| Titel: | Ein Indicator für Fällungsanalysen der Silberlösungen durch Chlorverbindungen und umgekehrt; von A. Lipowitz. | 
| Autor: | A. Lipowitz | 
| Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XVI., S. 63 | 
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                        XVI.
                        Ein Indicator für Fällungsanalysen der
                           Silberlösungen durch Chlorverbindungen und umgekehrt; von A. Lipowitz.
                        Lipowitz's Indicator für Fällungsanalysen der Silberlösungen durch
                           Chlorverbindungen und umgekehrt.
                        
                     
                        
                           Bei den Fällungsanalysen ist es schwierig oder umständlich, genau den Moment der
                              gegenseitigen Zersetzung zu beobachten, wenn nicht eine Indication durch einen
                              dritten Körper vorhanden ist. Dieser Fall tritt besonders beim Titriren von
                              Chlorverbindungen mit Silbersalzlösungen und umgekehrt hervor. Bekanntlich hat Dr. Fr. Mohr für neutrale
                              Flüssigkeiten mit bestem Erfolg das einfach- chromsaure Kali als Indicator
                              eingeführt (siehe Mohr's Titrirmethode II. Abtheilung S.
                              13); da aber in den meisten Fällen saure, gewöhnlich Salpetersäure haltige Lösungen
                              zur Untersuchung kommen, so bietet sich für Anwendung dieser Methode in der Praxis
                              selten Gelegenheit. Bei einer Arbeit hatte ich saure Flüssigkeiten auf ihre darin
                              befindlichen Chlorverbindungen oft hintereinander zu prüfen und letztere quantitativ
                              zu bestimmen, und wurde gezwungen, wollte ich nicht viele Zeit verlieren, mir einen
                              geeigneten Indicator zu suchen.
                           Zufällig war ich mit Untersuchung der Payen'schen Stärke
                              beschäftigt, welche bekanntlich durch Maceration von gewöhnlicher Stärke mit
                              Kupferoxydammoniak und nachheriges Auswaschen hergestellt wird, als ich fand, daß
                              aus dieser Stärke bereitete blaue Jodstärke welche auf Leinwand getragen und
                              getrocknet war, sich durch Silberlösungen, welche nur Spuren von Silber enthielten,
                              auch wenn sie sehr saure waren, entfärbten.
                           Dieß führte mich nach weiteren Versuchen zu den nachstehenden Ergebnissen.
                           Alle Silbersalze, welche sich in einer sauren oder neutralen Lösung befinden,
                              entfärben sofort die blaue Jodstärke, und man kann diese Entfärbung noch deutlich
                              bei einer Lösung wahrnehmen, welche nur 1/15000 Silber enthält. Versetzt man
                              dieselbe mit Kochsalzlösung oder Salzsäure, so hört die Zersetzung, resp. Entfärbung der blauen
                              Jodstärke sofort auf, sobald die letzte Spur Silber in Chlorsilber übergeführt
                              ist.
                           Zur besseren Wahrnehmung dieser Reactionen hatte ich im Anfange Papier mit Jodstärke
                              hellkornblumenblau gefärbt, und wendete es getrocknet
                              an. Ich fand aber, daß feine ausgewaschene Leinwand oder weißer von aller Schlichte
                              befreiter Shirting besser als Papier ist.
                           Ich stelle mir diese Jodstärkeleinen in der Art dar, daß
                              ich Weizenstärke zu Kleister verkoche und nach dem Durchdrücken durch ein geeignetes
                              Seihtuch streiche ich damit die vorher sowohl mit Säure als alkalischer Lauge
                              behandelten Leinen, welche zuletzt sorgfältig in Wasser ausgewaschen und getrocknet
                              sind, gleichförmig an. Nach dem Trocknen bringe ich die Leinwand in eine durch
                              Auflösen von Jod und Jodkalium in Wasser bereitete Lösung, wobei sie sich tief blau
                              färbt, und wasche sie dann so lange, am Anfange mit schwach Chlorwasserstoff
                              haltigem Wasser, aus, bis sich die gewünschte oben angegebene Farbennüance zeigt.
                              Dann werden die Leinen an der Luft getrocknet und in einem Glase, vor Licht
                              geschützt, aufbewahrt.
                           Ich bemerke hierzu noch, daß es nicht nöthig ist die nach Payen's Methode behandelte Stärke zu verwenden, da sich auch die
                              angegebene Jodstärke noch nach Monaten unverändert in der Farbe zeigt. Ein
                              sorgfältiges Auswaschen der Leinen vor ihrer Färbung ist deßhalb gut, weil sonst
                              viele Stellen derselben dunkler gefärbt bleiben.
                           Wenn ich die Jodstärkeleinen als Indicator verwende, so bewerkstellige ich es in der
                              Art, daß ich aus der Bürette wie gewöhnlich entweder die Silbernitratlösung oder die
                              Chlornatriumlösung in die zu untersuchende Flüssigkeit zulasse, und nach dem
                              Umrühren von den Jodleinen kleine quadratische Stücke von etwa 1 Zentimeter Größe
                              mit dem Rührstabe auf die getrübte Flüssigkeit bringe, und nach dem Durchnässen an
                              die Seitenwand des Glases drücke. Entfärbt sich binnen einer halben Minute die
                              Leinwand, so ist wenigstens 1/5000 Silber in der Lösung, tritt die Entfärbung erst
                              binnen einer Minute ein, so ist höchstens 1/10000 Silber gelöst vorhanden, und
                              dieselbe setzt noch länger aus, wenn weniger darin vorhanden ist. Bei Gegenwart von
                              1/10000 Silber in der Lösung findet zwar eine dem Auge sichtbare Opalisirung der
                              Flüssigkeit auf Zusatz einer Kochsalzlösung statt, eine wahrnehmbare Klärung, d.h.
                              Absatz des Chlorsilbers, dauert jedoch unendlich lange.
                           Wer diese Methode prüft, wird sich sehr bald von ihrem praktischen Werth überzeugen.
                              Wie weit dieselbe auch in Münzen Beachtung finden dürfte, wird erst die Zukunft
                              lehren. Vielleicht lassen sich dadurch alle bisherigen umständlichen Einrichtungen
                              ersparen, sowie auch die Beobachtungen der täglichen Temperaturunterschiede und dgl. fortfallen.
                              Bei einiger Uebung kann man schnell hintereinander mehrere Silberproben beendigen,
                              ohne vorher auch nur annähernd den Gehalt der Lösungen an Silber zu kennen. Ich
                              suchte auch alle Nebenverhältnisse kennen zu lernen, welche die Reaction trüben oder
                              ihren Werth beeinträchtigen können, und führe dieselben nachstehend an.
                           Alle mit Wasser verdünnten Mineralsäuren, wie Schwefel-, Chrom-,
                              Arsenik-, arsenige, Chlorwasserstoff-, Borax- und
                              Salpetersäure, deßgleichen die gewöhnlichen organischen Säuren, ändern selbst bei
                              starker Concentration der Lösung die Farbe der Jodstärke nicht, oder doch erst nach
                              längerer Zeit. Es ist selbstverständlich, daß freies Chlor, chlorigsaure
                              Verbindungen und dgl. auszuschließen sind, da sie mit Jod Chlorjod bilden, und
                              sofort die Jodstärkefarbe aufheben. Alkalien und alkalische Erden in caustischem
                              oder kohlensaurem Zustande entfärben je nach ihrer Verdünnung in kürzerer oder
                              längerer Zeit die Jodstärke; im neutralen oder sauren Zustande bleiben die Lösungen
                              derselben jedoch für lange Zeit unwirksam.
                           Von den Metallsalzen sind es allein die löslichen Quecksilbersalze, welche, wie das
                              Silbersalz, die Jodstärke gleich schnell entfärben; alle übrigen Salze und Lösungen
                              der Metalle äußern in den ersten Minuten fast keine entfärbende Wirkung auf die
                              Jodstärke. Ich führe dieselben der Reihe nach an, wie sie in ihrem
                              Entfärbungsvermögen immer mehr abnehmen: Silber, Quecksilber, ferner Gold und Platin
                              in concentrirten Lösungen besitzen das größte Vermögen die Jodstärke zu zersetzen,
                              dann folgen Antimon, Blei, Zinn, Eisen, Kobalt, Nickel, Zink, Kupfer und Wismuth.
                              Man wird sonach in allen sauren nicht zu concentrirten Auflösungen, welche frei von
                              Quecksilber sind, mit dem besten Erfolg beim Titriren derselben die
                              Jodstärkeleinwand anwenden können, um die beendete Zersetzung zwischen
                              Chlorverbindungen und Silbersalzen nachzuweisen. Die Versuche erfordern nicht mehr
                              Zeit, als wie wenn man alkalimetrisch oder acidimetrisch einen Stoff mit
                              Lackmuspapier prüft.