| Titel: | Ueber elektrische Beleuchtung; vom Professor Heeren. | 
| Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XXVIII., S. 113 | 
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                        XXVIII.
                        Ueber elektrische Beleuchtung; vom Professor
                           Heeren.
                        Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
                              1860 S. 79.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Heeren, über elektrische Beleuchtung.
                        
                     
                        
                           Das prachtvolle, sonnenähnliche Licht, welches die Entladung kräftiger elektrischer
                              Ströme zwischen Kohlenspitzen hervorbringt, mußte schon längst die Idee hervorrufen,
                              dasselbe als Beleuchtungsmittel in den Kreis der Bedürfnisse des gemeinen Lebens zu
                              ziehen. Leider hat sich dieses eben so interessante wie hochwichtige Problem bis
                              jetzt allen angestrengten Bemühungen aufs hartnäckigste widersetzt. Daß schon häufig
                              bei besonderen Veranlassungen, sey es zur Verherrlichung von Freudenfesten, sey es
                              zur Erzielung eines zauberischen Effectes im Theater, sey es zur Beleuchtung während
                              der Nacht bei höchst eiligen Bauten, z.B. dem Bau des Louvre, mittelst colossaler
                              galvanischer Batterien die elektrische Entladung als grandioses Beleuchtungsmittel
                              herangezogen wurde, ist bekannt genug, wie denn auch die Idee, es unter dem Namen
                              „Siderallicht“ zur Städtebeleuchtung zu benutzen, in Paris
                              auftauchte. Man wollte auf einzelnen thurmartigen Gebäuden große Batterien
                              aufstellen, um so durch eine, verhältnißmäßig kleine Anzahl elektrischer Lichter die
                              Beleuchtung der Stadt zu verrichten. Eine nähere Prüfung dieses Projectes zeigt aber
                              sogleich die völlige Unzweckmäßigkeit, da ja nur diejenigen Straßen, welche radial
                              von den Beleuchtungsthürmen auslaufen, der Länge nach beleuchtet, alle übrigen aber
                              durch die Gebäude beschattet im tiefsten Dunkel bleiben, dagegen die Dächer der
                              Häuser hell beleuchtet werden würden. Selbst in den radial auslaufenden Straßen
                              würde die Lichtstärke nach dem bekannten Gesetz der Optik im quadratischen
                              Verhältniß der Entfernung abnehmen; es würde eine unerträglich grelle, aus tief
                              dunkelen Schlagschatten und taghellen Lichtern wechselnde Beleuchtung entstehen.
                           
                           Dieser Idee einer kleineren Zahl starker Beleuchtungspunkte würde unbedingt die
                              Anordnung einer großen Zahl verhältnißmäßig schwächerer Lichter vorzuziehen seyn,
                              weil sie eine mehr gleichmäßige Beleuchtung gewährt; aber leider treffen wir hier
                              auf eine fast unüberwindliche Schwierigkeit. Soll man für jedes einzelne Licht eine
                              besondere Batterie anstellen und überwachen? Unmöglich. Also mehrere, ja eine
                              möglichst große Anzahl elektrischer Lichter von einer einzigen starken Batterie
                              bedient. Auch dieses System scheitert an unübersteiglichen Schwierigkeiten. Gesetzt,
                              man wollte den Strom einer Batterie auf mehrere Lichter, z.B. 10 derselben, in der
                              Art vertheilen, daß er sich in 10 einzelne Ströme verzweigte, deren jeder ein Licht
                              unterhielte, so ist klar, daß eine solche gleichmäßige Theilung in 10 einzelne
                              gleich starke Ströme auf der Voraussetzung beruht, daß die 10 Leitungen genau
                              gleichen Widerstand darbieten. Da dieß wegen der ohnehin sehr schwierigen Regulirung
                              der Kohlenspitzen praktisch zu den Unmöglichkeiten gehört, so würde sich der Strom
                              sehr ungleich vertheilen und, je nach der Entfernung der Kohlenspitzen, bald auf
                              dieses, bald auf jenes Licht werfen, folglich ein beständiges unerträgliches
                              Schwanken der Helligkeit bedingen. Oder, man wollte einen und denselben Strom
                              ungetheilt an 10 Punkten zwischen Kohlenspitzen übergehen lassen. Auch diese
                              Anordnung setzt die unerfüllbare Bedingung voraus, daß sich sämmtliche Kohlenspitzen
                              in genau gleicher und der Lichtentwickelung möglichst günstiger Entfernung befinden,
                              indem, wenn irgend eines der Kohlenpaare durch zufällige Störung in zu große
                              Entfernung geriethe, der Strom gänzlich unterbrochen werden würde und sämmtliche
                              Lichter verlöschen müßten. Schon die unabweisbare Nothwendigkeit bei jedem Lichte eine Vorrichtung zur Regulirung der Kohlen
                              anzubringen, würde der elektrischen Beleuchtung eine fast unerträgliche Last
                              aufbürden.
                           Nachdem also die zahlreichen Versuche, von dem elektrischen Lichte für die
                              gewöhnlichen Zwecke des gemeinen Lebens Vortheil zu ziehen, für jetzt als
                              gescheitert angesehen werden konnten, ist dagegen neuerdings die Idee, dieses
                              prachtvolle Licht durch Anwendung auf Leuchtthürmen der Schifffahrt nutzbar zu
                              machen, in England zur Ausführung gekommen, und zwar in der Art, daß der elektrische
                              Strom nicht durch eine Batterie, sondern durch eine magnet-elektrische
                              Rotationsmaschine hervorgebracht wird. Seit fast einem Jahre wird die Beleuchtung
                              auf dem Leuchtthurme zu South-Foreland unweit Dover in dieser Art bewirkt und
                              hat sich bisher als vollkommen zweckentsprechend erwiesen.
                           Da meines Wissens eine ausführliche Beschreibung des Apparates noch nicht
                              veröffentlicht ist, so gebe ich im Folgenden eine Beschreibung und Zeichnung, letztere nach
                              einem höchst mangelhaften Holzschnitt in der Illustrated
                                 London News vom 22. October 1859, erstere theils nach demselben Werke,
                              theils nach mündlichen Mittheilungen des Hrn. Telegraphen-Inspectors Frischen in Hannover, welcher den Leuchtthurm zu
                              besichtigen Gelegenheit gehabt hat.
                           Fig. 24 und
                              25 zeigen
                              die Rotationsmaschine in zwei, rechtwinkelig gegen einander genommenen Ansichten.
                              Ein starkes Gerüst a, a trägt mittelst der Arme b, b die messingenen ringförmigen Scheiben c, c, an welchen im Kreise herum 22 starke Stahlmagnete
                              d, d in Hufeisenform, jeder aus 6 Lamellen
                              bestehend, so befestigt sind, daß sie ihre Enden nach Außen zukehren. Da, wie aus
                              Fig. 25
                              ersichtlich, drei Reihen solcher Magnete vorhanden sind, so enthält mithin der ganze
                              Apparat 66 Magnete, oder 396 einzelne Lamellen. Der Durchmesser des ganzen Apparates
                              beträgt 6 bis 7 Fuß. Die Magnete sind so angeordnet, daß sowohl die einer und
                              derselben Scheibe angehörigen, als auch die Magnete der mittleren Scheibe denen der
                              beiden äußeren die ungleichnamigen Pole zukehren. Zwischen den drei festliegenden
                              Systemen der Magnete drehen sich zwei Ringe e, e, die
                              durch Speichen f, f auf einer Welle sitzen, welche in
                              den Lagern m, m sich dreht. Diese Ringe e, e enthalten die in der Zeichnung nur von den Enden
                              sichtbaren cylindrischen Eisenkerne, um welche mit Seide besponnene Kupferdrähte die
                              zur Entwickelung des Stromes dienenden Spiralen bilden. Da diese Eisenkerne quer
                              durch die Ringe e, e hindurchgehen und eine solche Länge
                              besitzen, daß sie mit ihren Enden bis nahe an die Pole der Magnete reichen, so
                              werden sie beim Umgange der Maschine in stets wechselnder Richtung magnetisch und
                              erzeugen in den Drahtspiralen aus bekannten Gründen elektrische Inductionsströme.
                              Die Enden der Drähte laufen zur Seite und stehen ganz wie bei gewöhnlichen
                              magnet-elektrischen Rotationsmaschinen mit zwei Rollen g und h in Verbindung, an welche sich zur
                              Weiterleitung des Stromes die kleineren Rollen i und k anlegen. Die Drehung der Maschine geschieht durch eine
                              kleine Dampfmaschine l von fünf Pferdekräften. Eine
                              Geschwindigkeit von etwa 85 Drehungen in der Minute hat sich als völlig genügend
                              herausgestellt. Für den Fall einer möglichen Störung sind zwei vollständige Apparate
                              mit Dampfmaschine, Dampfkessel und allem Zubehör vorhanden; sie befinden sich in
                              kleinen Gebäuden neben dem Leuchtthurme, in welchem die Drahtleitungen von dickem
                              Kupferdraht hinauflaufen. Zur Erzeugung des Lichtes dienen Stangen von
                              hartgebrannter Kohle, etwa 10 Zoll lang und 1/4 Zoll im Quadrat haltend, welche in
                              verticaler Stellung mittelst einer Regulirung in der geeigneten geringen Entfernung
                              von einander gehalten werden. Diese Regulirung mittelst eines Uhrwerks mit Arretirung
                              stimmt im Wesentlichen mit den zu demselben Zwecke dienenden, längst bekannten
                              Vorrichtungen überein. Die 10zölligen Kohlen halten etwa 3 Stunden aus, wo sie dann
                              verbrannt sind und durch neue ersetzt werden. Um diese Auswechselung möglichst
                              schnell ausführen zu können, befinden sich auf verticalen Schienen die die Kohlen
                              tragenden Schlitten und zwar sind solcher Schlittensysteme drei hinter einander, so
                              daß, wenn die Kohlen des obersten verbrannt sind, man nach seiner Entfernung sofort
                              das nächste mit frischen Kohlen versehene System an seine Stelle bringen kann. Ueber
                              die Art der Combination der Drahtspiralen liegen Angaben nicht vor.
                           Der Leuchtthurm nebst den Nebengebäuden steht auf einer sehr hohen Klippe in St.
                              Margarets Bay, und da die Herbeischaffung des nöthigen Wassers für die Dampfmaschine
                              Weitläufigkeiten herbeiführen würde, so hat man die sämmtlichen Pfeiler der Gebäude
                              aus hohl gegossenem Eisen verfertigt, in welche man den verbrauchten Dampf der
                              Maschine leitet, um ihn als destillirtes Wasser wieder zu gewinnen und immer wieder
                              benutzen zu können.
                           Die Wirkung des so erzielten elektrischen Lichtes wird als eine so ausgezeichnete
                              geschildert, daß sie bereits zu Irrungen Veranlassung gegeben hat, indem die
                              Seeleute beim Anblick eines so hellen Lichtes sich in der Entfernung täuschten und
                              sich der Küste näher glaubten, als sie es waren. Hierin liegt jedoch eher ein Lob
                              als ein Tadel, auch werden die Seeleute bald die richtige Taxirung der Entfernung
                              lernen. Das Licht ist so stark, daß es von hohen Punkten der französischen Küste aus
                              gesehen werden kann.
                           Die Construction der Maschine, welche übrigens nur als eine Abänderung der längst
                              bekannten Ettingshausen'schen Rotationsmaschine zu
                              betrachten ist, rührt von dem Engländer Professor Holmes
                              (Firma: Holmes
                              and
                              Warner, engineers,
                                 Northfleet) her, welcher an der Spitze einer Actien-Gesellschaft die
                              Anlage ausgeführt, neuerdings auch, Zeitungsnachrichten zufolge, die neue
                              Westminster Brücke durch zwei ähnliche elektrische Lichter beleuchten soll.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
