptschiebers nicht schließen kann, daß also bei dieser Stellung
                              keine Expansion durch den Expansionsschieber stattfindet.
                           Hebt man dagegen die Schubstange l², so wird der
                              Hub des Expansionsschiebers relativ gegen den Hauptschieber größer und wird in Folge
                              dessen die Canäle des Hauptschiebers schließen und so Expansion bewirken können.
                           Welche Stellungen nun die Schubstange l² bei
                              verschiedenen Expansionsgraden haben muß, welches ferner die Gränzen dieser
                              Expansionswirkung durch den zweiten Schieber sind, und die Bestimmung der
                              hauptsächlichsten Dimensionen der Steuerung, diese Fragen beantworten sich leicht
                              mit Hülfe des Diagrammes. Indem wir hinsichtlich der Dimensionengebung etc. auf die QuelleCivilingenieur. Neue Folge. V. Band. 6. Heft verweisen, sey nur noch erwähnt, welche Manipulationen der Locomotivführer
                              mit den beiden Steuerungshebeln L, M und L¹, M¹ (Fig. 24)
                              vornehmen muß.
                           Ist zunächst der Haupthebel L, M ganz nach vorn ausgelegt
                              und steht dabei der Expansionshebel L¹, M¹ beim Zahn 0, so ist also die Hauptcoulisse
                              ganz gesenkt, ebenso die Schubstange l³ in der
                              Expansionscoulisse. Die Maschine läuft vorwärts und zwar mit größter
                              Cylinderfüllung. Will man jetzt höher expandiren, so stellt man den Haupthebel L, M weiter zurück, hebt also die Hauptcoulisse. Um noch
                              höher expandiren zu können, läßt man den Haupthebel stehen und legt den
                              Expansionshebel vor. Wie man sieht, sind hier die Zähne gleich weggelassen, welche
                              den Stellungen der Schubstange in der Expansionscoulisse entsprochen hätten, bei
                              denen kein Schluß, oder wenigstens ein zu frühes Oeffnen der Durchlaßcanäle durch
                              den Expansionsschieber stattfand.
                           Der Zahn I entspricht somit der Schubstangenstellung, bei
                              der die niedrigste Expansionswirkung durch den Expansionsschieber stattfindet. Je
                              weiter wir nun den Expansionshebel vorlegen, desto höhere Expansion findet
                              statt.
                           Man kann übrigens noch etwas höher expandiren, wenn man bei dieser Stellung des
                              Expansionshebels den Haupthebel ganz auslegt. Man darf aber nicht den Haupthebel in
                              seiner äußersten Lage stehen lassen, wenn man den Expansionshebel wieder zurücklegt,
                              weil sonst, wenigstens beim Zahn I, doppelter
                              Dampfeintritt stattfinden würde.
                           Es ist deßhalb, um die Manipulation mit den beiden Hebeln nicht zu erschweren, am
                              einfachsten, wenn man den Haupthebel beim Zahn I stehen
                              läßt, sobald man mit dem Expansionshebel manipulirt, und umgekehrt den
                              Expansionshebel beim Zahn 0 stehen läßt, sobald man allein mit der Hauptcoulisse
                              expandiren will.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
