| Titel: | Versuche mit Gußstahl-Scheibenrädern des Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrication; mitgetheilt von Fr. Henckel, Civilingenieur in Cassel. | 
| Autor: | Friedrich Henckel | 
| Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. I., S. 1 | 
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                        I.
                        Versuche mit Gußstahl-Scheibenrädern des
                           Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrication; mitgetheilt
                           von Fr. Henckel, Civilingenieur
                           in Cassel.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Henckel, über Versuche mit Bochumer
                           Gußstahl-Schreibenrädern.
                        
                     
                        
                           In meiner früheren Mittheilung (polytechn. Journal Bd. CLVI S. 11) habe ich bemerkt, daß demnächst eine größere Reihe von
                              Versuchen mit Bochumer Gußstahlrädern im Vergleich mit Rädern aus anderem Material
                              angestellt werden soll. Diese Versuche fanden am 29. März d. J. auf der
                              Gußstahlhütte des Bochumer Vereins statt; sie wurden in officieller Weise von einer
                              aus 25 Mitgliedern bestehenden technischen Commission ausgeführt und darüber das
                              nachfolgende Protokoll aufgenommen:
                           Verhandelt auf der Hütte des Bochumer
                                 Vereins etc. am 29. März 1860.
                           
                              
                                 
                                 
                                    Anwesend die Herren:
                                    
                                 
                                 committirt:
                                 
                              
                                   1)
                                 Fromme, Regierungs- und Baurath
                                    – vom königl. Eisenbahn-Commissariat in Cöln.
                                 
                              
                                   2)
                                 Pilgrim, Landrath und königl.
                                    Commissär beim Bochumer Verein etc.
                                 
                              
                                   3)  4)
                                 Schwarzenberg, Geh.
                                    Regs.-Rath    und
                                    Directionsmitglied,Le Goullon,
                                    Maschinenmeister,
                                 
                                    
                                    
                                 committirt von der Direction der kurfürstl.Friedrich-Wilhelm Nordbahn in Cassel.
                                 
                              
                                   5)
                                 Obser, Ingenieur, committirt von der
                                    Direction der großherzoglich badischen
                                    Verkehrs-Anstalten    in
                                    Carlsruhe.
                                 
                              
                                   6)
                                 Schlu, vorm. k. k. Inspector, Vorstand
                                    des Zugförderungsdienstes, committirt von der
                                    Direction    der Kaiser Ferdinand Nordbahn
                                    in Wien.
                                 
                              
                                   7)  8)  9)10)11)
                                 Leopold, Betriebs-Director u.
                                    Baurath,Haehner, Baurath,Weidtmann, Obermaschinenmeister,Hesekiel, Bauinspector,Wruck, Oberwerkführer,
                                 
                                    
                                    
                                 commitirt von Seiten der Direction derCöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft.
                                 
                              
                                 12)13)
                                 Plange, Bauinspector u.
                                    Directionsmitgl.,Stambke,
                                    Maschinenmeister,
                                 
                                    
                                    
                                 committirt von der königl. Directionder
                                       bergisch-märkisch. Eisenbahn.
                                 
                              
                                 14)15)
                                 Hoffmann, Bauinspect. u.
                                    Directionsmitgl.,Dehnst,
                                    Maschinenmeister,
                                 
                                    
                                    
                                 committirt von der königl. Directionder
                                       Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn.
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 16)
                                 Leonhardi, Obermaschinenmeister,
                                    committirt von der Direction der Rheinischen
                                    Eisenbahn-Gesellschaft.
                                 
                              
                                 17)
                                 Haarmann, königl. Kreisbaumeister z u
                                    Bochum.
                                 
                              
                                 18)
                                 R. Daelen, Oberingenieur des Horder
                                    Bergwerks und Hütten-Vereins.
                                 
                              
                                 19)
                                 Beindorfl, Oberingenieur von der
                                    Gutehoffnungshütte zu Sterkrade.
                                 
                              
                                 20)
                                 Major v. Ottegraven von der Zeche
                                    Hannover.
                                 
                              
                                 21)
                                 W. Mulvany, Repräsentant der Zechen
                                    Hibernia und Shamrock.
                                 
                              
                                 22)
                                 J. Mulvany, Grubendirector der Zechen
                                    Hibernia und Shamrock.
                                 
                              
                                 23)
                                 John Joung, Grubendirector.
                                 
                              
                                 24)
                                 A. Péch, Grubendirector der
                                    Zeche ver: Präsident.
                                 
                              
                                 25)
                                 von der Becke, Bergmeister a. D.,
                                    Director des Harpener Bergbau-Vereins.
                                 
                              
                           Die Führung des Protokolles wurde den HHrn. etc. Obser und
                              etc. Haarmann, die unmittelbare Leitung der Versuche Hrn.
                              etc. Wruck übertragen.
                           Die vorstehend aufgeführten Herren waren auf Einladung des General-Directors
                              Baare auf der Hütte des Bochumer Vereins für Bergbau
                              und Gußstahlfabrication erschienen, um die Festigkeit von Rädern und Achsen zu
                              untersuchen.
                           Es wurden im Ganzen fünf Proben mit Rädern und Achsen angestellt und über den Versuch
                              eines jeden Paares ein besonderes Protokoll geführt.Die bei den Versuchen angewendete Schlag-Vorrichtung wurde schon in
                                    meiner früheren Mittheilung beschrieben.
                              
                           Die Versuche wurden in folgender Reihenfolge angestellt:
                           
                              1) Speichenrad mit gußeiserner Nabe, schmiedeeiserner Bandage,
                                 aufgezogen auf eine 5 1/4'' starke schmiedeeiserne Achse, der Fabrik zum
                                 Versuche übergeben durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn. – Die
                                 Elasticitätsgrenze wurde beim 7ten Schlage, und zwar aus 10' Fallhöhe
                                 überschritten.
                              2) Scheibenrad, mit angewalzter schmiedeeiserner Nabe,
                                 aufgenietetem Unterreifen, und Puddelstahl-Bandage, übergeben durch die
                                 Cöln-Mindener Eisenbahn. – Die Elasticitätsgrenze wurde beim 3ten
                                 Schlage, und zwar aus 3' Fallhöhe überschritten.
                              3) Gußstahl-Scheibenrad des Bochumer Vereins, nicht
                                 abgedreht, 748 Pfund wiegend, aufgezogen auf eine 4zöllige
                                 Gußstahl-Achse. Dasselbe hat 9 Schläge, und zwar den letzten aus 14'
                                 Fallhöhe erlitten, ohne eine bleibende Durchbiegung anzunehmen.
                              4) Gußstahl-Scheibenrad des Bochumer Vereins, unabgedreht,
                                 767 Pfd. wiegend, aufgezogen auf eine 4zöllige Gußstahl-Achse. Es wurden
                                 zunächst in früherer Weise 10 Schläge, von welchen der letzte aus 14' Fallhöhe,
                                 ertheilt und keine bleibende Durchbiegung erzielt. Bei diesen 10 Schlägen war
                                 die Achse frei liegend, und wurde deßhalb bei Fortsetzung des Versuchs, um die Schläge
                                 auf das Rad wirksamer zu machen, die Achse zunächst in der Mitte unterstützt und
                                 dem Rade sodann abermals 3 Schläge aus 14' Fallhöhe ertheilt. Auch jetzt wurde
                                 eine bleibende Durchbiegung des Rades nicht hervorgerufen. Zum Schluß wurde
                                 sodann, um die Intensität des Schlages noch zu vermehren, die Achse dicht an der
                                 Nabe des geschlagenen Rades unterstützt und zeigte sich auch nach wiederholten 3
                                 Schlägen aus derselben Fallhöhe nicht die geringste bleibende Durchbiegung,
                                 obwohl die Achse sich krumm bog. In Bezug auf die Achsen hat sich bei allen vier
                                 Versuchen eine bleibende Durchbiegung derselben gezeigt. 
                              
                           Da nun die beiden Gußstahlräder trotz der wiederholten Zahl von Schlägen unverändert
                              geblieben sind, so geht hieraus hervor, daß diese Räder im Vergleich zu den Achsen,
                              auf welche sie gezogen, weniger stark zu seyn brauchen. Die Commission war deßhalb
                              einstimmig der Ansicht, daß die jetzt angewandten Dimensionen der
                              Gußstahl-Scheibenräder noch erheblich vermindert werden könnten und alsdann
                              dennoch für den Eisenbahnbetrieb eine ganz vollständig ausreichende Festigkeit und
                              Sicherheit darbieten, auch wegen des geringeren Preises eine größere Anwendung
                              finden würden.
                           Die beiden geprüften Räder wurden schließlich von der Commission als die stärksten Räder einstimmig anerkannt, welche ihr bisher
                              bekannt geworden seyen.
                           Nachträglich wurde noch ein fünftes Rad geprüft, nämlich ein Speichenrad mit
                              gußeiserner Nabe und eiserner Bandage, aufgezogen auf eine 4 3/4 zöllige Achse,
                              übergeben durch die Direction der Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn. Die
                              Elasticitätsgrenze des Rades wurde nach 11 Schlägen, der letzte aus 14' Fallhöhe,
                              nicht erreicht. Bei näherer Revision ergab sich jedoch, daß die Bandage und Nabe um
                              1/4'' nach der Mitte zu verschoben war.
                           gez.: A. Schwarzenberg. Leopold.
                                 Hesekiel. Plange. Dehust. Hoffmann. Fromme. Leonhardi. C. M. Schlu. Stambke.
                                 Weidtmann. Haarmann. Pilgrim. A. Pech. R. Daelen. Haehner. J. Mulvany. W. T.
                                 Mulvany. John Joung. Obser. le Goullon von der Becke.
                                 Wruck.
                           
                           Speichenräder mit gußeisernen Naben und
                                 eisernen Bandagen, auf einer schmiedeeisernen Achse (Fig. 30).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 157, S. 4
                              Nummer der Schläge; Fallhöhe der
                                 Kugel (von 780 Pfd.) in Fußen; Ablenkungswinkel der Kugel in Graden;
                                 Durchbiegung des Rades in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze; bleibende
                                 Durchbiegung; Durchbiegung der Achse in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze
                                 bei A; B; C; D; E; bleibende Durchbiegung bei; A; B; C; D; E;
                              
                           paraph. zum Protokoll vom 29. März
                              1860.
                           gez.: Haarmann. Obser. 
                           Schmiedeeiserne Scheibenräder mit
                                 angewalzten Naben, aufgenieteten Unterreifen und Feinkorn-Bandagen, auf
                                 einer Gußstahl-Achse (Fig. 31).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 157, S. 4
                              Nummer der Schläge; Fallhöhe der
                                 Kugel (von 780 Pfd.) in Fußen; Ablenkungswinkel der Kugel in Graden;
                                 Durchbiegung des Rades in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze; bleibende
                                 Durchbiegung; Durchbiegung der Achse in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze
                                 bei A; B; C; D; E; bleibende Durchbiegung bei; A; B; C; D; E;
                              
                           paraph. zum Protokoll vom 29. März
                              1860.
                           gez.: Haarmann. Obser. 
                           
                           Gußstahl-Scheibenräder auf einer
                                 Gußstahl-Achse vom Bochumer Verein (Fig. 32).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 157, S. 5
                              Nummer der Schläge; Fallhöhe der
                                 Kugel (von 780 Pfd.) in Fußen; Ablenkungswinkel der Kugel in Graden;
                                 Durchbiegung des Rades in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze; bleibende
                                 Durchbiegung; Durchbiegung der Achse in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze
                                 bei A; B; C; D; E; bleibende Durchbiegung bei; Bemerkungen
                              
                           paraph. zum Protokoll vom 29. März
                              1860.
                           gez.: Haarmann. Obser. 
                           Gußstahl-Scheibenräder auf einer
                                 Gußstahl-Achse vom Bochumer Verein (Fig. 33).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 157, S. 5
                              Nummer der Schläge; Fallhöhe der
                                 Kugel (von 780 Pfd.) in Fußen; Ablenkungswinkel der Kugel in Graden;
                                 Durchbiegung des Rades in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze; bleibende
                                 Durchbiegung; Durchbiegung der Achse in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze
                                 bei A; B; C; D; E; bleibende Durchbiegung bei; Bemerkung
                              
                           paraph. zum Protokoll vom 29. März
                              1860.
                           gez.: Haarmann. Obser. 
                           
                           Speichenräder mit gußeisernen Naben und
                                 eisernen Bandagen, auf einer schmiedeeisernen Achse (Fig. 34).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 157, S. 6
                              Nummer der Schläge; Fallhöhe der
                                 Kugel (von 780 Pfd.) in Fußen; Ablenkungswinkel der Kugel in Graden;
                                 Durchbiegung des Rades in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze; bleibende
                                 Durchbiegung; Durchbiegung der Achse in Linien; innerhalb der Elasticitätsgrenze
                                 bei A; B; C; D; E; bleibende Durchbiegung bei; Bemerkung
                              
                           paraph. zum Protokoll vom 29. März
                              1860.
                           gez.: Haarmann. Obser.
                           Nach der Unterzeichnung dieses Protokolles wurde noch eine in Ringform gegossene und
                              ausgewalzte Gußstahl-Bandage einer Schlagprobe unterworfen. Dieselbe war auf
                              einen massiv gußeisernen Block von 32'' Durchmesser mit 1
                              1/2'' Spannung aufgezogen und erhielt von drei Schmieden zuerst mit 10, dann mit 15
                              und 20pfündigen Hämmern 300 kräftige Schläge auf eine
                              Stelle der Lauffläche und des Spurkranzes, ohne zu springen.
                           Endlich wurde noch die Scheibe eines früher zerschlagenen Gußstahlrades vorgelegt. An
                              der dünnsten Stelle 6''' stark, wurde davon eine Spitze abgeschlagen. Es bedurfte dazu etwa 100 kräftige
                              Schläge mit 15pfündigen Hämmern – ein Resultat, welches sämmtliche Anwesende,
                              trotz der vorhergegangenen Proben, in hohem Grade überraschte. Die abgeschlagene
                              Spitze empfing der Hr. Geheime Regierungsrath Schwarzenberg auf seinen Wunsch. Die Scheibe wurde dann unter einem
                              Dampfhammer zerschlagen, um auch den übrigen Mitgliedern der Commission Bruchstücke
                              davon übergeben zu können. Eines derselben wurde zu einem Stab von etwa 1'' Breite
                              und 1/4'' Dicke ausgeschmiedet und gehärtet, und zeigte in diesem Zustande einen
                              sehr feinkörnigen Bruch.
                           Dem von der Commission geäußerten Wunsche, durch eine etwas schwächere Construction
                              der Räder ihre allgemeine Einführung zu erleichtern, ist der Verein, ohne
                              Benachtheiligung der Qualität, auf das bereitwilligste nachgekommen, indem er sofort
                              einen Probesatz (zwei dreifüßige Räder mit einer 4zölligen Gußstahlachse) im Gewicht
                              von 1400 Pfd. zu einem auf den 10. April d. J. von der Direction der großherzoglich
                              badischen Verkehrs-Anstalten zu Carlsruhe ausgeschriebenen Submissionstermine
                              einsandte, worauf ihm die Lieferung von 200 Gußstahlrädern mit 100 Gußstahlachsen
                              für die großherzoglich badischen Bahnen übertragen wurde.
                           Nach den bereits vorliegenden Erfahrungen beträgt die Leistungsfähigkeit der
                              Lauffläche bei Gußstahl-Scheibenrädern mindestens das Dreifache gegen
                              Eisen- oder Puddelstahl-Bandagen, deren jedesmalige Erneuerung jetzt
                              durchschnittlich 65 Thlr. kostet. Hierdurch wird ein directer und bedeutender
                              finanzieller Nutzen im Betriebe erzielt. Die anderweiten Vortheile der
                              Gußstahlräder: Ersparniß an Selbsttransportkosten eines Mindergewichts von 2 bis 6
                              Ctr. per Satz – Wegfall aller Reparaturkosten und
                              ungestörte Betriebsfähigkeit, gewähren noch einen weiteren nicht unbedeutenden
                              Nutzen.
                           Die Bochumer Gußstahlräder sind zur Zeit die stärksten, sichersten und billigsten
                              Räder für Eisenbahnfahrzeuge und dürften daher bald eine ausgedehntere Anwendung
                              finden.
                           Der Bochumer Verein darf sich Glück wünschen, den Beweis geliefert zu haben, daß er
                              im Stande ist, seine Stahl-Façongüsse in solcher Qualität
                              herzustellen, daß dieselben auch unausgewalzt und ungeschmiedet eine Festigkeit,
                              Zähigkeit und Reinheit besitzen, welche sie zu Zwecken geeignet machen, die diese
                              Eigenschaften im höchsten Grade erfordern. Die Erfindung ist für den gesammten
                              Maschinenbau von außerordentlicher Wichtigkeit. Der Verein ist in der Lage, Maschinentheile jeder Größe und Schwere in
                                 Stahl-Façonguß ausführen zu können und hat diese ihm
                              eigenthümliche Erfindung bereits durch Anfertigung mannichfacher Stücke, als:
                              Dampfmaschinen- und Locomotivkurbeln, Dampfkolben, Lagerbüchsen, Walzen,
                              Zahnräder, hydraulische Preßcylinder etc., dem Maschinenbau nützlich gemacht.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
