| Titel: | Zur Theorie der Ackerwalze; von Professor Dr. Segnitz. | 
| Autor: | Segnitz | 
| Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XXIII., S. 98 | 
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                        XXIII.
                        Zur Theorie der Ackerwalze; von Professor Dr.
                           Segnitz.
                        Mit einer Abbildung.
                        Segnitz, zur Theorie der Ackerwalze.
                        
                     
                        
                           Die gewöhnliche Ackerwalze, bestehend aus einem hohlen
                              oder massiven Cylinder, welcher dazu dient, auf dem Felde vorhandene Erdklöße zu
                              zerkleinern, sowie den allzusehr gelockerten Boden wieder etwas festzudrücken und zu
                              ebnen, ist gewiß ein sehr einfaches Geräth; demungeachtet scheint es an sicheren
                              Anhaltspunkten, um die Zweckmäßigkeit seiner Construction zu beurtheilen, noch sehr
                              zu fehlen. So hört und liest man häufig die Behauptung, daß die hohlen Walzen vor den massiven
                              einen unbedingten Vorzug verdienen, weil – für Beide gleiches Gewicht und
                              gleiche Länge vorausgesetzt – die durch die wälzende Reibung verursachten
                              Widerstände im umgekehrten Verhältniß der Durchmesser stehen. Die Theorie der Fuhrwerke ist jedoch wohl nicht so ohne
                              Weiteres auf den vorliegenden Gegenstand anwendbar, indem es sich dabei um
                              wesentlich verschiedene Aufgaben handelt. Durch das Fuhrwerk soll eine gegebene Last
                              meist in nahezu horizontaler Richtung mit dem möglich kleinsten Aufwand von Zugkraft
                              transportirt werden, während es bei der Walze darauf ankommt, einen bestimmten Druck
                              auf den Boden auszuüben. In Betreff der Transportgeräthschaften ist es bekanntlich
                              vortheilhaft, die Zugkraft nicht in ganz horizontaler, sondern etwas aufsteigender
                              Richtung wirken zu lassen, wodurch der Druck auf die Unterlage und somit der
                              Reibungswiderstand vermindert wird. Wollte man dasselbe Verfahren auf die Walze
                              anwenden, so würde man zwar auch noch eine Ersparniß an Zugkraft erzielen,
                              gleichzeitig aber den beabsichtigten Effect in einem diesen Vortheil überwiegenden
                              Grade beeinträchtigen.
                           Denken wir uns einen vollkommen starren Cylinder auf einer horizontalen Ebene von
                              derselben Beschaffenheit ruhend, so würde die Berührung zwischen Beiden in einer
                              geraden Linie stattfinden, und letztere einen dem Gewicht des Cylinders gleichen,
                              also von seinem Durchmesser unabhängigen Druck erleiden. In dem unserer
                              gegenwärtigen Betrachtung vorliegenden Falle ist zwar die Gestaltveränderung der Walze auch noch so gering,
                              daß sie unbedenklich vernachlässigt werden kann, die Zusammendrückung der Unterlage
                              dagegen eine sehr merkliche. In Folge der weichen Beschaffenheit des Bodens wird,
                              wie leicht vorauszusehen, unter übrigens gleichen Umständen die Walze mit dem
                              kleinern Durchmesser tiefer einsinken, diejenige mit dem größern Durchmesser aber
                              eine breitere Stützfläche erhalten und deßhalb auf jedes gleich große Element der
                              letzteren einen geringeren Druck ausüben. Daß, wie sich hieraus ergibt, die Walzen
                              von kleinerem Durchmesser eine im Verhältniß zu ihrem Gewicht größere Wirkung
                              hervorbringen, ist von den Engländern bereits bemerkt wordenMan sehe: Loudon, Encyclopaedia of agriculture,
                                    5th edition p. 417; sowie: J.
                                    Slight
                                    and R. Scott
                                    Burn, the book of
                                       farm implements and machines, Edinburgh and London 1858, p. 260., während man bei uns allgemein das Gegentheil behauptet. Eine einigermaßen
                              gründliche Untersuchung dieser Frage ist mir noch nirgends vorgekommen; ich glaube,
                              daß dieselbe in folgender Weise anzustellen ist.
                           Hinter der arbeitenden Walze wird sich der Boden um ein Stück
                            = a
                           zusammengedrückt haben, dessen Verhältniß zum Halbmesser AC in Wirklichkeit natürlich ein viel kleineres
                              seyn wird, als es in der beigefügten Figur der Deutlichkeit wegen dargestellt worden
                              ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 157, S. 98
                              
                           Diese Zusammendrückung (a) kann
                              als das Maaß der von der Walze ausgeübten Wirkung angesehen werden. Ferner nehme ich
                              an, daß der normale Druck gegen das Oberflächen-Element in M der bereits erfolgten verticalen Zusammendrückung NM proportional sey. Nennen wir außerdem:
                           b die Länge der Walze,
                           r den Halbmesser derselben,
                           q ihr Gewicht,
                           φ den Winkel, welchen der Halbmesser CM mit dem Loth CA einschließt;
                           β den größten Werth, welchen der veränderliche
                              Winkel φ erreicht, oder den Winkel ACB in der beigefügten Figur;
                           c eine von der Bodenbeschaffenheit abhängige Constante,
                              und
                           
                           p die zur Fortbewegung der Walze, oder genauer: die zur
                              Ueberwindung der sogenannten wälzenden Reibung erforderliche horizontale
                              Zugkraft,
                           so haben wir zuvörderst die dem Flächenelement brd
                              φ in M entsprechende
                              Zusammendrückung:
                            = r (cos φ – cos β)
                           und den daraus hervorgehenden normalen Druck:
                            = bcr² (cos φ – cos β) dφ.
                           Die Summe der lothrechten
                              Componenten dieser normalen Drücke muß offenbar dem Gewicht der Walze gleich seyn;
                              es ergibt sich somit dieses Gewicht:
                           (1)Textabbildung Bd. 157, S. 99
                           oder auch, da β stets nur
                              ein sehr kleiner Winkel seyn wird, näherungsweise:
                           (2)        q = 1/3 bcr² β³.
                           Der in der vorhergehenden Formel vorkommende Ausdruck br² (β – sin β cos β) bezeichnet den kubis. Inhalt
                              des Eindruckes, welchen eine auf den weichen Boden gelegte Walze von derselben
                              Gestalt hervorbringen würde, indem sie bis zur Tiefe a
                              einsänke; damit dieß jedoch vermöge ihres eigenen Gewichtes geschehen könnte, müßte
                              letzteres verdoppelt, d.h. gleich 2q angenommen
                              werden.
                           Die gesuchte horizontale Zugkraft ist gleich der Summe der horizontalen Componenten jener normalen Drücke, also:
                           (3)Textabbildung Bd. 157, S. 99
                           oder auch, da wir die Zusammendrückung
                            = r (1 – cos β)
                           bereits durch den Buchstaben a
                              bezeichnet haben,
                           (4)        p = 1/2 a²bc.
                           Man erkennt hieraus, daß die Kraft p von dem Halbmesser
                              der Walze unabhängig ist; vergrößern wir letzteren, indem wir ein specifisch
                              leichteres Material wählen, oder die Walze hohl machen, so muß, wenn derselbe Effect wie vorher
                              erreicht werden soll, das Gewicht der Walze so weit vermehrt werden, daß die
                              Ersparniß an Zugkraft wieder verschwindet. Für dieses Gewicht erhält man nämlich,
                              indem man mit Hülfe der Relation
                           a = 1/2 r
                                 β² 
                           den Winkel β aus der
                              Gleichung (2) eliminirt,
                           (5) Textabbildung Bd. 157, S. 100
                           oder: die zu Erzielung desselben Effectes nöthigen Gewichte
                              verschiedener Walzen verhalten sich bei gleicher Länge wie die Quadratwurzeln aus
                              den Halbmessern.
                           Bei dem Transport durch Räderfuhrwerke auf weichem Boden
                              würde dagegen die Formel
                           (6) Textabbildung Bd. 157, S. 100
                           maaßgebend seyn, welche sich aus der Verbindung der
                              Gleichungen (2) und (3) ergibt. Es läßt sich daraus die praktische Regel ableiten,
                              daß es unter solchen Umständen vortheilhaft sey, eine bedeutende Felgenbreite (b), sowie einen großen Raddurchmesser (2r) in Anwendung zu bringen, und daß der Centner Nutzlast die geringste Zugkraft erfordert, wenn die Ladung
                                 dreimal soviel wiegt als der Wagen.
                           Das Vorstehende bezieht sich lediglich auf den durch die sogenannte wälzende Reibung verursachten Widerstand. Die Achsenreibung wird durch Vergrößerung des Halbmessers r entschieden vermindert; dieser Theil des bei der
                              Fortbewegung der Ackerwalze zu überwindenden
                              Gesammtwiderstandes ist jedoch wohl zu unbedeutend, als daß ein großes Gewicht
                              darauf gelegt werden könnte.
                           Was endlich die Richtung der Zuglinie anlangt, so geht
                              dieselbe bei der gewöhnlichen Einrichtung durch die Achse der Walze; innerhalb der
                              in der Praxis vorkommenden Grenzen des Walzendurchmessers wird sich dabei diese
                              Richtung um so mehr der Horizontalen nähern, je größer wir den Durchmesser wählen.
                              Insofern nun allerdings die horizontale Richtung der Zugkraft hier die
                              vortheilhafteste ist, könnte dieser Umstand zu Gunsten der hohlen Walzen mit großem
                              Durchmesser geltend gemacht werden. Es läßt sich jedoch auch bei den massiven Walzen
                              mit kleinerem Durchmesser eine horizontale Zuglinie leicht herstellen, indem man
                              einen Rahmen mit Kasten über der Walze anbringt, an welchem die Gabeldeichsel
                              befestigt wird, und welcher noch mit Steinen beschwert werden kann, so daß man mit
                              Hülfe desselben Geräthes nach Belieben einen stärkeren oder schwächeren Druck auf
                              den Boden hervorzubringen im Stande ist.
                           Das Resultat der obigen Untersuchung ist somit, daß den hohlen Walzen mit großem
                              Durchmesser allerdings ein paar kleine Nebenvortheile zur Seite stehen; soll aber
                              ein gegebener Druck auf den Boden ausgeübt werden, so ist die zur Ueberwindung des
                              Hauptwiderstandes erforderliche horizontale Zugkraft völlig unabhängig von dem
                              Durchmesser der Walze, indem bei seiner Vergrößerung auch das Gewicht der Walze in
                              solchem Grade vermehrt werden muß, daß der Bedarf an Zugkraft derselbe bleibt.